Berufe mit der höchsten Burnout-Rate

Jeder vierte Schweizer hat das Gefühl, wegen der Arbeit Burnout-gefährdet zu sein. Eine Umfrage zeigt: Jeder vierte Erwerbstätige in der Schweiz ist Burnout-gefährdet. Das zeigt eine neue Umfrage der SRG im Wahljahr 2023. 17 Prozent der Erwachsenen hat schon einmal ein Burn-out erlebt.

Sebastian Haas, Vizepräsident des Schweizer Expertennetzwerks für Burnout (SEB) überraschen diese Zahlen nicht. «Das muss man aber relativieren», sagt er zu Nau.ch. Schliesslich handle es sich einfach um eine selbst deklarierte Erschöpfung, erklärt der Facharzt der Privatklinik Hohenegg in Meilen ZH. «Dass 25 Prozent sich als gefährdet einstufen, heisst noch lange nicht, dass sie wirklich ein Burn-out erleiden werden.»

«Diese ist zwar ein Symptom von Burnout, man kann sie aber auch durch andere Faktoren erklären.» Deshalb beruhigt er: «Per se sind die neuen Zahlen nicht alarmierend, das sind noch keine epidemischen Ausmasse.»

Auch Barbara Hochstrasser, Burn-out-Expertin an der Privatklinik Meiringen BE, sagt: «Grundsätzlich erstaunt mich das Ergebnis der Umfrage nicht.» Aber sie betont ebenfalls: Eine solche Selbsteinschätzung ist lediglich ein Hinweis und bedeutet nicht de facto ein Burnout.

Bei einer Untersuchung im Jahr 2022 nahmen sich 30 Prozent der Arbeitnehmenden in der Schweiz als emotional erschöpft wahr. In den letzten Jahren habe die Burnout-Gefährdung deutlich zugenommen, erklärt Hochstrasser weiter. 2010 hatte eine Untersuchung noch ergeben, dass vier Prozent Burn-out-gefährdet waren.

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Berufe mit Fachkräftemangel stärker betroffen

Besonders von Burnout-Gefahr betroffen sind gemäss Haas «alle Berufe, in denen Fachkräftemangel herrscht». Auch Hochstrasser sagt: «Bei Fachkräftemangel, etwa im Gesundheitswesen oder in pädagogischen Berufen, kommen die Mitarbeitenden stark in Belastung.» Also beispielsweise Jobs im Dienstleistungsbereich oder im Gesundheitswesen. «Dort wird der Druck auf die verbliebenen Arbeitskräfte erhöht.»

Vor allem Junge in der Ausbildung würden zum Teil «sehr gefordert, sich der Leistungsgesellschaft anzunähern». Ihre Anpassungsfähigkeit auf diese Anforderungen sei weniger hoch als bei anderen Mitarbeitenden. «Denn die Jungen leiden unter vielen anderen Belastungen wie den sozialen Medien und Peer-Druck.» Auch die aktuelle Situation mit vielen Krisen sorge für Verunsicherung - psychische Krankheiten nehmen dadurch zu.

Es gebe wohl keinen einzigen Beruf, in dem das Risiko gleich null sei, so auch Haas. Denn: «Probleme bei der Arbeit überlappen oft auch mit privatem Stress.» Auch die Digitalisierung und Krisen wie Corona und Krieg können dazu beitragen.

Trotzdem sei die psychische Gesundheit etwas, das am Arbeitsplatz ernst genommen werden müsse. «Da ist auch der Arbeitgeber in der Pflicht», so Haas. «Es ist auf jeden Fall wichtig, ein offenes Ohr zu haben und hinzuhören, wie es den Arbeitnehmenden geht.»

Dazu zähle, bewusst Raum zu schaffen für Dinge, die einem guttun, wie beispielsweise Sport. Hochstrasser hält fest: «Es ist wichtig, sich eine sehr gute Balance anzugewöhnen.» Aus der Forschung geht jedoch klar hervor, dass einige Berufsgruppen stärker gefährdet sind als andere. Burnout kann jeden treffen. Tatsächlich sind einige Berufsgruppen stärker gefährdet als andere.

