Analytische Psychologie nach C.G. Jung: Grundlagen und Anwendung

Die Analytische Psychologie, begründet vom Schweizer Psychiater und Psychologen C.G. Jung, hat in jüngerer Zeit erneut verstärkt Beachtung gefunden. Dies liegt etwa an ihrer Konzeption einer Netzwerkstruktur der Psyche, die an moderne neurowissenschaftliche Erkenntnisse anschlussfähig ist, oder ihrer Wertschätzung des inneren Bilderlebens und der Imagination.

Was ist Analytische Psychologie?

Bei der Analytischen Psychologie handelt es sich um eine Schule in der Psychologie, bei der der Fokus, ähnlich wie bei der Psychoanalyse Sigmund Freuds, auf die unbewusste Wahrnehmung liegt. Die Annahme ist, dass diese unbewussten Teile der Wahrnehmung einen weitaus größeren Einfluss auf unsere Psyche haben als die Eindrücke, die wir bewusst wahrnehmen. Die analytische Psychologie wurde im Jahr 1913 von Carl Gustav Jung, einem Schüler Sigmund Freuds, auf Grundlagen dessen Psychoanalyse begründet.

Die analytische Psychologie ist nicht zu verwechseln mit der analytischen Psychotherapie, einem psychologischem Therapieverfahren.

Die analytische Psychologie wird international von der sogenannten International Association for Analytical Psychologie (IAAP) in Zürich, und in Deutschland von der Deutschen Gesellschaft für Analytische Psychologie e. V. (DGAP) in Stuttgart vertreten.

Carl Gustav Jung: Ein Leben für die Psychologie

Der Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung gilt als Mitbegründer der analytischen Psychologie und beschäftigte sich in seinem Wirken mit dem Menschen in seiner Ganzheit. Dabei wurde Jungs Interesse an der Theologie, der Medizin und den Naturwissenschaften bereits früh geweckt, da die gesamte Familie auf verschiedene Weise mit diesen Themenbereichen vertraut war. Am 26. Juli 1875 kommt Carl Gustav Jung im schweizerischen Kesswil, als Sohn eines evangelischen Pfarrers und dessen Frau, auf die Welt. Schon früh interessiert er sich dabei für die eigenen Träume und das eigene Denken.

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Vier Jahre nach der Geburt C. G. Jungs zieht die Familie von dessen Geburtsort nach Basel um, wo Jung den Grossteil seiner Kindheit und Jugend verbringt. Im Alter von zwölf Jahren kommt er hier auch zu der wichtigen Erkenntnis „Ich muss denken“ und setzt sich erstmals mit der eigenen Persönlichkeit auseinander. Während seiner Schulzeit sind die Interessen des jungen Schweizers dabei sehr vielseitig und reichen von der Theologie über die Naturwissenschaft bis hin zur Archäologie und Philosophie.

Nach der Schulzeit in Basel, beginnt er dort im Jahr 1895 sein Medizinstudium. Hierbei trifft er die Entscheidung, Psychiater zu werden und zeigt ein vertieftes Interesse für Philosophie, Theologie und Naturwissenschaften, aber auch für den Okkultismus und Spiritismus.

Gefestigt wird Jungs Berufswahl dabei durch die Arbeit als Assistent Eugen Bleulers an der Zürcher Psychiatrischen Klinik Burghölzli. Während dieser Zeit beschäftigt ihn die Frage nach der Psyche von, damals als „Geisteskranken“ bezeichneten Menschen, ganz besonders. Im Jahr 1902 promovierte Jung dann „zur Psychologie und Pathologie okkulter Phänomene“ und heiratete ein Jahr später die Schaffhauser Industriellentochter Emma Rauschenbach.

Von 1905 bis 1909 behandelte Jung, die seit Jahren an psychischen Problemen leidende, Sabina Spielrein. Etwa zu der gleichen Zeit beginnt die 21-jährige Toni Wolff ihre Behandlung bei Jung. Bald wird sie jedoch dessen offizielle Mitarbeiterin und Geliebte.

