Die Seele ist für die Medizin schwieriger zu fassen als ein auffälliger Hautfleck oder ein gebrochenes Bein.
Gefühle als "Gewürz des Lebens"
Gefühle sind aus meiner Sicht sozusagen das Gewürz des Lebens. Sie sind wichtig, weil sie uns sagen, was wir mögen und was nicht. Sie helfen uns dabei, uns besser kennenzulernen.
Die Grenze zwischen Normalität und Störung
Wenn die trauernde Person eine Woche lang nicht mehr aus dem Bett kommt, ist das akzeptabel, wenn sie einen Monat liegen bleibt vor lauter Verzweiflung, wird es auffällig und schränkt das Leben ein. Die Zeit ist aber nur ein Faktor. Hinzu kommen die Intensität der Trauer und die durch sie hervorgerufene Beeinträchtigung des eigenen Lebens und der Umwelt.
Ich habe der Patientin klare Informationen zur Pandemie, eine realistische Einschätzung des Gefahrenpotenzials sowie strukturierende Instruktionen gegeben, also dass sie die Konfrontation mit dem, was sie stresst, nicht vermeiden solle.
Die Heilung erfolgte hier nicht nur mit Vernunft: Ich verschrieb der Frau zunächst ein Psychopharmakon, weil sie aufgrund des Stresses nicht mehr schlafen konnte. Der Stimmungsaufheller begünstigte die erfolgreiche psychotherapeutische Behandlung. Aber auch für schwere Fälle gilt das Prinzip: Der Patient muss herausfinden, welche Ängste und Verhaltensweisen ihm im Weg stehen, und die Motivation finden, ein Leben zu führen, das mit seinen Zielen und Werten im Einklang steht.
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Weder in Basel noch in Zürich, wo ich vorher arbeitete, ist bis jetzt eine Zunahme von diagnostizierten Erkrankungen zu verzeichnen. Wenn ich eine an Corona verstorbene Person betrauere, bin ich ja noch nicht krank, sondern erst dann, wenn ich nicht mehr aus der Trauer herausfinde und diese mich lähmt. Das können wir aber erst mit zeitlicher Verzögerung feststellen, wir werden also wahrscheinlich bald mehr Patientinnen und Patienten haben. Und man darf nicht vergessen: Corona hat viele Menschen verängstigt, aber auch vielen Entlastung gebracht, etwa von Konflikten am Arbeitsplatz.
Depressive Symptome sind noch lange keine Erkrankungen. Wenn ich es im Lockdown vermisst habe, mit Freunden auszugehen, macht mich das traurig, aber ich habe noch keine Depression. Die Trauer ist eine Reaktion, die der Situation angemessen ist. Wenn ich an anderen Dingen Freude finde, mich mit Hobbies beschäftige und nach der Lockerung der Massnahmen und dem Nachlassen der Bedrohung wieder auflebe, dann war ich zwar belastet, bin aber nicht depressiv.
Die Entwicklung der Psychiatrie
Wir stehen heute in der Psychiatrie an dem Punkt, wo die innere Medizin in den 1970er-Jahren stand. Wir werden immer präziser. Die Psychiatrie ist ja eine relativ junge Wissenschaft, nur etwas älter als hundert Jahre. Um 1900 verfügte sie nur über drei Diagnosen, nämlich Depression, Manie und Neurose. Daneben ging sie vor allem deskriptiv vor, indem sie die Symptome und Verläufe von Krankheiten beschrieb, ohne die Ursachen zu kennen.
Die Psychiatrie ist mehr als andere medizinische Fächer in gesellschaftliche und moralische Fragen verstrickt. Für die Hautärztin bleibt der Fleck auf der Haut ein Fleck, was es aber mit der Angst auf sich hat, unter der jemand leidet, ist schwieriger zu fassen. Gerade darum ist die Biologie für uns so wichtig.
Mit der Biologie machen wir unser Fach objektiver, weil wir die Subjektivität des Kranken um eine Dimension erweitern. Aber wir stehen erst am Anfang.
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Wir sind in der genetischen Forschung viel weiter als damals! Wir wissen nun, dass es kein einzelnes Gen für Depression oder Schizophrenie gibt. Die Vererbung psychischer Krankheiten findet statt, aber sie verläuft viel komplexer. Es gibt in der Psychiatrie keine Krankheiten, die auf einem einzigen vererbten Gen beruhen, sondern nur solche, bei denen viele kleine genetische Faktoren zusammenspielen. Dank genetischer Analysen wissen wir heute, dass bipolare Erkrankungen, also wenn jemand manischdepressiv ist, genetisch der Schizophrenie näher stehen als der unipolaren Depression. Dieses Wissen hat zu erfolgreicheren Medikationen geführt.
