Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) bei psychischen Störungen: Ein Überblick

Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist ein therapeutischer Ansatz, der bei der Behandlung verschiedener psychischer Störungen eingesetzt wird. Sie hat sich seit den 1960er Jahren aus einer Gegenbewegung zum Behaviorismus entwickelt.

Grundlagen der Kognitiven Verhaltenstherapie

Im Mittelpunkt der kognitiven Therapieverfahren stehen Einstellungen, Gedanken, Bewertungen und Überzeugungen. Die kognitiven Therapieverfahren gehen davon aus, dass unsere Denkprozesse bestimmen, wie wir uns fühlen und verhalten und auch wie wir körperlich reagieren. Die kognitive Therapie stellt somit die aktive Gestaltung des Wahrnehmungsprozesses in den Vordergrund, weil die subjektive Sicht der Betroffenen über das Verhalten entscheidet.

Als Begründer kognitiver Therapien gelten Aaron T. Beck (geb. 1921) und Albert Ellis (1913-2007). Die kognitive Therapie geht auf Aaron T. Beck zurück und bezieht sich in erster Linie auf seine Theorie der Entstehung und Aufrechterhaltung der Depression.

Die Kognitive Triade nach Beck

Gemäss Beck ist das Denken von Depressiven durch negative Schemata gekennzeichnet. Negative Gedankeninhalte (Negative kognitive Triade): Diese Gedankeninhalte betreffen das Selbst, die Welt und die Zukunft.

Kognitive Schemata

Kognitive Schemata ordnen und organisieren die Aufnahme und die Verarbeitung von Informationen aus der Umwelt und wirken wie Filter, die selektiv bestimmte Aspekte unserer Erfahrung hervorheben oder unterdrücken, je nach Grundüberzeugungen des Individuums (Petermann et al., 2011). Diese Überzeugungen gehen so weit, dass die Betroffenen denken, sie seien unfähig, erfolgreich und glücklich zu sein. Sie neigen dazu, sich zu unterschätzen und zu kritisieren. Mit dem Konzept der kognitiven Schemata wird erklärt, warum ein depressiver Patient trotz objektiver Belege für positive Faktoren in seinem Leben seine schmerzverursachende und selbstverletzende Haltung beibehält. Schemata sind hier stabile kognitive Verarbeitungsmuster, die sich in der Kindheit und Jugend herausgebildet haben. Sie können für längere Zeit inaktiv sein, aber durch bestimmte Umweltereignisse (z.B. Selektive Abstraktion: Überbewertung oder Ignorieren von bestimmten Einzelfakten, unabhängig vom Kontext.

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Automatische vs. kontrollierte Prozesse: Eine der Grundannahmen der kognitiven Psychologie ist, dass die Kapazitäten zur Verarbeitung von Informationen begrenzt sind. Automatische Prozesse beinhalten Operationen, die wenig Kapazität erfordern und deshalb parallel abgewickelt werden können. Der Ablauf ist unflexibel und stereotyp, nicht bewusst, und in der Regel schnell. Kontrollierte Prozesse beinhalten Operationen, die viel Aufmerksamkeitskapazität erfordern und deshalb nur seriell verlaufen können. Aufgrund der begrenzten Kapazität kann es bei gleichzeitigem Ablauf mehrerer Operationen zu Interferenzen kommen. Sie sind eher bewusst und stehen unter volitionaler Kontrolle. Beck und Clark (1997) haben diese Unterscheidung in ihrem Modell der automatischen vs. kontrollierten (oder strategischen) Verarbeitungsprozesse bei emotionalen Störungen aufgegriffen.

Anwendungsbereiche der Kognitiven Verhaltenstherapie

VT kann ein sehr hilfreiches Instrument sein - entweder allein oder in Kombination mit anderen Therapien - bei der Behandlung von psychischen Störungen wie Depressionen, posttraumatischen Belastungsstörungen oder Essstörungen. Aber nicht jeder, der von VT profitiert, hat eine psychische Erkrankung.

Die Verhaltenstherapie gilt als erfolgreiches Behandlungskonzept für viele psychische Störungen. Wenn die Diagnose einer psychischen Störung vorliegt, übernehmen die Krankenkassen die Kosten der Verhaltenstherapie.

