Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS): Eine umfassende Betrachtung

Epidemiologische Studien zeigen, dass die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), international bekannt als PTSD (Posttraumatic Stress Disorder), ein nicht zu vernachlässigendes Problem darstellt. Die deutsche Abkürzung lautet PTBS.

Schwere seelische Verletzungen werden in der Medizin und der Psychologie als Traumata bezeichnet. Einer PTBS gehen definitionsgemäss ein oder mehrere belastende Ereignisse von aussergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalem Ausmass (Trauma) voran. Dabei muss die Bedrohung nicht unbedingt die eigene Person betreffen, sondern sie kann auch bei anderen erlebt werden (z. B. wenn man Zeuge eines schweren Unfalls oder einer Gewalttat wird).

Die PTBS tritt in der Regel innerhalb von einem halben Jahr nach dem traumatischen Ereignis auf und geht mit unterschiedlichen psychischen und psychosomatischen Symptomen einher. Körpersymptome, sogenannte posttraumatische Belastungsstörungen wie Schwindel, Kopfschmerzen oder Überempfindlichkeit bestimmen den Alltag. Sie können sich nicht mehr richtig erholen.

Was ist ein Trauma?

Der Begriff Trauma kommt aus dem Griechischen und bedeutet Wunde oder Verletzung. In der Psychologie bezeichnet es eine schwere psychische Erschütterung, die durch sehr unterschiedliche Erlebnisse hervorgerufen werden kann. Wir sprechen von einem psychischen Trauma, wenn eine Person mit einem bedrohlichen oder als bedrohlich erlebten Ereignis konfrontiert ist und es ihre individuellen Möglichkeiten übersteigt, das Erleben zu verarbeiten. Es gibt viele potenziell traumatisierende Ereignisse wie Naturkatastrophen, Unfälle, Krieg und Folter, sexualisierte und physische Gewalt oder mitzuerleben, wie ein Mensch gewaltsam stirbt.

Ursachen und Auslöser

Sexuelle Übergriffe, Verkehrsunfälle, Kampfhandlungen, Naturkatastrophen oder kriminelle Straftaten sind leider keine Seltenheit. Ein traumatisches Erlebnis (Naturkatastrophen, Krieg, Unfall, Erleben schwerer Schmerzen, schwere Krankheit, Geiselnahme, Bedrohung, Übergriffe, Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt, etc.) muss nicht zwingend eine posttraumatische Belastungsstörung (Abkürzung PTBS; Englisch PTSD) zur Folge haben, die gemäss ICD-10 und DSM-V eine psychische Erkrankung darstellt. Ein Ereignis kann auch dann traumatisch erlebt werden, wenn es nicht die eigene Person betrifft. So kann beispielsweise auch das Miterleben eines Unfalls als Zeuge, als traumatisch erlebt werden und später eine PTBS zu Folge haben.

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Mit einem Trauma sind also nicht schwierige Lebenssituationen wie Trennung oder Stellenverlust gemeint, sondern Ereignisse, bei denen die körperliche Unversehrtheit oder gar das Leben auf dem Spiel stehen. Traumatische Erfahrungen können sehr kurz dauern - wie etwa bei einem Verkehrsunfall oder einem Überfall - oder sich über viele Jahre erstrecken, beispielsweise bei sexuellem Missbrauch oder politischer Haft und Folter. Nicht nur die unmittelbar Betroffenen solcher Erlebnisse können Symptome einer PTSD entwickeln, sondern auch Augenzeugen, nahe Angehörige oder Menschen, die beruflich immer wieder mit Traumata konfrontiert sind, z.B. Kriegsfotografen, Mitarbeitende von Blaulichtorganisationen oder Notfallseelsorger. Bei uns in Mitteleuropa sind traumatische Erfahrungen vergleichsweise selten, dennoch wird statistisch gesehen etwa die Hälfte von uns mindestens einmal im Leben von einem Trauma betroffen.

