Der Zusammenhang zwischen emotionaler Abhängigkeit und Depression

Eine psychische Erkrankung kann auf verschiedene Arten definiert werden. In der Psychiatrie gibt es zwei anerkannte Klassifikationen: die der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die der American Psychiatric Association (APA; deutsch: amerikanische psychiatrische Gesellschaft). Unsere Definition basiert auf diesen beiden Klassifikationen.

Diese allgemeine Präsentation der häufigsten psychischen Erkrankungen will lediglich über die Symptome und die daraus resultierenden Verhalten informieren, jedoch kann damit keinesfalls eine Diagnose gestellt werden. Einzig eine Psychiaterin / ein Psychiater oder eine Psychotherapeutin / ein Psychotherapeut können eine psychische Erkrankung diagnostizieren. Ausserdem erfordert eine solche Diagnose ein Gespräch zwischen der Patientin/dem Patienten und der Ärztin/dem Arzt bzw.

Wer an einer psychischen Erkrankung leidet, wird manchmal Opfer von Vorurteilen (Stigmatisierung) und Diskriminierung. Die Symptome können bei den Betroffenen ganz unterschiedlich sein.

Affektive Störungen

Bipolare Störungen sind Teil der affektiven Störungen.

  • Zyklothymie: Dies ist eine leichtere Form der bipolaren Störung. Die manischen Phasen äussern sich zum Beispiel durch beschleunigtes Denken, Bewegungs- und Rededrang, ein starkes Gefühl des Wohlbefindens bis hin zur Euphorie, Konzentrationsschwierigkeiten, verringertes Schlafbedürfnis, gesteigertes Verlangen nach Sex oder Sozialkontakten auch noch Kaufrausch.

Es kann auch zu psychotischen Symptomen wie Wahnvorstellungen oder Halluzinationen kommen. Hypomanische Episoden entsprechen einer abgeschwächten Form der Manie. Die Symptome sind weniger intensiv als bei einer manischen Phase und führen nicht zu einer größeren Funktionsstörung. Bipolare Störungen können erhebliche Folgen auf den Alltag haben, wobei Berufs- oder Sozialleben nicht unbedingt beeinträchtigt werden. Je schneller die Krankheit behandelt wird, desto besser der Verlauf.

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Bipolare Störungen werden mit einer Psychotherapie in Kombination mit Medikamenten behandeln. Die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe mit Personen, die die gleichen Erfahrungen haben, ist oftmals eine grosse Hilfe, um die mit der Krankheit verbundenen Schwierigkeiten zu überwinden.

Angststörungen

Angst äussert sich in einem Gefühl der psychischen Unruhe und der Unsicherheit und muss nicht unbedingt mit einem bestimmten Gegenstand oder einer bestimmten Person zusammenhängen. Angststörungen gehen oft mit einer depressiven Störung einher.

  • Generalisierte Angststörung: Die generalisierte Angststörung ist ein mindestens sechs Monate anhaltender Zustand der andauernden Angst und Überbesorgtheit, wobei die Angst nicht mit einem bestimmten Gegenstand oder einer bestimmten Situation zusammenhängt. Diese Besorgnis ist schwer zu kontrollieren und hat erhebliche Folgen für den Alltag. Oft geht sie mit Müdigkeit, Muskelspannung, Schmerzen, Kopf- und/oder Bauchschmerzen, Unruhe, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, schlechter Laune usw.
  • Panikstörung: Die Panikstörung äussert sich in wiederholten Panikattacken, die ohne Vorwarnung eintreten.
  • Phobie: Eine Phobie ist eine unbegründete und übermässige Angst vor einem bestimmten Gegenstand oder einer bestimmten Situation (Tiere, Objekte, Höhe, Verkehrsmittel, Orte, Menschenmenge usw.). Solche Ängste sind vollkommen normal. Die Angst lässt sich nicht kontrollieren und geht mit starkem Leidensdruck einher. Die Betroffenen tun alles, um den jeweiligen Gegenständen oder Situationen aus dem Weg zu gehen.
  • Zwangsstörung: Eine Zwangsstörung äussert sich oft durch andauernde Ängste oder ständige besondere, sehr negative Gedanken. Manchmal können es auch Wörter oder Zahlen oder aber Todesgedanken sein, die den Betroffenen im Kopf herumschwirren. Diese Zwangshandlungen führen zu Angst.

