Somatisierte Depression: Therapie und Behandlungsmethoden

Kaum eine Erkrankung wird so unterschätzt und hat doch so weitreichende Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen wie die Depression. Laut Obsan Bericht 03/2023 zur psychischen Gesundheit der Bevölkerung in der Schweiz berichtet über ein Drittel der Befragten (35,9%) von Depressionssymptomen. Bei 12,3% handelt es sich um eine mittelschwere bis schwere und bei rund 23,7% um eine leichte Symptomatik. In diesem Artikel beschäftigen wir uns ausführlich mit den Therapie- und Behandlungsmöglichkeiten der psychischen Erkrankung.

Formen der Depression

Es gibt verschiedene Formen von Depressionen, die sich in ihren Symptomen und ihrem Verlauf unterscheiden:

  • Psychotische Depression: Eine schwerwiegende Form der Depression, die zusätzlich zu den typischen depressiven Symptomen wie tiefer Traurigkeit und Antriebslosigkeit auch psychotische Symptome aufweist. Zu den psychotischen Symptomen gehören Halluzinationen, bei denen Betroffene Dinge sehen oder hören, die nicht real sind, sowie Wahnvorstellungen, bei denen unlogische und unrealistische Überzeugungen vorherrschen. Diese Art der Depression verläuft oft schwerer und dauert länger als eine Depression ohne psychotische Symptome. Die Behandlung einer psychotischen Depression erfordert in der Regel eine umfassende Herangehensweise, die Antidepressiva, Antipsychotika, Psychotherapie, Elektrokrampftherapie und soziale Unterstützung umfassen kann. Es ist wichtig, dass Personen mit Anzeichen einer psychotischen Depression professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, um ihre Symptome zu lindern und ihre Lebensqualität zu verbessern.
  • Dysthymie: Dysthymie ist eine Form der Depression, die durch eine langanhaltende, chronische depressive Verstimmung gekennzeichnet ist. Im Gegensatz zu akuten depressiven Episoden dauert die Dysthymie über einen längeren Zeitraum an, in der Regel mindestens zwei Jahre. Die Symptome sind weniger intensiv als bei einer klassischen Depression, aber dennoch belastend. Betroffene leiden unter anhaltender Niedergeschlagenheit, Energielosigkeit, Schlafstörungen, geringem Selbstwertgefühl und einem Mangel an Interesse an Aktivitäten. Die Behandlung von Dysthymie umfasst in der Regel eine Kombination aus Antidepressiva, Psychotherapie und Aufklärung, wobei eine frühzeitige Erkennung und Intervention die Heilungschancen verbessern können.
  • Saisonale Depression: Eine saisonale Depression, auch bekannt als saisonal abhängige Depression (SAD) oder Winterdepression, ist eine spezielle Form der Depression, die jährlich zu bestimmten Jahreszeiten auftritt, typischerweise im Herbst und Winter. Diese Stimmungsstörung ist durch wiederkehrende depressive Episoden gekennzeichnet, die mit dem Wechsel der Jahreszeiten einhergehen. Die Symptome umfassen eine gedrückte Stimmung, Energielosigkeit, vermehrtes Schlafbedürfnis, Heisshungerattacken, Gewichtszunahme, Schlafstörungen, Kopf- und Rückenschmerzen, Libidoverlust und andere körperliche sowie psychische Beschwerden. Die saisonale Depression wird oft mit Lichttherapie behandelt, da der Helligkeitswechsel im Herbst und Winter die biologische Uhr stört und die Produktion von Serotonin, einem wichtigen Stimmungshormon, beeinflusst. In schwerwiegenden Fällen werden Antidepressiva verschrieben, um die Symptome der Depression zu lindern. Weiters wird empfohlen, den Vitamin-D-Spiegel im Blut zu überprüfen und gegebenenfalls unter ärztlicher Aufsicht Vitamin-D-Präparate einzunehmen, um die Symptome der saisonalen Depression zu lindern.
  • Stille Depression: Eine stille Depression, auch als versteckte Depression oder larvierte Depression bezeichnet, ist eine Form der Depression, bei der Betroffene ihre depressiven Gefühle nicht offen äussern können oder diese nicht offensichtlich erkennbar sind. Menschen mit stiller Depression können unter körperlichen Symptomen wie chronischen Schmerzen, Verspannungen, Funktionsstörungen und anderen körperlichen Beschwerden leiden, die auf eine psychische Ursache zurückzuführen sind. Diese Art der Depression kann schwer zu erkennen sein, da die psychische Komponente oft nicht offensichtlich ist und die körperlichen Symptome im Vordergrund stehen.

