Das Leib-Seele-Problem hat zahlreiche theoretische Facetten, deren Einschätzung von der Behauptung eines bloßen Scheinproblems bis zur Lösung durch quantenphysikalische Spekulationen reicht.
Das Leib-Seele-Problem und die Philosophie des Geistes
Unter dem Einfluss positivistischer und behavioristischer Doktrin geriet das Leib-Seele-Problem wie das Bewusstseinsproblem im vergangenen Jahrhundert unter den pauschalen Verdacht eines wissenschaftsunfähigen und sogar eines bloßen Scheinproblems (vgl. Carnap 1938/1979, Ryle 1949).
Die generelle Ablehnung und das Desinteresse an dem Problem sind heute mit Erstarken der Neurowissenschaft einer veränderten Diskussionsgrundlage gewichen.
Zwei Seiten des Problems tangieren seine ontologische und seine epistemologische Seite; zwei Aspekte werden vorzüglich behandelt: das Problem des Bewusstseins in neurologischer und in philosophisch-sprachanalytischer Sicht sowie das sogenannte Qualia-Problem, Letzteres in der Gegenüberstellung einer Erste-Person-Perspektive mit einer Dritte-Person-Perspektive.
Qualia und das Problem des qualitativen Charakters der Erfahrung
Das Problem des qualitativen Charakters der Erfahrung (das sog. "Qualia") ist ein zentraler Aspekt der Debatte um das Bewusstsein.
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Mit 'Qualia' "bezeichnen wir in der Philosophie also die bewussten Sinneserfahrungen, z.B. das Geschmackserlebnis, das mit dem Trinken eines trockenen Rieslings einhergeht, enthält demgemäß einen Aspekt der bewussten Erfahrung, der mit den Worten «wie es ist, einen trockenen Riesling zu schmecken» bezeichnet werden kann.
Thomas Nagel (1974) hat zur sprachlichen Bezeichnung der Qualia die Redeweise «wie es ist, F zu sein» [s.u. wo F eine Fledermaus ist] eingeführt.
Das Phänomen bewusster Erlebnisse prägt unsere Alltagserfahrungen in starkem Maße, und es wäre absurd, dieses Phänomen zu leugnen.
Allerdings sind eigenständige Argumente in der Debatte um bewusste Erfahrungen entwickelt worden, die über die obige Grundsatzdebatte hinaus gehen.
Dabei ist auch von einigen Dualisten das Zugeständnis gemacht worden, dass die naturalistischen Theorien vielleicht ganz gut sein mögen, um Einstellungen wie Wünsche, Überzeugungen, Befürchtungen usw. zu analysieren, weil es dabei vor allem um funktionale Rollen (wie Verhaltensneigungen) geht.
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Wenn man etwa glaubt, dass Bochum eine sehr gute Universität hat, dann hat man die Neigung, die Universität den Schülern zu empfehlen, usw.
Aber auch diese mentalen Phänomene haben eine Bewusstseinskomponente, die z.B. bei einem Geschmackserlebnis in sehr deutlicher Form zu Tage tritt.
Daher spricht David Chalmers (1996) davon, dass das «harte Problem des Bewusstseins» mit den bewussten sensorischen Erfahrungen verknüpft ist.
Wenn wir Bewusstsein verstehen wollen, müssen wir verstehen, was es heisst, bewusste Erfahrungen zu haben, z.B. ein bewusstes Geschmackserlebnis, wie es ist, Kaffee zu schmecken, oder ein bewusstes Wahrnehmungserlebnis, wie es ist, rote Tomaten zu sehen".
Funktionalismus und seine Grenzen
Empfindungen besitzen qualitative Merkmale, die sich prinzipiell nicht in das reduktive Programm eines Funktionalismus einzufügen scheinen:
Das reduktive Programm des Funktionalismus besteht prinzipiell aus zwei Schritten.
Für ein mentales Phänomen M werden im ersten Schritt die charakteristischen funktionalen Rollen aufgezeigt, d.h. was das Phänomen M in einer Situation normalerweise bewirkt.
Der Wunsch, einen Kaffee zu trinken, bewirkt normalerweise, dass ich etwas in der Situation Angemessenes tue, um den Wunsch zu erfüllen, z.B. in die Cafeteria zu gehen und einen Kaffee zu holen.
Wir können hier auch von einer Disposition, einer Handlungsneigung sprechen.
Im zweiten Schritt wäre dann zu untersuchen, wie diese funktionalen Rollen realisiert sind, d.h.
Das scheint für alle mentalen Phänomene eine plausible Strategie, solange sich überhaupt funktionale Rollen (also typische Wirkungen in Situationen) zuordnen lassen.
