Jurgen Bartsch und die Beziehung zu Freuds Theorien

Der 31. Psalm, aus dem der Vers stammt, ist selbst ein weiter Raum. Der Leser hört auch den Beter des Psalms, wie jener erzählt über sein Schicksal, über seine Fragen und Zweifel. In einer Situation, in welcher nach menschlichem Maß alles am Ende scheint, da zeigt Gott Auswege auf und schafft Weite.

Gott stellt unsere Füße täglich auf einen weiten Raum. Sein Wort holt uns aus der Enge des Alltags: Befreit uns von unseren Zwängen und immer gleichen Verhaltensmustern. Der Vers aus dem 31. Psalm hat drei Perspektiven und eröffnet uns Räume in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Gott hat immer wieder unsere Füße auf weiten Raum gestellt. Wir Menschen sind nicht seine Marionetten.

Nicht zwanghaft unseren Trieben ausgeliefert, wie es Sigmund Freud vermutete, sondern im Glauben sind wir Freie. Wir haben Freiräume geschenkt bekommen und sind zur Freiheit berufen (Gal.

Dass Gott unsere Füße auf weiten Raum stellte, ist Grund dankbarer Erinnerung. Dankbarkeit für Bewahrung von Unfällen und Überwindung von Krankheiten. Von Jean Paul stammt das Wort: „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können“ ( Die unsichtbare Loge ). Ja, es ist wohl so.

Im Jetzt stellt Gott unsere Füße auf einen weiten Raum. Gott schenkt uns immer wieder neue Räume, auch wenn wir es gar nicht wahrhaben wollen. Wir täuschen uns immer wieder über die eigene Situation. Wir bejammern und beklagen sie, und oft sind wir selbstverliebt in dieses Jammern und Klagen.

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Gottes Wort schafft in uns den Perspektivwechsel, weil es Distanz zu uns selber schenkt. Es ist Gott, der unsere Füße auf einen weiten Raum stellt. Er ist es, der im Hier und Jetzt für uns handelt. Menschliche Leistungsstärke bei Arbeit und Sport ist nur geschenkte Kraft.

Gott wird auch künftig unsere Füße auf weiten Raum stellen. Weite, dies bedeutet Freiheit und zugleich Risiko. Keiner darf sich täuschen. Weite Räume können morgen schon ganz eng werden. Unser Leben ist kein stetes Fortschreiten von einem großartigen Freiraum zum nächsten, von einer bunten Erlebniswelt in die andere.

Uns sind Grenzen gesetzt. Doch das Wort, dass er es ist, der uns auf einen weiten Raum stellt, reißt uns aus Verstrickungen heraus. Es erkennt Gott als den, der erniedrigt und erhöht. Der gibt und nimmt.

Gott hat große Geduld mit uns. Nicht nur mit unserer Klage, gar erträgt er unseren Unglauben. Immer wieder strapazieren wir seine Geduld und Güte. Obwohl wir seine Freundlichkeit ignorieren, Gott überlässt uns nicht selbst, nicht dem freien Spiel menschlicher Kräfte. Er stellt uns nicht einfach in die Weite hinein, überlässt uns unserem Schicksal, sondern er begleitet uns.

So kann aus Enge Weite werden, aus Trampelpfaden breite Straßen. Wir dürfen auf unseren Wegen hoffen, dass Gott unsere Füße auf den Weg des Friedens richtet (Luk.

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In meinem Buch habe ich einen kleinen Teil der Theorie meiner Mutter beschrieben. Die einzigen intensiven und interessanten Momente mit meiner Mutter erlebte ich, als sie begann zu schreiben. Bei den ersten drei Büchern von Alice Miller (Das Drama des begabten Kindes, Am Anfang war Erziehung, Du sollst nicht merken) war ich die meiste Zeit involviert und wir besprachen intensiv den Inhalt.

So wurde ich der geistige Erbe meiner Mutter. Als ich 1979 als Psychotherapeut begann, in eigener Praxis zu arbeiten, war ich sehr gespannt, ob ich die Theorie meiner Mutter in der Praxis anwenden könnte. Natürlich hatte ich auch andere Impulse und Einflüsse, die meine Arbeit sehr bereicherten. Besonders die Theorien von Ronald D. Laing, Donald Winnicott, Jan Bastiaans und John Bowlby prägten mich nachhaltig.

