Der Charakter eines Menschen ist die Summe seiner Verhaltensweisen. Ein Teil der Charaktereigenschaften ist genetisch bedingt, der andere beruht auf den Erfahrungen, die im Laufe des Lebens gemacht werden.
Was ist ein Charakter?
Der Begriff Charakter kommt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt „Prägung“ oder „Eigenart“. Ein Charakter setzt sich aus verschiedenen Verhaltensweisen zusammen und ist die Grundlage für moralisches Handeln. Typische Charaktereigenschaften sind beispielsweise Ehrlichkeit, Tugend und Freundlichkeit.
Ein Teil der Charaktereigenschaften ist genetisch bedingt, der andere beruht auf den Erfahrungen, die wir im Laufe des Lebens machen. Dementsprechend ist der Charakter nicht statisch, sondern entwickelt sich während unseres Lebens - unter anderem ist er abhängig von unserem sozialen Umfeld und Situationen, denen wir ausgesetzt sind.
Oft wird das Wort „Persönlichkeit“ synonym für Charakter verwendet. Es gibt jedoch Unterschiede. Die Persönlichkeit ist vielmehr die Summe aller Charaktereigenschaften, die sich über einen längeren Zeitraum zeigen. Typische Persönlichkeitsmerkmale sind Intelligenz, Geselligkeit und Aggressivität.
Die Persönlichkeit eines Menschen ist schneller von aussen erkennbar als der Charakter. Sie ist weitestgehend statisch und lässt sich nur schwer ändern.
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Die Begrifflichkeit des Charakters wird in der heutigen Psychologie nur noch wenig verwendet, da die amerikanische Psychologie den Persönlichkeitsbegriff bevorzugt und sich dies auch auf die Psychologie in Deutschland auswirkt.
Welche Faktoren prägen das Verhalten?
Ein Teil des Charakters steckt bereits in der DNA eines Menschen. Der andere Teil setzt sich aus den Umwelteinflüssen zusammen, die bereits im Mutterleib eine Auswirkung auf den Embryo haben. Genetik und Erfahrung beeinflussen im Zusammenspiel, wie die Nervenzellen im Gehirn miteinander kommunizieren. Das neuronale Netzwerk entscheidet dann, wie sich ein Mensch verhält und was er fühlt.
Genetik und Erfahrung haben beispielsweise einen grossen Einfluss darauf, in welchen Situationen bestimmte Hormone freigesetzt werden - beispielsweise das Kuschelhormon Oxytocin, das Glückshormon Dopamin oder das Stresshormon Kortisol.
Damit das Gehirn die jeweiligen Hormone ausschüttet, muss eine Situation als schön oder gefährlich beurteilt werden. Jedoch ist es unterschiedlich, wie ein Mensch ein Ereignis bewertet. Es hängt von seiner Erfahrung ab und wie stark die Botenstoffe im Gehirn eines Menschen wirken und wie schnell sie abgebaut werden.
Eine Studie an der Berliner Charité zeigte beispielweise: Ist eine schwangere Frau einem sehr grossen Stresserlebnis ausgesetzt, geraten häufig physiologische Prozesse im Körper aus dem Gleichgewicht. Das kindliche Stresssystems wird dadurch beeinträchtigt. Die Auswirkungen können bei ihm bis weit ins spätere Leben reichen und das Risiko für altersbedingte Erkrankungen wie Schlaganfall und Demenz erhöhen.
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Dagegen führt eine liebevolle Erziehung eines Kindes dazu, dass die Stresshormone gehemmt und die neuronalen Netzwerke, die für die Emotionen zuständig sind, gestärkt werden.
Welche Charaktereigenschaften gibt es?
Ob ein Mensch mental gesund ist und im Leben gut mit anderen Menschen Beziehungen aufbauen kann, hängt damit zusammen, welche Charaktereigenschaften er hat. Wir stellen Ihnen positive und negative Eigenschaften vor.
Positive Charaktereigenschaften
Förderlich für die mentale Gesundheit sind folgende Charaktereigenschaften:
- Hartnäckigkeit: Jemand gibt nicht auf, wenn es schwierig wird oder Probleme auftauchen.