Doch genau hier stellen phänomenale Qualitäten eine Herausforderung dar: Auch wenn sich für Wünsche, Ueberzeugungen und andere Einstellungen funktionale Rollen angeben lassen, so scheint dies für die phänomenalen Qualitäten gerade schwierig oder gar unmöglich.
Welche funktionale Rolle hat meine Roterfahrung als ein Aspekt bei meiner Wahrnehmung eines Objekts, das de facto rot ist?
Kritiker des Funktionalismus sehen jedenfalls die Suche nach funktionalen Rollen für phänomenale Erfahrungen auf verlorenem Posten und damit eine prinzipielle Lücke für die Erklärung dieser Phänomene.
Hier kann man sich natürlich auf den intuitiven Standpunkt stellen, dass typische phänomenale Erfahrungen, wie z.B. Schmerzen, gerade als phänomenale Erfahrungen doch eine typische funktionale Rolle haben, die sich im Schmerzverhalten beobachten lässt.
Diese Sichtweise wird von vielen mit folgender Ueberlegung bestritten: Die funktionale Rolle des Schmerzes besteht darin, dass ich meine Hand sehr schnell von der Herdplatte nehme; Grundlage ist ein superschnelles neuronales Signal an das Bewegungssystem, aber damit wird nicht verständlich, warum sich zusätzlich ein Schmerzempfinden einstellt; zunächst einmal akzeptiere ich diese Kritik am Funktionalismus und untersuche, was man dann als Naturalist noch tun kann".
Die Perspektive der Fledermaus und das Verstehen subjektiver Erfahrung
Es geht nicht um darum, dass Erlebnisse für denjenigen der sie hat privat sind.
Die Perspektive, um die es mir geht, ist nicht etwas, das nur einem einzelnen Individuum zugänglich ist, es handelt sich eher um einen Typus.
Es ist oft möglich, eine andere als die eigene Perspektive einzunehmen, so daß das Erfassen von solchen Tatsachen nicht auf den eigenen Fall beschränkt ist.
Es gibt einen Sinn, in dem phänomenologische Tatsachen völlig objektiv sind: Eine Person kann von einer anderen Person wissen oder sagen, welche Qualität das Erlebnis des anderen hat.
Dennoch ist sie in diesem Sinne subjektiv, dass diese objektive Zuschreibung von Erlebnissen nur für jemanden möglich ist, der dem Objekt der Zuschreibung ähnlich genug ist, um dessen Perspektive einnehmen zu können um sozusagen die Zuschreibung in der ersten Person ebenso gut zu verstehen wie die in der dritten.
Je verschiedener das andere Wesen von einem selbst ist, desto weniger Erfolg kann man von diesem Vorhaben erwarten.
Es mag leichter sein, als ich annehme, die Schranken zwischen den Arten mithilfe der Phantasie zu überschreiten.
Zum Beispiel können Blinde Objekte in ihrer Nähe durch eine Art von Radar erkunden, indem sie Laute ausstoßen oder Stöcke aneinanderschlagen.
Wenn man wüßte, wie das wäre könnte man sich vielleicht durch Erweiterung vorstellen, wie es wäre, das viel feinere Radar einer Fledermaus zu besitzen.
Die Distanz zwischen einem selbst und anderen Personen sowie anderen Arten kann irgendwo innerhalb eines Kontinuums bestehen.
Selbst für andere Personen ist das Verständnis davon, wie es ist, sie zu sein, nur bruchstückhaft.
Emergenz und die Rolle von Komplexität
Positionen stehen im Spektrum von schwacher bis starker Emergenz bzw. Supervenienz (Beckermann 2001, 2008, Kim 1993, 2000) zur Wahl, die m.E. Petzold, van Beek, van der Hoek 1994).
Komplexität und Dichte auftreten können, die übergeordnete Qualitäten (Trans-Qualitäten, Synergeme, Synthesen, vgl. der Gestalttheorie).
In der Biologie haben Ernst Mayr oder Konrad Lorenz mit seinem Fulgurationskonzept der Evolution eine emergenztheoretische Position vertreten.
Beschleunigung und Resonanz
Ursprünglich, so analysiert Rosa, hat Beschleunigung viel mit zwei wesentlichen Eigenschaften unserer Gesellschaft zu tun: dem Kapitalismus und der Säkularisierung.
In modernen, kapitalistischen Gesellschaften wird Wettbewerb als das fairste Prinzip zur Verteilung von sozialen Positionen angesehen.
Meine These im Folgenden wird in den Worten Hartmut Rosas sein, dass menschliches Leben dort gelingt, wo Subjekte konstitutive Resonanzerfahrungen machen, dass es dagegen misslingt, wo Resonanzsphären systematisch durch stumme, das heisst, rein kausale oder instrumentelle Beziehungsmuster verdrängt werden. (Hartmut Rosa (2012). Weltbeziehungen im Zeitalter der Beschleunigung.
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