Emotionale Instabile Persönlichkeitsstörung (Borderline): Informationen

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist ein schweres psychiatrisches Krankheitsbild. Insgesamt leiden etwa 3% der Allgemeinbevölkerung an der Krankheit. Die Betroffenen erleben sich als Opfer ihrer heftigen Stimmungen und neigen zu selbstschädigendem, manchmal auch fremdaggressivem Verhalten. Sie wirken sehr launisch und reagieren sensibel auf Zurückweisung.

Der Begriff „Borderline“ bedeutet zu Deutsch „Grenzland“ und wurde erstmals im 19. Jahrhundert verwendet. Er beschrieb Fälle, die problematisch zu diagnostizieren waren. Ein Patient konnte zwar nicht als gesund bezeichnet, jedoch auch keiner eindeutigen psychischen Krankheit zugewiesen werden. Heutzutage wird der Begriff Borderline zwar für eine eindeutige psychische Krankheit verwendet, doch ist deren Diagnose aufgrund ihrer vielseitigen Symptome schwierig. In der Gesellschaft weitgehend unbekannt und für erfahrene Fachärzte oftmals schwer zu erkennen, bleibt die Krankheit häufig unbehandelt.

Ein Grund dafür ist, dass gesunde Personen einzelne Symptome zeigen können, diese aber weniger intensiv sind und nach kurzer Zeit wieder verschwinden. Zudem kann die Borderline-Störung zusammen mit anderen Persönlichkeitsstörungen auftreten.

Symptome der Borderline-Störung

Bei der Borderline-Störung handelt sich um eine komplexe psychische Erkrankung. Dieses Krankheitsbild gehört zu der Klassifikation der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung. Eine Borderline-Störung kann diverse Symptome haben:

  • Emotionale Instabilität: Betroffene einer Borderline-Störung leiden an einem emotionalen Ungleichgewicht. Sie erleben Stimmungsschwankungen wie bei einer Achterbahnfahrt, die sie nicht kontrollieren können. Dabei reagieren sie in schwierigen Situationen schnell sehr sensibel. Bereits ein scheinbar harmloser Anlass kann ausreichen, um eine starke emotionale Reaktion auszulösen. Die Situation überfordert Betroffene und setzt sie stark unter Druck.
  • Gestörtes Sozialverhalten: Häufig macht sich eine Borderline-Störung durch Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen bemerkbar. Betroffene interpretieren Situationen anders, wobei Missverständnisse und Konflikte entstehen können. Oft reagieren Betroffene mit Aggressionen und Bedrohungen, was die Lösung des Konfliktes erheblich erschwert.
  • Angst vor Zurückweisung: Patienten mit einer Borderline-Störung leiden oftmals an einer ausgeprägten Angst vor dem Verlassenwerden. Bereits eine kleine Verspätung der Verabredung kann dazu führen, dass Betroffene starke Ängste empfinden und in eine emotionale Krise geraten. Folglich bemühen sie sich sehr, die Personen in ihrem Umfeld an sich zu binden. Sie setzen andere unter Druck, zum Beispiel durch die Androhung einer Selbstverletzung, um eine Trennung um jeden Preis zu vermeiden.
  • Selbstschädigendes Verhalten: Häufig bleibt es aber nicht nur bei der Androhung einer Selbstverletzung. Borderline-Patienten fügen sich oftmals selbst Schnitt- oder Brandwunden zu, die sie als Ventil für den Abbau der inneren Anspannung benutzen. In schlimmeren Fällen treten auch Selbstmordversuche auf. Neben den selbstverletzenden Handlungen können folgende Verhaltensweisen gezeigt werden: Drogenkonsum, riskantes Autofahren, Essstörungen.

Weitere Symptome einer Borderline-Persönlichkeitsstörung

Symptome einer Borderline-Persönlichkeitsstörung sind:

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  • reduzierte Funktions- und Leistungsfähigkeit im sozialen und beruflichen Umfeld
  • starke Unausgeglichenheit, emotionale Labilität, Kränkbarkeit
  • impulsives Verhalten
  • selbst-schädigendes Verhalten
  • chronische Angst
  • häufige Krisen
  • Beziehungsschwierigkeiten und Konflikte mit Bezugspersonen und am Arbeitsplatz

Mögliche Begleitsymptome sind:

  • Alkoholmissbrauch
  • Drogenkonsum
  • Essstörungen
  • Selbstverletzungen

Diagnose der Borderline-Störung

In einem ausführlichen Gespräch mit einer Fachperson werden die Lebens- und Krankheitsgeschichte des Patienten im Detail besprochen, um allfällige andere Krankheitsdiagnosen auszuschliessen zu können. Dies ist besonders wichtig, weil die Symptome auch bei anderen psychischen Störungen auftreten können, wie zum Beispiel bei Depressionen, Sucht- und Angsterkrankungen oder Panikstörungen.