Von 1905 bis 1909 war C. G. Jung ausserdem Oberarzt der Psychiatrischen Klinik Burghölzli und dozierte während dieser Zeit an der Universität Zürich. In den kommenden Jahren arbeitete Jung dann in erster Linie in seiner eigenen Praxis, bereiste Nordamerika, Afrika und Indien und publizierte verschiedene Werke. In den späteren Jahren seines Lebens widmete Jung sich vermehrt seinen Forschungen über das kollektive Unbewusste, die Alchemie und die Bedeutung der Mystik und Religion für die menschliche Psyche. 1948 gründete er das nach ihm benannte Jung-Institut in Zürich.

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Im Laufe seines Lebens hat C.G. Jung mehrere Ehrendoktortitel verliehen bekommen, darunter von den Universitäten Harvard, Oxford und Kalkutta.

Carl Gustav Jung hatte zeitlebens vielseitige Interessen und beschäftigte sich, neben der Psychologie und Psychotherapie, mit der Religion, Spiritualität und dem Okkultismus sowie der Kunst und der Kultur. Dabei befasste er sich intensiv mit dem Verhältnis von individueller Seele und kosmischer Wirklichkeit und prägte die moderne Religionspsychologie massgeblich.

Jungs Theorien und Konzepte

Während seiner lebenslangen Auseinandersetzung mit der menschlichen Psyche sowie deren Einflüssen und Erkrankungen, entwickelte C.G. Jung verschiedene Theorien. So definierte er beispielsweise Archetypen, die das menschliche Handeln im Unterbewussten prägen, und legte spezielle psychologische Typen fest. Jung definierte verschiedene Archetypen, die er als universelle und symbolische Bilder beschrieb, die im kollektiven Unbewussten aller Menschen vorhanden sein sollen.

Nach Jung liegen der menschlichen Persönlichkeit vier Funktionen zugrunde - das Denken, das Fühlen, das Empfinden und die Intuition, die jeweils extrovertiert und introvertiert vorliegen können.

Carl Gustav Jung definierte verschiedene Begriffe, die für sein Schaffen von grosser Bedeutung waren. Hierzu gehören zum Beispiel das persönliche Unbewusste und das kollektive Unbewusste. Ein weiterer wichtiger Begriff - die Libido - stammt ursprünglich nicht von Jung, sondern von Siegmund Freud.

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Die in C. G. Jungs Persönlichkeitstheorie beschriebenen Strukturen der Seele spielen in der analytischen Psychologie eine große Rolle. Als Zentrum des Bewusstseins gilt demnach das "Ich", welches mit den oft unbewussten Komplexen interagiert. Diese Komplexe können, wie zum Beispiel bei dem Minderwertigkeitskomplex, einen selbst betreffen, oder aber mit prägenden Personen im eigenen Umfeld zusammenhängen, wie beispielsweise der eigenen Mutter.

Da ein bestimmter Archetyp im Unbewussten ruht, hat der Mensch gewissen Erwartungen an seine Umwelt. Man hat somit aufgrund eigener und vererbter Erfahrungen eine Vorstellung von anderen gegenüber einem selbst. Dies bezeichnet Jung als "Patterns of Behaviour".

Ein Archetyp kann dabei beispielsweise das Verhalten gegenüber einem potentiellen Sexualpartner sein. Anhand eigener und vererbter Informationen darüber, welche Eigenschaften und Verhaltensweisen ein Mensch an dem anderen Geschlecht mag, wird ein dynamisches Bild eines optimalen Partners entwickelt, welches sexuelle Erregung erzeugt. Dieser Archetyp gerät, wie zu erwarten, vor allem ab der Pubertät in den Vordergrund.

Die Archetypen bilden somit in der analytischen Psychologie eine Grundlage für unsere Verhaltensweisen im Zusammentreffen mit anderen Menschen. Da durch Symbole in Träumen oft sonst verdrängte Verhaltensweisen in den Hintergrund geraten, eignen sich diese in der Praxis besonders gut als Anhaltspunkt für die analytische Psychologie.