Es ist wichtig, über seine Schwierigkeiten zu sprechen und sich professionelle Hilfe zu suchen. Angststörungen können mit einer Psychotherapie behandelt werden, namentlich mittels kognitiver Verhaltenstherapie, auch noch medikamentös.

Depression

Eine Depression äussert sich durch anhaltende Traurigkeit, den Verlust des Interesses an jeglichen Tätigkeiten und schwindender Energie. Diese Symptome gehen mit einem verminderten Selbstwertgefühl und vermindertem Selbstvertrauen, unbegründeten Schuldgefühlen, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen, Appetitverlust, vermindertem sexuellem Verlangen, körperlichen Schmerzen und/oder manchmal Todes- oder Selbstmordgedanken einher. Eine Depression kann leicht und kurz sein.

Kann die betroffene Person nicht mehr normal funktionieren, spricht man von einer schweren Depression. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Depression zu behandeln. Diese werden oft kombiniert. Es empfiehlt sich eine Psychotherapie, teilweise in Ergänzung mit Medikamenten (Antidepressiva). Die Behandlung erfolgt in der Regel ambulant (ohne Spitalaufenthalt).

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Die Krankheit Depression wird aufgrund von Symptomen definiert und kann nicht aufgrund somatischer Marker definiert werden (Ausnahme: Entzündungsmarker?). Mit der Definition von allen psychischen Krankheiten verhält es sich ähnlich. Tatsächlich gleichen viele Diagnosen eher eine Art Definitionsfrage. Und so wird aus der herkömmlichen Schüchternheit eine soziale Phobie oder aus der Trauer, die nach dem Tod eines nahestehenden Menschen länger als zwei Wochen andauert, eine Depression.

Gemeinsam ist fast allen Depressionen die gedrückte, traurige Grundstimmung, die die Zukunft meist sehr schwarz und negativ aussehen lässt. In vielen Fällen ist der Zustand des Kranken in den Morgenstunden am schlechtesten - Sie können auch frühmorgendlich zwei oder mehr Stunden vor der gewohnten Zeit erwachen. Abends hellt sich die Stimmung wieder etwas auf.

Nur wenige Depressive denken überhaupt nicht an Selbstmord. Interessenverlust, Unzufriedenheit, Lustlosigkeit und Freudlosigkeit, verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, Schuldgefühle, Gefühle der Wertlosigkeit, Negativ-pessimistische Zukunftsperspektiven, Suizidale Gedanken oder Handlungen, Ein- bzw. Durchschlafstörungen mit Schlaflosigkeit oder vermehrter Schlaf, Müdigkeit und Energielosigkeit, Appetitlosigkeit - auch mit Gewichtsverlust (mehr als 5% des Körpergewichts im letzten Monat), deutlicher Libidoverlust, Entscheidungsschwierigkeiten, Leere und Reizbarkeit.

Es gibt viele Screening-Methoden, der PHQ-9 («Patient Health Questionnaire-9») scheint am weitesten verbreitet zu sein und gute Qualitätscharakteristika aufzuweisen (Sensitivität/Spezifität bei je 85%).

Ursachenforschung

Lange Zeit glaubte man, dass ein Mangel an Botenstoffen, insbesondere an Serotonin, die Ursache für Depressionen sei. Diese Annahme beruhte auf der Wirkweise herkömmlicher Antidepressiva, die die Konzentration von Serotonin zwischen den Hirnzellen erhöhen. Obwohl sie vielen Patienten helfen, wirken sie nicht bei allen. Inzwischen ist klar, dass diese Serotonin-Hypothese nicht ausreicht.

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Eine neue Hypothese war geboren: Depressionen entstünden, wenn diese Plastizität unseres Hirns sinke. Für diese Vermutung spricht einiges, denn Stress senkt die Plastizität. Und Stress entsteht durch akute oder chronische Überlastungen genauso wie durch frühe Traumata - alles bekannte Ursachen von Depressionen. Wenn Menschen aber nicht mehr so gut Neues lernen können, bleiben sie leichter in Grübelschleifen hängen, ziehen sich zurück.

Vor mehr als 20 Jahren fiel Ärzten auf, dass es manchen depressiven Menschen nach einer Operation unter Vollnarkose mit dem Mittel Ketamin deutlich besser ging. Anfang des Jahrtausends bestätigten erste Tests an Patienten mit Depressionen die Wirkung des Stoffs. Es zeigte sich, dass Ketamin die Übertragung von Informationen zwischen den Hirnzellen verbessert und sogar neue Verbindungen - Synapsen - spriessen lässt. Fachleute nennen diesen Mechanismus “Plastizität”.