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Es ist nachvollziehbar und eigentlich auch schön, wenn eine Lehrperson jedem Lernenden gerecht werden will, eine Ärztin jeden Patienten heilen möchte, ein Sozialarbeiter jeden Sozialfall unterstützen und eine Polizistin jedes Unrecht verhindern möchte. Das betrifft vor allem helfende Berufe, sowohl im sozialen Bereich (Lehrperson, SozialarbeiterIn, Pflegekräfte) als auch im Gesundheits- und Sicherheitsbereich (Ärzte und Ärztinnen, Polizei, Berufsfeuerwehr). Gemeint ist natürlich nicht eine ernüchterte, resignierte oder gar zynische Grundhaltung, sondern eher ein bewusstes Einteilen der eigenen Ressourcen.

Alarmierende Burn-out-Zahlen in der Pflege

Die Rückmeldungen kamen schnell und zahlreich. Der Beobachter hat nach Pflegefachkräften gesucht, die unter der psychischen Belastung ihres Arbeitsalltags leiden. Vom Genfer- bis zum Bodensee, von Pflegeheimen bis hin zu psychiatrischen Einrichtungen. Pflegefachkräfte leiden schon lange unter zu hohem Druck - und nichts passiert. Nun bündeln die Verbände ihre Kräfte zum Protest. Alle klingen gleich. Zu viele Patienten, zu wenig Zeit.

«Es gibt Dinge in unserem Alltag, die lassen einen nicht mehr los. Ich bin ins Loch gefallen und war zwei Monate lang krankgeschrieben. «Ich habe keine Zeit, meine Patienten richtig zu waschen. «Ich mache nur noch Handgriffe, das ist keine Pflege. «Ich fiel wegen Angstzuständen aus.

Im April hat er eine Studie zum psychischen Gesundheitszustand des Pflegepersonals während der Pandemie gemacht. 20 bis 40 Prozent der Pflegefachkräfte zeigen Symptome von Burn-out, Depression oder Angsterkrankungen, sagt Tobias Spiller. Er ist Assistenzarzt und Postdoktorand an der Klinik für Konsiliarpsychiatrie und Psychosomatik des Universitätsspitals Zürich. Es werde von Politik und Institutionen teilweise unterschätzt, wie viele Leute im Gesundheitsberuf psychische Erkrankungen haben.

Yvonne Ribi, Geschäftsführerin des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachfrauen (SBK), sagt: «Fast niemand im Pflegeberuf hält mehr als ein 80-Prozent-Pensum aus.»

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Die 44-Jährige zeigt in diesem Artikel ihr Gesicht, weil sie ihren Beruf, der sie krank gemacht hat, liebt. 220'000 Frauen und Männer arbeiten in der Schweiz in der Pflege. Cindy Bracchi ist eine davon. «Mein erstes Burn-out hatte ich vor fünf Jahren. Anspannung und Druck haben sich über Jahre aufgestaut.» Die Schweiz müsse endlich genauer hinschauen, wenn es um Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals gehe.

Sie kündigte. Bracchi war 17, als sie als Praktikantin in den Beruf einstieg. Mit 33 Jahren schloss sie die Ausbildung zur diplomierten Pflegefachfrau ab. Der Druck nahm zu, die Zeit mit den Patienten ab. Bald erlitt sie erste Burn-out-Symptome.

Ein Jahr später folgte das Burn-out. «Ich schleppte mich vom Bett auf die Arbeit und wieder ins Bett. Ich schlief schlecht, hatte Herzrasen und zitterte sogar zu Hause.» Sie trennte sich von ihrem Mann, stand mit zwei Teenagern allein da und begann in einem Pflegeheim nachts zu arbeiten. Angekündigt hatte es sich schon lange. Drei Monate blieb Cindy Bracchi zu Hause, arbeitete erst 50 Prozent, dann schnell wieder 80 Prozent. Vier Jahre lang schleppte sie sich mit einem halb kurierten Burn-out durch. Wieder hatte sie Herzrasen, zitterte und schlief nicht. Dann verunfallte sie mit dem Auto, übermüdet auf dem Heimweg von der Nachtschicht. Das war vor einem Jahr. Sie liess sich in eine Burn-out-Klinik einweisen und kündigte ihre Stelle auf Ende März.

