Die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) ist ein Verfahren der sogenannten dritten Welle der Verhaltenstherapie. Sie erweitert klassische kognitiv-verhaltenstherapeutische Konzepte (z.B. Lerntheorie, Veränderungsfokus oder operante Verfahren), indem ein weiterer Fokus auf Fertigkeiten der Achtsamkeit und der Akzeptanz gelegt wird.
ACT gilt als die am besten empirisch unterstütze Therapie der dritten Welle (1). Sie bricht mit der üblichen Problem-, Störungs- und Symptomorientierung und stellt dieser ein transdiagnostisches Störungsverständnis und Therapiemodell, basierend auf einer werte-, akzeptanz- und achtsamkeitsorientierten Vorgehensweise, gegenüber (2). Vereinfacht gesagt, handelt es sich bei der ACT um ein Training basaler Fertigkeiten zur Erhöhung der psychologischen Flexibilität.
Das Konzept der psychischen Flexibilität
Das Konzept der psychischen Flexibilität beschreibt die «Fähigkeit, als bewusster Mensch in umfassender Weise zum gegenwärtigen Augenblick in Kontakt zu treten, wobei das Verhalten, jeweils der konkreten Situation entsprechend, entweder beibehalten oder verändert wird, um als wertvoll eingeschätzte Ziele zu erreichen» (3). Die ACT konstituiert sich aus sechs gesundheitsförderlichen Fertigkeiten beziehungsweise Prozessen, denen jeweils ein nicht förderlicher Pol gegenübergestellt werden kann, die sogenannten pathologischen Prozesse. Diese sechs Prozesse werden als interagierende Faktoren angesehen.
Sie beeinflussen sich wechselseitig und sind inhaltlich verbunden, weswegen sie in Form eines Hexagons dargestellt werden, des sogenannten Hexaflex. Einerseits gibt es sechs pathologische Prozesse, die als ursächlich und prägend für psychische Inflexibilität sind und zu psychischem Leiden führen (Abbildung 1), und andererseits das Hexaflex, das diesem sechs Fertigkeiten gegenüberstellt, welche die psychische Flexibilität fördern und ein wertvolles und erfülltes Lebens ermöglichen (Abbildung 2).
Die sechs Kernkompetenzen, die im ACT-basierten psychotherapeutischen Prozess gefördert werden:
- Akzeptanz: auch für schmerzhafte Gefühle und Gedanken zu öffnen, ohne diese zu bekämpfen oder zu beeinflussen. Sie beschreiben eine Haltung der Offenheit, der Gegenwartsorientierung, des Mitgefühls, der Güte und der Bereitschaft in Bezug auf die eigenen Erfahrungen.
 - Kognitive Defusion: beschreibt die Fähigkeit, sich aus der Verstrickung mit Gedanken und Gefühlen zu lösen, Gedanken nicht als Tatsachen anzusehen und folglich die direkte Reizfunktion von Gedanken auf das konkrete Handeln bewusst zu kontrollieren.
 - Achtsamkeit: beziehungsweise das Im-Hier-undJetzt-präsent-Sein ist die Fertigkeit, die eigene Aufmerksamkeit bewusst auf den gegenwärtigen Moment zu richten und in der jetzigen Situation präsent zu sein. Dies bedeutet, sich nicht in vergangenen oder zukunftsgerichteten Konzeptualisierungen oder Befürchtungen zu verlieren, sondern die eigene Aufmerksamkeit bewusst auf das zu lenken, was gerade passiert, und dies wahrzunehmen, ohne es zu bewerten.
 - «Selbst als Kontext» oder «Beobachter-Selbst»: beschreibt die Fähigkeit zum flexiblen, auf sich selbst gerichteten Perspektivenwechsel. Überzeugungen, Gedanken, Vorstellungen, Annahmen, Erinnerungen, Gefühle über sich selbst. Im Gegensatz zum rigiden Festhalten an einem starren Selbstkonzept fördert der Prozess «Selbst als Kontext» stattdessen die Fähigkeit, solche Konzeptualisierungen zu beobachten und wahrzunehmen, um weiterführend, über einen Perspektivenwechsel, einen flexibleren Umgang mit diesen zu ermöglichen.
 - Werte: Der Prozess Werte ist die Fertigkeit, sich für frei gewählte Lebensziele, an denen wir unser Verhalten ausrichten wollen, zu entscheiden und mit ihnen im Kontakt zu sein, das heisst, auch in schmerzhaften Situationen das eigene Handeln nach diesen längerfristigen Werten auszurichten (ausführliche Darstellung in [5]).
 - Die Förderung der sechs Kernkompetenzen findet in der ACT überwiegend mithilfe von erlebnisorientierten Techniken, Metaphern, Paradoxien (Bewusstsein für widersprüchliche Regeln, wie z.B. etwas kontrollieren zu wollen, was nicht kontrollierbar ist) sowie einer intensiven therapeutischen Beziehungsgestaltung statt, wobei der zentrale Fokus auf die konkrete, neu nach eigenen Werten orientierte Verhaltensänderung gelegt wird.
