Die Situation rund um das Coronavirus stellt uns alle vor grosse Herausforderungen - jeden Mensch als Individuum und die Gesellschaft als Ganzes. Angesichts von Isolation und vermehrtem Rückzug aus dem sozialen Leben und konfrontiert mit Arbeitsplatzunsicherheit, finanziellen Sorgen und Existenzängsten steht auch die psychische Gesundheit unter starker Belastung.
Das Coronavirus sorgt für belastende Situationen, die auch für die psychische Gesundheit eine Gefahr sein können. Das Meiden von Kontakten, die soziale Isolation oder gar eine verordnete Quarantäne können eine starke psychische Belastung darstellen, ebenso der Wegfall der Tagesstruktur. Auch die wirtschaftlichen Folgen der Krise können sich auf die Psyche auswirken.
Die finanzielle Unsicherheit sowie die Angst vor einem Verlust der Arbeitsstelle oder der Existenzgrundlage können seelische Probleme nach sich ziehen. Betroffen sind dabei längst nicht nur Personen, die bereits unter einer psychischen Erkrankung leiden, sondern auch Menschen, die sich psychisch gesund glauben. Dabei kann die Psyche auf ein aussergewöhnliches Belastungsereignis nicht mehr effektiv reagieren, zuvor wirksame Bewältigungsstrategien reichen nicht mehr aus.
Verarbeitungsmechanismen brechen zusammen, was zu Angststörungen, Depressionen oder einem Burnout-Syndrom führen kann. Für Menschen, bei denen bereits eine Depression oder eine Angststörung diagnostiziert wurde, kann die Ausnahmesituation in kürzester Zeit zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen.
Gerade aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise könnte auch die Suizidrate merklich ansteigen. Isolation, Existenzängste, Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit oder Insolvenzen können als Trigger wirken, eine bestehende Depression verstärken und das Suizidrisiko bei Betroffenen erhöhen. Gemäss einer Studie aus dem Jahr 2015 (W. Kawohl, C. Nordt) steht jeder fünfte Suizid in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit.
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Nicht nur das fehlende Einkommen und die erschwerte finanzielle Lage sorgt diesbezüglich für Verzweiflung. Wenn jemand seine Stelle verliert, fehlt es im Alltag häufig an Sinn und Struktur, die soziale Stellung erscheint beeinträchtigt.
Durch die unsichere aussenpolitische Lage, das schwache wirtschaftliche Wachstum und die von Präsident Trump angekündigten Zölle haben aktuell viele Schweizer Unternehmen Kurzarbeit eingeführt. Doch was bedeutet Kurzarbeit genau? Führt ein Unternehmen Kurzarbeit ein, reduzieren Angestellte vorübergehend ihr Pensum oder werden sogar ganz freigestellt. Dabei erhalten sie trotzdem 80% ihres Lohnes und der Arbeitsvertrag bleibt bestehen.
Die aktuelle Krise in der Industrie hat viele Firmen dazu gebracht, 2024 Kurzarbeit einzuführen. Einige haben schon die maximale Bezugsdauer erreicht. Ohne eine Anpassung dieser Regelung drohen Entlassungen - mit der Folge, dass wertvolles Know-how verloren gehen könnte, das bei einer späteren wirtschaftlichen Erholung dringend benötigt wird. Doch mit der neuen freien Zeit, der fehlenden Routine und der Unsicherheit der wirtschaftlich schwierigen Lage muss man umgehen können. Die psychischen Folgen der Kurzarbeit sind nicht zu unterschätzen.
Auswirkungen der Kurzarbeit auf die psychische Gesundheit
Kurzarbeit beeinflusst die Work-Life-Balance massgeblich. Einerseits entsteht mehr Zeit für Familie und persönliche Interessen. Anderseits kann ein Gefühl von sozialer Isolation entstehen, wenn Arbeitsroutinen wegfallen und weniger Interaktionen mit Kolleg*innen stattfinden. Wer viel Zeit hat, hat auch viel Zeit zum Denken. Wenn möglich, sollte die freie Zeit sinnvoll genutzt werden - zum Beispiel mit einer berufsrelevanten Weiterbildung.