«Für mich war das fast zu spät. Die jahrelange psychische Belastung hat auch einen problematischen Umgang mit Alkohol bewirkt. Noch im März bin ich zusammengebrochen und musste reanimiert werden.»

Grosses Engagement mit Folgen

Vom Pflegeberuf als einer typischen Hochrisikosituation für ein Burn-out spricht auch der Arzt Tobias Spiller. Yvonne Ribi, Geschäftsführerin des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachfrauen (SBK), sagt: «Fast niemand im Pflegeberuf hält mehr als ein 80-Prozent-Pensum aus.» Die Belastung sei zu gross. Zwar würden Pflegende schon in der Ausbildung lernen, wie man mit Menschen in Grenzsituationen umgeht, wie gute Psychohygiene funktioniert. Doch der Umgang mit komplexen Situationen brauche Zeit. «Und genau Zeit ist in der Pflege absolute Mangelware. Viele Pflegende haben das Gefühl, weder ihren Patienten noch dem Job gerecht zu werden.»

Gefährlich werde es, wenn sich jemand übermässig verausgabe. Viele würden sich mit grossem Engagement für ihre Patienten einsetzen, oft über das Ende der Schicht hinaus. Pflegende arbeiten mit flexiblen Arbeitszeiten, viel Zeitdruck und komplexen Patientengeschichten, ohne dass ihnen ein grosser Handlungsspielraum gewährt wird. Sie müssen sich an genaue Vorgaben halten und können nur bedingt selber entscheiden.

Die Bürokratisierung verringere zusätzlich die Betreuungszeit für die Patientinnen und Patienten. Die Unterstützung und Wertschätzung durch den Arbeitgeber könnte helfen. Die Coronakrise habe jedoch gezeigt, wie unterschiedlich sie von Arbeitgeber zu Arbeitgeber ausfalle.

Forderungen für bessere Arbeitsbedingungen

Wichtiger seien Mitspracherecht und mehr Einfluss, zudem müssten Pflegevertreter in den obersten Leitungsgremien vertreten sein. «Mit etwas Applaus ist es nicht getan. Und eine finanzielle Anerkennung wäre nötig, aber kaum nachhaltig», sagt auch Yvonne Ribi. Dann brauche es klar mehr Zeit für die Pflege und mehr Personal. Ribi fordert zudem verlässliche Arbeitspläne, weil die Kultur des Einspringens wenig Raum für Erholung lasse, und Nacht- und Wochenendschichten müssten anständig entschädigt werden. «Pflege ist keine Selbstaufgabe. Pflege ist ein Beruf. Um ihn aber richtig ausführen zu können, braucht es die richtigen Arbeitsbedingungen. Unser Gesundheitssystem hängt davon ab», so Ribi.

Dieser Wirrwarr mache es schwierig, Forderungen zu platzieren. «Die Verantwortung für die Arbeitsbedingungen der Pflege wurde von der Politik und den Institutionen zu lange hin- und hergeschoben», sagt Migmar Dhakyel, Zentralsekretärin Gesundheit der Gewerkschaft Syna. «Die Situation des Pflegepersonals ist hochexplosiv. Und der Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften wird immer gefährlicher.» Gemäss einer neuen Studie liessen sich mit mehr diplomierten Pflegefachpersonen jährlich 1,5 Milliarden Franken sparen und 200 Tote verhindern.

Pflegeinitiative und Protestwoche

Sie fordert eine Ausbildungsoffensive, mehr Personal, mehr Eigenverantwortung und bessere Arbeitsbedingungen. Seit drei Jahren liegt eine Volksinitiative für eine starke Pflege auf dem Tisch. Er will Kantone verpflichten, mehr finanzielle Mittel in die Ausbildung fliessen zu lassen. Der Nationalrat hat aus zwei der Forderungen einen Gegenvorschlag formuliert. Bestimmte Pflegeleistungen sollen weniger bürokratisch verrechnet werden. Der Ständerat behandelt das Geschäft voraussichtlich im Winter.