Symptome der stillen Depression

Die folgende Tabelle zeigt die psychischen und körperlichen Symptome, die bei einer stillen Depression auftreten können:

Psychische Symptome Körperliche Symptome
Deutlich gedrückte Stimmung Druckgefühl in Hals und Brust
Interessen- und Freudlosigkeit Allgemeine Erschöpfung und Müdigkeit
Antriebslosigkeit Schlafstörungen
Niedergeschlagenheit Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust
Mangelnde Motivation Heisshungerattacken und Gewichtszunahme
Sozialer Rückzug Unspezifische Schmerzen
Negative Gedanken Verdauungsprobleme
Schuldgefühle Herz-Kreislauf-Probleme
Geringes Selbstwertgefühl Verlust des sexuellen Interesses
Suizidgedanken Weitere mögliche Symptome: Sehstörungen, Tinnitus, Schwitzen, Benommenheit

Diese Anzeichen müssen ernst genommen und bei anhaltenden Symptomen professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden, um eine angemessene Behandlung zu erhalten.

Ursachen von Depressionen

Die genauen Ursachen einer Depression sind komplex und nicht vollständig geklärt. Man geht davon aus, dass verschiedene Faktoren zusammenwirken, um eine Depression auszulösen. Diese Faktoren lassen sich grob in drei Kategorien einteilen:

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  1. Biologische Faktoren:
    • Genetische Veranlagung: Das Risiko, an einer Depression zu erkranken, ist erhöht, wenn enge Familienmitglieder betroffen sind.
    • Neurobiologische Veränderungen: Es gibt Hinweise auf Veränderungen im Gehirnstoffwechsel und der Funktion bestimmter Hirnregionen bei Menschen mit Depressionen.
    • Körperliche Erkrankungen: Chronische Krankheiten wie Krebs, Diabetes oder Herzerkrankungen können das Risiko für eine Depression erhöhen.
    • Hormonelle Veränderungen: Hormonelle Umstellungen, wie sie im Wochenbett oder in den Wechseljahren auftreten, können eine Depression begünstigen.
  2. Psychosoziale Faktoren:
    • Stress: Chronischer Stress und Überlastung können zu einer Depression führen.
    • Traumatische Erlebnisse: Verlusterfahrungen, Missbrauch oder Gewalt können das Risiko für eine Depression erhöhen.
    • Ungünstige Lebensbedingungen: Armut, Erwerbslosigkeit oder soziale Isolation können zu einer Depression beitragen.
    • Persönlichkeitsmerkmale: Menschen mit bestimmten Persönlichkeitseigenschaften, wie z. B. einem geringen Selbstwertgefühl oder einer Neigung zu Grübeleien, sind anfälliger für Depressionen.
  3. Weitere mögliche Faktoren:
    • Medikamente: Die Einnahme bestimmter Medikamente, wie z. B. Kortison oder Betablocker, kann als Nebenwirkung eine Depression auslösen.
    • Drogen- und Alkoholkonsum: Missbrauch von Drogen und Alkohol kann das Risiko für eine Depression erhöhen.
    • Schlafstörungen: Chronischer Schlafmangel kann zu einer Depression beitragen.

Diese Faktoren sind nicht alleinige Auslöser einer Depression.

Der Unterschied zwischen "depressiv sein" und einer Depression

Der Unterschied zwischen «depressiv sein» und einer Depression liegt in der Intensität, Dauer und Auswirkungen der Zustände. «Depressiv sein» wird oft im Alltag verwendet, um depressive Verstimmungen wie vorübergehende Gefühle von Traurigkeit oder Niedergeschlagenheit zu beschreiben, die auf bestimmte Ereignisse zurückzuführen sind. Es handelt sich um eine vorübergehende Stimmungsschwankung, die normalerweise von kurzer Dauer ist und nicht zwangsläufig eine klinische Depression darstellt.

