ADHS Arzt Koblenz: Umfassende Informationen zu Psychopharmaka und psychiatrischer Versorgung

Die Psychiatrie ist eine medizinische Disziplin, die sich auf Menschen mit psychischen Erkrankungen spezialisiert und diesen zu helfen versucht. Dabei stehen intensive therapeutische Angebote, eine offene und freundliche therapeutische Haltung, eine therapeutische Beziehung und hohe fachliche Professionalität im Vordergrund.

Psychopharmaka: Verwendung und Verschreibung

Eine neue Publikation des Schweizerische Gesundheitsobservatorium OBSAN 2021 stellt fest, dass Psychopharmaka die am häufigsten bezogenen Medikamente in der Schweiz sind. Zu diesem Befund tragen mehrere Faktoren bei:

  • Die Gruppe der Psychopharmaka ist recht gross und umfasst verschiedene Medikamente wie Schlafmittel, Beruhigungsmittel, Antidepressiva, Medikamente gegen Psychosen, zur Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen oder auch ADHS.
  • Psychische Erkrankungen sind sehr häufig (bis zu 20 Prozent der Schweizer Bevölkerung leiden jedes Jahr an einer psychischen Erkrankung), was zu hohen Verordnungszahlen führt.
  • Medikamente aus der Gruppe der Psychopharmaka werden nicht nur für manifeste psychische Erkrankungen verschrieben, sondern haben auch Wirkungen bei anderen Erkrankungen.

Psychopharmaka sind Medikamente, die auf das Gehirn einwirken und damit psychische Funktionen beeinflussen. Neben dem grossen Nutzen von Psychopharmaka gibt es auch etliche Nebenwirkungen. Bestimmte Psychopharmaka bewirken eine Steigerung des Appetits und damit meist eine Gewichtszunahme. Anderen Psychopharmaka, insbesondere Beruhigungsmittel aus der Gruppe der Benzodiazepine, haben ein Abhängigkeitspotential. Manche Antidepressiva können bei Männern zu sexuellen Funktionsstörungen führen. Ansonsten gibt es bei verschiedenen Psychopharmaka Nebenwirkungen, die unangenehm, aber nicht gefährlich sind, wie z.B. Mundtrockenheit. Diese Nebenwirkungen treten aber nur auf, während die Medikamente eingenommen werden.

Die häufigsten Psychopharmaka

Die mit Abstand am häufigsten bezogenen Psychopharmaka sind Antidepressiva (zur Behandlung von Depressionen). 2020 waren es rund 197 Millionen definierte Tagesdosen, fünf Jahre zuvor waren es 192 Millionen.Einerseits sind Depressionen und Angststörungen, für die Antidepressiva ebenfalls zugelassen sind, die häufigsten psychischen Erkrankungen. Und hierbei ist in der Bevölkerung das Bewusstsein gestiegen, dass diese Erkrankungen behandelbar sind und dass Antidepressiva nicht gefährlich oder anderweitig negativ sind (reduziertes Stigma).

Anxiolytika (Mittel gegen Angststörungen) und Sedative (Beruhigungsmittel) werden nach den Antidepressiva am zweithäufigsten bezogen. Hier zeigt sich ein Rückgang von insgesamt 103,3 Millionen auf 95,6 Millionen im gleichen Zeitraum. Erfreulicherweise ist das Bewusstsein um die Probleme dieser Medikamente (Abhängigkeitsgefahr auch bei niedrigen Dosierungen bei längerer Einnahme) grösser geworden, und es gibt Medikamente unter anderem aus der Gruppe der niederpotenten Antipsychotika, die bei Schlafstörungen und Unruhe/Angst weniger Abhängigkeitspotential haben.

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Die deutlichste Veränderung zwischen 2017 und 2022 lässt sich bei den ADHS-Medikamenten feststellen. Die Zunahme von 12,4 auf 15,2 Millionen war beachtlich. Früher hat man gedacht, dass sich ADHS mit dem Erwachsenwerden «auswächst». Heute weiss man, dass auch im Erwachsenenalter ADHS-Symptome Schwierigkeiten im Alltag und auch Leiden verursachen können und damit behandelt werden sollten.

Es beziehen mehr Frauen Antidepressiva und Anxiolytika/Sedativa als Männer (rund 65 Prozent versus 35 Prozent). Sowohl Depressionen als auch Angststörungen sind bei Frauen häufiger als bei Männern (zwei- bis dreimal häufiger). Die höchsten Kosten verursachten Antidepressiva gefolgt von den Anxiolytika/Sedativa.