«Mit unserer Pflegeinitiative haben wir ein ganzes Päckli an Verbesserungen gefordert», sagt Yvonne Ribi. Die Verbände sind damit nicht zufrieden. «Es nützt wenig, mehr Leute in der Ausbildung anzustellen, wenn der Nachwuchs wieder aus dem Beruf aussteigt, weil die Arbeitsbedingungen nicht gut sind, die emotionale Belastung zu gross wird.»

Und am 31. Oktober werde auf dem Bundesplatz gemeinsam für die Gesundheitsberufe eingestanden. Für Ende Oktober ruft das kürzlich geformte Bündnis Gesundheit, bestehend aus SBK, VPOD und Syna, zu einer nationalen Protestwoche auf.

«Dass es trotzdem an Pflegenden mangelt, sagt viel. Cindy Bracchi geht es heute wieder gut. «Ich bin verdammt stolz auf meinen Beruf. Er ist eine der beliebtesten Ausbildungen der Schweiz», sagt sie. Sie steigen aus, bevor sie zusammenbrechen.

Emotionale Erschöpfung in der Schweizer Arbeitswelt

Dieser Indikator ist Teil des Monitoringsystems Sucht und NCD (MonAM) des Bundesamtes für Gesundheit (BAG). Der Anteil erwerbstätiger Personen in der Schweiz mit einer emotionalen Erschöpfung liegt 2022 bei 30,3%.

Findet keine vollständige Erholung statt, können Stressreaktionen chronisch werden und die Gesundheit und das Wohlbefinden beeinträchtigen (Zapf und Semmer, 2004). Eine emotionale Erschöpfung beinhaltet das Gefühl der Überbeanspruchung, des Energieverlustes und des «Ausgelaugtseins».

Um die emotionale Erschöpfung zu messen, wird das international etablierte Instrument von Demerouti et al. (2001) verwendet. Der Indikator zeigt den Anteil der Erwerbstätigen im Alter von 16 bis 65 Jahren in der Schweiz mit einer emotionalen Erschöpfung. Die Erschöpfungsskala (Skala zwischen 0-100) wurde in vier Gruppen eingeteilt: nicht erschöpft, leicht erschöpft, ziemlich erschöpft und sehr erschöpft. Die Daten für den Indikator wurden im Rahmen der Job-Stress-Index-Erhebung von Gesundheitsförderung Schweiz erhoben. Dabei handelt es sich um eine repräsentative Stichprobe von Erwerbstätigen in der Schweiz. Die Erhebungen wurden für alle verfügbaren Datenjahre mit jeweils rund 3000 Befragten durchgeführt. Die Erhebung von 2022 wurde im Zeitraum vom 4. Februar bis am 1. März 2022 durchgeführt. In diese Zeit fielen die Aufhebung der Homeoffice-Empfehlung und der Maskenpflicht (17. Februar) und der Beginn des Krieges von Russland gegen die Ukraine (24.

Ursachen und Hintergründe von Burnout

Ist das der Grund für die Häufung von Burnouts? Expert:innen raten von einer singulären Erklärung ab. Nirgends in Europa ist das Arbeitstempo höher als in der Schweiz, besagt eine Studie. Umfragen und Studien zeigen immer mehr Burnout-Symptome in der Schweizer Bevölkerung. Ist die hohe Arbeitsbelastung schuld? Expert:innen sehen noch andere Gründe.

Gemäss dem jüngsten Job-Stress-IndexExterner Link zum Beispiel, der von der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz, der Universität Bern und der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften regelmässig durchgeführt wird, fühlen sich 30,3% der Erwerbstätigen emotional erschöpft. Erschöpft und ausgelaugt. Frustriert und gestresst. Am Anschlag. Es sind Symptome, die typisch für ein Burnout sein können. Das sind so viele wie noch nie. „Das alles sollte uns schon nachdenklich stimmen“, sagt Regina Jensen von Gesundheitsförderung Schweiz, eine Mit-Autorin des Job-Stress-Index.

Der Job-Stress-Index wird ermittelt, indem die Belastungen der Erwerbstätigen mit den vorhandenen Ressourcen auf die Waage gelegt werden. Letztere betragen laut der Studie rund 6,5 Milliarden Franken pro Jahr. Die Frage, was bei der Arbeit überwiegt, ergibt dann den Stress-Index. Doch mehr als die Branche, sei es die Funktion, die eine Rolle bei der Gefährdung spiele. So seien es nicht die Manager, die am meisten unter Stress leiden würden, sondern Angestellte und Menschen im Niedriglohnsektor.