 - Vertrauen: Der Glaube an die persönliche Fähigkeit und dass Lösungen für Probleme gefunden werden können.
 - Optimismus: Eine positive Sicht auf das Leben.
 - Anpassungsfähigkeit: Offenheit für veränderte Situationen und neue Ideen.
 - Selbsterkenntnis: Die Fähigkeit, seine eigene Kompetenzen einschätzen zu können.
 - Zuverlässigkeit: Bezieht sich darauf, dass Versprechen und Ziele eingehalten werden.
 - Verantwortung: Jemand steht zu persönlichen Fehlern und Irrtümern.
 - Wohlbefinden: Die persönliche geistige und körperliche Gesundheit ist Priorität.
 
Negative Charaktereigenschaften
Neurotisch, verurteilend und kontrollhaft: Solche negativen Charaktereigenschaften machen das Zusammenleben mit anderen Menschen häufig kompliziert. Wer zu solchen negativen Charaktereigenschaften neigt, zeigt häufig folgende Verhaltensweisen:
- fehlende Kritikfähigkeit
 - Pessimismus
 - mangelnde soziale Kompetenz und emotionale Distanz
 - Narzissmus und grosses Ego
 - geringe Selbstreflektion
 - wenig Empathie
 - kein kritisches Denken
 - Unfähigkeit, Rückschläge zu akzeptieren
 - Inflexibilität
 - Wut
 
Die „Big Five“ der Persönlichkeit
Das Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit, auch „Big-Five-Modell“ genannt, geht auf die beiden Psychologen Gordon Allport und Henry Odbert zurück. Sie stellten 1936 fest, dass sich die unterschiedlichen Facetten der menschlichen Persönlichkeit auf fünf Charaktereigenschaften vereinen lassen.
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- Offenheit: Diese Eigenschaft bezieht sich darauf, dass jemand gerne neue Erfahrungen macht - beispielsweise durch fremde Kulturen. Diese Menschen sind häufig kreativ und lieben Abwechslung. Bei wem dieses Merkmal nur gering ausgeprägt ist, neigt zu Routinen im Leben und zu Vorsicht. Auf Neues reagieren diese Menschen zunächst zurückhaltend.
 - Gewissenhaftigkeit: Wer diese Eigenschaft hat, ist zuverlässig, hat Durchhaltevermögen und ist diszipliniert. Menschen, die gewissenhaft sind, neigen auch im Berufsleben zu guten Leistungen. Bei Personen, bei denen das Merkmal gering ausgeprägt ist, besteht die Tendenz zu unvorsichtigem Handeln und Vergesslichkeit.
 - Extraversion: Menschen, die extravertiert sind, lieben den Kontakt mit anderen, haben viel Energie und können begeistern. In der Regel sind sie mit einer hohen Durchsetzungskraft ausgestattet. Wer dagegen wenig extravertiert ist, liebt es, allein zu sein und seine Ruhe zu haben. Das eigene Innenleben genügt diesen Menschen.
 - Verträglichkeit: Freundlich, kooperativ, warmherzig: Diese Eigenschaft haben Personen, die in hohem Mass verträglich sind. Sie sind grosszügig, mögen Harmonie und können in Teams gut arbeiten. Unverträgliche Menschen neigen zu Kälte, sind oft aggressiv und misstrauisch.
 - Neurotizismus: Wie gut geht jemand mit negativen Erlebnissen um? Darüber sagt Neurotizismus etwas aus. Wer viel von dieser Eigenschaft hat, ist nervös und labil. Neurotische Menschen neigen zu Depressionen und Angststörungen. Oft sind sie sehr einfühlsam, nicht nur bei sich selbst, sondern auch gegenüber anderen. Wer wenig neurotisch ist, überzeugt durch ein selbstsicheres und entspanntes Auftreten.
 
Gordon Allport und Henry Odbert gingen davon aus, dass jeder Mensch über alle fünf Eigenschaften in unterschiedlicher Ausprägung verfügt. Sie sprechen von Persönlichkeitsachsen mit fünf Stufen zwischen den zwei Polen: „stark ausgeprägt“ und „schwach ausgeprägt“.
