Arznei gegen Depression: Ein umfassender Überblick

Antriebslosigkeit, ein durchdringendes Gefühl von Müdigkeit und fehlender Motivation, kann die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Sie kann zwar ein Symptom verschiedener Erkrankungen sein, darunter körperliche Krankheiten und Faktoren des Lebensstils, ist aber häufig auf zugrunde liegende psychische Probleme zurückzuführen. Antriebslosigkeit hat viele Gesichter und kann durch unterschiedliche Ursachen ausgelöst werden. Oft sind es berufliche und familiäre Belastungen, die uns in die Knie zwingen. Menschen mit hohem Perfektionsanspruch sind besonders anfällig, da sie sich selbst unter enormen Druck setzen. Die Symptome entwickeln sich meist schrittweise. Anfangs ist es vielleicht nur innere Unruhe oder eine allgemeine Unzufriedenheit, die dann zu einer ernsthaften Antriebslosigkeit fortschreitet.

Bei der Behandlung einer Depression können verschiedene Medikamente zum Einsatz kommen. Verschiedene Medikamente bieten unterschiedliche Vorteile und Nebenwirkungen. Alle in dieser Publikation erwähnten Produkte sind in Übereinstimmung mit den vom jeweiligen Hersteller publizierten Fachinformationen einzusetzen.

Antidepressiva im Überblick

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Medikamente einzuteilen. Medikamente lassen sich dabei nach ihrer Herstellung (pflanzlich, chemisch), chemischen Stoffklasse (z.B. Trizyklika, Benzodiazepine) oder auch nach ihrem Haupteinsatzgebiet ordnen. Die folgende Einteilung folgt primär dem Einsatzgebiet, weist aber immer dort Abweichungen auf, wo eine Substanz zur Behandlung verschiedener Symptome eingesetzt werden kann.

Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI)

Antidepressiva, insbesondere Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) haben sich als wirksame Mittel gegen die mit Depressionen verbundene Antriebslosigkeit erwiesen.

Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren; abgekürzt SSRI) blockieren gezielt das Transportmolekül, das den Überträgerstoff Serotonin wieder in seine Speicher zurückbefördert. SSRI wirken, indem sie die Wiederaufnahme von Serotonin im Gehirn hemmen, wodurch mehr Serotonin für die Rezeptoren verfügbar wird. Dies führt zu einer Verbesserung der Stimmung und des Antriebs. SSRI sind gut verträglich und finden daher breite Anwendung. Die Zunahme des Körpergewichtes ist nicht so ausgeprägt. Auch eine Anwendung bei Menschen mit alterstypischen Problemen, wie zum Beispiel einer vergrösserten Prostata oder dem Grünen Star, ist hier möglich. Zu den unerwünschten Wirkungen gehören u.a. Schlaflosigkeit und Appetitmangel, aber auch erhöhte Aggressivität. Übelkeit, Erbrechen und Durchfall sind nicht selten, legen sich aber nach wenigen Tagen wieder. Nicht jede dieser Nebenwirkungen tritt zwangsläufig bei jedem Menschen auf.

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Im Allgemeinen haben die SSRI eine ähnliche Wirksamkeit, unterscheiden sich aber etwas in Bezug auf das Nebenwirkungsprofil, den Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und der Pharmakokinetik. Bei der Auswahl eines Antidepressivums spielt die Anamnese eine entscheidende Rolle.

Einzelne SSRI-Präparate

  • Citalopram: Leidet der Patient an einer Depression wird häufig ein Medikament mit dem Wirkstoff Citalopram gegeben. Citalopram gehört zu der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI, «Selektive Serotonin Reuptake Inhibitoren»). SSRI sind Antidepressiva, die am Serotonin-Transporter ihre Wirkung entfalten und dabei die Serotonin-Konzentration im Gehirn erhöhen. Wird das Medikament von einem Tag auf den anderen abgesetzt, entsteht ein Absetz-Phänomen mit Entzugssymptomen wie starker Angst und Unruhe. Eine Studie brachte bestimmte, bei Depressiven besonders häufige, genetische Merkmale in Verbindung mit Selbstmordgedanken unter Behandlung mit Citalopram. Zwei Marker auf den Genen (GRIA3 und GRIK2) sind möglicherweise mit einem um das Fünfzehnfache erhöhten Suizidrisiko assoziiert. Die Studie war jedoch nicht Placebo-kontrolliert, sodass die Kausalität unklar bleibt. Es gibt verschiedene Studien, die das Suizidrisiko belegen oder bestreiten. Bei Kindern und Jugendlichen dürfen keine SSRI-Medikamente gegeben werden. Es ist erwiesen, dass durch ihre Einnahme die Suizidgefahr massiv steigt. Citalopram vs. Escitalopram ist das S-Enantiomer des racemischen Gemischs Citalopram.
  • Fluoxetin: Fluoxetin ist dafür bekannt, dass es bestimmte Leberenzyme, insbesondere CYP2D6, hemmt, was zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten führen kann. Darüber hinaus wird Fluoxetin häufig als einer der stärker aktivierenden SSRI beschrieben, was bedeutet, dass es mehr Stimulation oder erhöhte Energie verursachen kann, insbesondere im Vergleich zu anderen SSRI wie Citalopram oder Escitalopram.
  • Paroxetin: Paroxetin hat unter den SSRI eine der höchsten Affinitäten für den Serotonintransporter (SERT). Aufgrund der hohen Affinität zum Serotonintransporter gilt Paroxetin als starker SSRI, trotz seiner kürzeren Halbwertszeit.
  • Sertralin: Sertralin hat neben seiner Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmwirkung auch eine leichte Dopamin-Wiederaufnahme-Hemmwirkung. Sertralin birgt auch ein geringeres Risiko für Arzneimittelwechselwirkungen als einige andere SSRI wie Fluoxetin und Paroxetin, da es einen geringeren Einfluss auf Leberenzyme wie CYP2D6 hat.

Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI)

Diese Medikamente funktionieren nach dem gleichen Prinzip wie SSRI, haben aber die Wirkung, dass Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Inhibitoren; abgekürzt SNRI) gezielt den Rücktransport von Noradrenalin und Serotonin hemmen. ssNRI wirken durch die Hemmung der Wiederaufnahme von sowohl Serotonin als auch Noradrenalin, was die Stimmung und den Antrieb verbessert. Sie wirken sowohl stimmungsaufhellend als auch antriebssteigernd.

Einzelne SNRI-Präparate

  • Duloxetin: Duloxetin ist ein Serotonin-Norepinephrin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI), der zur Behandlung verschiedener Erkrankungen eingesetzt wird, wobei der Schwerpunkt auf der psychischen Gesundheit und chronischen Schmerzen liegt. Das Medikament hemmt die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin, zwei wichtigen Neurotransmittern, die an der Stimmungsregulation und der Schmerzwahrnehmung beteiligt sind.
  • Venlafaxin: Venlafaxin wirkt ebenfalls in erster Linie durch die Erhöhung der Serotonin- und Noradrenalinspiegel im Gehirn. Diese Neurotransmitter spielen eine wesentliche Rolle bei der Regulierung von Stimmung und Angstzuständen. In niedrigeren Dosen wirkt Venlafaxin eher wie ein selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und konzentriert sich hauptsächlich auf Serotonin. Venlafaxin und Duloxetin sind hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Nebenwirkungen vergleichbar.

Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (NARI)

Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (Noradrenalin-Reuptake-Inhibitoren; abgekürzt NARI) hemmen gezielt den Rücktransport des Botenstoffes Noradrenalin in seine Speicher. Angewendet werden sie bei leichten und mittelgradigen Depressionen, vor allem wenn die Antriebslosigkeit im Vordergrund steht.

Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahme-Hemmer (NDRI)

Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahme-Hemmer (Noradrenalin-Dopamin-Reuptake-Inhibitoren; abgekürzt NDRI) hemmen den Rücktransport von Noradrenalin und Dopamin in die Neuronen. NDRI steigern den Antrieb, indem sie die dopaminerge und noradrenerge Funktion im Gehirn verbessern.

Trizyklische Antidepressiva (TZA)

In den fünfziger Jahren war Imipramin das erste Medikament, das bei Depressionen eingesetzt wurde. Ihr Name leitet sich von ihrer chemischen Struktur ab, da das Molekül aus drei/vier Ringen besteht. Trizyklika und Tetrazyklika haben folglich eine sehr breite Wirkungsweise, allerdings auch viele unerwünschte Wirkungen. Trizyklische Antidepressiva erhöhen die Konzentration von Serotonin und Noradrenalin im synaptischen Spalt, was zu einer Verbesserung der Stimmung und einer Verringerung von Unruhe führt. Am Anfang der Therapie werden die Erkrankten oft sehr müde und sind in ihrer geistigen und körperlichen Aktivität sehr eingeschränkt. Ihre Anwendung ist in den letzten Jahren aufgrund der vielfachen Nebenwirkungen stark zurückgegangen. Inzwischen gibt es jedoch neuere TZA, die weniger oder auch andere Nebeneffekte haben.

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Einzelne TZA-Präparate

  • Amitriptylin: Amitriptylin wird häufig zur Behandlung von Depressionen, chronischen Schmerzen und Migräne eingesetzt und wirkt, indem es den Serotonin- und Noradrenalinspiegel im Gehirn erhöht.
  • Imipramin: Imipramin wird in erster Linie zur Behandlung von Depressionen und manchmal auch von Angststörungen eingesetzt, wird aber auch zur Behandlung von Bettnässen (Enuresis) bei Kindern verschrieben.

