Sechs bis zehn Prozent aller Kinder und rund fünf Prozent aller Erwachsenen sind von einer ADHS beeinträchtigt. Es ist kein Zufall: Viele Geschwister, Väter oder Mütter von ADHS betroffenen Kindern leiden ebenfalls unter dieser Problematik. Dies bestätigt, dass es sich bei der ADHS im Kern um eine genetisch bedingte, neurobiologische Störung handelt.
Was ist ADHS?
ADHS (Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätssyndrom) wurde lange als eine auf das Kindesalter beschränkte Entwicklungsstörung betrachtet. Heute zeigt sich, dass auch Erwachsene unter dieser Erkrankung leiden. ADHS beginnt im Kindesalter, bleibt bis ins Erwachsenenalter bestehen und führt zu spürbaren Einschränkungen in verschiedenen Lebensbereichen.
Ursachen von ADHS
Die Ursachen des Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) sind nicht restlos geklärt. Einig ist sich die Wissenschaft aber darin, dass es sich um eine angeborene, neurobiologische Funktionsstörung handelt, an der genetische und umweltbedingte Faktoren beteiligt sind. Untersuchungen weisen darauf hin, dass der ADHS eine Hirnreifungsstörung zu Grunde liegt, die zu einer komplexen Beeinträchtigung neurokognitiver Prozesse führt.
- Meist sind mehrere Familienmitglieder betroffen (hohe genetische Komponente).
 - Rauchen, Alkohol- oder Drogenkonsum oder Infektionskrankheiten während der Schwangerschaft, Frühgeburt.
 - Gestörtes Gleichgewicht der Botenstoffe (Neurotransmitter) Dopamin, Noradrenalin und Serotonin.
 
Symptome von ADHS
ADHS wird oft nur als Liste fixer Defizitsymptome gesehen. ADHS ist erst einmal eine besondere Art zu sein. Jägereigenschaften sind eine wichtige Antwort zugunsten von Kreativität und Innovation. Es gibt nicht das eine Symptom, das auf ADHS hindeutet. Das Vollbild der Erkrankung und somit ein «ADHS typisches Verhalten» resultiert aus langjährigen Erfahrungen der Betroffenen. Von Person zu Person variieren diese Symptome sowohl in der Art als auch in der Ausprägung.
Typische Symptome sind:
Lesen Sie auch: Überblick über KVT
- Aufmerksamkeitsstörung: Ablenkbarkeit, Vergesslichkeit, Tagträumen, schnell gelangweilt
 - Hyperaktivität (zappelig, ruhelos, innere Anspannung) und Impulsivität (unüberlegte Handlungen, Ungeduld).
 - Motorische Hyperaktivität des Kindesalters weicht einer inneren Unruhe: Nervosität, Entspannungsschwierigkeiten, keine Theater- oder Kinobesuche
 - Affektlabilität: Starke Stimmungsschwankungen, launisch
 - Desorganisation in Verhalten und Aktivitäten: Probleme mit Zeiteinteilung, Aufschieben, Erledigen in letzter Minute, chaotisch
 - Mangelnde Affektkontrolle: Stressintoleranz, Reizbarkeit, Ungeduld
 - Impulsivität: Unüberlegte Handlungen, Dreinreden, Risikosportarten, impulsives Verkehrsverhalten
 - Emotionale Überreaktionen: Geringe Frustrationstoleranz, ängstlich und konfus unter Belastung, Hypersensibilität
 
Motorische Hyperaktivität wandelt sich in innere Unruhe (manchmal auch in die Unfähigkeit zu Entspannen). Die Symptome der ADHS zeigen sich stets in mehreren Bereichen. Bei bis zu 75 Prozent der Menschen mit ADHS finden sich mindestens eine weitere psychische Beeinträchtigung (sogenannte Komorbidität). Hierzu zählen unter anderem Depression, Angst, übermässiger Substanzkonsum (z.B. Cannabis oder Kokain), Interaktionsstörungen, Essstörungen (v.a. Binge Eating Disorder), Autismus-Spektrum-Störungen sowie Teilleistungsstörungen (z.B. Dyskalkulie oder Legasthenie).
Zudem scheint ein Ungleichgewicht der Botenstoffe (Neurotransmitter), insbesondere des Dopamins und Noradrenalins, an den Symptomen der ADHS massgeblich beteiligt zu sein. Ungünstige psychosoziale Faktoren wirken hingegen nicht als primäre Ursachen der ADHS, sondern als Risikofaktoren.
Diagnose von ADHS
Wenn Sie den Verdacht haben, an einer ADHS zu leiden, können Sie folgendes kurze Selbstscreening durchführen. Markieren Sie das Kästchen, das am besten beschreibt, wie Sie sich in den letzten 6 Monaten gefühlt und sich benommen haben. Wie oft sind Ihre Hände bzw. Es müssen sowohl die Kriterien im Erwachsenenalter als auch retrospektiv, im Kindesalter (bis zum zwölften Lebensjahr), erfüllt sein.
Um eine Diagnose zu stellen, werden folgende Fragen berücksichtigt:
- Wie viele Symptome sind in welchem Ausmass und über welche Dauer vorhanden?
 - Können die Symptome bis in die Kindheit zurückverfolgt werden?
 - Führen die Symptome zu einer deutlichen Beeinträchtigung in mehreren Lebensbereichen? (Arbeit, Alltag)
 - Sind die Symptome nicht durch eine andere psychische Störung erklärbar?
 