Depressionen bei Männern

„Male Depression“: Eine Depression äussert sich bei Männern oft untypisch. Männer, die ihre Depression „externalisieren“, versinken weder in Schwermut, noch wirken sie niedergeschlagen oder ziehen sich zurück. Sie nehmen zwar einen starken inneren Druck wahr, fühlen sich aber nicht psychisch krank. Vielmehr fallen sie auf, weil sie plötzlich und uncharakteristisch für ihren Charakter verärgert und gereizt sind, rasch die Be-herr-schung verlieren oder hohe Risiken eingehen, etwa im Strassenverkehr. Solche Auffälligkeiten werden - wenn überhaupt - als Persönlichkeitsstörung oder Neurose fehlinterpretiert.

Männer kompensieren häufig durch verstärkten Konsum von Suchtmitteln wie Zigaretten und Alkohol, auch Sex und auch durch starke körperliche Aktivitäten wie Sport.

Depression und Angst

Angst vor dem Kommenden, vor der Zukunft - und Niedergeschlagenheit angesichts des Gewesenen, vor der Vergangenheit: Die Angst und Depression sind zwei Seiten derselben Medaille, ängstliche Menschen sind nicht selten auch depressiv und umgekehrt. Vergangene Dramen stimmen also eher depressiv, künftige ängstlich!

Psychotische Störungen

Psychotische Störungen manifestieren sich in unterschiedlichen Stadien: psychischer Risikozustand, erste psychotische Episode und Psychose. Manche junge Menschen machen teilweise «seltsame» Erfahrungen, z. B. hören sie Geräusche, Klänge oder Stimmen, die andere nicht hören, oder haben das Gefühl, andere würden sie beobachten, ihnen nachspionieren oder versuchen, ihnen zu schaden. Ein psychischer Risikozustand kann sich auf unterschiedliche Weisen manifestieren.

Psychose wird definiert als ein Verlust des Realitätsbezugs. Während einer psychotischen Episode kann es schwierig sein, zwischen dem eigenen Erleben und der Realität zu unterscheiden, und es können psychotische Symptome auftreten wie Halluzinationen (bspw. Stimmen hören oder Dinge sehen, die nicht existieren) oder falsche Interpretationen der Realität (bspw. extremes Misstrauen, das Gefühl haben, gewisse Dinge hätten eine besondere Bedeutung).

Gewisse Personen, die eine erste psychotische Episode entwickeln, erleben danach keine einzige mehr. Paul Klauser, Prof. Maude Schneider, Dr. Behandlung von psychotischen störungen? Meistens findet die Behandlung in Form von ambulanten Sprechstunden ausserhalb des Spitals statt. Eine Hospitalisierung kann sich in seltenen Fällen als notwendig erweisen, wenn die Person in Not ist und/oder eine Gefahr für sich selbst oder andere darstellt.

Auch die Unterstützung, das offene Ohr und das Wohlwollen von nahestehenden Personen (Familie, Freunde) ist für die Genesung sehr wertvoll.

Suchtstörungen

Zu den Suchtstörungen gehören die Alkohol- und Tabaksucht (legale Drogen), die Drogensucht (illegale Drogen: Cannabis, Heroin, Kokain usw. Der starke und wiederholte Konsum einer psychoaktiven Substanz (psychoaktiv meint: psychische Vorgänge beeinflussend) wie zum Beispiel Alkohol, Tabak, Drogen oder Medikamente ist gesundheitsschädigend und führt zu einer Abhängigkeit. Wer abhängig ist, verspürt den starken, kaum oder gar nicht zu kontrollierenden Wunsch nach einer Substanz.

Die süchtige Person gewöhnt sich an das Produkt und bekommt Entzugserscheinungen, wenn sie es nicht konsumiert. Dies gilt auch für nicht an Substanzen gebunden Abhängigkeiten, wie zum Beispiel die Geld- und Glückspielsucht. Die meisten Abhängigkeiten sind problematisch, wenn sie dauerhaft sind; es besteht ein Rückfallrisiko. Es ist wichtig, mit einer Fachperson darüber zu sprechen, damit man das Problem im Alltag in den Griff bekommt. Es kann vorkommen, dass einige Abhängigkeiten im Spital oder in spezialisierten Einrichtungen behandelt werden müssen.