Soziale Kontakte bewusst zu pflegen, hilft besonders in herausfordernden Zeiten, im Alltag aktiv zu bleiben und nicht zu vereinsamen. So können Treffen unter Arbeitskolleg*innen auch ausserhalb des Arbeitsumfelds bereichernd sein. Wie wäre es mit einem regelmässigen gemeinsamen Treffen zum Kaffee oder zum Spaziergang?
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Arbeitsplatzsicherheit vs. So kann Kurzarbeit eine Alternative zu Entlassungen sein und die Arbeitsplatzsicherheit vorübergehend gewährleisten. Dies kann den Stress und die Angst vor Arbeitslosigkeit verringern. Trotzdem bleiben die Sorgen und der finanzielle Druck auf die Arbeitnehmenden, wenn sich eine wirtschaftliche Besserung nicht abzeichnet.
Die Wirtschaftskrise hat neben finanziellen auch eine enorme psychische Belastung mit sich gebracht. Das zeigt eine repräsentative Befragung unter 500 Menschen. «Sechs von zehn Menschen belastet die Wirtschaftskrise», berichtet die Meinungsforscherin Sophie Karmasin. Jeden Sechsten ordneten die Studienautoren der Gruppe der «Ängstlichen» zu, die ausser von Zukunftsangst häufig auch von Schlafstörungen, Gereiztheit, Niedergeschlagenheit und Ruhelosigkeit geplagt sind.
Eine ähnlich grosse Gruppe wurde als «Machtlose» bezeichnet. Die so Bezeichneten sehen sich von der Krise in eine passive Rolle gedrängt und verspüren statt Wut oder Aggression nur mehr die eigene Ohnmacht. Ein TeufelskreisAls «deutliche Warnhinweise» wertet Ulla Konrad, Präsidentin des österreichischen Psychologenverbands die Ergebnisse. Besonders wenn Gefühle wie Ohnmacht und Angst aufkommen leide der Selbstwert und Menschen würden sich weniger trauen, bei gesundheitlichen Problemen in Krankenstand zu gehen. Das begünstige die Entstehung eines Burnout-Syndroms, das häufig sogar das Ende eines Arbeitsverhältnisses nach sich ziehe.
Eine weitere Erhebung widmete sich speziell den Menschen, die infolge der Krise ihre Arbeit verloren oder zu Kurzarbeit verpflichtet wurden. Typische Freizeitaktivitäten nehmen zwar bei einigen dank der vermehrten freien Zeit zu, doch schränken viele Hobbys, Sport und Urlaub aufgrund finanzieller Überlegungen ein und verringern auch die sozialen Kontakte.
Krise äussert sich individuellBesondere Vorsicht fordert Konrad für die Kommunikation der Nachricht, dass die Krise bereits überwunden sei. «Wenn die Botschaft der Erholung der Banken auch viele aufatmen lässt, darf die weiter steigende Arbeitslosigkeit nicht übersehen werden.
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Massnahmen zur Prävention psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz
Arbeitsausfälle sind für die Geschäftstätigkeit der Unternehmen eine grosse Belastung. Das Problem der psychischen Gesundheit betrifft immer mehr Arbeitgeber. Während sich 2022 noch 41% der befragten Firmen als "gar nicht betroffen" ansahen, waren es 2023 nur noch 36%. Die Umfrage, an der 301 KMU mit mehr als fünf Mitarbeitenden in der Westschweiz und der Deutschschweiz teilnahmen, kam zu dem Ergebnis, dass die Häufigkeit der psychisch bedingten Arbeitsausfälle offenbar zunimmt.
