Die zwei Arten von Narzissmus: Unterschiede und Merkmale

„Was für ein Narzisst!!“ Damit bezeichnen wir im Alltag häufig Menschen, die wir als selbstverliebt und selbstgefällig wahrnehmen. Hinter dem Begriff „Narzissmus“ steckt aber noch viel mehr als Selbstverliebtheit. Heutzutage wird der Begriff Narzissmus verwendet, um einen Persönlichkeitsstil zu bezeichnen. Narzisstische Personen fühlen sich anderen gegenüber überlegen. Sie fantasieren über ihren eigenen Erfolg und sie denken, sie hätten Anspruch auf Privilegien, die andere nicht haben. Wenn sie sich gedemütigt fühlen, können sie häufig aggressiv oder gewalttätig reagieren.

Der Begriff Narzissmus geht auf den wunderschönen Jüngling Narziss, eine Figur aus der griechischen Mythologie, zurück. Narziss verliebte sich leidenschaftlich in sein eigenes Spiegelbild im Wasser und ging an der Unfähigkeit, den Blick von sich selbst abzuwenden, zu Grunde.

Was ist Narzissmus?

Narzissmus ist eine Zusammensetzung von Persönlichkeitseigenschaften, die unter anderem von Dominanz, Exhibitionismus, Ausbeutung, Überlegenheitsgefühl, mangelndem Einfühlungsvermögen und Selbstbezogenheit geprägt sind. Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung neigen dazu, sich selbst für wichtiger als andere zu halten. Zudem sind Narzissten bei ihren Entscheidungsprozessen eher nicht bereit, die Gefühle oder Bedürfnisse anderer Menschen zu berücksichtigen. Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeit möchten bewundert werden und suchen daher ständig nach Aufmerksamkeit. Sie fallen oft durch Arroganz und Überheblichkeit auf und wirken viel selbstbewusster, als sie es in Wahrheit sind, was sie sich jedoch selbst nicht eingestehen.

Allerdings gibt es da einen wesentlichen Unterschied zwischen einer sehr selbstbewussten und einer narzisstischen Persönlichkeit. Personen, die von sich und ihren Fähigkeiten überzeugt sind, sind widerstandsfähiger und psychisch robuster, was gerade im Zusammenhang mit exponierten Tätigkeiten und Funktionen hilfreich sein kann. Personen mit narzisstischen Zügen neiden zur Selbstüberschätzung. Narzissten verfügen meist nicht über die Fähigkeiten, die sie sich selbst zuschreiben. Sind egozentrisch, d. h.

Wichtig ist es daher, zwischen Narzissmus resp. narzisstischen Persönlichkeitseigenschaften und einer echten narzisstischen Persönlichkeitsstörung zu unterscheiden. Der Begriff Narzissmus wird tendenziell inflationär verwendet. Narzissten sind meist sehr ehrgeizig. Sie sind daher oft auch in Führungspositionen wiederzufinden und können ein sehr erfolgreiches Leben führen. Wenn der Narzissmus jedoch stark ausgeprägt ist und für das Umfeld, aber auch für die eigene Person zu Leid führt, wird der Narzissmus krankhaft.

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Narzissmus: Zwei Haupttypen

Laut einer Studie von Keith Campbell und Jennifer Bosson lassen sich zwei Haupttypen von Narzissmus unterscheiden: grandioser und vulnerabler Narzissmus. Narzissmus ist keine Einheitserscheinung, sondern manifestiert sich in verschiedenen Facetten und Nuancen. Eine besonders bedeutende Unterscheidung liegt zwischen dem grandiosen und dem vulnerablen Narzissmus, die wie zwei Seiten einer Medaille die Breite dieses psychologischen Phänomens erfassen.

Grandioser Narzissmus

Der grandiose Narzissmus ist durch ein übertriebenes Gefühl von Selbstwert und Überlegenheit gekennzeichnet. Im grandiosen Narzissmus manifestiert sich das Bild eines Menschen, dessen Selbstbildnis von übermässigem Selbstwert und einer tiefen Überzeugung geprägt ist, etwas Aussergewöhnliches zu sein. Diese individuellen Konturen des Selbst verleihen grandiosen Narzisstinn:en eine Aura der Selbstsicherheit und des Stolzes. Sie heben sich hervor, nicht nur in ihrem eigenen Bewusstsein, sondern auch in ihrem Verhalten gegenüber anderen.