„Um das zu beantworten, müsste man wissen, was sich die Befragten unter dem Begriff vorstellen“, sagt Jensen. Doch was steckt dahinter, wenn ein Viertel der Schweizer Bevölkerung sich für burnoutgefährdet hält? Das könne sehr unterschiedlich sein. Burnout wird dort erstmals präzise beschrieben als Syndrom, das durch chronischen, nicht verarbeiteten Arbeitsstress entsteht. Für die Weltgesundheitsorganisation WHO gilt Burnout nicht als eigenständige Krankheit.

Die Burnout-Gefährdung nimmt auch in anderen westlichen Gesellschaften zu, wie die Umfrage Future Forum Pulse zeigt, die unter anderem vom Beratungsunternehmen Boston Consulting und dem Büromöbelhersteller Miller Knoll getragen wurde. Die Schweiz wurde darin nicht berücksichtigt.

„Viele Menschen sprechen von einem Burnout, wenn sie nicht mehr können“, sagt Niklas Baer, Psychologe bei Workmed. So unklar die Definition von Burnout, so unklar ist auch dessen Ursache. Rund 400 Personen suchen Workmed jährlich zur Abklärung auf. „Darunter sind sehr viele Leute, die von sich sagen, an einem Burnout zu leiden“, sagt Baer.

Baer betont, dass jedes Burnout ernst zu nehmen sei. „Manchmal sind Konflikte und Kränkungen am Arbeitsplatz nur ein Auslöser für Probleme, die bereits vorher da waren.“ Deswegen sei es wichtig, immer die ganze Arbeitsbiografie und die privaten Umstände anzuschauen. Burnout sei salonfähiger. Denn das Ausgebranntsein suggeriere, dass man viel geleistet habe und fleissig war.

Dabei seien die Arbeitsbedingungen nicht nur schlechter geworden, findet Baer. „Ich denke, vieles hat sich auch verbessert: Es gibt heute viel mehr Unterstützungsangebote für Angestellte, der Führungsstil ist meist weniger autoritär als früher, die Führungskräfte besser geschult. Und: Nicht alle die unter den gleichen Bedingungen arbeiten, brennen aus.

Der Psychologe hat in einer Studie mit der SWICA analysiert, warum die Reintegration von psychisch Erkrankten nach einer Krankschreibung oft scheitert, denn bei der Hälfte der Betroffenen kommt es zu einer Kündigung. „Für mich ist es zu kurz gedacht, sich bei dem Phänomen nur auf die Arbeitsbedingungen zu fokussieren“, sagt Baer. Was man nicht vergessen dürfe: „Normalerweise ist Arbeit etwas vom Stabilisierendsten, das es gibt.“

Um das Burnout-Risiko zu stoppen, brauche es die Verantwortung von allen. Hilfreich wäre es auch, wenn die abklärende Ärzteschaft mit den Arbeitgebenden in Kontakt treten würden, um die Lage ganzheitlich zu betrachten. Wichtig sei es, auf die ersten Anzeichen zu achten. „Viele der Konfliktsituationen könnte man abfedern, wenn man sie früh genug angeht“, sagt Baer. Aber auch die Arbeitgebenden seien in der Pflicht. Das Zentrum WorkMed unterstützt deshalb Führungskräfte und Personalverantwortliche mit Workshops im Umgang mit psychischen Problemen am Arbeitsplatz.

Für Baer muss nun jedoch der nächste Schritt folgen: „Wir müssen unseren Umgang mit und unsere Sicht auf psychische Probleme allgemein überdenken.“ Denn: Kaum einer bleibe in seinem Leben davon verschont.

Die Umfrage zur psychischen Gesundheit in der Schweiz

Sie fühlen sich leer, antriebslos und sind nicht mehr leistungsfähig - Menschen, die an einem Burnout leiden. Burnout ist zwar keine offizielle medizinische Diagnose, aber ein in der Schweiz weit verbreitetes Leiden, das zeigt die neue Umfrage in aller Deutlichkeit: 17 Prozent der Erwachsenen haben ein Burnout erlebt, und 25 Prozent der Erwerbstätigen haben das Gefühl, wegen der Arbeit Burnout-gefährdet zu sein.