Charakter und Temperament
Hitzköpfig oder gelassen: Das Temperament bezeichnet die Art, wie jemand handelt. Ausschlaggebend dafür ist zum grössten Teil das Erbgut. Das Temperament setzt sich zusammen aus den drei Persönlichkeitsmerkmalen Affekt, Aktivierung und Aufmerksamkeit.
Die erste Typologie, um verschiedene Menschen anhand ihres Temperaments zu unterscheiden, erstellte der griechische Arzt Hippokrates im 5. Jahrhundert vor Christus.
Er nahm an, dass der Körper vier wesentliche Flüssigkeiten enthält, die sogenannten Körpersäfte, die mit einem bestimmten Temperament in Verbindung stehen. Grundsätzlich verfügt der Mensch über alle vier Eigenschaften, sie sind aber unterschiedlich stark ausgeprägt.
Hippokrates brachte auf folgende Weise Körpersäfte und Charakter zusammen:
- Der Sanguiniker/der Zuversichtliche: Bei diesem Typ spielt Blut eine elementare Rolle. Das sanguine (zuversichtliche) Temperament ist gekennzeichnet durch Fröhlichkeit und Aktivität.
 - Der Phlegmatiker: Hier dominiert Schleim. Wer ein phlegmatisches Temperament hat, ist oft aggressiv und träge.
 - Der Melancholiker: Die schwarze Galle spielt bei diesem Typen eine bedeutende Rolle. Ein melancholisches Temperament ist geprägt durch Traurigkeit und Grübeln.
 - Der Choleriker: Gelbe Galle steht für cholerisches Temperament. Das bedeutet: Dieser Mensch ist aufbrausend und reizbar.
 
Inzwischen ist diese Typologie aber überholt. Zu den neueren Theorien gehören unter anderem die des Psychologen Jerome Kagan. Er wies in langjährigen Studien nach, dass das Temperament eines Kindes über lange Zeit hinweg ziemlich stabil ist und grösstenteils angeboren ist. Er zeigte, dass die Physiologie einen grossen Einfluss auf psychologische Merkmale hat und dies auch messbar ist.
Seltene Erkrankungen und genetische Ursachen
Seltene Erkrankungen sind Krankheiten, an denen nur wenige Menschen leiden. In der Schweiz und in Europa gilt eine Erkrankung als selten, wenn sie höchstens 5 von 10 000 Personen betrifft. Bisher sind weltweit etwa 6 000 bis 7 000 seltene Erkrankungen beschrieben, und ständig kommen neue hinzu. Auch wenn eine einzelne seltene Erkrankung nur wenige Menschen betrifft, gibt es jedoch so viele verschiedene seltene Krankheitsbilder, dass etwa 7 % der Bevölkerung von einer seltenen Erkrankung betroffen sind.
Ein Teil der seltenen Erkrankungen sind genetisch bedingt oder mitbedingt, d.h., sie beruhen auf einer Veränderung im Erbgut. Ein Teil der seltenen Erkrankungen macht sich schon kurz nach der Geburt oder im frühen Kindesalter durch Auffälligkeiten bemerkbar, andere brechen erst später aus. Über 50 % der seltenen Erkrankungen führen erst im Erwachsenenalter zu Beschwerden und Symptomen.
Seltene Erkrankungen sind ernste, oft chronisch und fortschreitend verlaufende Krankheitsbilder. Sie können mit Invalidität und/oder eingeschränkter Lebenserwartung einhergehen. Für die meisten seltenen Erkrankungen besteht heute (noch) keine Chance auf Heilung. Doch konnten in der Behandlung bestimmter Krankheiten beeindruckende Fortschritte wie Linderung der Beschwerden und teilweise eine Verlängerung der Lebenserwartung erreicht werden.
Da die Anzahl der betroffenen Patienten so gering ist, gibt es im Zusammenhang mit seltenen Erkrankungen eine ganze Reihen von Herausforderungen und Problemen:
- Dem Themengebiet “seltene Erkrankungen” wurde lange Zeit von Ärzten, Wissenschaftlern und Politikern zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
 - Die geringe Anzahl an Betroffenen erschwert die Durchführung von klinischen Studien zur Entwicklung von neuen Medikamenten, da es schwierig ist, eine ausreichende Zahl von Studienteilnehmern zu finden.