Rolle von Hausärzten und Psychiatern

In dem OBSAN Bericht wird dargestellt, dass die Hälfte der Antidepressiva und 60% der Anxiolytika/Sedativa durch Hausärzte verschrieben wird und Psychiater nur eine deutlich geringere Menge (35% bzw. 20%).

Bei manchen Patienten besteht eine Dauerbehandlung mit bestimmten Medikamenten, die gut etabliert ist und nicht unbedingt eine intensive Behandlung erfordert und daher auch durch einen Hausarzt durchgeführt werden kann. Zudem ist es manchmal besser, wenn Patienten wenigstens vom Hausarzt behandelt werden, bei dem das Stigma geringer ist und der den Patienten schon länger kennt, als wenn er aus Angst vor dem Psychiater nicht behandelt wird.

Psychopharmaka sollten allerdings eigentlich nicht alleine ohne ein Behandlungskonzept, das meist auch eine psychotherapeutische Behandlung einschliesst, verordnet werden. Spätestens wenn ein Psychopharmakon nach circa 6 Wochen nicht ausreichend gewirkt hat, sollten Patienten von einem Psychiater gesehen werden, um einerseits zu überprüfen, ob die Diagnose korrekt ist oder ob noch weitere psychische Probleme vorliegen, und andererseits die weitere Behandlung zu übernehmen und im Verlauf zu kontrollieren.

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ADHS im Erwachsenenalter

Teilweise werden heute auch Erwachsene mit ADHS diagnostiziert, die als Kinder und Jugendliche nicht erkannt wurden, sei es weil ihr Umfeld kein Bewusstsein für die Problematik hatte oder vielleicht auch selbst ähnliche Symptome (Erblichkeit) hatte und es daher für normal hielt, sei es weil vor den 1990er/2000er Jahren ADHS viel seltener beziehungsweise viel zu selten diagnostiziert wurde, insbesondere bei Frauen.

Zudem ist mittlerweile bekannt, dass auch eine längerfristige Behandlung nur wenige Nebenwirkungen verursacht und im Gegenteil zum Beispiel das Risiko von Verkehrs- und Arbeitsunfällen bei Erwachsenen mit ADHS reduziert.

Therapeutische Beziehung und Reduktion von Zwangsmassnahmen

Insbesondere durch Beziehungsangebote, die darauf hinzielen, es dem Patienten zu erleichtern, Hilfe anzunehmen, durch Vertrauen und Verlässlichkeit, werden Zwangsmassnahmen und Freiheitsbeschränkende Massnahmen wie geschlossene Abteilungen deutlich reduziert bis sogar überflüssig. Untersuchungen zeigen, dass solche restriktiven Massnahmen keinen Einfluss auf Suizidversuche, Suizide und Entweichungen haben. Wenn wir den Patienten mit einer guten therapeutischen Beziehung, die auf Vertrauen und Verlässlichkeit beruht und dem Patienten zugewandt ist, begegnen, reduzieren wir Risiken viel besser als durch restriktive Massnahmen.

Annette Brühl: Expertin für psychische Erkrankungen

Annette Brühl ist Chefärztin des Zentrums für Affektive, Stress- und Schlafstörungen ZASS und des Zentrums für Alterspsychiatrie ZAP an der Universitären Psychiatrischen Kliniken UPK in Basel und Professorin für affektive Störungen an der Universität Basel. Annette Brühl ist 1977 in Koblenz (Deutschland) geboren, 1996-2002 Medizinstudium an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz, Promotion dort 2004 am Institut für Pharmakologie, 2003-2005 Assistenzärztin Neurologie in D-Ludwigsburg. Ab 2005 Ausbildung in Psychiatrie an der PUK Zürich in verschiedenen Bereichen, als Assistenz- und Oberärztin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Klinik für Alterspsychiatrie und Klinik für Soziale Psychiatrie und Allgemeinpsychiatrie. Seit 2008 ist sie Lehrbeauftragte für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Zürich. 2010 Facharztprüfung für Psychiatrie und Psychotherapie, 2013 Habilitation an der Universität Zürich, 2013-2016 wissenschaftliche Tätigkeit als Postdoktorandin am Behavioural and Clinical Neuroscience Institute in Cambridge im Bereich Verhaltens- und klinische Neurowissenschaften. 2016 Rückkehr an die PUK Zürich als Stv. Chefärztin und Leiterin des Zentrums für Depressionen, Angststörungen und Psychotherapie.

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