Dafür hat sie das Forschungsinstitut GFS Bern mit einer der grössten Meinungsumfragen beauftragt, die es in diesem Land je gegeben hat. Die SRG wollte in diesem Wahljahr herausfinden, wie es der Bevölkerung in der Schweiz und den Schweizerinnen und Schweizern im Ausland geht und was sie besonders beschäftigt. Über 57'000 Personen haben im April und Mai dieses Jahres daran teilgenommen.

Komponenten eines Burnouts

Das Risiko für ein Burnout steigt, wenn eine Person über längere Zeit überlastet ist. Das heisst, wenn sie nicht genug Ressourcen hat, um den Stress zu kompensieren und sich zu erholen, kommt sie aus dem Gleichgewicht. Ein Burnout hat dann in der Regel drei Komponenten:

  1. Emotionale Erschöpfung: Das ist das Gefühl überbeansprucht, ausgelaugt zu sein, keine Energie mehr zu haben und sich nach der Arbeit nicht mehr erholen zu können.
  2. Verminderte Leistungsfähigkeit: Menschen, die an einem Burnout leiden, können sich häufig nicht mehr konzentrieren, sind fahrig, machen Fehler.
  3. Innere Abgrenzung: Die Betroffenen distanzieren sich von der Arbeit und den Arbeitskolleginnen und -kollegen, sind nicht mehr voll dabei und wirken abgestumpft. Ein Schutzmechanismus, der einsetzt, um mit der Überlastung fertig zu werden.

Zudem kostet die Überlastung die Arbeitgebenden jährlich rund 6.5 Milliarden Franken, weil Arbeitskräfte ausfallen oder weniger produktiv sind. Burnout ist nicht als Krankheit klassifiziert, es gibt darum keine abschliessende Definition. Das hat sie zusammen mit Kolleginnen der Uni Bern und der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften errechnet.

Die Studie zeigt auch, dass immer mehr Erwerbstätige emotional erschöpft sind, sich also überbeansprucht und ausgelaugt fühlen. Heisst: Immer mehr Erwerbstätige laufen Gefahr, in ein Burnout zu geraten.

Jensen nennt die höhere Arbeitsintensität und die ständige Erreichbarkeit. Aber wieso fühlen sich immer mehr Erwerbstätige ausgebrannt? Dazu komme aber auch, dass heute mehr Arbeitnehmende krankheitshalber ausfallen und an vielen Orten sowieso Fachkräfte fehlten, beides erhöhe den Druck auf die übrigen Arbeitnehmenden.

Nicht alle sind gleich stark gefährdet: Jüngere Erwerbstätige haben tendenziell weniger Ressourcen, um Belastungen aufzufangen als ältere, Frauen weniger als Männer. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass junge Erwachsene und insbesondere junge Frauen rund um die Familiengründung sowieso stark belastet sind, das macht sie anfälliger. Zudem erleiden Personen mit tiefen Einkommen häufiger ein Burnout als jene mit hohen Einkommen.

In der Schweiz arbeiten wir aber besonders viel - und das bei besonders hohem Tempo und Druck, das zeigt eine europaweite Untersuchung. Auch in anderen europäischen Ländern sind viele Arbeitskräfte erschöpft. Gleichzeitig zeigt die Studie auch, dass die Erwerbstätigen in der Schweiz die Belastungen besser bewältigen könnten als der europäische Durchschnitt.

Erstere finden ihre Arbeit häufiger sinnvoll, haben eher das Gefühl, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten einsetzen zu können, und vor allem sind sie mit der Bezahlung sehr zufrieden. Regina Jensen gibt aber zu bedenken, dass auch in dieser europäischen Befragung ein Viertel angibt, überlastet zu sein: «Wenn wir uns bewusst machen, was diese Überlastung auch langfristig für die Gesundheit der Betroffenen bedeutet, müssen wir handeln.» Auch wenn wir besser abschneiden als andere Länder in Europa.

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