Schilddrüse und Depressionen: Ursachen und Zusammenhänge

Wie eine Depression entsteht, ist bis heute noch nicht vollständig geklärt. Mediziner gehen davon aus, dass dabei immer mehrere Faktoren zusammenspielen. Dazu gehören biologische, genetische und psychosoziale Auslöser. Wie gross der Einfluss der verschiedenen Faktoren ist, ist von Fall zu Fall verschieden.

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ICD-Codes für diese Krankheit: ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen. F53 F39 F92 F33 F34

Depressions-Ursachen im Überblick

  • Genetische Einflüsse
  • Vulnerabilität: Anfälligkeit für Depressionen
  • Gestörter Botenstoffwechsel im Gehirn
  • Fehlregulierte Stresshormone
  • Stress als Auslöser
  • Negative Denkmuster
  • Risikofaktor weibliches Geschlecht
  • Körperliche Erkrankungen
  • Medikamente und Drogen

Genetische Einflüsse

Zwillings- und Adoptionsstudien haben gezeigt, dass Depressionen auch eine genetische Wurzel haben. Das Risiko, an einer Depression zu erkranken, ist um 50 Prozent höher, wenn andere Blutsverwandte ersten Grades bereits erkrankt sind. Wenn also etwa eine Mutter an einer depressiven Störung leidet, ist dies ein Risikofaktor für das Kind - besonders dann, wenn die Störung bereits in einem frühen Alter auftrat.

Vulnerabilität: Anfälligkeit für Depressionen

Die Vulnerabilität, zu deutsch Verletzlichkeit, beschreibt, wie anfällig ein Mensch für eine seelische Störung ist. Bei Menschen mit hoher Vulnerabilität zieht schon wenig Stress möglicherweise eine Depression nach sich. Ist die Vulnerabilität dagegen gering, schaffen es Menschen, auch sehr belastende Ereignisse gut zu bewältigen. Solche Personen bezeichnet man als resilient, also widerstandsfähig.

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Nicht nur die objektive Schwere der Belastung entscheidet also, ob ein Mensch an einer Depression erkrankt, sondern die Fähigkeit, mit ihr umzugehen. Erheblichen Einfluss haben dazu die Erfahrungen, die ein Mensch in seinem Leben gemacht hat. Ein besonders grosses Risiko, eine Depression zu entwickeln, haben beispielsweise Personen, die traumatische Erlebnisse wie Missbrauch oder Vernachlässigung in der Kindheit erlebt haben. Entscheidend ist aber auch, welche Fähigkeiten ein Mensch erworben hat, um mit belastenden Situationen fertig zu werden.

Gestörter Botenstoffwechsel im Gehirn

Nervenzellen im Gehirn kommunizieren untereinander über elektrische Impulse und Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter. Es gibt Hinweise darauf, dass dieser sogenannte Hirnstoffwechsel während einer Depression verändert ist.

So ist ein gestörter Noradrenalin- oder Serotoninspiegel im Gehirngewebe möglicherweise mitverantwortlich für eine Depression. Sind diese Botenstoffe nicht im Gleichgewicht, stört das den Austausch zwischen den Nervenzellen. Und das wiederum beeinflusst Gefühle und Gedanken negativ.

Fehlregulierte Stresshormone

Andere Erklärungsansätze bezüglich der Ursache von Depressionen sehen eine Fehlregulation der Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol im Mittelpunkt. Insbesondere hat man bei depressiven Menschen einen erhöhten Cortisolspiegel festgestellt. Ein solcher kommt als Auslöser einer Depressionserkrankung infrage, aber auch als deren Folge.

Stress als Auslöser

Stress spielt bei der Entstehung einer Depression eine entscheidende Rolle. Umgekehrt verursacht eine Depression auch selbst Stress - beispielsweise, weil durch die Erkrankung viel Lebensqualität verloren geht. Manche Lebensphasen sind per se mit verstärktem Stress verbunden. Dazu gehören beispielsweise die Pubertät oder der Eintritt in die Rente. In solchen Phasen steigt daher das Depressionsrisiko.