Knapp ein Viertel (24%) der befragten KMU erklären, sie hätten in den fünf Jahren vor der Umfrage einen Anstieg dieser Art von Absenzen festgestellt, während es ein Jahr zuvor weniger als ein Fünftel (17%) waren. Andererseits beobachten 22% von ihnen, dass sich das Problem abschwächt.
Längere Ausfälle von Beschäftigten können für den Betrieb des Unternehmens verheerende Folgen haben. Um dagegen vorzugehen, ergreifen die Arbeitgebenden Massnahmen, um dem Entstehen psychischer Krankheiten vorzubeugen.
In der heutigen hektischen Welt sind Stress und Konflikte am Arbeitsplatz häufig, ja sogar unvermeidbar geworden. Oft wird die Technologie dafür verantwortlich gemacht: Die Digitalisierung zwingt uns, schnell, überall und zu jeder Zeit zu arbeiten. Diese zunehmende Digitalisierung kann aber auch zu unserem Vorteil genutzt werden, mit einem ganz anderen Ziel.
Genau das wollten Angestellte Schweiz, WorkMed AG, Kuble - House of Intelligence AG und Apps with Love mit der Einführung der Web-App «Etwastun?!» im Jahr 2022 erreichen, die Tools und theoretische Informationen zum Thema Burnout-Prävention bietet. Die Plattform, die sich nun mehrere Jahre erfolgreich etabliert hat, wurde um «Ella» erweitert, einen KI-Avatar.
Seit ihrer Einführung im Jahr 2022 hat «Etwastun?!» als Plattform zur Unterstützung von Menschen bei beruflichen Herausforderungen an Bekanntheit gewonnen. Mit «Ella» macht die Plattform einen weiteren Schritt in Richtung Zukunft. «Ella» ist über die App «Etwastun?!» zugänglich und das Ergebnis einer ehrgeizigen interdisziplinären Zusammenarbeit.
Die App basiert auf der langjährigen Erfahrung der Psycholog*innen und Arbeitspsycholog*innen von WorkMed AG, einem Kompetenzzentrum, das sich sowohl auf die Prävention psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz als auch auf die Integration betroffener Personen in den Arbeitsmarkt spezialisiert hat. So greift sie bei ihren Interaktionen auf eine umfassende Datenbank mit Infos, praktischen Übungen und Fallstudien zurück. Ausserdem gibt sie dir Tipps für passende Übungen, die du direkt auf «Etwastun?!» machen kannst.
Nach den neuesten Zahlen sind 57 % der Arbeitsunfähigkeiten aufgrund psychischer Probleme auf Konflikte am Arbeitsplatz zurückzuführen. Die Kosten psychischer Erkrankungen in unserer Gesellschaft sind sowohl direkt (Arztkosten, Medikamente usw.) als auch indirekt (Fehlzeiten, Arbeitsausfälle und Produktivitätsverluste). Während die direkten Kosten leicht zu beziffern sind, bleiben die indirekten Kosten abstrakt.
In jedem Umfeld können Konfliktsituationen oder plötzlich ungewöhnlich hohe Arbeitsbelastungen auftreten. Und in einer Gesellschaft, in der man immer leistungsfähig und effizient sein muss, kann es schwierig sein, Probleme zu erkennen, sie in Worte zu fassen und damit auch Hilfe zu suchen. Hier hat «Ella» den Vorteil, dass sie jederzeit und völlig anonym erreichbar ist. Als neutrale Ansprechpartnerin bietet sie kostenlose und diskrete Beratung.
Der Avatar, der von Kuble - House of Intelligence AG, einem Unternehmen für digitale Transformation und künstliche Intelligenz, entwickelt wurde, soll keine Fachleute für psychische Gesundheit ersetzen. Mit «Ella» eröffnen Angestellte Schweiz, WorkMed AG und Kuble AG eine neue Art, mit psychischer Gesundheit am Arbeitsplatz umzugehen. Ob es um Stressprävention oder die Förderung des Dialogs geht, diese kostenlose und leicht zugängliche Innovation soll eine zusätzliche Ressource für Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen sein.