Für die Diagnose einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung müssen mehrere der oben aufgeführten Symptome vorliegen. Wird eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung diagnostiziert, werden zwei Typen unterschieden:

  • Impulsiver Typus: Bei diesem Typus stehen die mangelnde Kontrolle über die Emotionen und die emotionale Instabilität im Fokus.
  • Borderline-Typus: Für die Diagnose einer Borderline-Störung müssen mindestens fünf der folgenden Symptome vorhanden sein:
    • ein chronisches Gefühl der Leere
    • starke Stimmungsschwankungen (z.B. Menschen mit einer Borderlinestörung leiden an ihrer ausgeprägten seelischen Instabilität.
    • verzweifeltes Bemühen, ein reales oder imaginäres Alleinsein zu verhindern
    • Neigung, sich auf intensive, aber instabile Beziehungen einzulassen, oft mit der Folge von emotionalen Krisen
    • Störungen und Unsicherheit bezüglich Selbstbild, Zielen und inneren Präferenzen
    • wiederholt Drohungen oder Handlungen mit Selbstbeschädigung
    • anhaltende Gefühle der Leere
    • deutliche Tendenz, unerwartet und ohne Berücksichtigung der Konsequenzen zu handeln
    • Neigung zu Ausbrüchen von Wut oder Gewalt mit Unfähigkeit zur Kontrolle explosiven Verhaltens

Die Diagnose wird von einer Fachperson aufgrund sich wiederholender Symptome und Angaben des Patienten zu seiner Lebensgeschichte gestellt. In einer aktuellen Untersuchung wird das eigene Erleben des Verhaltens erfragt. Daneben sind aber auch Informationen über die Biographie, die bisherige Lebensbewältigung und Aussagen der Angehörigen sehr wichtig. Zusätzlich können testpsychologische Untersuchungen die Diagnose erhärten.

Die Fachperson überprüft, ob die Symptome des Patienten mit den Kriterien übereinstimmen. Es ist wichtig, andere psychische Störungen auszuschliessen, die ähnliche Symptome wie BPS haben könnten. Dazu gehören beispielsweise bipolare Störungen, Depressionen, Angststörungen oder andere Persönlichkeitsstörungen.

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Die Fachperson beobachtet das Verhalten, die Interaktionen und die emotionalen Reaktionen des Patienten, um Hinweise auf BPS zu finden. Die Symptome sollten über einen längeren Zeitraum hinweg (normalerweise mehrere Jahre) bestehen, um eine Diagnose von BPS zu rechtfertigen.

Ursachen und Entstehung

In den letzten 25 Jahren wurde viel zu diesem Thema geforscht. Heute kann man gesichert sagen, dass genetische und Umweltfaktoren einen Einfluss auf die Entstehung einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung haben. Bei vielen Menschen mit diesen Symptomen gab es in der Vergangenheit dramatisch erlebte Ereignisse. Die Schwierigkeit, Gefühle regulieren zu können, sind direkte Folgen wie auch Versuche damit umzugehen.

Wenn in der frühen Kindheit ungünstige Einflüsse wie Vernachlässigung, Missbrauch oder fehlende emotionale Unterstützung auf einen Menschen einwirken, kann dadurch die Persönlichkeitsentwicklung gestört werden. Die Fähigkeit Vertrauen aufzubauen sowie eigene Gefühle zu erkennen und zu kontrollieren, bildet sich nur ungenügend aus. Betroffene spüren sich selbst und ihren Körper schlecht.

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) entsteht durch traumatische Einflüsse im frühen Kindesalter. Häufig gehen belastende Kindheitserfahrungen wie emotionale Vernachlässigung, Missbrauch oder instabile Bindungen voraus. Viele Symptome der BPS sind Ausdruck sogenannter maladaptiver Verhaltensmuster für dysfunktionale Zuwendung.