Symptome der PTBS

Bei fast allen Traumatisierten treten im unmittelbaren Anschluss an das Trauma Symptome wie ungewollte belastende Erinnerungen, Vermeidung traumarelevanter Stimuli oder Schreckhaftigkeit auf. Betroffene leiden häufig unter wiederkehrenden, verstörenden Erinnerungen. Sie handeln und fühlen, als würde das Ereignis erneut passieren, das heisst, sie haben sogenannte Flashbacks: Wenn sie durch ein Geräusch, einen Geruch oder ein Körpergefühl etwa an eine Vergewaltigung erinnert werden, verspüren sie intensiven Stress. Das innere Wiedererleben der traumatischen Situation kann sich in Form unangenehmer Erinnerungen oder Albträumen äussern. Dabei handelt es sich nicht nur um Bilder oder den „inneren Film“, oft sind damit auch Geruchs-, Geräusch- oder Körpererinnerungen verbunden. Gleichzeitig können damit auch Gedanken und Gefühle der traumatischen Situation aktiviert werden, etwa die Todesangst.

Menschen mit PTBS vermeiden Gedanken und Situationen, häufig auch Orte, Aktivitäten und Menschen, die Erinnerungen an das Ereignis auslösen könnten, und ziehen sich entsprechend zurück. Sie erleben eine deutliche Beeinträchtigung ihrer Stimmung und ihres Denkens. Neben der einfachen PTBS gibt es auch die komplexe PTBS. Menschen mit komplexer PTBS leiden neben den oben erwähnten Symptomen zusätzlich an einer bedeutsamen Störung der Emotionsregulation und des Selbstbilds.

Wiedererlebenssymptome können ausgelöst, „getriggert“ werden durch Situationen, welche Ähnlichkeit mit dem traumatischen Ereignis aufweisen. Diese Trigger sind manchmal offensichtlich, beispielweise ein schussähnlicher Knall oder eine dunkle Strasse, manchmal aber auch sehr subtil und schwer erkennbar, etwa der diskrete Geruch eines Aftershaves.

In einer Bedrohungssituation wird das vegetative Nervensystem stark aktiviert. Dies entspricht einer biologischen Schutzreaktion: Körper und Geist werden maximal aktiviert, um die Überlebenschancen zu verbessern. Typisch für eine Posttraumatische Belastungsstörung ist, dass die Betroffenen auch nach Beendigung der traumatischen Situation in diesem Aktivierungszustand verharren oder im Rahmen des Wiedererlebens immer wieder hineinversetzt werden. Vegetative Übererregbarkeit äussert sich in Anspannung, Schreckhaftigkeit oder auch einem Gefühl ständiger Bedrohung. Körper und Psyche bleiben in einer Art Alarmzustand gefangen. Damit können auch Reizbarkeit, Nervosität, Impulsivität, Schlaf- und Konzentrationsstörungen einhergehen.

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Wiedererleben und vegetative Übererregbarkeit können sehr belastend sein. Entsprechend versuchen die meisten Betroffenen - teils bewusst, teils unbewusst - Situationen in ihrem Alltag zu vermeiden, durch welche Erinnerungen an das traumatische Ereignis ausgelöst oder verstärkt werden können. Nach einem Verkehrsunfall wird möglicherweise das Autofahren oder die öffentlichen Verkehrsmittel gemieden. Nach politischer Haft geht man vielleicht nicht mehr in den dunklen, feuchten Keller oder vermeidet den Kontakt mit Menschen in Uniformen. Gerade bei zwischenmenschlichen Traumatisierungen besteht oft eine Tendenz zu generellem sozialem Rückzug und Misstrauen.

Solche Vermeidungsstrategien sind verständlich und können kurzfristig auch zu einer Entlastung beitragen. Sie können aber längerfristig zu starken Beeinträchtigungen im Alltag führen.

Traumatische Ereignisse liegen ausserhalb unserer Alltagserfahrung. Ohnmacht und existentielle Bedrohung einer traumatischen Situation widersprechen unserem mehr oder weniger ausgeprägten Gefühl von Sicherheit, Kompetenz und Bewältigbarkeit, welches uns üblicherweise durchs Leben geleitet. Entsprechend führen traumatische Erfahrungen oft zu Erschütterungen unseres Welt- und Menschenbildes wie auch der Vorstellungen über uns selbst. Verunsicherung, Angst, Misstrauen, Wut, Verbitterung, Pessimismus, aber auch Ekel, Scham- und Schuldgefühle können die Folge sein.