Essstörungen

Sie äussert sich durch gewollten Gewichtsverlust und die Aufrechterhaltung eines geringen Gewichts, aber auch dadurch, dass die betroffene Person nur noch bestimmte Lebensmittel zu sich nimmt. Die Person hat das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, leidet an Schuldgefühlen, Depressionen und Ängsten. Sie will die eingenommene Nahrung mit allen Mitteln loswerden (Herbeiführen von Erbrechen und Einnahme von Abführmitteln).

Bulimie äussert sich dadurch, dass wiederholt sehr viel in sehr kurzer Zeit gegessen wird, zuweilen aber auch durch eine übermässige Gewichtskontrolle. Essstörungen haben erhebliche und gefährliche Auswirkungen auf die Gesundheit. Nicht nur das Wachstum des Kindes oder der jugendlichen Person ist gefährdet, sondern auch ihr Leben. Der körperliche Zustand verschlechtert sich zunehmend.

Es ist wichtig, bei Symptomen im Zusammenhang mit dem Essverhalten rasch eine Ärztin oder einen Arzt heranzuziehen. Ausserdem müssen das Gewicht und der Allgemeinzustand medizinisch überwacht werden. Auch eine Ernährungsumstellung ist angezeigt. Parallel dazu wird eine Psychotherapie empfohlen, in die auch die Familie der betroffenen Kinder oder Jugendlichen eingebunden wird. Manchmal ist der Gesundheitszustand jedoch so schlecht, dass eine Einweisung erforderlich ist.

Borderline-Persönlichkeitsstörung

Typisch für die Störung ist das Erleben von Gegensätzen, die kaum zu ertragen sind und die darüber hinaus noch mehrfach täglich wechseln können. So können die Gefühle von Leere zu maximaler Anspannung wechseln und dazu führen, dass man mit Selbstverletzungen, Substanzkonsum oder anderen riskanten Verhaltensweisen sich zu helfen versucht.

Die Symptome, die oftmals gegen Ende des Jugendalters auftreten, haben schwerwiegende Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen, aber auch auf deren Umfeld. Die heftigen Stimmungs- und Gefühlsschwankungen beeinträchtigen den Alltag massiv. Die Borderline-Persönlichkeitsstörung muss mit Psychotherapie behandelt werden, manchmal in Kombination mit einer medikamentösen Behandlung.

Chronische Erkrankungen und ihre psychischen Folgen

Chronische Erkrankungen ziehen eine Vielzahl an psychischen Folgen nach sich. Die wahrgenommene Belastung einer chronischen Erkrankung ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Die Unterschiede begründen sich in Persönlichkeitsfaktoren, dem sozialen Umfeld sowie den individuellen Ressourcen und Vulnerabilitäten. Chronisch erkrankt zu sein bedeutet einen Kontrollverlust, was Stress auslöst und Hilflosigkeit verursacht. Dieser Stress kann wiederum den Krankheitsverlauf ungünstig beeinflussen, was zu mehr Stress führen kann.

Die Diagnose ruft viele Unsicherheiten hervor bezüglich der eigenen Identität und Lebensplanung. Von Betroffenen muss eine grosse Anpassungsleistung erbracht werden, um mit der Krankheit umgehen zu können. Eine chronische Erkrankung führt zu wahrgenommenen und tatsächlichen Einschränkungen, deren Folgen genauso herausfordernd sein können, wie die körperlichen Symptome. Als Folge der Erkrankung können sich Schwierigkeiten im Umgang mit dem Gesundheitssystem, familiäre, finanzielle, soziale und psychische Probleme entwickeln.

Durch die Erkrankung kann es sein, dass sich die berufliche Situation ändert und Anpassungen im sozialen Umfeld erfolgen müssen. Unklarheiten bezüglich der sozialen Rollen Im Gegensatz zu akuten Erkrankungen begleitet eine chronische Erkrankung die Betroffenen dauerhaft. Daher passt die typische Krankenrolle nicht auf chronisch Erkrankte. Während bei akut Erkrankten der Fokus auf die schnelle Genesung gelegt wird, so ist dies bei einer chronischen Erkrankung nicht anwendbar. Vielmehr geht es um eine Anpassung an den Zustand und einen möglichst guten Umgang mit der Erkrankung.