Anwendung der Analytischen Psychologie

Bei der analytischen Psychologie wird unter anderem die Traumanalyse angewandt. Da beim betrachten der Traumwelt des Patienten die im Alltag verdrängten Probleme zum Vorschein kommen, können diese durch Symbole in Träumen wahrgenommen und analysiert werden. Neue Erkenntnisse können somit von Analytiker und Patienten behandelt werden.

Im Gegensatz zur Psychoanalyse wird der Patient bei der analytischen Psychologie aktiver in den analytischen Prozess eingebunden, sodass eine Beziehung zwischen Analytiker und Patienten ermöglicht wird.

Die Verbreitung der Behandlungsformen der analytischen Psychologie nach Jung geht von in Europa und in den USA etablierten Jung-Instituten aus.

Das TPZ soll seelisch belasteten Personen einen Raum geben, in dem sie auf ihr Innerstes blicken können.

Kontroverse und Kritik

Neben seinem Erfolg gab es in Jungs Leben auch einige kritische Stimmen. Aufgrund der fachlichen Differenzen zu Freud wurde dieser beispielsweise zu einem grossen Kritiker seines einstigen Freundes. Allerdings ist er damit bis heute nicht der Einzige. So kritisierte man Jung vor allem für sein Verhalten während des NS-Regimes. Einige Aussagen Jungs können durchaus als antisemitisch gedeutet werden, auch wenn er sich selbst hiervon distanzierte.

Ein weiterer Punkt, indem C. G. Jung nicht selten kritisiert wird, war seine sexuelle Beziehung zu zwei Patientinnen - Sabina Spielrein und Toni Wolff.

Obwohl sich die analytische Psychologie und die Psychoanalyse sehr ähneln, zählen Sigmund Freud und die Schule der Psychoanalyse zu Kritikern dieser Schule. Bemängelt wird dabei vor allem, dass die Auffassung in der analytischen Psychologie nicht spezifisch genug sei. Anhänger der Psychoanalyse sehen das Unbewusste vor allem durch persönlichen Erlebnisse in der Vergangenheit definiert, und bezweifeln, dass die analytische Psychologie gewisse Bahnungen von Vorstellung im Bezug auf die zugrunde liegende Lehre der Archetypen aufzeigt.

Auch die akademische Psychologie kritisiert die analytische Psychologie.

Jungs Vermächtnis

Durch seine Arbeit hat Carl Gustav Jung in erster Linie die analytische Psychologie stark geprägt. Er veränderte mit seinem Wirken dabei die Diagnostik und die Therapie psychischer Krankheiten. Der Konflikt zwischen ihm und Siegmund Freud führte hierbei zu einem intensiven Diskurs mit der analytischen Psychologie, was auch Auswirkungen auf das heutige Verständnis der Psyche hat.

Das C.G. Jung-Institut Zürich wurde am 24. April 1948 als gemeinnützige, nicht gewinnorientierte Stiftung gegründet. Nach einiger Zeit genoss das Institut dabei auch weltweites Ansehen, was zu einem Zustrom an Studierenden führte. Daher mussten Ende der 1970-er Jahre in Küsnacht neue Räumlichkeiten in einem denkmalgeschützten Haus eröffnet werden.

Im Laufe seines Lebens veröffentlichte Jung eine ganze Reihe an Werken, die das Verständnis der menschlichen Psyche prägten. So führte seine Publikation bezüglich der „Wandlungen und Symbole der Libido“ letztlich zur Trennung Jungs von der Freud’schen Psychoanalyse.

In den 1920-er Jahren beschäftigt er sich zudem immer mehr mit der Alchemie und veröffentlicht in diesem Zusammenhang, gemeinsam mit R.

Das sogenannte Rote Buch von C.G. Jung dokumentiert dessen Auseinandersetzung mit dem Unbewussten und wurde lange Zeit in einem Schweizer Banksafe unter Verschluss gehalten, da der Autor selbst nicht wollte, dass sein Werk publiziert wird. Grund hierfür ist möglicherweise der weitere Inhalt des Buches. Denn in diesem hielt Jung seine Träume, Visionen und Fantasien fest, welche er später als Grundlage seines Schaffens bezeichnete.

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