Aber ich kann heute, nach 42 Jahren Erfahrung als Therapeut sagen, dass die Theorien meiner Mutter mich am nachhaltigsten geprägt hatten. Wie ihre Leser halfen mir ihre Bücher ebenfalls, viele psychische Probleme besser zu verstehen und vor allem bekam ich von meiner Mutter den Schlüssel, das Verhalten meiner Eltern und meine traumatischen Erfahrungen besser zu erstehen.

Leider war die Beziehung zwischen mir und meiner Mutter sehr schwierig, so dass sie immer mehr Angst bekam, mit ihrer eigenen Theorie und den Konsequenzen ihrer Theorie konfrontiert zu werden. Die ablehnende Haltung meiner Mutter motivierte mich als Therapeut umso mehr, ihre Theorie in der Praxis anzuwenden.

In meinem Vortrag werde ich die Hauptthesen meiner Mutter eschreiben. Denn die meisten Theorien, die entwickelt werden, sind mit der Biografie und den gemachten Erfahrungen eng verbunden. Auch wenn Alice Miller aus Überlebensgründen des Holocausts ihre eigentliche Identität verstecken musste, gar abspalten musste, gelang es ihr, das Trauma einigermassen abzuspalten, aber gleichzeitig erfand sie in ihren Büchern eine Alice Miller, die sie schon als Kind war und immer sein wollte.

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Alice Miller wurde in einer chassidischen, orthodoxen jüdischen Familie geboren. Ihre Eltern waren eine arrangierte Ehe, die mit Konflikten behaftet war. Alice Miller wehrte sich während ihrer ganzen Kindheit gegen die religiösen Regeln und ging schon früh ihren eigenen Weg. Intuitiv merkte sie, wie Erziehung und absoluter religiöser Gehorsam schädlich sind für die Entwicklung eines Kindes.

Alice Miller war ein hochbegabtes Kind, das allen zeigen musste, dass sie nicht so gescheit waren wie sie selbst. Ihre Verwandten bezeichneten sie als arrogant. Sie setzte sich auch durch, dass sie in eine polnische Schule gehen und sich assimilieren konnte. Sie stritt immer mit dem Vater und ihre Mutter misshandelte sie gewalttätig mit massiven Schlägen, aber sie liess sich nicht brechen.

Intuitiv spürte sie, dass sie mit ihrer Wehrhaftigkeit es ablehnte, ein Falsches Selbst zu entwickeln, mit allen Konsequenzen. Die Familie meiner Mutter kam am Anfang des Krieges ins Getto in Piotrków Trybunalski ihrer Heimatstadt. Sie wechselte ihre jüdische Identität und nahm einen polnischen Namen an. Ein Falsches Selbst zum Überleben.

Sie nahm sofort mit der Untergrundorganisation des Ghettos Kontakt auf. Dort lernte sie ihren vier Jahre älteren späteren Freund Stefan Moravsky kennen. Mit ihm gründete sie im Ghetto für die jüdischen Jugendlichen ein Gymnasium mit allem Drum und Dran. Alice Miller hatte ursprünglich einen jüdischen Namen.

Sie hiess Alicia Englard und beschaffte sich falsche Papiere und behielt bis ans Lebensende ihre polnische Identität. Sie hiess Alice Rostovska. Es gelang ihr, aus dem Ghetto zu fliehen und sie reiste nach Warschau. Dort unterrichtete sie polnische Kinder und konnte so ihre Familie finanziell unterstützen.

1942 erfuhr sie zufällig, dass die Nazis beschlossen hatten, das Ghettoin Piotrków zu schliessen und alle 28000 Juden in Treblinka zu vergasen. Im letzten Moment gelang es ihr, auch für ihre Mutter und ihre Schwester falsche Papiere zu besorgen. Ihr Vater, ein orthodoxer Jude, sprach kein Polnisch und er war krank. Er starb im Ghetto, bevor die Bewohner nach Treblinka deportiert worden sind.