 - Aus medizinischen und ökonomischen Gründen ist die Forschung und die medizinische Versorgung der Patienten oft nicht optimal.
 - Es gibt zu wenig Fachwissen und zu wenige Experten, die sich mit seltenen Erkrankungen auskennen.
 - Diagnostische Tests stehen nur für einen Teil der seltenen Erkrankungen zur Verfügung.
 - Für die meisten seltenen Erkrankungen gibt es keine effiziente Therapie. Vorhandene Therapien beschränken sich oft nur auf die Bekämpfung von Symptomen.
 - Der Alltag von Patienten mit seltenen Erkrankungen und ihren Familien ist geprägt von Unsicherheit, Ungewissheit und Angst, aber auch von sozialen, psychologischen, kulturellen und finanziellen Problemen. Oft dauert es Jahre bis zur richtigen Diagnose. Viele Patienten erhalten keine Diagnose, da aufgrund mangelnder medizinischer Kenntnisse eine seltene Krankheit oft nicht erkannt wird.
 
Grundlagen der Genetik
Da viele seltene Erkrankungen durch Veränderungen im Erbgut und damit genetisch bedingt sind, möchten wir hier einen kurzen Überblick über die Grundlagen der Genetik geben. Alle wichtigen Informationen, die von den Eltern an die Kinder weitergegeben werden, sind auf 46 Chromosomen gespeichert, die im Zellkern liegen. 22 dieser Chromosomen sind doppelt vorhanden (somit total 44), die übrigen beiden sind die Geschlechtschromosomen: das X- und das Y-Chromosom.
Ein Gen ist ein kurzer Abschnitt auf einem Chromosom, das den „Bauplan” für ein Protein (Eiweiss) enthält. Proteine erfüllen ganz unterschiedliche Aufgaben und spielen u.a. bei vielen Stoffwechselvorgängen eine zentrale Rolle.
Als Erbgang bezeichnet man die Weitergabe einer bestimmten Eigenschaft von Mutter oder Vater an die Kinder. Erbgänge sind wichtig für die Diagnose von Erbkrankheiten. Erstellt man einen Familienstammbaum, kann man die Weitergabe einer bestimmten Erbkrankheit manchmal über mehrere Generationen verfolgen.
Verschiedene Erbgänge
Es gibt unterschiedliche Erbgänge. Liegt das veränderte Gen, das für eine Erbkrankheit verantwortlich ist, auf dem X-Chromosom, spricht man von X-chromosomaler Vererbung. Ein Beispiel für einen X-chromosomalen Erbgang ist die Bluterkrankheit (Hämophilie). Die Informationen über die Bildung von Gerinnungsfaktoren liegen auf dem X-Chromosom. Ist ein bestimmtes Gen auf dem X-Chromosom verändert, kann der Gerinnungsfaktor VIII nicht mehr gebildet werden und es kommt zur Bluterkrankheit (Hämophilie). Dies trifft in erster Linie auf Männer zu, da diese nur ein X-Chromosom besitzen.
Bei Frauen ist der “Bauplan” für den Gerinnungsfaktor in der Regel auch auf dem zweiten, nicht veränderten X-Chromosom vorhanden, daher kann der Fehler auf dem veränderten Chromosom ausgeglichen werden. Deshalb kommt es bei Frauen nur sehr selten zu einer Hämophilie. Allerdings können Frauen, die das veränderte Gen auf einem X-Chromosom tragen (“Anlageträgerinnen”), dieses an ihre Kinder weitergeben.
Chromosomen, die nicht an der Bestimmung des Geschlechts beteiligt sind, nennt man Autosomen oder Körperchromosomen. Menschliche Zellen enthalten 22 Autosomen-Paare. Genveränderungen können sich entweder dominant oder rezessiv verhalten.
Wird eine Erbkrankheit autosomal-dominant vererbt, bedeutet das, dass ein Kind mit dem defekten Gen auf einem Körperchromosom die Erbkrankheit tatsächlich bekommen wird.