Eine Depression hingegen ist eine ernsthafte psychische Erkrankung, die tiefe und langanhaltende Gefühle von Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit, Interessenverlust und anderen Symptomen wie Schlafstörungen, Energielosigkeit und negativen Gedanken umfasst. Die drei Hauptsymptome einer schweren Depression sind nach der Leitlinie ICD-10:

  • eine anhaltende traurige, niedergeschlagene Stimmung
  • Antriebsmangel mit erhöhter Ermüdbarkeit
  • Interessenverlust in Verbindung mit Freudlosigkeit

Um eine schwere depressive Episode zu diagnostizieren, müssen alle drei Hauptsymptome und mindestens fünf zusätzliche Symptome für mindestens zwei Wochen vorliegen.

Medikamentöse Behandlung von Depressionen

Bei Depressionen kommen verschiedene Medikamente zum Einsatz, die man grob in zwei Gruppen einteilen kann:

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  1. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)

    SSRI erhöhen die Konzentration von Serotonin im Gehirn. Serotonin ist ein Botenstoff, der eine wichtige Rolle bei der Stimmungsregulation spielt.

    Wirkung: SSRI verbessern die Stimmung, steigern Antrieb und Motivation und reduzieren depressive Symptome wie Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit und Schlafstörungen.

    Beispiele: Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Paroxetin, Sertralin

  2. Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI)

    SNRIs erhöhen die Konzentration von Serotonin und Noradrenalin im Gehirn.

Altersdepression

Die Verbreitung von Depressionen bei älteren Menschen ist hoch, nicht zuletzt aufgrund der vielfältigen Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind: Einsamkeit, Verlust von nahestehenden Personen, körperliche Erkrankungen und Einschränkungen der Mobilität und Selbstständigkeit. Faktoren, die das Risiko einer Depression deutlich erhöhen können.

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Das Problem der Altersdepression: Altersbedingte Begleiterkrankungen

Die Problematik der Altersdepression stellt eine Herausforderung für Medizin und Gesellschaft dar. Ist die Depression an sich schon ein komplexes und vielschichtiges Krankheitsbild, so wird die Situation im Alter durch zusätzliche altersbedingte Begleiterkrankungen noch komplizierter. Diese Konstellation erschwert nicht nur die Diagnosestellung, sondern stellt auch die Behandlung vor besondere Herausforderungen.

Diagnostik:

Symptome der Depression überschneiden sich häufig mit denen anderer Erkrankungen, die im Alter vermehrt auftreten. So können etwa Gedächtnisprobleme, ein allgemeiner Energieverlust oder Schlafstörungen sowohl auf eine Depression als auch auf neurodegenerative Erkrankungen wie die Alzheimer-Krankheit hinweisen. Auch körperliche Erkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Schilddrüsenfunktionsstörungen können depressive Symptome nachahmen oder verstärken. Diese Symptomüberschneidungen erschweren eine klare Diagnosestellung erheblich.

Hinzu kommt, dass sowohl Patientinnen und Patienten als auch manche Behandelnde dazu neigen könnten, depressive Symptome als normale Alterserscheinungen abzutun. Ein solches Missverständnis kann dazu führen, dass die Depression nicht erkannt und folglich auch nicht behandelt wird.

Behandlung:

Die Behandlung einer Altersdepression wird durch die Polypharmazie - die Einnahme vieler verschiedener Medikamente gleichzeitig - erschwert. Viele ältere Menschen nehmen Medikamente gegen verschiedene Alterserkrankungen ein, was das Risiko von Wechselwirkungen mit Antidepressiva erhöht. Dies erfordert eine sorgfältige Abstimmung der Medikation, um die Wirksamkeit der Behandlung zu gewährleisten und gleichzeitig das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen zu minimieren.

Ein weiteres Problem stellt die Anpassung der Behandlungsmethoden an die besonderen Bedürfnisse älterer Menschen dar. So können beispielsweise körperliche Einschränkungen die Teilnahme an bestimmten Therapieformen, wie Bewegungstherapie, erschweren. Ebenso kann eine eingeschränkte Mobilität den Zugang zu psychotherapeutischen Angeboten oder Selbsthilfegruppen limitieren.

