Die Diagnose Autismus wird in der Regel von einem Kinder- und Jugendpsychiater gestellt.
Eine frühe Erkennung ist wichtig für eine frühzeitige Förderung des Kindes. Lesen Sie hier, welche Untersuchungen notwendig sind, um Autismus zu diagnostizieren!
ICD-Codes für diese Krankheit: ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. F84 F98
Untersuchungen und Tests zur Autismus-Diagnostik
Bei Verdacht auf Autismus ermittelt man unter anderem auch den Intelligenzquotienten (IQ). Gängige Tests sind:
- Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Kinder (HAWK-IV): Neben dem Gesamt-IQ werden in etwa 60 Minuten zusätzlich Bereiche des Sprachverständnisses, logischen Denkens, der Bearbeitungsgeschwindigkeit und des Arbeitsgedächtnisses untersucht.
 - Hannover-Wechsler-Intelligenztest für das Vorschulalter (HAWIVA): Dieser Test wird bei Kindern zwischen dem 2. und 6. Lebensjahr angewendet.
 - Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene
 - weitere Tests zur Sprachentwicklung
 
Autismus: Erste Untersuchungen beim Kinderarzt
Bis zum 18. Lebensmonat entwickeln sich die sprachlichen und motorischen Fähigkeiten von Kindern generell sehr unterschiedlich. Deshalb ist bis zu diesem Zeitpunkt eine eindeutige Autismus-Diagnose schwierig.
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Gerade intelligenteren Kindern gelingt es zudem, einige Symptome zu verbergen.
Hinter manchen Symptomen können auch körperliche Erkrankungen stecken. Diese muss der Kinderarzt zunächst ausschliessen. Dabei helfen ihm neurologische, laborchemische und bildgebende Verfahren.
Zudem kontrolliert er in Hörprüfungen und Sehtests die Funktionsfähigkeit von Ohren und Augen.
Wichtig ist auch eine Messung der Hirnströme (EEG): Damit lassen sich Gehirnschäden nachweisen bzw. ausschliessen.
Autismus: Weitere Untersuchungen beim Psychiater
Lässt sich keine körperliche Ursache für die Symptome finden, kommt meist ein Spezialist ins Spiel. Kinder- und Jugendpsychiater sind mit den Symptomen und Formen von Autismus bestens vertraut.
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Sie verfügen über die nötige Erfahrung und diagnostischen Methoden, um eine sichere Diagnose stellen zu können.
Die unterschiedliche Ausprägung der Symptome kann bei der Einschätzung Schwierigkeiten bereiten. So können die charakteristischen Anzeichen des Autismus so schwach in Erscheinung treten, dass sie bei guter familiärer Unterstützung und Integration kaum auffallen. So wird der Autismus oft erst im Erwachsenenalter diagnostiziert.
Autismus: Test
Mithilfe von Fragebögen werden in speziellen Autismus-Tests gezielte Symptome beurteilt. Im Mittelpunkt stehen die Symptomkomplexe, die für Autismus-Spektrum-Störungen charakteristisch sind.
Bei Kleinkindern beantworten Eltern die Fragen und schätzen die Symptome ein.
Häufig setzen spezialisierte Fachärzte die „Diagnostische Beobachtungsskala für Autistische Störungen“ (ADOS) und das „Diagnostische Interview für Autismus“ (ADI-R) ein.
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Diese Methoden können bei Betroffenen ab dem zweiten Lebensjahr angewendet werden.
Tests zur Einschätzung des Autismus-Schweregrads
Ein sogenannter Autismus-Spektrum-Quotient (AQ) dient als Massstab für den Schweregrad einer Autismus-Spektrum-Störung. Der von Simon Baron-Cohen entwickelte AQ-Test versucht, in 50 Fragen eine erste Einschätzung zu liefern.
Achtung: Autismus-Selbsttests ersetzen nicht den Besuch beim Arzt. Sie können aber einen ersten Verdacht erhärten. Die Betroffenen sollten dann einen Spezialisten aufsuchen, um weitere Untersuchungen durchführen zu lassen.