Liegt dagegen ein autosomal-rezessiver Erbgang vor, wird ein Kind die Erbkrankheit nur dann bekommen, wenn es von Vater und Mutter das defekte Gen geerbt hat. Hat es vom Vater ein gesundes Gen und von der Mutter ein verändertes Gen geerbt, wird es selbst nicht erkranken, aber es ist Träger des defekten Gens und kann es an seine Nachkommen weitergeben.
Etwa 30 Prozent der Darmkrebspatienten sind familiär vorbelastet. Treten in der Familie bestimmte Krebsarten gehäuft auf oder ist ein naher Verwandter in jüngerem Alter (unter 50 Jahren) an Darmkrebs erkrankt, können Betroffene eine genetische Beratung in Anspruch nehmen.
Viele seltene Erkrankungen sind genetisch bedingt oder mitbedingt. Nicht immer ist eine Erbkrankheit durch die Veränderung (Mutation) nur eines defekten Gens bedingt. Manchmal sind an der Entwicklung von Krankheiten mehrere Gene beteiligt - Mediziner sprechen dann von einer polygenen Erkrankung. Nicht selten tragen auch noch Umweltfaktoren zu Erkrankungen bei (multifaktorielle Erkrankung).
Darüber hinaus gibt es chromosomale Erbkrankheiten: Bei diesen liegt eine Veränderung der Chromosomenstruktur oder aber der Chromosomenzahl (Beispiel: Trisomie 21) vor.
Erbkrankheiten können auch durch Neumutation (Spontanmutation) entstehen.
Genetische Beratung
Genetische Beratungsstellen findet man in der Regel an Universitätskliniken. Eine genetische Beratung kann in verschiedenen Situationen sinnvoll sein. Beispielsweise, wenn Kinderwunsch besteht, aber einer der beiden Partner an einer Erbkrankheit leidet oder wenn in der weiteren Familie eine genetisch bedingte Fehlbildung vorliegt.
Oder wenn ein Paar bereits ein Kind mit einer angeborenen Erkrankung hat und wissen möchte, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein weiteres betroffenes Kind zur Welt kommt. Auch wenn eine Frau mehrere Fehlgeburten ungeklärter Ursache hatte, kann eine genetische Beratung weiterhelfen.
Beispiele für genetisch beeinflusstes Verhalten
- Sportmuffel oder Trainingsfreak: Laut Sportwissenschaftler Markus Gerber von der Uni Basel ist Faulheit teils genetisch bedingt. Evolutionär gesehen sei Inaktivität eine Strategie zum Energiesparen gewesen. Bis zu 70 Prozent unseres Bewegungsverhaltens könnten genetisch bedingt sein, sagt Gerber in einem Interview mit der «Basler Zeitung». Trotz genetischer Veranlagung spielten soziale Faktoren eine entscheidende Rolle: Kinder übernähmen oft das Verhalten ihrer Eltern - nicht, weil es in den Genen liegt, sondern weil sie es beobachten. Auch Freunde, Sportlehrer oder die Umgebung - etwa Spielplätze oder Velowege - beeinflussten die Bewegungslust der Menschen stark.
 - Essverhalten: Gene können auch den Bedarf an bestimmten Vitaminen oder Mineralstoffen bestimmen. Einige Menschen brauchen zum Beispiel mehr Folsäure. Denn sie haben eine genetische Variation des MTHFR-Gens, das für den Folsäurestoffwechsel verantwortlich ist. Die Gene können sogar unsere Geschmacksvorlieben und unser Essverhalten beeinflussen. Menschen mit einer genetischen Variation des TAS2R38-Gens reagieren empfindlicher auf Bitterstoffe. Sie empfinden bestimmte Lebensmittel wie Brokkoli, Rosenkohl oder Kaffee als unangenehm bitter und vermeiden sie. Andere Menschen schmecken Süsses nicht so stark, was auf einer genetischen Variation des TAS1R2-Gens beruht. Sie brauchen grössere Mengen an Süssungsmitteln, um einen süssen Geschmack zu empfinden.