Psychische Gesundheit beginnt mit guter Führung
Achtsamkeits-Apps und Mental-Health-Workshops sind für viele Firmen ein Muss. Doch für die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden sind gute Arbeitsbedingungen entscheidender.
Wenn Arbeitgeber in die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeitenden investieren, ist das grundsätzlich erfreulich - und meist auch im ureigenen Interesse. Denn wer Belastungen abbaut und Betroffene unterstützt, reduziert Ausfälle, senkt die Fluktuation und steigert langfristig die Leistungsfähigkeit der Teams. ABB, Galenica und andere Konzerne haben diesbezüglich denn auch neue Initiativen lanciert, wie eine Recherche dieser Redaktion zeigte.
Doch bevor Führungskräfte mit Mindfulness-Apps hausieren oder Kurse gegen Stress lancieren, sollten sie zuerst ihrer unternehmerischen Verantwortung und Fürsorgepflicht nachkommen: ein gesundes Arbeitsumfeld schaffen, klare Führungsstrukturen etablieren, eine respektvolle Unternehmenskultur pflegen, in der Angestellte ihr Potenzial entfalten und ihre Integrität geschützt ist. Sind diese Bedingungen erfüllt, haben viele psychische Probleme weniger Nährboden.
Denn oft liegt der Ursprung psychischer Belastungen in der Arbeitsrealität selbst: in starren Prozessen, dysfunktionaler Führung oder chronischer Überlastung. Zahlreiche Erhebungen zeigen Handlungsbedarf - etwa die letzte Gesundheitsbefragung des Bundes: Demnach ist der Anteil der Personen, die sich bei der Arbeit gestresst fühlen, in den letzten zehn Jahren von 18 auf 23 Prozent gestiegen.
Zwar lohnt sich die Förderung der psychischen Gesundheit für Firmen nicht nur zur Leistungssteigerung, sondern auch, um sich als aufgeschlossene Arbeitgeber zu positionieren. Doch solche Programme dürfen kein Ersatz für unternehmerische Verantwortung sein. Es wäre zynisch, wenn Trainings zur psychischen Gesundheit vor allem dazu dienten, ein toxisches Klima erträglicher zu machen.
Wer den Stress wegatmet, wird nicht unbedingt einfühlsamerDenn Studien zeigen: Wer sich mit Mindfulness- und anderen Übungen intensiv auf sich selbst fokussiert, lernt, Stresslevels zu senken und externe Störfaktoren auszublenden, der kann zwar konzentrierter arbeiten - verliert aber mitunter auch Empathie. Und wer Konflikte gut loslassen oder wegatmen kann, hinterfragt womöglich die Arbeitsbedingungen weniger oder verliert die Bedürfnisse der Kolleginnen aus den Augen. Das mag für Unternehmen kurzfristig bequem sein, doch langfristig untergräbt es den sozialen Kitt am Arbeitsplatz.
Auf die psychische Gesundheit zu achten, wird besser vorgelebt als verordnetMental-Health-Initiativen sollten zudem von Führungskräften getragen werden - wie etwa bei ABB - statt nur von der HR-Abteilung empfohlen. Das wirkt glaubwürdiger und signalisiert, dass auch auf der Chefetage verstanden wurde: Psychische Gesundheit zu fördern, ist Teil guter Führung.
Hilfsangebote
Lassen Sie sich helfen! Für Betroffene, aber auch für Freunde, Familienmitglieder oder Arbeitgeber ist im Moment eine erhöhte Wachsamkeit vonnöten. Dann zögern Sie nicht - lassen Sie sich helfen! Wenden Sie sich an Ihren Hausarzt, Ihren Psychologen oder eine andere Fachperson. Natürlich können Sie auch unsere Experten in der Privatklinik Aadorf kontaktieren.
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