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Auch einschneidende Lebensereignisse sind belastend. Dazu gehören negative Erfahrungen wie Jobverlust, Trennung oder eine schwere Krankheit. Allerdings verursachen auch positive Ereignisse Stress: So steigt bei einer Beförderung, der Geburt eines Kindes oder einer Hochzeit ebenfalls die Wahrscheinlichkeit, an einer Depression zu erkranken.

Tatsächlich berichten Menschen mit Depressionen oft von schwierigen Ereignissen vor Ausbruch der Krankheit. In vielen anderen Fällen taucht eine Depression hingegen scheinbar aus dem Nichts auf.

Negative Denkmuster

Es sind nicht immer das Schicksal oder die Gene: Auch die persönliche Lebenseinstellung hat einen Einfluss auf das Depressionsrisiko. Menschen, die schlecht von sich und über die Welt denken und für die Zukunft schwarz sehen, werden eher depressiv. Ein gutes Selbstwertgefühl und Optimismus schützen hingegen vor Depressionen.

Negative Denkmuster und Vorstellungen lassen sich durch entsprechende Übungen positiv verändern.

Risikofaktor weibliches Geschlecht

Frauen erkranken etwa doppelt so häufig an einer Depression wie Männer. Eine mögliche Erklärung ist, dass Frauen aufgrund hormoneller Schwankungen gefährdeter sind. Solche Hormonschwankungen treten etwa im Laufe des Menstruationszyklus sowie während und nach einer Schwangerschaft auf.

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Hinzu kommt, dass Depressionen bei Männern seltener entdeckt werden. Manche scheuen sich, Schwäche zu zeigen und Hilfe zu suchen. Sie haben aber auch zum Teil untypische Symptome wie aggressives und exzessives Verhalten, was die Diagnose erschwert.

Körperliche Erkrankungen

Manche körperlichen Krankheiten begünstigen eine Depression. Besonders Erkrankungen des Gehirns sowie Hormonstörungen beeinflussen die Gefühlswelt. Zu letzteren zählen etwa Schilddrüsenunter- und Schilddrüsenüberfunktion oder das sogenannte Cushing-Syndrom, bei dem die Nebennieren zu grosse Mengen an Cortisol ausschütten - die Folge ist oft eine depressive Phase.

Schwere und chronische Krankheiten sind zudem eine Dauerbelastung für die Psyche. So entwickeln Menschen, die unter Krebs, schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes leiden, häufig Depressionen. Möglich ist zudem, dass die zur Behandlung eingesetzten Medikamente oder mit der Krankheit verknüpfte physiologische Prozesse das Depressionsrisiko erhöhen.

Umgekehrt beeinflusst eine Depression den Verlauf solcher Erkrankungen ungünstig oder fördert sogar ihre Entstehung. Bei einer solchen Kombination aus körperlichen und seelischen Erkrankungen gilt es also immer, das psychische und das körperliche Leiden gleichermassen zu behandeln.

Medikamente und Drogen

Die Einnahme bestimmter Medikamente schlägt gelegentlich ebenfalls auf die Stimmung.

Schilddrüsenunterfunktion und Depression

Wenn die Schilddrüse nicht genügend Hormone produziert, hat das Auswirkungen auf das ganze Leben. Betroffene sind müde, energielos, frieren verstärkt und nehmen zu. Die Symptome einer Schilddrüsenunter­funktion sind sehr unspezifisch, weshalb sie auch schwierig zu erkennen ist. Die häufigste Ursache ist eine Entzündung der Schilddrüse, genannt Hashimoto-Thyreoiditis.

Bei einer Schilddrüsenunterfunktion, in der Fachsprache Hypothyreose genannt, ist die Produktion von Schilddrüsen­hormonen vermindert. In der Folge fehlen für den Stoffwechsel und andere wichtige Aktivitäten im Körper die Hormone. Der Stoffwechsel ist dann so langsam, dass unterschiedlichste Beschwerden - wie die Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit - auftreten können. Ein mögliches Symptom der Hypothyreose ist dann ein niedriger Puls.