Diagnose

Falls Sie sich zu einer Abklärung entschliessen, werden wir Ihnen zwar Fragen zu Ihren Symptomen, deren Ursache und Ihrem Lebenshintergrund stellen, Sie werden aber zu nichts gedrängt und können selbst entscheiden, was Sie berichten möchten. Gerade bei zwischenmenschlichen Traumata benötigt der Vertrauensaufbau Zeit, und besonders schwierige Aspekte können oft erst im Verlauf offengelegt werden. Da die posttraumatische Belastungsstörung nicht die einzige mögliche Folge traumatischer Erfahrungen ist, werden wir im Abklärungsgespräch auch auf andere Krankheitsbilder zu sprechen kommen, etwa eine Depression, eine Angststörung oder ein Burn-out, die gemeinsam mit einer PTSD oder auch für sich alleine auftreten können. Auch der Konsum von Beruhigungsmitteln, Alkohol oder Drogen findet sich oft im Sinne einer Selbstbehandlung, um etwas zur Ruhe zu kommen oder weniger Angst zu haben, und wir werden uns deshalb danach erkundigen.

Behandlungsmethoden

Mit entsprechender therapeutischer Hilfe kann eine Posttraumatische Belastungsstörung häufig gut bearbeitet und überwunden werden. Wichtig ist daher, bei entsprechendem Verdacht frühzeitig professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Je länger die Symptome unbehandelt bleiben, desto höher ist das Risiko einer Chronifizierung, desto schwerwiegender sind die Auswirkungen auf Ihren Alltag und Ihr Umfeld und desto grösser wird der Behandlungsaufwand, um eine Symptomverbesserung zu erzielen.

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EMDR-Therapie

EMDR ist die Abkürzung für «Eye Movement Desensitization and Reprocessing» und bedeutet zu Deutsch «Augenbewegungs-Desensibilisierung und Neuverarbeitung». Es ist eine Behandlungsmethode, die erst Ende der 80er Jahre von Francine Shapiro in den USA entwickelt wurde. Ziel der EMDR-Therapie ist die Verarbeitung von traumatischen Erlebnissen. Das menschliche Gehirn verfügt über natürliche Verarbeitungsmechanismen. Diese können durch sehr belastende Ereignisse , wie beispielsweise Unfälle, Verlust einer nahstehenden Person, selbst- oder miterlebte Gewalt und Übergriffe oder Naturkatastrophen, ins Stocken geraten.

Dabei folgt der Patient mit den Augen den Fingern des Therapeuten. Die Finger werden währenddessen schnell und rhythmisch nach links und rechts bewegt. Durch die Augenbewegung wird die gleichzeitige Aktivierung beider Gehirnhälften ermöglicht, der Informationsfluss zwischen unbewussten und bewussten Hirnarealen wieder hergestellt und die korrekte Verarbeitung von Erlebnissen angeregt. Die Behandlung findet meist im Sitzen, alternativ auch im Stehen und in jedem Fall bei vollem Bewusstsein statt.

Auch wenn viele noch nie etwas von dieser Methode gehört haben, gilt die "Eye Movement Desensitization and Reprocessing" Therapie als eine der effektivsten Methoden zur Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen und den damit einhergehenden emotionalen Belastungen. Inzwischen wird EMDR Therapie nicht nur in der Behandlung von Traumata und in der Psychotherapie, sondern auch in angrenzenden Bereichen mit Erfolg eingesetzt.

Somatic Experiencing (SE)

Bei der Methode Somatic Experiencing genannt "SE" wird unter anderem mit dem sogenannten SIBAM-System gearbeitet. Das Akronym steht für: Empfindung (Sensation), Bilder (Images), Verhaltensweisen (Behaviour), Auswirkungen (Affects), Bedeutung/Glaubenssätze (Meaning). Diese Elemente bilden zusammen die Gestalt unserer Erfahrung. Jeder Mensch bildet seine Erfahrungen unterschiedlich. Während bei manchen eher Bilder hochsteigen, werden andere eher von den Empfindungen überflutet. Im SE arbeiten wir mit den SIBAM-Elementen.

In Somatic-Experiencing-Sitzungen wird anhand von Körperempfindungen und über den verbalen Austausch belastenden Erlebnissen auf die Spur gegangen. Es wird im Gespräch darauf geachtet, wie der Körper auf das Gesagte reagiert. In kleinen Dosierungen werden schwierige Erlebnisse aus der Vergangenheit neu verhandelt. Auf der Basis von gut funktionierenden Ressourcen, die bewusst gepflegt werden, erfolgt die Annäherung an diese Episoden. Es wird unterschieden zwischen körperlichem und psychischem Trauma. Beide sind verursacht durch eine verletzende oder verwundende Einwirkung von aussen.