 
Umsetzung von ACT im stationären psychiatrischen Setting
Aufgrund diverser störungsspezifischer und -unspezifischer Aspekte ist eine ambulante psychiatrische und/oder psychotherapeutische Behandlung gegebenenfalls nicht ausreichend, weshalb fall- und patientenbezogen eine Indikation für eine intensivere und umfänglichere stationäre Behandlung mit hochfrequenter therapeutischer Begleitung indiziert ist (siehe weitere Ausführungen bzgl. Die Universitären Psychiatrischen Kliniken in Basel haben diesbezüglich 2012 eine Voreiterrolle eingenommen und als erste deutschsprachige Klinik überhaupt ACT als therapeutische Grundorientierung für eine ihrer psychotherapeutischen Abteilungen gewählt: die Abteilung Verhaltenstherapie stationär (VTS).
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Für ACT spricht nicht nur das transdiagnostische und wissenschaftlich fundierte Ätiologie- und Behandlungsmodell, das breite, flexibel handhabbare und primär auf die Förderung von Kernkompetenzen fokussierte Methodenspektrum, sondern auch die übergreifende Anwendbarkeit auf die verschiedenen stationären Behandlungskontexte. Das Stationskonzept sieht vor, dass alle an der Behandlung eines Patienten Beteiligten von einem gemeinsamen ACT- Fallkonzept ausgehen und im Rahmen ihrer Betreuungs- und Therapieangebote einen Beitrag zur Förderung der sechs Kernkompetenzen leisten.
Alle Mitarbeitenden des multidisziplinären Teams (Psychologen, Ärzte, Pflegefachpersonen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten u.a.) sind in die ACT eingeführt und werden fortlaufend weiterqualifiziert. Stationsinterne Dienstübergaben, Fallbesprechungen, Inter- und Supervisionen orientieren sich an den ACT-Prinzipien. Dies ist essenziell, damit alle am therapeutischen Prozess beteiligten Fachpersonen dem Patienten gegenüber die «gleiche Sprache» sprechen und somit ein umfassendes Störungs- und Therapieverständnis ermöglichen.
In täglichen transdiagnostischen psychotherapeutischen Gruppentherapien werden die sechs zentralen Grundfertigkeiten nach ACT vermittelt. Die transdiagnostische Herangehensweise ermöglicht eine Übertragung über die eigenen Symptombereiche hinaus, vermittelt ein allgemeines Wissen bezüglich der Förderung psychischen Wohlbefindens, wirkt entstigmatisierend und ermöglicht einen maximalen Austausch zwischen Patienten. Zudem ermöglicht es eine rasche eigene Bezugnahme und fördert über das transdiagnostische Modell ein maximales Krankheitsverständnis und eine maximale Krankheitseinsicht.
In mehrmals wöchentlich stattfindenden Einzeltherapien werden die sechs Prozesse vertieft und auf die konkreten Problembereiche des Patienten übertragen. In Angehö- rigengesprächen werden die Patienten weiterführend darin unterstützt, die Grundfertigkeiten im Alltag anzuwenden und ein engagiertes lebenszielorientiertes Handeln im stationären Alltag und Zusammenleben zu entwickeln. Die Patienten werden unterstützt und gegebenenfalls dabei begleitet, problembezogene (z.B. angstauslösende) Situationen aufzusuchen, wobei die klassischen Konfrontationsverfahren, welche sich in der Verhaltenstherapie als besonders wirksam erwiesen haben, ebenfalls in nach ACT modifizierter Form eingesetzt werden.
Fallbeispiele
Fall 1: Herr A. (38 Jahre, ledig) wurde zur Behandlung einer seit mehr als 20 Jahren bestehenden chronifizierten Zwangsstörung in Form von Kontrollund Ordnungszwängen an die Abteilung VTS der UPK Basel überwiesen. Er schien hauptsächlich von den ACT-Prozessen kognitive Defusion und Achtsamkeit profitiert zu haben. Dies ermöglichte es ihm, Zwangsgedanken achtsam wahrzunehmen, diese als solche zu erkennen und zu benennen sowie deren direkten Einfluss auf sein Verhalten zu reduzieren.
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Fall 2: Frau B. (56 Jahre, verheiratet) wurde zur Behandlung eines seit fünf Jahren bestehenden Schmerzsyndroms mit im Vordergrund stehenden Rückenschmerzen sowie Migräneanfällen von ihrem Hausarzt in unser Setting überwiesen. Sie lernte, ihre Energie nicht mehr auf den Kampf gegen den Schmerz zu lenken, sondern ihre Ressourcen gezielt und zunehmend persistent für selbst gewählte Lebensziele einzusetzen. Der Perspektivenwechsel weg vom Symptom hin zu Werten und Ressourcen schien sowohl entstigmatisierend als auch kompetenz- und motivationsfördernd zu wirken und einen positiven Effekt auf das Selbstbild und die Selbstsicherheit von Frau B. zu haben.
Literatur
- Hayes, S. C., Masuda, A., Bissett, R., Luoma, J., Guerrero, L. F: DBT, FAP, and ACT: How empirically oriented are the new behavior therapy technologies?
 - Hayes, S. C., Strosahl, K. D., Wilson, K. G. (1999). Acceptance and commitment therapy: An experiential approach to behavior change.
 - Luoma, J., Hayes, S. C., Walser, R. D. (2009). ACT-Training: Handbuch der Acceptance & Commitment Therapie. Ein Lernprogramm in zehn Schritten.
 - Benoy, C., Bader, K., Schumann, I: Akzeptanz- und Commitment-Therapie: Ein transdiagnostischer Ansatz.
 - Benoy, C., Schumann, I: Werte und Ziele in der Therapie von Patienten mit Zwangsstörungen.
 - Benoy, C., Schumann, I: Behandlung von Zwangserkrankungen: Zur Indikation eines stationären Settings.
 
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