Damit sind erlernte Strategien gemeint, die kurzfristig bei den typischen Symptomen helfen, aber langfristig schaden. Diese Muster entstehen nicht unbedingt bewusst oder absichtlich. Sie sind meist Ausdruck eines tiefen inneren Leidens und dienen der Selbstregulation.

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Es gibt Hinweise darauf, dass Veranlagungen in der Familie eine Rolle spielen könnten. Menschen, deren Familienmitglieder BPS oder andere psychische Störungen haben, könnten ein höheres Risiko für die Entwicklung von BPS haben.

Abnormale Aktivität oder Veränderungen in bestimmten Gehirnregionen, die Emotionen, Impulskontrolle und die Verarbeitung von Informationen steuern, könnten bei BPS eine Rolle spielen. Ungleichgewichte von Neurotransmittern im Gehirn, wie Serotonin und Noradrenalin, werden mit BPS in Verbindung gebracht. Diese Chemikalien beeinflussen die Stimmung, Emotionen und Impulskontrolle.

Traumatische Erfahrungen in der Kindheit, wie Missbrauch, Vernachlässigung oder andere Formen von Trauma, könnten das Risiko für die Entwicklung von BPS erhöhen. Stress, instabile familiäre Beziehungen oder problematische soziale Umstände könnten das Risiko für BPS beeinflussen. Menschen mit BPS können Schwierigkeiten haben, Emotionen zu regulieren und mit intensiven Gefühlen umzugehen. Dies könnte teilweise auf neurobiologische Faktoren zurückzuführen sein.

Behandlung der Borderline-Erkrankung

Die Behandlung einer Borderline-Erkrankung ist manchmal schwierig und dauert wegen der tief verankerten Persönlichkeitsstruktur meist lange an. Inzwischen gibt es zahlreiche erprobte Behandlungsansätze, die zu einer deutlichen Reduktion der Symptome und einem verbesserten zwischenmenschlichen Verhalten führen.

In den letzten Jahren sind verschiedene Psychotherapieverfahren für die Borderline-Erkrankung entwickelt worden, die im Einzel- oder im Gruppensetting angewendet werden können. So etwa die dialektisch-behaviorale Therapie (DBT), die Schematherapie, die mentalisierungsbasierte Therapie und die übertragungsfokussierte Therapie.

Empfohlen werden psychotherapeutische Verfahren, die spezifisch für die Störung entwickelt wurden:

  • Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT)
  • Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT)
  • Schematherapie
  • Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP)

Diese Behandlungen fördern den Umgang mit Gefühlen, Impulskontrolle und Beziehungsfähigkeit. Eine Psychotherapie wiederum kann nur mit einer intrinsischen Behandlungs- und Veränderungsmotivation erfolgen und nicht erzwungen werden.

Wir bieten ein integriertes, multimodales psychiatrisch-psychotherapeutisches Behandlungssetting mit dem Angebot einer themenspezifischen Gruppentherapie. Sie lernen, sich selbst besser zu beobachten (Achtsamkeit) und durch Fertigkeiten der Stressbewältigung besser mit Spannungen umzugehen. Diese Fertigkeiten (Skills) werden einzeln als auch in der Gruppe vermittelt und erarbeitet.

Rechtzeitig vor dem Austritt wird mit der Planung der Zeit nach dem Klinikaufenthalt begonnen: Dazu gehören Regelung der Arbeits- und Wohnsituation, ggf. Gespräche mit den Angehörigen und Orientierung über die Medikation. Wichtig ist eine geregelte ambulante ärztliche und therapeutische Nachbetreuung, um an den Veränderungen und Fertigkeiten weiterzuarbeiten.

Die verschiedenen Therapien und Behandlungsansätze zielen auf eine emotionale Stabilisierung und eine Verbesserung von Selbstwahrnehmung und Selbstfürsorge ab. Weitere Ziele sind:

  • Abbau von selbstdestruktiven Beziehungs- und Verhaltensmustern, auch durch Einüben alternativer Verhaltensweisen
  • Bearbeitung von innerpsychischen Konflikten, Belastungen und Traumatisierungen
  • Entspannung
  • Angehen von psychosozialen Belastungen, Verbesserung der Kommunikation mit Bezugspersonen

Eine vertrauensvolle und respektvolle Beziehung zwischen dem Behandlungsteam und der betroffenen Person bildet die Grundlage der Behandlung. Eine unterstützende und einfühlsame Atmosphäre fördert das Heilungsumfeld.