Sie beinhaltet immer auch psychotherapeutische Elemente. Je nach Erkrankung stehen Medikamente oder Psychotherapie im Vordergrund, aber die Behandlung ist nie nur medikamentös.
Herausforderungen und Stigmatisierung
Es ist nicht zu bestreiten, dass die Psychiatrie sich in der Vergangenheit in den Dienst moralisch fragwürdiger Entscheidungen gestellt und unerwünschte Personen ausgegrenzt hat. Das ist heute anders, ich erlebe die Psychiatrie als reflektiert und ethisch bewusst. Dazu kommt, dass psychische Erkrankungen für die Öffentlichkeit mit Unbehagen und Stigma besetzt sind, weil sie die Person direkt betreffen und schwierig zu verstehen sind - im Gegenteil zu einem gebrochenen Bein oder einem Tumor, der auf dem Röntgenbild zu sehen ist. Schliesslich ist das Wissen der Bevölkerung darüber, was in der Psychiatrie passiert, viel geringer als beispielsweise bei der Chirurgie.
Interdisziplinäre Forschung und Netzwerke
Forschung findet zunehmend in interdisziplinären Netzwerken sowie nationalen und internationalen Forschungsverbünden statt. Grund dafür ist die Erkenntnis, dass interdisziplinäre Ansätze für die erfolgreiche Erforschung komplexer Fragestellungen häufig sehr konstruktiv oder sogar notwendig sind.
Die Universität Basel fördert den interdisziplinären Austausch und Kollaborationen mit Forschungsgruppen im Dreiländereck sowie mit Hochschulen und akademischen Institutionen in Europa und weltweit.
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EUCOR - The European Campus ist ein trinationaler Verbund zwischen fünf Universitäten in der Oberrheinregion, im Herzen Europas. Folgende Universitäten gehören dem Verbund an: Universität Basel Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Université de Haute-Alsace in Mulhouse, Université de Strasbourg und Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Der Universitätsverbund befindet sich auf dem Weg zu einer Europäischen Universität. In den Bereichen Quantum Sciences and Technology, Personalized Health/Precision Medicine, Sustainability und European Identities vernetzen sich Wissenschaftler*innen, beispielsweise in gemeinsamen Workshops und durch gemeinsame Förderanträge.
Das European Network of Neuroscience ist eines der wichtigsten europäischen Netzwerke im Bereich der Neurowissenschaften, das 2001 gegründet wurde und an dem über 1000 Forschende der Universitäten Basel, Strasbourg und Freiburg im Breisgau beteiligt sind. Neurex koordiniert das Interneuron-Projekt, welches aus dem EU-Interreg V Oberrhein-Programm finanziert wird.
Am Upper Rhine Cluster for Sustainability Reseach (URCforSR) sind die Universitäten von «Eucor - The European Campus» in Basel, Freiburg, Karlsruhe, Mulhouse und Strasbourg, die Universität Koblenz-Landau und weitere Forschungsinstitute als assoziierte Partner beteiligt.
Im Oktober 2018 startete die Flaggschiff-Initiative zur Erforschung der Quantenphysik und ihrer Anwendungen mit Beteiligung von Wissenschaftlern der Universität Basel. Am Flagship-Projekt Quantum Technology sind drei Forschungsgruppen aus dem Departement Physik mit den Projekten «Quantum Internet Alliance» (QIA), «Miniature Atomic vapor-Cell Quantum devices for SensIng and Metrology AppLications» (MACQSIMAL) und «Advancing Science and TEchnology thRough dIamond Quantum Sensing» (ASTERIQS) vertreten.
Das Flagship-Projekt Graphen ist dem neuartigen Nanomaterial Graphen gewidmet, das als Material der Zukunft gilt. Die Forschungsgruppe Quanten- und Nanoelektronik am Departement Physik der Universität Basel experimentiert seit einiger Zeit mit Nanobauteilen, um ihre quantenmechanischen Eigenschaften für Datenverarbeitung und Datenkommunikation nutzbar zu machen. Deshalb wurde die Universität Basel 2013 ausgewählt, am Flagship-Projekt «Graphen» mitzuwirken.
Das Flagship-Projekt Human Brain Project (HBP) baut eine Forschungsinfrastruktur auf, um Neurowissenschaften, Medizin und Informatik weiterzuentwickeln. Kernstück des HBP sind die Plattformen Neuroinformatik, Gehirnsimulation, Hochleistungsanalyse, Medizinische Informatik, Neuromorphic Computing und Neurorobotik. Neben zielgerichteter Forschung werden auch theoretische Studien durchgeführt sowie die ethischen und gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Forschung untersucht. HBP wird von 2013-2023 mit rund 1 Mrd.
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