Besonders ein leichter Autismus kann jahrelang unbemerkt bleiben und sich erst im Erwachsenenalter unter veränderten Bedingungen zeigen. Viele Betroffene berichten dann nicht selten, dass sie sich schon immer „anders“ als ihre Mitmenschen gefühlt haben. Deshalb gibt es mittlerweile eine Reihe von Autismus-Selbsttests, mit denen man eine erste Selbsteinschätzung treffen kann.
Screening-Instrumente für verschiedene Altersstufen
Es stehen verschiedene Screeningsinstrumente für verschiedene Altersstufen zur Verfügung, wie der M-CHAT für Kleinkinder ab einem Alter von 21 Monaten und der FSK-Fragebogen für Klein- und Schulkinder ab einem Alter von zirka 4 Jahren.
M-CHAT (modified checklist for autism in toddlers)
Der Fragebogen M-CHAT (modified checklist for autism in toddlers) wurde 1992 von dem Autismusspezialisten Baron-Cohen ursprünglich als Screeninginstrument für Autismusdiagnostik bei Kleinkindern entwickelt; er wurde im Laufe der Jahre, insbesondere wegen geringer Sensitivität, modifiziert (6).
Auf Deutsch wurde er 2005 von Sven Bölte an der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitätsklinik Frankfurt/Main adaptiert (s. Abbildung). Der M-CHAT weist bei mässiger Sensitivität eine allerdings gute Spezifität auf, das heisst: Wenn der Fragebogen unauffällig ist, ist damit eine tiefgreifende Entwicklungsstörung eher unwahrscheinlich.
Er ist ein Screeninginstrument und ersetzt nicht eine autismusspezifische Diagnostik. Die Evaluation des M-CHAT ist noch nicht vollständig abgeschlossen, die bisher verfügbaren Daten weisen jedoch auf eine gute Stabilität hin (7).
Er beruht in erster Linie auf dem Erfragen von Auffälligkeiten, wie sie für Kinder mit einer tief greifenden Entwicklungsstörung typisch sind, zum Beispiel fehlendes Symbolspiel, fehlendes Zeigen und Deuten sowie fehlendes Triangulieren.
Der Fragebogen umfasst 23 binär kodierte Fragen. 19 der Fragen sind so kodiert, dass Nein-Antworten auffällig sind und einen Punkt ergeben, bei 4 Fragen ist eine Ja-Antwort auffällig. Es handelt sich dabei um die Fragen 11, 18, 20 und 22.
Als Fragen mit der höchsten Diskrimination haben sich abgestuft die folgenden ergeben: 7, 14, 2, 9, 15 und 13. Werden beispielsweise alle diese Fragen mit Nein von den Eltern beantwortet, ergibt sich eine relativ hohe Sensitivität von 87 Prozent bei einer gleichzeitig hohen Spezifität von 99 Prozent.
Der M-CHAT sollte bei der U7 eingesetzt werden. Bei 3 oder mehr Punkten sollte der Fragebogen nach ein bis zwei, spätestens aber nach 6 Monaten wiederholt werden. Falls weiterhin Auffäligkeiten bestehen, sollte eine spezialisierte Diagnostik in einem Autismuszentrum erfolgen.
FSK-Fragebogen
Es handelt sich dabei ebenfalls um ein Screeninginstrument. Der FSK ist geeignet für Kinder ab dem 4. Lebensjahr und bis weit in die Adoleszenz einsetzbar.
Entwickelt wurde der Fragebogen 2003 von Rutter, Bailey und Lord. Er wurde 2006 von Bölte und Mitarbeitern der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitätsklinik Frankfurt/Main für den deutschsprachigen Raum adaptiert (8); er ist mit Fragebögen und Auswerteblättern über die Testzentrale der Schweizer Psychologen AG in Bern (www.testzentrale.ch) erhältlich.