Grandiose Narzissten haben oft ein übertriebenes Selbstwertgefühl und glauben, dass sie etwas Besonderes sind, das besondere Rechte und Vorzüge verdient. Sie können auch arrogant und überheblich sein und glauben, dass sie über den Regeln stehen, die für andere gelten. Laut einer Studie von Campbell und Bosson kann grandioser Narzissmus zu einer übermässigen Selbstzentrierung, einer übertriebenen Suche nach Aufmerksamkeit und einer geringen Empathie führen.

Merkmale des grandiosen Narzissmus:

  • Übertriebenes Selbstwertgefühl
  • Anspruch auf Bewunderung
  • Arroganz
  • Geringe Empathie
  • Suche nach Dominanz
  • Geringe Kritikfähigkeit
  • Statussymbole
  • Übertriebener Optimismus
  • Riskantes Verhalten
  • Mangelnde Selbstreflexion

Vulnerabler Narzissmus

Der vulnerable Narzissmus ist durch Unsicherheit, Angst und Defensivität gekennzeichnet. Während der grandiose Narzissmus das Bild eines selbstgewissen Individuums zeichnet, führt die andere Seite des Spektrums uns in das Reich des vulnerablen Narzissmus, wo Selbstzweifel und Unsicherheit dominieren.

Vulnerable Narzissten hingegen haben oft ein geringes Selbstwertgefühl und fühlen sich unsicher und minderwertig. Sie können sich zurückziehen und Schwierigkeiten haben, Beziehungen aufzubauen. Vulnerabler Narzissmus kann, gemäss der Studie von Campbell und Bosson, zu Angst, Depression und einem Gefühl der Verletzlichkeit führen.

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Eigenschaften des vulnerablen Narzissmus:

  • Unsicherheit
  • Empfindsamkeit
  • Rückzug
  • Ängstlichkeit
  • Übermässige Selbstkritik
  • Geringes Selbstbewusstsein
  • Mangelnde Risikobereitschaft
  • Angst vor Ablehnung
  • Abhängigkeit
  • Perfektionismus

Weitere Arten von Narzissmus

Nach einer Studie von Russ und Kollegen (2008) kann man die Narzisstische Persönlichkeitsstörung in drei Typen einteilen:

  • grandios-maligner Narzissmus
  • vulnerabel-fragiler Narzissmus
  • exhibitionistischer Narzissmus mit hohem Funktionsniveau

Grandios-maligner Narzissmus

Menschen mit dem grandios-malignen oder bösartigen Typus von Narzisstischer Persönlichkeitsstörung können zu einer Gefahr für die Gesellschaft werden. Der maligne Narzissmus ist nämlich eine Kombination aus Narzissmus, Aggression, Paranoia und antisozialem Verhalten - eine teuflische Mischung, die Betroffene zu extrem grausamen Taten bewegen kann. Maligne Narzissten sind von ihrer Grossartigkeit überzeugt. Fühlen sie sich von anderen nicht angemessen wertgeschätzt, rächen sie sich ohne Reue.

Vulnerabel-fragiler Narzissmus

Der vulnerabel-fragile Narzissmus wirkt zunächst untypisch, da er durch depressive Stimmung, Ängstlichkeit und Scham geprägt ist. Man bezeichnet diese Form daher auch als „verdeckten Narzissmus“. Menschen mit diesem Typus von narzisstischer Persönlichkeitsstörung reagieren sehr sensibel auf Kritik und Misserfolge. Im Vergleich zu anderen Typen suchen sie aufgrund von Depressionen und anderen psychischen Symptomen häufiger therapeutische Hilfe.

Exhibitionistischer Narzissmus

Menschen mit dem exhibitionistischen Typus einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung - auch "offener Narzissmus" genannt - stellen ihre Grossartigkeit öffentlich heraus. Dadurch ziehen sie die Aufmerksamkeit auf sich, die sie brauchen. Exhibitionistische Narzissten sind in der Regel leichter zu erkennen als andere Arten von Narzissmus. Sie neigen dazu, im Mittelpunkt zu stehen und ziehen Aufmerksamkeit auf sich.

Dieser Typus kann sich in unserer wettbewerbsorientierten Welt gut anpassen und sehr erfolgreich sein. Sein Auftreten wirkt sehr selbstbewusst. Anderen gegenüber verhalten sich diese Personen arrogant und kühl.