Wir geben im Gespräch und in kleinen Dosierungen den Körpersymptomen Raum und ermöglichen die Entladung der an das Ereignis gebundenen Energie. Oft ist es einfach so: wir unterhalten uns und beziehen die Körperreaktionen in das Gespräch ein, folgen den Körperempfindungen und schauen, was als Nächstes passiert.

Als Therapeutin gebe ich den Klientinnen und Klienten Orientierung und vermittle erklärend, damit sie sich, ihren Körper und die Situation, in der sie sich befinden, besser verstehen lernen. Die psychischen- und physischen Elemente, die durch die Traumatisierung "entstellt" wurden, können sich dadurch wieder verbinden und "begreiflich" gemacht werden.

Resilienz

Der Begriff Vulnerabilität beschreibt die Anfälligkeit eines Menschen, psychisch zu erkranken. Sogenannt resiliente Menschen hingegen haben die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne dauerhafte Beeinträchtigung zu überstehen. Der Begriff Resilienz stammt ursprünglich aus der Materialforschung, in der man nach flexibel belastbarem Material sucht, das auch nach starker Einwirkung durch Druck, Hitze oder Reibung wieder in seinen Ursprungszustand zurückfindet. Resilienz bezeichnet also eigentlich die Toleranz eines Systems gegenüber Störungen. Übertragen auf menschliches Erleben beschreibt es die Fähigkeit eines Menschen, sich trotz störenden Einflüssen und der Konfrontation mit unterschiedlichen Stressoren anzupassen und wieder zu erholen.

Übertragen auf menschliches Erleben beschreibt es die Fähigkeit eines Menschen, sich trotz störenden Einflüssen und der Konfrontation mit unterschiedlichen Stressoren anzupassen und wieder zu erholen. Ich denke nicht, dass aus einem eher vulnerablen und sensiblen Menschen je ein harter Knochen werden wird und werden sollte. Aber Menschen können durchaus lernen, mit sich selbst besser in Kontakt zu sein, sich selbst besser zu unterstützen und Möglichkeiten zu eigener Einflussnahme besser wahrzunehmen und sozial kompetenter zu nutzen. Sie erfahren dabei, dass sie Schwierigkeiten gut und aus eigener Kraft meistern können.

Posttraumatisches Wachstum

Posttraumatisches Wachstum bedeutet, dass Menschen nach einer tiefgreifenden Krise langfristig zufriedener und stärker werden können. Gemäss einer Studie von George Bonanno an der Columbia-Universität sind positive Traumafolgen nicht die Ausnahme, sondern die Regel.

Posttraumatische Verbitterungsstörung (PTED)

Verbitterung ist also vermutlich kein eindimensionales Konstrukt, sondern gleicht vielmehr einem «State of Mind», also einem charakteristischen und möglicherweise andauernden Zustand, der geprägt ist von äusserst starken Emotionen und Kognitionen, die um ein extrem verletzendes, kränkendes Ereignis kreisen. Man müsste hier von einem Zustand sprechen, der wie die klassische Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) geprägt ist von intrusiven Gedanken und Bildern sowie durch ein fortwährendes Ruminieren, also durch ein endloses gedankliches «Wiederkäuen». Im Gegensatz zur PTBS ist das Erleben aber nicht von Angst und Terror geprägt, sondern durchsetzt von Ärger und Enttäuschung durch mächtige andere.

Auslöser dafür sind keine plötzlichen Ereignisse, sondern es ist die Erfahrung, hintergangen worden zu sein, also zum Beispiel trotz äusserster Anstrengung im Beruf die Erfahrung zu machen, dass jemand, der weniger qualifiziert ist, vorgezogen und befördert wird und man selbst um den Arbeitsplatz fürchten muss.

Wer durch ein externes Ereignis verbittert und belastet ist, sucht die Wiedergutmachung, die Kompensation, die Genugtuung, um sich zu erleichtern. Dass ein posttraumatisch verbitterter Mensch von sich aus eine Therapie anfängt, ist deshalb eher selten.

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