Monoaminoxidase-Inhibitoren (MAO-Hemmer)

Monoaminoxidase-Inhibitoren (auch MAO-Hemmer) hemmen das Enzym Monoaminoxidase. Das Enzym Monoaminoxidase baut die Botenstoffe Serotonin, Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin ab. MAO-Hemmer blockieren die Monoaminoxidase-Enzyme, um die Konzentration von Neurotransmittern wie Serotonin, Noradrenalin und Dopamin im Gehirn zu erhöhen. Sie greifen in den Stoffwechsel der Botenstoffe im Gehirn ein und wirken u.a. stimmungsaufhellend und antriebssteigernd. Die Einnahme von MAO-Hemmern erfordert jedoch besondere Vorsicht. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind bekannt. Verschiedene Nahrungsmittel, die biogene Amine (Gewebshormone) enthalten, wie Rotwein, Käse, Nüsse u. Mit Moclobemid hebt sich die Hemmung nach einiger Zeit wieder auf, ist also reversibel. Reversible Monoaminoxidase-Inhibitoren werden vor allem bei schweren Depressionen eingesetzt.

Weitere Antidepressiva

Auf dem Markt gibt es viele verschiedene Antidepressiva. Mirtazapin und Mianserin blockieren die Rezeptoren für Noradrenalin an den Nervenzellen und bewirken gleichzeitig eine Steigerung der Ausschüttung dieses Botenstoffes. Zu den unerwünschten Wirkungen gehören unter anderem Müdigkeit und starke Hungergefühle. Ein Vorteil an diesen Stoffen besteht in der stark beruhigenden Wirkung, die oft in der Anfangszeit einer Behandlung von Vorteil sein kann. Eine Gefahr bei diesen Stoffen besteht allerdings in dem Risiko, dass schwere Störungen des Blutbildes auftreten können. Eine regelmässige Blutbildkontrolle ist hier vom Arzt erforderlich.

Melatonin-Agonisten und selektive Serotonin-Hemmer

Melatonin-Agonisten und selektive Serotonin-Hemmer wirken über eine Stimulierung von Melatonin-Rezeptoren und die gleichzeitige Blockade von bestimmten Serotonin-Rezeptoren. Dadurch soll es zu einer Erhöhung von Dopamin und Noradrenalin kommen. Melatonin ist ein natürlich im Körper vorkommendes Hormon, das den Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert. So erklärt sich auch der schlaffördernde Effekt.

Pflanzliche Heilmittel

Bei Stimmungsschwankungen und Verstimmungen können verschiedene Heilpflanzen helfen. Dazu gehört in erster Linie das Johanniskraut. Pflanzliche Heilmittel wie Johanniskraut werden häufig bei Antriebslosigkeit eingesetzt. Johanniskraut-Präparate müssen eine bestimmte Menge an Extrakt enthalten, um eine antidepressive Wirkung zu erzielen.

Johanniskraut gilt schon lange als „Stärkungsmittel für die Seele“. Bereits im Mittelalter wurde es gegen „Melancholie“ verwendet. In den 1970er Jahren konnte die Schulmedizin die stimmungsaufhellende Wirkung in medizinischen Studien beweisen. Die Pflanze des Lichtes, wie Johanniskraut auch genannt wird, zeigt eine beruhigende und ausgleichende Wirkung bei: gedrückter Stimmung, Stimmungslabilität, innerer Unruhe, Ängstlichkeit, Spannungszuständen und Stimmungsschwankungen. Studien belegen die Wirksamkeit von Johanniskraut bei Verstimmungszuständen, Stimmungsschwankungen und Depressionen. Allerdings ist auch schon lange bekannt, dass Johanniskraut-Präparate Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten verursachen können, unter anderem mit Magenschutzmitteln, oralen Verhütungsmitteln, Immunsuppressiva und bestimmten Herzmedikamenten. Untersuchungen zeigen, dass für diese Interaktionen hauptsächlich der Inhaltsstoff Hyperforin verantwortlich ist.

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Melisse, Passionsblume, Hopfen und Baldrian sind Pflanzen, welche eine beruhigende und entspannende Wirkung aufweisen. Sie werden bei Beschwerden wie Nervosität, Spannungs- und Unruhezustände sowie auch Prüfungsangst empfohlen.

Weitere Medikamentenklassen

Neben Antidepressiva gibt es noch weitere Medikamentenklassen, die in der Psychiatrie eingesetzt werden:

  • Hypnotika: Medikamente, die den Schlaf fördern.
  • Anxiolytika: Angstlösende Medikamente.
  • Antipsychotika: Medikamente zur Behandlung von Wahnvorstellungen und Halluzinationen.
  • Phasenprophylaktika und Antiepileptika: Stimmungsstabilisierer.
  • Nootropika: Medikamente, die die Hirnfunktion verbessern.
  • Antidementiva: Medikamente zur Behandlung von Gedächtnisstörungen.
  • Psychostimulantien: Substanzen, die die Funktion des Hirns verbessern.

Kombinierte Behandlung

Eine kombinierte Behandlung aus Medikamenten und Psychotherapie kann besonders effektiv sein. Nach Beendigung einer alleinigen Antidepressivabehandlung kann es zu einer erhöhten Rückfallrate kommen, verglichen mit psychotherapeutischen Ansätzen.

Die Suche nach dem richtigen Medikament

Die Suche nach dem richtigen Medikament kann dauern.

Die Behandlung von Antriebslosigkeit erfordert oft einen vielschichtigen Ansatz. Durch die Kombination von Pharmakotherapie und Psychotherapie und die Förderung eines gesunden Lebensstils können optimale Ergebnisse erzielt werden.

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