Umfragen und Studien zeigen immer mehr Burnout-Symptome in der Schweizer Bevölkerung.
Erschöpft und ausgelaugt. Frustriert und gestresst. Am Anschlag. Es sind Symptome, die typisch für ein Burnout sein können.
Gemäss dem jüngsten Job-Stress-Index fühlen sich 30,3% der Erwerbstätigen emotional erschöpft. Das sind so viele wie noch nie.
„Das alles sollte uns schon nachdenklich stimmen“, sagt Regina Jensen von Gesundheitsförderung Schweiz, eine Mit-Autorin des Job-Stress-Index.
Der Anteil erwerbstätiger Personen in der Schweiz mit einer emotionalen Erschöpfung liegt 2022 bei 30,3%. Dieser Indikator ist Teil des Monitoringsystems Sucht und NCD (MonAM) des Bundesamtes für Gesundheit (BAG).
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Eine emotionale Erschöpfung beinhaltet das Gefühl der Überbeanspruchung, des Energieverlustes und des «Ausgelaugtseins».
Findet keine vollständige Erholung statt, können Stressreaktionen chronisch werden und die Gesundheit und das Wohlbefinden beeinträchtigen.
Die Daten für den Indikator wurden im Rahmen der Job-Stress-Index-Erhebung von Gesundheitsförderung Schweiz erhoben. Dabei handelt es sich um eine repräsentative Stichprobe von Erwerbstätigen in der Schweiz.
Die Erhebungen wurden für alle verfügbaren Datenjahre mit jeweils rund 3000 Befragten durchgeführt.
Die Erhebung von 2022 wurde im Zeitraum vom 4. Februar bis am 1. März 2022 durchgeführt. In diese Zeit fielen die Aufhebung der Homeoffice-Empfehlung und der Maskenpflicht (17. Februar) und der Beginn des Krieges von Russland gegen die Ukraine (24. Februar).
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Sie fühlen sich leer, antriebslos und sind nicht mehr leistungsfähig - Menschen, die an einem Burnout leiden.
Burnout ist zwar keine offizielle medizinische Diagnose, aber ein in der Schweiz weit verbreitetes Leiden, das zeigt die neue Umfrage in aller Deutlichkeit: 17 Prozent der Erwachsenen haben ein Burnout erlebt, und 25 Prozent der Erwerbstätigen haben das Gefühl, wegen der Arbeit Burnout-gefährdet zu sein.
Das Risiko für ein Burnout steigt, wenn eine Person über längere Zeit überlastet ist.
Das heisst, wenn sie nicht genug Ressourcen hat, um den Stress zu kompensieren und sich zu erholen, kommt sie aus dem Gleichgewicht.
Ein Burnout hat dann in der Regel drei Komponenten:
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- Emotionale Erschöpfung: Das ist das Gefühl überbeansprucht, ausgelaugt zu sein, keine Energie mehr zu haben und sich nach der Arbeit nicht mehr erholen zu können.
 - Verminderte Leistungsfähigkeit: Menschen, die an einem Burnout leiden, können sich häufig nicht mehr konzentrieren, sind fahrig, machen Fehler.
 - Innere Abgrenzung: Die Betroffenen distanzieren sich von der Arbeit und den Arbeitskolleginnen und -kollegen, sind nicht mehr voll dabei und wirken abgestumpft. Ein Schutzmechanismus, der einsetzt, um mit der Überlastung fertig zu werden.
 
Burnout ist nicht als Krankheit klassifiziert, es gibt darum keine abschliessende Definition.
Zudem kostet die Überlastung die Arbeitgebenden jährlich rund 6.5 Milliarden Franken, weil Arbeitskräfte ausfallen oder weniger produktiv sind.
Die Studie zeigt auch, dass immer mehr Erwerbstätige emotional erschöpft sind, sich also überbeansprucht und ausgelaugt fühlen.
Heisst: Immer mehr Erwerbstätige laufen Gefahr, in ein Burnout zu geraten.
Aber wieso fühlen sich immer mehr Erwerbstätige ausgebrannt?