Soziale Aspekte:

Isolation und Einsamkeit, oft bedingt durch den Verlust des Partners oder der Partnerin, von Freunden sowie durch eine verminderte soziale Aktivität, können depressive Symptome verstärken. Diese sozialen Aspekte der Altersdepression erfordern eine umfassende Betrachtung und Einbeziehung in den Behandlungsplan.

Die Lösung: multidisziplinärer Ansatz

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, ist ein multidisziplinärer Ansatz notwendig, der sowohl die medizinischen als auch die psychosozialen Aspekte berücksichtigt. Angehörige und Betreuungspersonen können eine wertvolle Stütze sein, indem sie zuhören und Verständnis zeigen, ohne zu urteilen. Geben Sie den Betroffenen Raum, über ihre Gefühle zu sprechen, und versichern Sie ihnen, dass sie nicht allein sind. Bewahren Sie Geduld, denn der Umgang und die Bewältigung von Depressionen erfordern Zeit und Kraft, sowohl für die Betroffenen als auch für die Unterstützenden.

Weitere Möglichkeiten der Unterstützung sind:

  • Wirken Sie motivierend, indem Sie sanft zur Teilnahme an Aktivitäten ermutigen, die dem Betroffenen Freude bereiten oder zumindest Ablenkung bieten können.
  • Die Hilfe bei der Strukturierung des Alltags kann ebenfalls hilfreich sein, indem sie dazu beiträgt, ein Gefühl der Normalität und Vorhersehbarkeit zu schaffen.
  • Ermutigen Sie dazu, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dies kann den Weg zu einem Psychotherapeuten, Psychiater oder einer Beratungsstelle einschliessen.
  • Vermeiden Sie Druck und Vorwürfe und geben keine ungebetenen Ratschläge. Stattdessen sollte das Angebot der Hilfe auf Respekt und dem ernsthaften Wunsch basieren, den Betroffenen auf seinem Weg zu begleiten.

Wichtig: Depressionen im Alter sind eine ernstzunehmende Erkrankung, die professionelle Behandlung erfordert. Angehörige und Betreuungspersonen können den Prozess der Genesung unterstützen, aber sie können die Therapie nicht ersetzen. Bei Verdacht auf eine Depression sollte daher immer fachärztliche Unterstützung in Anspruch genommen werden.

Verlieren Sie Ihre eigenen Bedürfnisse und Grenzen nicht aus den Augen.

Die Fürsorge für jemanden mit einer Depression kann herausfordernd sein, und es ist wichtig, auch auf die eigene Gesundheit und das Wohlbefinden zu achten. Dies umfasst die Bereitschaft, selbst Unterstützung zu suchen, wenn die Belastung zu gross wird. Das Thema Depression, mit all seinen Facetten, verlangt nach einem tiefgehenden Verständnis und einer sensiblen Annäherung.

Weitere Therapieansätze

Der Zyklus von Fühlen - Denken - Handeln hält eine Depression aufrecht und muss durchbrochen werden. Wenn man deprimiert und traurig ist sich trotzdem aufrafft und zwingt, etwas zu machen, was man schon lange einmal erledigen bzw. tun wollte, hat man wieder erste Erfolgserlebnisse und die Stimmung wird ein klein wenig besser. Um schrittweise Aktivitäten zu planen, hilft es, sich Ziele zu setzen. Ein Tool dafür sind die sogenannten SMART Ziele:

Die Rolle der Plastizität des Gehirns

Ursache ist wohl schwache Plastizität unseres Hirns und nicht ein Mangel an Botenstoffe (v.a. Auf diesen starken Zusammenhang kam Forscher nun wieder bei der Enträtselung der antidepressiven Wirkung der psychedelisch wirkenden Drogen, wie Ketamin. Diese Droge verbessert die Übertragung von Informationen zwischen den Hirnzellen, stellten die Forscher fest. Sie lässt sogar neue Verbindungsstellen, Synapsen, entstehen. Herkömmliche Antidepressiva tun das auf Umwegen auch. »Plastizität« nennen Fachleute dieses Phänomen. Es ist entscheidend für das Lernen.