Es handelt sich nicht um einen Ausnahmezustand wie bei einer akuten Krankheit. Unsere Gesellschaft ist auf Leistungsfähigkeit ausgerichtet und es besteht in vielen Fällen eine grosse Erwartungshaltung an erkrankte Menschen, schnellstmöglich wieder die erforderten Leistungen erbringen zu können. Es wird erwartet, dass die hierfür notwendigen Massnahmen ergriffen werden. Dies ist bei einer chronischen Erkrankung jedoch nicht im gleichen Ausmass möglich wie bei einer akuten. Eine dauerhafte Einschränkung kann daher bei Betroffenen zu Unsicherheiten und Gefühlen der Unzulänglichkeit führen. Die unklare soziale Rolle stellt eine zusätzliche Belastung zur chronischen Erkrankung dar.

Krankheitsbewältigung

Die Krankheitsbewältigung bezeichnet den psychischen und aktiven Prozess, die Folgen und Belastungen einer Erkrankung zu verarbeiten, auszugleichen und abzuschwächen. Die Bewältigung wird von vom Krankheitsverlauf, Persönlichkeitsfaktoren und dem sozialen Umfeld beeinflusst. Eine günstige Krankheitsbewältigung zeichnet sich durch einen stabilen, an das Funktionsniveau angepassten Zustand aus, in dem die bestmögliche Lebensqualität erreicht wird. Bei einer ungünstigen Krankheitsbewältigung entwickeln sich psychische Erkrankungen.

Dies ist bei Personen mit einer chronischen Erkrankung häufig der Fall. Die psychischen Erkrankungen können sich wiederum negativ auf den Krankheitsverlauf der chronischen Erkrankungen auswirken. Typische Herausforderungen chronischer Erkrankungen Chronisch Erkrankte haben mit einem Gefühl der Verletzung ihrer körperlichen Integrität zu kämpfen. Die Erkrankung bedroht ihr Selbstbild und je nach Erkrankung ihr Leben. Es ist schwierig zu akzeptieren, dass die Erkrankung irreversibel ist und je nach dem progredient verläuft. Zudem gilt es auch, mit der reduzierten körperlichen Leistungsfähigkeit klarzukommen.

Chronische Schmerzen sind Teil vieler chronischer Erkrankungen und stellen eine Belastung dar, deren Bewältigung viel Energie benötigt. Zudem sehen sich viele Betroffene therapeutischen Massnahmen ausgesetzt, die sie zum Teil aversiv erleben. Dazu kommt gleichzeitig die Abhängigkeit vom medizinischen System. All dies kann zu Gefühlen der Hilflosigkeit, Wut, Scham, Depression und Angst führen. In diesem Zusammenhang kommt es oft zu Depressionen, Angststörungen, Anpassungsstörungen und Körperschemastörungen.

Information und Arzt-Patienten-Beziehung

Um Entscheidungen bezüglich des weiteren Vorgehens treffen zu können, bedarf es verlässlicher Informationen. Durch die psychische sowie körperliche Beeinträchtigung ist der Entscheidungsprozess ohnehin erschwert. Daher ist der Bedarf nach Informationen besonders gross. Es kann eine grosse Belastung sein, Entscheidungen bezüglich der Behandlung treffen zu müssen. Es kann Angst auslösen, über verschiedene Krankheitsverläufe, Komplikationen und Nebenwirkungen nachzulesen. Deshalb ist eine gute Beratung durch den Arzt für viele Betroffene eine Entlastung.

Aufgrund der Abhängigkeit vom Gesundheitssystem ist eine vertrauensvolle Beziehung zum Arzt bei chronisch Kranken besonders wichtig. Häufige Ärztewechsel werden belastend wahrgenommen. Dennoch kann es unter Umständen lange dauern, bis die Betroffenen einen Arzt finden, dem sie voll vertrauen. Sie wünschen sich, als ganzheitliche Person wahrgenommen zu werden und Bedenken bezüglich der Behandlung ausdiskutieren zu können. Dies ist ein wichtiger Faktor für eine gute Compliance und Therapieadhärenz.

Komorbiditäten

Beim Vorliegen einer Depression oder einer Angststörung sind oftmals psychische Komorbiditäten zu beobachten. Die Zusammenhänge zwischen Depressionen und Angststörungen einerseits und ADHS, Traumafolgestörungen, Persönlichkeitsstörungen sowie Suchterkrankungen andererseits sind komplex und individuell sehr unterschiedlich. Depressionen und Angststörungen liegen nicht selten komorbid vor. Die Symptome können sich überschneiden und gegenseitig verstärken, was Diagnose und Behandlung erschwert.