Die KVT wird häufig bei folgenden Störungen eingesetzt:

  • Angst- und Panikstörungen (inklusive Phobien & soziale Unsicherheit)
  • Zwangsstörungen
  • Depressive Störungen
  • Schlafstörungen
  • Aufmerksamkeitsstörungen (ADS / ADHS)
  • Essstörungen (Magersucht, Bulimie, Binge-Eating-Disorder, Adipositas)

Angst- und Panikstörungen

Angst gehört zu den basalen Emotionen des Menschen. Ängste sind in gewissen Situationen normal und sogar überlebenswichtig, indem sie den Menschen auf reale Gefahren aufmerksam machen. Wenn Ängste jedoch inadäquat sind und auch in eigentlich ungefährlichen Situationen unverhältnismässig stark oder lange auftreten, sollten sie psychotherapeutisch behandelt werden.

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Zwangsstörungen

Hauptmerkmale einer Zwangsstörung sind die immer wiederkehrenden Zwangsgedanken und / oder Zwangshandlungen. Das Chronifizierungsrisiko von Zwangsstörungen, die nicht behandelt werden, ist gross. Mindestens ein Drittel aller Zwangsstörungen beginnt im Kindes- und Jugendalter.

Depressive Störungen

Enttäuschungen, Trauer, seelischer Schmerz und Stimmungsschwankungen sind normale Gefühlsreaktionen und gehören (ebenso wie Freude) zum menschlichen Leben und stellen nichts Krankhaftes dar. Ein eigentliches depressives Leiden verändert in tiefgreifender Weise den gesamten Menschen: Seine Gefühle, sein Denken und Verhalten sowie die körperlichen Funktionen bis hin zum Stoffwechsel.

In der Depression erlischt die Fähigkeit zum Erleben von Freude, das Denken wird grüblerisch-kreisend (und in schweren Fällen auch suizidal gefärbt) und oft selbstanklagend. An die Stelle von Traurigkeit treten innere Leere, Gefühllosigkeit, Entscheidungsunfähigkeit und nach aussen lähmende Handlungsunfähigkeit. Depressive Störungen treten nicht nur im Erwachsenenalter auf. Die Existenz depressiver Störungen im Kindes- und Jugendalter war lange Zeit umstritten. Heute kann als gesichert gelten, dass auch Kinder und Jugendliche depressiv erkranken können.

Bei mittelschweren und schweren Depressionen ist eine Therapie unerlässlich, unabhängig vom Alter des Betroffenen. Mittels kognitiv-verhaltenstherapeutischen Methoden können gute Behandlungserfolge erzielt werden.

Schlafstörungen

Der natürliche Schlaf ist Grundbedingung für Gesundheit, Leistung und Wohlbefinden. Schlafen gilt in den westlichen Industrienationen bisweilen als eher lästige Unterbrechung eines mit Arbeit und Terminen vollgestopften Tages. Schlafmangel gilt in unserer Stressgesellschaft manchmal als chic, „… schlafen kann ich, wenn ich tot bin…“ (R. W. Fassbinder, gestorben 1982 mit 37 Jahren).

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Ein Viertel aller Menschen leidet an zumindest gelegentlich auftretenden Schlafstörungen, bei der Hälfte der Betroffenen ist die Schlafstörung jedoch eine behandlungsbedürftige Erkrankung. Nächtliche Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnien) und Tagesschläfrigkeit (Hypersomnie) schliessen sich nicht aus, sondern bedingen sich gegenseitig. Schlafstörungen können zwar auch medizinisch bedingt sein, haben jedoch sehr oft psychische bzw. psychosomatische Ursachen.

Schlafstörungen sowie chronischer Schlafmangel (Schlafschuld) stellen ein Gesundheitsrisiko dar und erhöhen beispielsweise das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko signifikant, auch Depressionen oder Angststörungen können als Spätfolgen auftreten. Schlafstörungen können therapeutisch wirksam behandelt werden (multimodales Breitbandprogramm).

Aufmerksamkeitsstörungen (ADS / ADHS)

Die Aufmerksamkeits-Defizit- und Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) ist eine im Kindesalter beginnende psychische Störung. ADHS ist primär gekennzeichnet durch schnelle Ablenkbarkeit bzw. durch ein grosses Aufmerksamkeits-Defizit (ADS) sowie durch grosse motorische Unruhe sprich Hyperaktivität (ADHS), dies oft in Kombination mit Impulsivität (aufbrausendes, unüberlegtes Handeln). Ca. 5-10 % aller Kinder zeigen Symptome im Sinne einer ‚echten‘ ADHS (die %-Zahl variiert nach Ländern und Erhebunsmethoden).