Eine neue Hypothese war geboren: Depressionen entstünden, wenn diese Plastizität unseres Hirns sinke. Für diese Vermutung spricht einiges, denn Stress senkt die Plastizität. Und Stress entsteht durch akute oder chronische Überlastungen genauso wie durch frühe Traumata - alles bekannte Ursachen von Depressionen. Wenn Menschen aber nicht mehr so gut Neues lernen können, bleiben sie leichter in Grübelschleifen hängen, ziehen sich zurück.

Lange Zeit glaubte man, dass ein Mangel an Botenstoffen, insbesondere an Serotonin, die Ursache für Depressionen sei. Diese Annahme beruhte auf der Wirkweise herkömmlicher Antidepressiva, die die Konzentration von Serotonin zwischen den Hirnzellen erhöhen. Obwohl sie vielen Patienten helfen, wirken sie nicht bei allen. Inzwischen ist klar, dass diese Serotonin-Hypothese nicht ausreicht.

Vor mehr als 20 Jahren fiel Ärzten auf, dass es manchen depressiven Menschen nach einer Operation unter Vollnarkose mit dem Mittel Ketamin deutlich besser ging. Anfang des Jahrtausends bestätigten erste Tests an Patienten mit Depressionen die Wirkung des Stoffs. Es zeigte sich, dass Ketamin die Übertragung von Informationen zwischen den Hirnzellen verbessert und sogar neue Verbindungen - Synapsen - spriessen lässt. Fachleute nennen diesen Mechanismus “Plastizität”. Die neue Hypothese besagt, dass Depressionen dadurch entstehen, dass ebendiese Plastizität sinkt. Ein Gehirn, das sich nur noch wenig verändern kann, wird krank. Wenn bei Menschen mit Depressionen dieser Prozess gestört ist, lernen sie nicht mehr so gut Neues und bleiben in den immer gleichen Grübelschleifen hängen.

Ketamin ist ein vielversprechendes Mittel gegen Depressionen. Die dissoziative Wirkung von Ketamin ist nicht entscheidend für seinen antidepressiven Effekt. Eine Übersichtsarbeit von 2020 ergab, dass nur in drei von acht Studien überhaupt ein Zusammenhang zwischen dissoziativen Symptomen und der antidepressiven Wirkung bestand. Und auch in diesen Fällen erklärten die rauschhaften Erfahrungen nur 12 bis 21 Prozent der Unterschiede in der Wirkung auf die Depression.

Plastizität an sich hilft aber noch nicht. Sie schafft nur die Möglichkeit, dass sich etwas ändert. Ob es besser wird oder sogar schlechter, hängt von der Umwelt ab.

Angst und Depression

Angst vor dem Kommenden, vor der Zukunft - und Niedergeschlagenheit angesichts des Gewesenen, vor der Vergangenheit: Die Angst und Depression sind zwei Seiten derselben Medaille, ängstliche Menschen sind nicht selten auch depressiv und umgekehrt. Im Persönlichkeitsmodell der „Big Five“ sind Ängstlichkeit und Niedergeschlagenheit zwei Facetten ein und derselben Grundeigenschaft, des „Neurotizismus“, der emotionalen Labilität.

Besonders frappant ist die Verkoppelung bei der „generalisierten Angststörung“, bei der sich die Angst verselbständigt hat und frei von Auslösern kommt und geht, wie sie will.

Meist kommt erst die Angst im Leben, und wenn sie nicht vergehen will, gesellt sich in späteren Jahren die Depression hinzu.

Auch Studien haben nun ergeben, dass Menschen während einer Depression ihr Denken auf die Vergangenheit fokussieren. Haben Menschen hingegen Angst, so gehen ihnen vor allem zukünftige Ereignisse durch den Sinn, die sie als Bedrohung empfinden. Vergangene Dramen stimmen also eher depressiv, künftige ängstlich! (A.Pomeranz, P.Rose: Is depression the past tense of anxiety? Ängste sind wie Rauchmelder, die zu sensibel eingestellt sind.

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