Komorbiditäten im Zusammenhang mit ADHS

Bei Patientinnen und Patienten mit ADHS sind komorbide Depressionen oder Angststörungen auch erklärlich als Folge von ADHS-typischen Problemen im Alltag. ADHS tritt zudem gehäuft mit Persönlichkeitsakzentuierungen und -störungen auf, insbesondere der Borderline-Persönlichkeitsstörung. Kein Wunder, denn beide Störungen zeigen Probleme mit der Impulskontrolle und der emotionalen Stabilität. Und diese Symptome erhöhen ihrerseits die Wahrscheinlichkeit, eine interaktionelle Problematik oder eine Persönlichkeitsstörung zu entwickeln oder eine Traumatisierung zu erleiden.

Insbesondere dann, wenn eine ADHS nicht behandelt wird, resultieren Schwierigkeiten in Schule, Beruf und sozialen Beziehungen. Diese tragen zu einem negativen Selbstbild bei, was wiederum zu Depressionen wie auch zu Angststörungen beitragen kann. Ausserdem - sozusagen dem vorausgehend - zeigen sich bei diesen Störungen gemeinsame genetische Faktoren oder frühe traumatische Erfahrungen.

Komorbiditäten im Zusammenhang mit Suchterkrankungen

Auch Suchterkrankungen sind bei Depressionen, Angst- wie auch Persönlichkeitsstörungen gehäuft. Diese können depressive oder ängstliche Symptome verstärken, umgekehrt verwenden Menschen mit Depressionen oder Angststörungen nicht selten Substanzen zur Selbstmedikation. Alkohol entlastet und beruhigt zwar erst einmal, die Alkoholabhängigkeit geht aber in bis zu 80 Prozent der Fälle mit der Entwicklung einer Depression einher, offenbar auch auf «direkt neurobiologischem» Weg.

Emotionale Instabilität und Impulsivität, wie bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung oder bei ADHS, erhöhen direkt das Risiko für kompulsiven Substanzgebrauch. Gleichzeitig kann auch hier der Konsum als Selbstmedikation erfolgen, zum Beispiel, um emotionale Schmerzen und innere Leere oder Konzentrationsprobleme und innere Unruhe zu lindern. Dementsprechend ist die Lebenszeitprävalenz für Suchterkrankungen auch bei Menschen mit ADHS deutlich erhöht.

Neurobiologische Hintergründe

Gemeinsame neurobiologische Mechanismen umfassen eine Vielzahl von Transmittersystemen. Gut erforscht sind dabei Dopamin, Serotonin, Noradrenalin, GABA und Glutamat. Störungen im Dopaminsystem betreffen besonders Motivation, Belohnung und Impulskontrolle. Serotonin ist wesentlich für die Regulation von Stimmung, Angst und Impulsivität. Somit ist der Zusammenhang mit Depressionen und Angststörungen besonders markant. Noradrenalin erhöht unter anderem die Aufmerksamkeit und emotionale Erregung. Zu wenig trägt zu Energiemangel bei, zu viel hingegen zu Anspannung und Angst.

Diese und weitere Teile der neurobiologischen Ausstattung sind zunächst polygenetisch determiniert. Das heisst, dass mehrere Gene den Phänotyp mitbestimmen und sich so gegebenenfalls zu erhöhter Anfälligkeit für psychische Störungen aufsummieren. Umweltfaktoren können die Expression und die Ausprägung von Genen «epigenetisch» nachhaltig beeinflussen: Unter anderem können traumatische Erfahrungen oder chronischer, insbesondere sozialer Stress die Genexpression modulieren und «neuroinflammatorisch» die Hirnentwicklung, einschliesslich des Stresssystems, beeinträchtigen.

Etwas abstrakter zusammengefasst heisst das: Das Integral biologischer, sozialer wie auch psychologischer Prägungen interagiert über komplexe Rückkoppelungen (Hormone, Epigenetik, Transmitter etc.) mit dem richtigen Leben, wo sich Probleme zu krankheitswertigen Reaktionsweisen und Zuständen aufschaukeln können.

Fazit

Die Belastung durch eine psychische Störung wird die Entwicklung weiterer Problembereiche und auch Diagnosen begünstigen. Über eine sorgfältige Diagnostik und Kenntnis typischer Wechselwirkungen wird der Zugang zu einer evidenzbasierten Behandlung gewährleistet und ein weiteres «Aufschaukeln» der typischen Symptom- und Diagnosebereiche (Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen, ADHS, Persönlichkeitsstörungen, Suchterkrankungen) vermieden.

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