Alice Miller befreite die Mutter und Schwester und sie versteckte ihre Schwester Irena in einem katholischen Kloster in Warschau und die Mutter auf dem Lande. Alice Miller selbst lebte fortan im arischen Teil von Warschau. Sie musste immer aufpassen, nicht von einem Erpresser erwischt zu werden, um nach Treblinka deportiert zu werden. Sie wohnte in einer Schule und unterrichtete als Lehrerin.

Leider wurde Alice Miller von ihrem Verlobten Stefan, der selbst erpresst wurde, an seinen Erpresser verraten. So wurde auch Alice Miller in ihrem Versteck in der Schule vom Erpresser von Stefanentdeckt und erpresst. Sie gab ihm ihren einzigen Schmuck, den sie hatte und war so schlau, dass sie den Erpresser, der mit der Gestapo kooperierte zu verführen, was ihr auch gelang.

Meine Mutter sprach mit mir nie über ihre Kriegserfahrungen. Nur in einer schwachen Minute erzählte sie mir , dass der Erpresser denselben Namen trug wie mein Vater, nämlich Andreas Miller. Beim Ausbruch des Warschauer Aufstandes flüchtete sie mit ihrer Schwester Irena auf die russische Seite.

Nach dem Krieg zog sie nach Krakau und setzte ihr Studium fort, das sie im Untergrund während des Krieges besuchte. Sie wurde aber schwer krank und nach der Heilung zog sie an die Universität in Lodz. Dort traf sie wieder ihren Erpresser, denn Andreas Miller war so verliebt in Alice, dass er sie in Lodz wieder traf.

Unterdessen wurden Juden nach dem Krieg in Polen unter der stalinistischen Diktatur wieder verfolgt und diesmal entpuppte sich Andreas Miller als Retter von Alice Miller. Er besorgte für beide ein Stipendium für die Universität in Basel. So verliessen Andreas und Alice Polen für immer in die Schweiz.

Alice Miller hat ihr Kriegstrauma nie aufgearbeitet. Damals gab es keine Methode der Traumatherapie. So war Alice Miller gezwungen, ihr Kriegstrauma zu dissoziieren. Sie entschloss sich 1978, als Schriftstellerin nach 25 Jahren Tätigkeit als Psychoanalytikerin, Bücher zu schreiben.

Mit dem Buch «Das Drama des begabten. Kindes» landete sie weltweit bis heute einen Bestseller, der in fast 40 Sprachen übersetzt wurde. In ihren Büchern kreierte sie eine Alice Miller, die sie früher als Kind war und aus Überlebensgründen im Krieg hatte verleugnen müssen. Nun wurde sie wieder die Rebellin, die sie immer war, aktuell als Schriftstellerin die Anwältin der unterdrückten Kinder.

Sie wurde für die Leser*innen die ideale Mutter, die jeder und jede so gerne gehabt hätte. Grundsätzlich befasste sich Alice Miller mit der Eltern-Kind-Beziehung. Dabei stellte sie fest, dass Kinder durch ihre Eltern in ihrer Originalität nicht gefördert werden, sondern durch Machtgehabe der Eltern an einer organischen Entwicklung ihres Potential gehindert werden.

Sie leitet psychische Störungen vom kinderfeindlichen Verhalten der Eltern ab.

In diesem ersten Buch wendet sie das Selbstkonzept von Donald W. Winnicott genial an. Deshalb heisst der zweite Teil des Titels «Und die Suche nach dem Wahren Selbst.» Die Selbsttheorie von Winnicott kann man so zusammenfasen: «Der Mensch entwickelt durch den Einfluss der Aussenwelt ein Falsches Selbst, um sein Wahres Selbst zu schützen.

Das Wahre Selbst bezeichnet Winnicott als das angeborene Potential, das nach Entwicklung strebt. Paradoxerweise schützt das Falsche Selbst nicht nur, sondern oft behindert es den Zugang zum Wahren Selbst. Winnicott beschreibt die Entwicklung des Falschen Selbst folgendermassen: Das Falsche Selbst entsteht aufgrund von Gefügigkeit.