Knaben werden deutlich häufiger diagnostiziert als Mädchen. Die Symptome können mit unterschiedlicher Ausprägung bis in das Erwachsenenalter hinein fortbestehen. AD(H)S ist ein multifaktoriell bedingtes Störungsbild mit einer genetischen Disposition (Vererbung). Auf neurobiologischer Ebene wird AD(H)S als Unterfunktion des Hirnbotenstoffwechsels im Frontalcortex (Stirnhirn) gesehen. Die Ursache für diese neuronale Unteraktivierung ist ein Mangel an Dopamin. Dopamin ist jener Hirnbotenstoff (Neurotransmitter), welcher für eine zuverlässige Selbststeuerung und eine gute Impulskontrolle zuständig ist.

Für den Verlauf und die individuelle Ausprägung von AD(H)S spielen auch psychosoziale Faktoren und Umweltbedingungen eine wichtige Rolle. Neuere Resultate aus der Hirnforschung (Prof. M. Diagnostik und Therapie: Nicht jedes unkonzentrierte und scheinbar ‚hyperaktive‘ Kind hat eine echte Aufmerksamkeits-Defizit- und Hyperaktivitäts-Störung. So kann ‚gestörtes‘ und scheinbar ‚hyperaktives‘ Verhalten unter Umständen als eine natürliche und gesunde Reaktion auf ungesunde Lebensumstände (z.B. Mobbing in der Schule, Scheidung der Eltern etc.) gesehen werden.

Essstörungen

  • Magersucht (Anorexia Nervosa): ist der absichtliche Gewichtsverlust, der selbst herbeigeführt wird. Fasten, hungern, Kalorien zählen.
  • Bulimie: Durch die panische Angst vor Gewichtszunahme, werden harte Gegenmassnahmen ergriffen. Nach der Nahrungsaufnahme wird das Essen wieder erbrochen.
  • Binge-Eating-Disorder: Man spricht von dieser Krankheit, wenn in kürzester Zeit eine ungewöhnlich große Menge an Nahrung gegessen wird. Der Kontrollverlust steht hier besonders im Fokus.
  • Adipositas: ist definiert als übermässige Vermehrung des Fettgewebes im Körper. In Abgrenzung zum Übergewicht spricht man von einer Adipositas ab einem Body Mass Index (BMI) von 30.

Wie läuft eine Kognitive Verhaltenstherapie ab?

Das Konzept der Verhaltenstherapie setzt eine gute Zusammenarbeit zwischen Therapeut und Patient voraus. Dabei soll die Eigenständigkeit und Selbstwirksamkeit des Patienten gefördert werden. Das bedeutet, dass der Therapeut den Patienten aktiv am Therapieprozess beteiligt und alle Abläufe transparent darstellt.

Der Fokus der Verhaltenstherapie liegt - im Gegensatz zur Psychoanalyse - nicht so sehr auf vergangenen, ursächlichen Ereignissen. Vielmehr geht es darum, bestehende Probleme durch neue Denk- und Verhaltensweisen zu bewältigen.

Diagnose und Therapieplan

Zu Beginn wird eine genaue Diagnose gestellt. Der Therapeut klärt den Patienten dann ausführlich über sein Störungsbild auf. Viele Betroffene empfinden es als entlastend, wenn sie genau über die typischen Symptome, Erklärungsmodelle zur Entstehung ihrer psychischen Störung sowie die Behandlungsoptionen informiert werden.

Anschliessend legen der Therapeut und der Patient gemeinsam die Ziele der Therapie fest und stellen einen Therapieplan auf. Allgemeines Ziel ist es, ungünstige Verhaltens- und Denkmuster, die belastend sind oder den Betroffenen einschränken, zu verändern.

Die eigentliche Verhaltenstherapie

Der Therapeut fordert den Patienten dazu auf, bisherige Ansichten und Einstellungen, wie zum Beispiel: „Alles, was ich tue, misslingt mir“, zu überprüfen. Anschliessend ermutigt der Therapeut den Betroffenen, neue Denk- und Verhaltensweisen auszuprobieren.