 - Verhaltenssüchte: Zur Entstehung einer Verhaltenssucht tragen meist sowohl genetische und neurobiologische sowie umweltbedingte und psychische Faktoren bei. Zudem spielen Lernmechanismen eine wichtige Rolle. Der Aufrechterhaltung werden zusätzlich kognitive und Wahrnehmungsverzerrungen zugeschrieben. Zu den genetischen Faktoren gehört eine Anfälligkeit gegenüber Suchterkrankungen. Dadurch kommt es innerhalb von Familien gehäuft zu Suchterkrankungen.
 - Prader-Willi-Syndrom: Das Prader-Willi-Syndrom ist eine relativ seltene genetisch bedingte Krankheit, die durchschnittlich bei 1 von 16'000 Neugeborenen auftritt. Seine wichtigsten Merkmale sind: Muskelschwäche, Esssucht, Kleinwuchs, Hypogonadismus, Geistige Behinderung, Verhaltensauffälligkeit. Die Anliegen eines Kindes mit PWS sind bereits bei der Geburt festgelegt. Auch durch ständige Therapie und noch so gute Betreuung können die durch das PWS gesetzten Grenzen nicht überschritten werden.
 
Bedeutung von Genen und Umwelt
Ja, wir haben genetisch bedingte Prädispositionen. Dann ist also unser Verhalten genetisch bedingt und vorgeburtlich festgelegt? Nein! Das zeigen auch andere der über tausend jährlich zum Thema 2D:4D-Ratio publizierten Arbeiten.
Genetische Gemeinsamkeiten bei psychischen Erkrankungen
In den letzten Jahren haben mehrere genetische Analysen gezeigt, dass es Gemeinsamkeiten zwischen einigen Krankheiten der Psyche gibt, zum Beispiel bei der Schizophrenie und der bipolaren Störung sowie Depressionen. Doch nun haben die Forscher die Daten sämtlicher Meta-Analysen zu neurologischen und psychischen Krankheiten und weiteren Persönlichkeits- oder Körpermerkmalen in einem riesigen Datensatz zusammengefasst und statistisch neu ausgewertet. Damit standen ihnen für 25 Hirnerkrankungen Genome von mehr als 260 000 Patienten und 780 000 gesunden Personen zur Verfügung.
Beim Vergleich konzentrierten sie sich nicht auf bereits bekannte Risikovarianten, sondern sie verglichen jeweils die ganzen Genome. So fand die Gruppe von mehr als 600 Forschern auch Korrelationen zwischen Krankheiten, wo solche bis anhin nicht bekannt waren, zum Beispiel zwischen Migräne und Depressionen. Epidemiologische Studien hätten schon gezeigt, dass die beiden Krankheiten gehäuft zusammen aufträten, sagt Stephan Ripke von der Berliner Charité, der an der Studie beteiligt war. Aber dass es auf der biologischen Ebene Gemeinsamkeiten gebe, sei neu. Das zeige, dass Hirnerkrankungen genetisch nicht so scharf zu trennen seien wie andere Erkrankungen des Körpers.
Allerdings fanden die Forscher bei den neurologischen Krankheiten viel weniger Überlappungen als bei den psychischen. So liessen sich die Alzheimerkrankheit, Parkinson oder multiple Sklerose bezüglich ihrer genetischen Varianten zum Beispiel klar voneinander abgrenzen. Jedoch gab es Gemeinsamkeiten zwischen einigen neurologischen und psychischen Erkrankungen wie eben bei Migräne und Depressionen. Auch mit ADHS weist die Migräne Gemeinsamkeiten auf.
Ripke geht davon aus, dass es bei allen psychischen Krankheiten genetische Gemeinsamkeiten gibt, auch bei jenen, bei denen man aufgrund der kleinen Fallzahlen - diese schwankten je nach Krankheit zwischen 2000 und 66 000 Patienten - bis jetzt noch nichts gefunden hat. Um welche Gene es sich dabei jeweils handle, könne man mit der angewandten Methode jedoch nicht sehen, weil die gesamten Genome verglichen würden. Bei den meisten psychischen Erkrankungen dürften 100 bis mehrere tausend verschiedene Gene eine Rolle spielen.