Die Bedürfnisse der Aussenwelt werden zu eigenen Bedürfnissen gemacht. Das kann so weit gehen, dass am Schluss der Erwachsene tatsächlich glaubt, dass das Falsche Selbst sein Wahres Selbst ist. Alice Miller schliesst daraus, dass die Entwicklung des Falschen Selbst zu psychischen Krankheiten führt.

In diesem Buch beschreibt Alice Miller sehr konkret, welche Mechanismen von Seiten der Eltern auf die Kinder einwirken, die die Kinder später psychisch krank machen und sie hindern, ihr Potential zu entwickeln. Sie verwendete den Begriff der «Schwarzen Pädagogik» von Katharina Rutschky.

Lloyd de Mause war der eigentliche Begründer der Psychohistorie. Er gab das Buch «Hört Ihr die Kinder weinen?» heraus. Es ist eine psychogenetische Geschichte der Kindheit. (Suhrkamp 1977). Darin wird aufgezeigt, dass sich durch die Gründung von Nationalstaaten es nicht mehr toleriert wurde, dass Kinder einfach umgebracht werden konnten.

Denn der Staat verlangte nach klaren Vorgaben, dass die Kinder erzogen werden mussten und dem Staate vor allem als Soldaten dienen sollten. Diese Erziehungsmechanismen waren sehr repressiv. Diese gesellschaftliche Umwälzung war die grosse Sternstunde der pädagogischen Wissenschaft. Pädagogen wurden die Steigbügelhalter der unterdrückenden und gar menschenfeindlichen Erziehung.

Alice Miller schildert in ihrem Buch diesepädagogischen Ratschläge und zeigte auf, welche negativen und schwerwiegende, negative Folgen diese Erziehungsmechanismen haben. Besonders eine Erziehungsregel beeindruckte sie besonders: «Um das Kind nach seinen Vorstellungen erziehen zu können, muss man schon dem Säugling den eigenen Willen benehmen.»

Nach den Vorstellungen der Pädagogen muss das Kind nach klaren Vorstellungen der Erwachsenen erzogen werden. Gelingt diese Unternehmung, dann hat man das Kind unter Kontrolle und muss keine Angst haben, dass das Kind seinen eigenen Weg geht. Zwar wurde das Erziehungsverhalten der Eltern vom Staat und der Kirche vorgegeben, aber dennoch waren die Eltern verunsichert und bekämpften ihreVerunsicherung durch Übererfüllung der Erziehungsvorgaben.

Pädagogen des 18. Jahrhunderts und bis in die Nazizeit entwickelten Erziehungsratgeber, die sich wie Folteranleitungen lesen. Besonders zu erwähnen sind Moritz Schreber, der Begründer der Schrebergärten und Johanna Haarer, die bevorzugte Erziehungsberaterin von Adolf Hitler. Ihre Bücher wurden noch bis 1987 veröffentlicht.

Alice Miller zeigt an einigen konkreten Beispielen (Jürgen Bartsch und Christiane F.) auf, wie brutale Erziehung im späteren Leben psychische Schäden hervorrufen. Alice Miller nimmt in diesem Buch eine radikale Position ein. Sicher nimmt sie bisweilen eine pessimistische Position ein, aber das ist verständlich, weil sie ja diese Erziehungsmethoden bei ihrer Mutter am eigenen Leib erlebt hat.

Ich hatte vor einigen Jahren die Gelegenheit, vor ehemaligen Mitgliedern der 68 iger Bewegung zu 50 Jahr Jubiläum in Frankfurt einen Vortrag zu halten. Nach dem Referat hatte ich die Gelegenheit, mit einigen echten, hartgesottenen 68 igern zu sprechen. Erstaunt stellte ich fest, wie alle erzählten, wie sie mit der schwarzen Pädagogik der Nazizeit erzogen wurden.

Mir wurde schalartig bewusst, dass diese Studentenbewegung eigentlich eine Rebellion gegen die Erziehungsmethoden der Eltern war und in der Terroristenszene endete. Alice Miller zeigt klar auf, ohne die Traumatheorie genau zu kennen, wie die Erziehungsmethoden des 18.Jahrhunderts und nachher massenhaft Kinder traumatisierten.