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Wie entsteht Narzissmus?

Doch wie entsteht Narzissmus überhaupt? Bisher gab es dazu nur wenig empirische Forschung. Sowohl im Alltagsverständnis als auch im wissenschaftlichen Diskurs stehen sich dabei zwei komplett gegensätzlich argumentierende Ansätze gegenüber: Die Soziale Lerntheorie und die Psychoanalytische Theorie. Die Soziale Lerntheorie nimmt an, dass Kinder dann narzisstische Züge entwickeln, wenn sie von Ihren Eltern vergöttert werden, das heisst, wenn die Eltern ihr Kind für etwas Besonderes halten, das Anspruch auf eine besondere Behandlung hat. Die Psychoanalytische Theorie wiederum nimmt an, dass jene Kinder zu Narzissten heranwachsen, die von ihren Eltern zu wenig Wärme und Wertschätzung erfahren haben.

In einer gross angelegten Längsschnittstudie haben Forscher in den Niederlanden diese beiden Annahmen gegeneinander getestet. Sie haben 565 Kinder und deren Eltern viermal in Abständen von 6 Monaten befragt. Die Kinder füllten dabei etablierte Fragebögen zu Narzissmus aus, bei denen sie Fragen beantworteten wie „Kinder wie ich verdienen eine besondere Behandlung“. Zudem beantworteten sie Fragen zu ihrem Selbstwert (z. B. „Kinder wie ich sind zufrieden mit sich selbst“) und dazu wie viel Wärme sie von ihren Vätern und Müttern erleben (z. B. „Mein Vater/meine Mutter zeigt mir, dass er/sie mich liebt“). Die Eltern wiederum füllten einen Fragbogen aus, der Auskunft darüber gab, wie sehr sie ihr Kind überbewerten.

Die Ergebnisse stützen die Soziale Lerntheorie. Überbewertung durch die Eltern sagt spezifisch eine Zunahme an Narzissmus bei den Kindern vorher. Die von den Kindern wahrgenommene oder von den Eltern berichtete Wärme hat aber keinen Einfluss auf Veränderungen im Narzissmus. Genau umgekehrt ist es beim Selbstwert der Kinder. Hier hat es keinen Einfluss, ob die Eltern ihr Kind auf ein Podest stellen oder nicht. Veränderungen im Selbstwert werden einzig davon bestimmt, wie viel Wärme die Kinder bei ihren Eltern wahrnehmen. Was die Eltern in Bezug auf gezeigte Zuneigung berichten spielt dabei keine Rolle.

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse dieser Studie, dass nicht ein Mangel an elterlicher Zuneigung die Ursache von Narzissmus darstellt. Kinder können dann narzisstisch werden, wenn sie von ihren Eltern auf ein Podest gestellt und vergöttert werden.

Wie man mit Narzissmus umgeht

Der beste Rat lautet: Suchen Sie das Weite! Personen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung oder auch ausgeprägten narzisstischen Tendenzen sind in der Regel toxisch für ihr Umfeld. Dies gilt für alle Beziehungsarten und sowohl im beruflichen wie auch privaten Kontext. Im Umgang mit Narzissten ist in jedem Fall eine bewusste Selbstfürsorge essenziell. Ist eine narzisstische Person einsichtig und bereit, sich professionelle Hilfe zu holen, besteht durchaus Hoffnung.

Narzissmus vs. Narzisstische Persönlichkeitsstörung

Wichtig ist es, zwischen Narzissmus und einer echten narzisstischen Persönlichkeitsstörung zu unterscheiden. Narzissten sind oft sehr ehrgeizig. Sie sind daher auch in Führungspositionen wiederzufinden und können ein sehr erfolgreiches Leben führen. Wenn der Narzissmus jedoch stark ausgeprägt ist und für den Betroffenen und seine Umwelt zu Leid führt, wird der Narzissmus krankhaft (pathologischer Narzissmus). Der Übergang von der Persönlichkeitseigenschaft zur Störung ist fliessend. In der Gesellschaft wird zwar viel über Narzissmus diskutiert, die Narzisstische Persönlichkeitsstörung ist jedoch noch wenig erforscht.