Die Entwicklung gesunder zwischenmenschlicher Fertigkeiten kann helfen, stabile Beziehungen aufzubauen und effektivere Kommunikation zu fördern. Die Entwicklung gesunder Bewältigungsstrategien für Stress, Angst und emotionalen Druck ist von großer Bedeutung. Die Behandlung von BPS erfordert oft eine kontinuierliche Langzeitbetreuung, um langfristige Fortschritte aufrechtzuerhalten.

Borderlinestörungen sind oft begleitet von Depressionen, Sucht, Posttraumatischen Störungen, Angststörungen oder Essstörungen. In einigen Fällen können bestimmte Medikamente wie Stimmungsstabilisatoren oder Antidepressiva zur Linderung von Symptomen eingesetzt werden. Ein unterstützendes soziales Netzwerk kann helfen, Isolation zu reduzieren und das Wohlbefinden zu steigern.

Stationäre und ambulante Behandlung

In der Regel besteht die Therapie in einer länger dauernden ambulanten Psychotherapie. In Krisensituationen kann eine stationäre Behandlung zum Stabilisieren sinnvoll sein. Auch eine tagesklinische Behandlung ist denkbar.

Sollte keine ambulante Anbindung vorliegen, werden unsere Patientinnen und Patienten an unsere Ambulanz angebunden. Dadurch ist eine ambulante Weiterbehandlung ohne die üblichen Wartefristen von mehreren Monaten möglich.

Stationäre Aufenthalte sind auf akute Krisensituationen oder störungsspezifische psychotherapeutische Programme beschränkt. Dazu gehören: klar strukturierte Abläufe, transparente Regeln, der bewusste Verzicht auf übermässige Fürsorge oder Zwangsmassnahmen. Zum Teil werden Betroffene nach Selbstverletzung oder suizidaler Kommunikation bewusst entlassen. Dies geschieht nicht, weil ihr Leiden nicht ernst genommen wird, sondern um maladaptive Verhaltensmuster nicht ungewollt zu verstärken.

Bei den PDAG erfolgt eine Aufnahme nur bei klar definiertem Behandlungsauftrag. Die Krisenintervention ist zeitlich auf 7-10 Tage begrenzt und streng strukturiert. Es gibt keine Isolationen oder Massnahmen ohne Zustimmung der Patientin/des Patienten, dafür aber klare Regeln und ein hohes Mass an Selbstverantwortung, beispielsweise bei der Wundversorgung.

Unterstützung für Angehörige

Angehörige sind oft stark belastet und emotional involviert. Sie erleben die Krise hautnah mit und wünschen sich meist Schutz und sofortige Hilfe. Wichtig ist: die Symptome zu verstehen, ohne sie zu verharmlosen, Verantwortung dort zu lassen, wo sie hingehört (bei der betroffenen Person), sich selbst Unterstützung zu holen.

Um das familiäre Umfeld zu unterstützen, bietet das Kompetenzzentrum für Borderline-Persönlichkeitsstörungen spezielle Beratungen und Workshops an. Angehörige sind oft die ersten Ansprechpersonen in der Krise und dadurch stark belastet. Das Kompetenzzentrum für Borderline-Persönlichkeitsstörungen sowie die Fachstelle für Angehörige der PDAG bieten Gespräche, Workshops oder Angehörigenberatung an.

BPS-Betroffene sind besonders sensibel gegenüber dysfunktionaler Zuwendung. In stationären Settings kann es rasch zu negativen Wechselwirkungen mit Fachpersonen oder Mitpatientinnen und -patienten kommen.

Selbstverletzungen während der stationären Behandlung führen zu einem sofortigen Austritt. Dies dient nicht der Bestrafung, sondern soll den Zusammenhang zwischen Verhalten und Konsequenz verdeutlichen.

Viele Betroffene mit BPS äussern Suizidgedanken in einem appellativen Sinn, also mit dem Wunsch nach Unterstützung, und nicht zwingend mit der Absicht, zu sterben. Eine stationäre Aufnahme oder Massnahmen ohne Zustimmung der Patientin/des Patienten können in solchen Fällen zu einer Verstärkung des problematischen Verhaltens führen.

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