Überspitzt kann man sagen, dass diese Erziehungsmethoden der schwarzen Pädagogik gesellschaftlich anerkannte Foltermethoden waren, um ein lebendiges Kind von Anfang an zu traumatisieren und seiner Lebensmöglichkeiten zu berauben.

Im Grunde waren die Unruhen der 68 iger Bewegung eine Rebellion gegen diese sadistischen und seelisch zerstörerischen Erziehungsmethoden. Leider scheiterte die se Rebellion kläglich, weil sich die Rebellen innerlich von den Erziehungsmethoden nicht lösen konnten, sondern diese in ihren eigenen Reihen selbst anwandten.

Wie mit dem ersten Buch gelang Alice Miller ein weiterer Wurf, der die Pädagogik brutal erschütterte und auch da die Psychotherapie stark beeinflusst. In ihrem dritten Buch von Alice Miller beschäftigt sie sich mit der Verinnerlichung der schwarzen Pädagogik. Ohne es zu wissen, beschreibt sie intuitiv den Prozess der Transgenerationalen Vererbung.

Hier befasst sie sich intensiv auch mit einer Veränderung der psychotherapeutischen Arbeit. In diesem Buch bekämpft sie radikal die klassische Psychoanalyse von Freud. Sie wirft ihm vor, dass er seine anfänglich vertretene Traumatheorie zu Gunsten des Ödipuskomplexes aufgegeben hatte. Seine Triebtheorie geriet auch bei Alice Miller unter den Hammer.

Sie warf der gängigen Psychotherapie vor, dass sie sich nicht für die Biografie der Patient(inn)en interessierte, sondern eine spekulative Theorie vertrat, die dem psychischen Leiden der Patient(inn)en überhaupt nicht gerecht wurde. Wenn man sich für die Patient(inn)en interessiert, dann ist es möglich, das Leiden zu erkennen und esaufzulösen.

Dabei meint sie, dass es so wichtig ist, dass der Patient seine Subjektive Erfahrung artikulieren kann und ein einfühlsames Gehör findet. Dann merkt er auch, dass es ihm verboten war, sein ganzes Leben in Unwissenheit zu verbringen, wie man mit ihm umgegangen ist. Dabei spielen die Erfahrungen mit seiner Erziehung eine grosse Rolle, denn dann merkt er, wie diese Behandlungen ihn zum seelischen Krüppel gemacht haben.

Alice Miller betont eindeutig, dass diese Erziehungsmechanismen traumatische Folgen haben und gleichzeitig gesellschaftlich grösstenteils toleriert wurden. Es gibt heute noch so viele Menschen, die nicht merken dürfen und selbstverständlich ohne Schuldgefühle diese Behandlung gegenüber Kindern weitergeben.

Besonders beschäftigte sich Alice Miller mit der therapeutischen Haltung des Psychotherapeuten. Sie forderte, dass die Therapeuten endlich bereit sein sollten, die Erzählungen der Patient(inn)en ernst zu nehmen und auch zu glauben. Für sie hatte der Therapeut die Rolle des wissenden zeugen. Denn sie meinte, dass Kinder in der traumatischen Situation ganz allein und hilflos wären und niemand ihnen glauben würde.

Ich wurde als Sohn von Alice Miller auch Therapeut und möchte zum Schluss aufzeigen, inwiefern die Theorie von Alice Miller in der Praxis Anwendung gefunden hatte. Da Alice Miller nie ihre Theorie in der Praxis angewandt hatte, bekam ich die Gelegenheit, als geistiger Erbe die Gedanken von Alice Miller in der Praxis zu erproben.

Besonders wichtig ist es für mich, die Biografie der Patienten so genau wie möglich zu rekonstruieren. Die Gedanken von Alice Miller ermutigten mich, keine Hemmungen zu haben, kritisch die Biografie zu erarbeiten. Leider bedachte ich nicht, dass ich gleichzeitig auch meine Biografie kritisch durchleuchten musste.

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