Jensen nennt die höhere Arbeitsintensität und die ständige Erreichbarkeit.
Dazu komme aber auch, dass heute mehr Arbeitnehmende krankheitshalber ausfallen und an vielen Orten sowieso Fachkräfte fehlten, beides erhöhe den Druck auf die übrigen Arbeitnehmenden.
Nicht alle sind gleich stark gefährdet: Jüngere Erwerbstätige haben tendenziell weniger Ressourcen, um Belastungen aufzufangen als ältere, Frauen weniger als Männer.
Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass junge Erwachsene und insbesondere junge Frauen rund um die Familiengründung sowieso stark belastet sind, das macht sie anfälliger.
Zudem erleiden Personen mit tiefen Einkommen häufiger ein Burnout als jene mit hohen Einkommen.
Auch in anderen europäischen Ländern sind viele Arbeitskräfte erschöpft.
In der Schweiz arbeiten wir aber besonders viel - und das bei besonders hohem Tempo und Druck, das zeigt eine europaweite Untersuchung.
Gleichzeitig zeigt die Studie auch, dass die Erwerbstätigen in der Schweiz die Belastungen besser bewältigen könnten als der europäische Durchschnitt.
Erstere finden ihre Arbeit häufiger sinnvoll, haben eher das Gefühl, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten einsetzen zu können, und vor allem sind sie mit der Bezahlung sehr zufrieden.
Regina Jensen gibt aber zu bedenken, dass auch in dieser europäischen Befragung ein Viertel angibt, überlastet zu sein: «Wenn wir uns bewusst machen, was diese Überlastung auch langfristig für die Gesundheit der Betroffenen bedeutet, müssen wir handeln.»
Auch wenn wir besser abschneiden als andere Länder in Europa.
Doch was steckt dahinter, wenn ein Viertel der Schweizer Bevölkerung sich für burnoutgefährdet hält?
„Um das zu beantworten, müsste man wissen, was sich die Befragten unter dem Begriff vorstellen“, sagt Jensen.
Das könne sehr unterschiedlich sein.
Für die Weltgesundheitsorganisation WHO gilt Burnout nicht als eigenständige Krankheit.
Burnout wird dort erstmals präzise beschrieben als Syndrom, das durch chronischen, nicht verarbeiteten Arbeitsstress entsteht.
So unklar die Definition von Burnout, so unklar ist auch dessen Ursache.
„Viele Menschen sprechen von einem Burnout, wenn sie nicht mehr können“, sagt Niklas Baer, Psychologe bei Workmed.
Rund 400 Personen suchen Workmed jährlich zur Abklärung auf.
„Darunter sind sehr viele Leute, die von sich sagen, an einem Burnout zu leiden“, sagt Baer.
„Manchmal sind Konflikte und Kränkungen am Arbeitsplatz nur ein Auslöser für Probleme, die bereits vorher da waren.“
Deswegen sei es wichtig, immer die ganze Arbeitsbiografie und die privaten Umstände anzuschauen.
Baer betont, dass jedes Burnout ernst zu nehmen sei.
Burnout sei salonfähiger.
Denn das Ausgebranntsein suggeriere, dass man viel geleistet habe und fleissig war.
Dabei seien die Arbeitsbedingungen nicht nur schlechter geworden, findet Baer.
„Ich denke, vieles hat sich auch verbessert: Es gibt heute viel mehr Unterstützungsangebote für Angestellte, der Führungsstil ist meist weniger autoritär als früher, die Führungskräfte besser geschult.
Und: Nicht alle die unter den gleichen Bedingungen arbeiten, brennen aus.
„Für mich ist es zu kurz gedacht, sich bei dem Phänomen nur auf die Arbeitsbedingungen zu fokussieren“, sagt Baer.
Der Psychologe hat in einer Studie mit der SWICA analysiert, warum die Reintegration von psychisch Erkrankten nach einer Krankschreibung oft scheitert, denn bei der Hälfte der Betroffenen kommt es zu einer Kündigung.
Was man nicht vergessen dürfe: „Normalerweise ist Arbeit etwas vom Stabilisierendsten, das es gibt.“