Jede Schilddrüsenunterfunktion schlägt auf die Psyche, macht den Alltag zur Tortur und sogar Beziehungen kaputt. Wenn jemand nicht mehr mag, die Lust an allem verliert und mit Schlafen Probleme hat, muss man auch an die Schilddrüse denken.

Weil sich die Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion meistens langsam und schleichend entwickeln, werden sie häufig übersehen oder falsch interpretiert. Mit der Folge, dass eine wirksame Behandlung der Unterfunktion unterbleibt.

In und nach den Wechseljahren führen viele Frauen, aber auch Ärzte, psychische Symptome, die durch eine Schilddrüsenunterfunktion verursacht werden, vorschnell auf Östrogen-Mangel zurück. Viele Betroffene machen immer wieder die leidige Erfahrung, dass sie als psychische Problemfälle abgetan und entsprechend behandelt werden.

Eine Schilddrüsenunterfunktion führt dazu, dass man sich müde, träge und antriebslos fühlt. Konzentration und Leistungsfähigkeit lassen nach. Das Herz schlägt langsamer und die Libido nimmt ab. Der verlangsame Stoffwechsel wirkt sich auch auf die Darmtätigkeit aus. Auch dünne Haare und Haarausfall können Zeichen einer gestörten Funktion der Schilddrüse sein.

Hashimoto-Thyreoiditis

Hashimoto ist eine spezifische Form der Schilddrüsen­unterfunktion, die in der Schweiz relativ häufig vorkommt. Dabei handelt es sich um eine Autoimmun­erkrankung, bei der die Schilddrüse chronisch entzündet ist. Es kommt zu einer Vergrösserung der Schilddrüse, die aber schlecht funktioniert.

Etwa zwei Prozent der Schweizer Bevölkerung erkranken heute an der nach Basedow benannten Überfunktion der Schilddrüse. Die moderne Medizin kann ihnen mittlerweile helfen.

Beim Hashimoto führen die fehlgeleiteten Antikörper zu einer Entzündung in der Schilddrüse. Das schädigt sie auf Dauer so stark, dass sie kein Schilddrüsenhormon mehr produziert. Die Folgen sind Gewichtszunahme, Verstopfung, leichtes Frieren, Müdigkeit, Leistungsabfall, Haut- und Haarprobleme, aber auch Depressionen und Burn-out-ähnliche Symptome.

Weitere Ursachen für Schilddrüsenunterfunktion

  • Medikamente: Als Nebenwirkung oder bei falscher Dosierung. So kann eine Schilddrüsenüberfunktion in eine Schilddrüsen­unterfunktion umschlagen, wenn die Medikamente, welche die gesteigerte Bildung von Schilddrüsen­hormonen drosseln sollen, zu hoch dosiert sind.
  • Seit Geburt: Die Schilddrüsen­unterfunktion kann in seltenen Fällen bereits angeboren sein.
  • Nach einer operativen Entfernung (zum Beispiel aufgrund einer Schilddrüsen­überfunktion).
  • Nach einer Strahlentherapie aufgrund von Schilddrüsenkrebs.
  • Mangel an Jod: Da der Körper zur Bildung von Schilddrüsen­hormonen Jod braucht, kann ein ausgeprägter Jodmangel ebenfalls zu einer Schilddrüsenunterfunktion führen.

Was tun bei Verdacht auf Depression und Schilddrüsenprobleme?

Wenn Sie den Verdacht haben, an einer Depression zu leiden, zögern Sie nicht, Ihre Hausärztin oder Ihren Hausarzt anzusprechen! Hausärzt*innen sind häufig die ersten Ansprechpartner und können bei Bedarf an Fachärzt*innen und Psychotherapeut*innen überweisen. Hilfe, Beratung und Kontakte erhalten Sie ausserdem durch den sozialpsychiatrischen Dienst an Ihrem Wohnort.

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