Beispielsweise hat sich bei Angststörungen die Expositions- oder Konfrontationstherapie als erfolgreich erwiesen. Die Betroffenen stellen sich angsterzeugenden Situationen und lernen so, dass diese weniger schwer zu ertragen sind, als befürchtet. Dieser Konfrontation stellen sich die Patienten gemeinsam mit dem Therapeuten und später auch alleine, bis die gefürchtete Situation keine oder kaum noch Angst auslöst.

Rückfälle verhindern

Zur Rückfallprophylaxe gehört, dass der Patient gut auf die Zeit nach der Therapie vorbereitet wird. Der Therapeut bespricht mit dem Betroffenen Ängste, die mit dem Ende der Therapie verbunden sind. Auch für die Zeit danach erhält der Patient konkrete Anweisungen, wie er mit erneut auftretenden Probleme umgehen kann. Am Ende der Verhaltenstherapie hat der Patient eine Reihe von Strategien und Methoden in seinem Repertoire, die er in Zukunft zur Bewältigung schwieriger Situationen anwenden kann.

Dauer der Verhaltenstherapie

Wie lange die Verhaltenstherapie dauert, hängt unter anderem von Art und Schwere der psychischen Störung ab. Spezifische Phobien (z.B. eine Spinnenphobie) lassen sich manchmal innerhalb weniger Sitzungen überwinden. Die Behandlung einer schweren Depression hingegen kann sich über mehrere Jahre erstrecken. In der Regel umfasst eine Verhaltenstherapie aber 25 bis 50 Sitzungen.

Was sollte man vor Beginn einer Therapie beachten?

Phase der unmittelbaren Vorbereitung einer Bewältigungsreaktion (z. B. Überlegen Sie sich eine Therapie zu machen? Bevor Sie sich auf die Suche nach einem*r Therapeut*in begeben, sollten Sie sich ein paar grundlegende Überlegungen machen. Zum Beispiel: Welche Kosten kann ich tragen? Es lohnt sich, wenn Sie sich im Vorfeld überlegen, was Sie sich von der Therapie erhoffen und unter welchen Rahmenbedingungen eine Behandlung stattfinden sollte. Was sind meine Beweggründe? Was sind meine Ziele? Was sind meine Erwartungen an die Fachperson? Wie viel zeitliche Ressourcen möchte/kann ich aufwenden? Was kann und will ich in eine Therapie einbringen? Wie arbeite ich gerne? Brauche ich regelmässige Aufgaben?

Nach der Anmeldung bei einer Praxis erfolgt in der Regel ein unverbindliches Erstgespräch mit der behandelnden Fachperson. Psychiater*innen haben ein Medizinstudium und anschliessend eine Facharztausbildung für Psychiatrie und Psychotherapie absolviert. Sie dürfen Medikamente verschreiben. Es gibt verschiedene Therapierichtungen, die unterschiedliche Schwerpunkte innerhalb der Behandlung verfolgen. Je nach Krankheitsbild, Persönlichkeit und Krankheitsausprägung eignen sich unterschiedliche Therapiemethoden und Herangehensweisen. Die Behandlung von psychischen Erkrankungen durch Psychiater*innen wird über die Grundversicherung gedeckt.

Therapien von Psycholog*innen übernimmt die Grundversicherung im Moment nur, wenn die Behandlung von delegiert arbeitenden psychologischen Psychotherapeut*innen durchgeführt wird. Ab Sommer 2022 können Sie mit einer Verordnung von einem Arzt / einer Ärztin der Grundversorgung direkt zu psychologischen Psychotherapeut*innen in Behandlung gehen, ähnlich wie bei der Physiotherapie. Es gibt einige Zusatzversicherungen, die komplementärmedizinische Behandlungen und Therapien von Psycholog*innen, die nicht delegiert arbeiten, mitfinanzieren. Je nach Franchise und Selbstbehalt Ihrer Krankenversicherung müssen Sie die Kosten bis zu einem bestimmten Betrag selbst bezahlen. Wir raten Ihnen, sich vor einer Behandlung bezüglich der Kostenübernahme bei Ihrer Krankenkasse zu informieren.

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