Dazu wird eine ausführliche Anamnese mithilfe von standardisierten Fragebögen durchgeführt. Zusätzlich können Angaben von Personen aus dem Umfeld der Betroffenen und eine neuropsychologische Testung dabei helfen, die Diagnose zu stellen.
Lesen Sie auch: Kleinkind-ADHS: Worauf achten?
Behandlung von ADHS
Die Behandlung einer Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung orientiert sich an deren Ausprägung und dem Leidensdruck der Betroffenen. Bei einer sehr leicht ausgeprägten ADHS ist es möglich, dass Betroffene bereits gute Strategien im Umgang mit den Problemen gefunden haben und keine zusätzliche Hilfe benötigen. Bei einer stärkeren Ausprägung ist es zunehmend schwieriger für Betroffene, eigene Strategien ohne Unterstützung erfolgreich anwenden zu können.
Es gibt verschiedene Therapiemöglichkeiten, die einzeln oder kombiniert angewandt werden können. Je nach Schweregrad der Symptomatik und den Einschränkungen im Alltag sowie in verschiedenen Lebensbereichen, muss ein individuelles Therapiekonzept erarbeitet werden.
Bei Erwachsenen mit einer Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung wird in der Regel eine multimodale Therapie empfohlen. Das heisst, es erfolgt eine Kombination von psychotherapeutischer und medikamentöser Behandlung.
Psychotherapie
Die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung wird in der Regel mit einer Verhaltenstherapie behandelt. Im Rahmen der Verhaltenstherapie besprechen der Therapeut und der Patient, welche Probleme im Alltag aufgrund der Störung auftreten. Inhalt der Therapie ist, dass der Therapeut den Patienten dabei unterstützt, einen Weg zu finden, mit diesen Problemen umzugehen. Dies soll anhand von Modifikationen der Gedanken und des Verhaltens geschehen.
Es werden zu Beginn aber auch während der Therapie individuelle Ziele festgelegt und deren Erreichung wird laufend evaluiert. Der Therapeut und der Patient unterteilen die Ziele gemeinsam in einzelne Schritte und der Patient versucht diese umzusetzen. Eine Voraussetzung für diese Zusammenarbeit ist, dass der Patient selbst einen Handlungsbedarf sieht und bereit ist, mit Unterstützung eine Veränderung herbeizuführen.
Lesen Sie auch: Unterstützung für ADHS Betroffene in Freiburg
Häufig liegen nebst der ADHS weitere Probleme oder allenfalls psychische Störungen vor. Es ist wichtig, auch diese im Rahmen der Therapie zu berücksichtigen und mit einzubeziehen, um eine ganzheitliche Behandlung zu gewährleisten.
Medikamentöse Therapie
Ob zusätzlich zur psychotherapeutischen Behandlung eine medikamentöse Behandlung indiziert ist, hängt vom Schweregrad der Störung ab. Ausschlaggebend ist, inwiefern die betroffene Person durch die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung beeinträchtigt ist. In einigen Fällen braucht es die medikamentöse Behandlung, um den Betroffenen zu ermöglichen, die therapeutische Behandlung regelmässig aufsuchen zu können.
Eine ADHS wird mit Psychostimulanzien oder Atomoxetin behandelt. Bei den Psychostimulanzien kommt zumeist Methylphenidat zum Einsatz. Methylphenidat kann in seiner Wirkung zwischen kurzer oder längerer Tageswirkdauer unterschieden werden. Dies wird je nach Situation und Präferenz der Betroffenen verordnet. Die Wirkung tritt etwa eine halbe Stunde bis eine Stunde nach Einnahme ein.
Bei Präparaten mit kurzer Tageswirkdauer bleibt die Wirkung zwischen zwei und vier Stunden maximal erhalten und nimmt nach drei bis sieben Stunden deutlich ab. Deshalb müssen sie häufig mehrmals täglich eingenommen werden. Im Gegensatz dazu geben Präparate mit längerer Tageswirkdauer den Wirkstoff über einen längeren Zeitraum ab, weshalb nur eine Einnahme pro Tag notwendig ist.
Psychostimulanzien erfordern ein spezielles Rezept, um einem Missbrauch vorzubeugen. Es besteht jedoch keine Gefahr von körperlicher Abhängigkeit. Im Gegensatz zu den Psychostimulanzien tritt die Wirkung bei Atomoxetin nicht unmittelbar ein. Es dauert bis zu sechs Wochen, bis sich die Wirkung vollständig entfaltet. Das Medikament wird schrittweise aufdosiert und seine Wirkung hält den ganzen Tag an.
Beide Medikamente erfordern eine langfristige Behandlung, um wirkungsvoll angewendet zu werden. Die Einnahme der Medikamente zielt auf eine Steigerung der Aufmerksamkeit und Konzentration und damit einhergehend eine Abnahme der Hyperaktivität ab.
Weitere Therapieansätze:
- Psychoedukation für Betroffene und Angehörige
 - Umgang mit Impulsivität, Aufschieben, Überforderung, tiefem Selbstwert
 - Paartherapie (bei starken Paarkonflikten)
 - Coaching (durch auf ADHS spezialisierte Coaches)
 
Selbsthilfe
Für Erwachsene mit ADHS kann es sehr hilfreich sein, sich mit anderen auszutauschen, die von derselben Störung betroffen sind. Die Beteiligten teilen ihre Probleme mit der Gruppe und tauschen sich über mögliche Strategien im Umgang damit aus. Es hilft Betroffenen einerseits, zu hören, dass auch andere mit denselben Problemen zu kämpfen haben, andererseits bieten Selbsthilfegruppen alltagsnahe Unterstützung.
tags: #Verhaltenstherapie #ADHS #Erwachsene