Etwa 0,4 Prozent der Bevölkerung leiden an einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Männer erhalten die Diagnose häufiger als Frauen. Die meisten Betroffenen begeben sich aufgrund anderer psychischer Erkrankungen in Behandlung. Viele leiden nämlich an Depressionen, weiteren Persönlichkeitsstörungen, somatoformen Störungen (körperliche Beschwerden ohne organische Ursache), Ängsten, Essstörungen oder Suchtproblemen.

Diagnose einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung

Zur Diagnose der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung sollte ein Psychiater oder Psychotherapeut aufgesucht werden. Er kann anhand von spezifischen Fragen, die sich an den diagnostischen Kriterien orientieren, eine Diagnose stellen. Dazu zählen etwa:

  • Haben Sie das Gefühl, Grossartiges in Ihrem Leben zu leisten?
  • Haben Sie oft den Eindruck, dass andere Ihre Grossartigkeit nicht erkennen?
  • Empfinden Sie es als anstrengend, sich mit den Gefühlen und Interessen anderer Menschen auseinanderzusetzen?

Wenn die Möglichkeit besteht, wird der Therapeut auch nahe Angehörige fragen, wie sie den Betroffenen erleben.

Die neun Fragen zur Entlarvung einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung

  • Bist du grandios und so wichtig, dass deine überragenden Leistungen auf jeden Fall anerkannt werden sollten?
  • Denkst du oft an grenzenlose Macht, Erfolg und Schönheit?
  • Bist du so einzigartig, dass nur Menschen, die genauso besonders sind, dich verstehen können?
  • Sollten die anderen dich masslos bewundern?
  • Sollten dich andere bevorzugt behandeln?
  • Nutzt du andere aus, um deine eigenen Ziele zu erreichen?
  • Erkennst du nicht, was andere denken und fühlen? Oder interessiert es dich vielleicht gar nicht?
  • Bist du neidisch auf andere und denkst du, andere sind neidisch auf dich?

Therapie bei narzisstischer Persönlichkeitsstörung

Zur Behandlung der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung werden psychotherapeutische Verfahren eingesetzt. Der Therapeut hilft dem Betroffenen, seine Verhaltensweisen und Gefühle besser zu verstehen. Narzisstische Verhaltensweisen sind oft der Versuch, negative Gefühle zu kompensieren. Bei den Mitmenschen kommen Überheblichkeit und Arroganz jedoch nicht gut an - was Betroffene aufgrund ihrer Selbstüberschätzung und mangelnden Empathiefähigkeit nicht begreifen oder erkennen.

Prävalenz der narzisstischen Persönlichkeitsstörung

Die Auftrittswahrscheinlichkeit für einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung liegt gemäss dem DSM-5 zwischen 0% und 6,2%. Narzisstische Züge können besonders häufig bei Jugendlichen auftreten. In der Allgemeinbevölkerung kann davon ausgegangen werden, dass ca. 1% - 2% eine narzisstische Persönlichkeitsstörung aufweisen.

Stereotyp über Einzelkinder und Narzissmus

Forscher/innen der Universitäten Leipzig und Münster nahmen das Stereotyp «Einzelkinder sind narzisstischer als Geschwisterkinder» in zwei Studien «unter die Lupe». Sie wollten herausfinden, wie verbreitet das Stereotyp unter Laien ist, und wie sehr das Stereotyp Einzel- und Geschwisterkinder tatsächlich beschreibt. Die Ergebnisse widersprachen dem Stereotyp: Einzelkinder zeigten keine höheren Werte als Geschwisterkinder auf den zwei Narzissmus-Dimensionen («admiration», «rivalry»). Somit scheint das unter Laien sehr verbreitete Stereotyp über den höheren Narzissmus bei Einzelkindern schlichtweg fehlerhaft zu sein.

Tabelle: Unterschiede zwischen den Narzissmus-Typen

Merkmal Grandioser Narzissmus Vulnerabler Narzissmus Exhibitionistischer Narzissmus Grandios-maligner Narzissmus
Selbstwertgefühl Übertrieben hoch Gering Übertrieben hoch Überzeugt von Grossartigkeit
Verhalten Arrogant, herablassend Unsicher, ängstlich Selbstbewusst, arrogant Aggressiv, rücksichtslos
Bedürfnisse Bewunderung Anerkennung Aufmerksamkeit Kontrolle und Macht
Empathie Gering Variabel Gering Keine

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