Es handelt sich dabei um einen binär kodierten Fragebogen mit 40 Fragen, bei dem sowohl Ja- als auch Nein-Antworten auffällig sein können. Abgeleitet wurde er aus dem Autistic Diagnostic Interview (ADIR) (9), das in der weiterführenden autismusspezifischen Diagnostik eingesetzt wird und neben der Verhaltensbeobachtung des ADOS (10) (Autistic Diagnostic Oberservation Schedule) als Goldstandard der Autismusdiagnostik gilt.
Im FSK werden autismusspezifische und komorbide Symptome erfragt, die bei Nichtbetroffenen nicht oder nur selten auftreten. Die Bearbeitungszeit für die Eltern liegt bei zirka 20 Minuten, eine Auswertung ist in zirka 5 Minuten möglich. Pro Frage gibt es maximal 1 Punkt, die maximale Punktzahl beträgt 39 für Kinder mit Sprache, 33 für Kinder ohne Sprache.
Der Fragebogen bedarf keiner Anleitung. Der Fragebogen liegt in zwei Versionen vor. Der Fragebogen «Lebenszeit» bezieht sich auf die bisherige Entwicklung und wird für die Autismusdiagnostik eingesetzt. Der Fragebogen «Aktuell» bezieht sich auf Auffälligkeiten lediglich während der letzten drei Monate und wird zum Beispiel zur Beurteilung autismusspezifischer Interventionsprogramme eingesetzt. Für das Screening wird nur der Fragebogen «Lebenszeit» benötigt.
Der Grenzwert für eine Autismusstörung liegt bei 15 respektive 16 Punkten. Ab 15 Punkten ist eine Störung aus dem autistischen Spektrum wahrscheinlich, aber selbstverständlich noch nicht bewiesen. Bei dem Grenzwert von 15 beträgt die Sensibilität 85 Prozent, die Spezifität 75 Prozent. Bei höheren Punktzahlen steigen Sensibilität und Spezifität weiter an.
Bei Auffälligkeiten gemäss diesen Screeninginstrumenten sollte eine eingehendere Autismusabklärung eingeleitet werden.
Weiterführende Autismusabklärung
Bei berechtigtem Verdacht auf eine tiefgreifende Entwicklungsstörung sollte eine dezidierte Abklärung in einer dafür geeigneten Spezialambulanz erfolgen.
Dort werden internistische und neuropädiatrische Untersuchungen durchgeführt sowie insbesondere spezifische Entwicklungsabklärungen inklusive psychometrischer Tests mit dafür geeigneten Verfahren wie den Bayley-Scales, dem SON-R (ein nicht verbaler Intelligenztest) oder anderen bewährten Testverfahren.
Eine sorgfältige Überprüfung von Hör- sowie Sehfunktionen sollte bereits im Vorfeld erfolgt sein, andernfalls wird diese vom Zentrum durchgeführt oder veranlasst.
Die eigentliche autismusspezifische Diagnostik in einem Zentrum besteht aus der Durchführung von ADOS (Autism Diagnostic Observation Schedule) und ADI-R (Autism Diagnostic Interview Revised).
ADOS (Autism Diagnostic Observation Schedule)
Der ADOS-Test (10) wurde von C. Lord und Mitarbeitern entwickelt und stellt eine Beobachtungssituation dar. Der Test liegt aktuell im deutschsprachigen Raum in vier Modulen vor: einem Modul für Kinder ohne Sprache, einem Modul für Kleinkinder mit Sprache sowie Modulen für Kinder- und Jugendliche, wobei das Modul für Jugendliche auch für Erwachsene eingesetzt werden kann.
Im englischsprachigen Raum liegt bereits ADOS 2 vor, das um ein Modul für Kleinkinder erweitert wurde. Das Modul 1 für Kinder ohne Sprache (ist somit nicht altersgebunden) beinhaltet freies Spiel, Reaktion auf den Namen, Reaktion auf geteilte Aufmerksamkeit, Funktions- und Symbolspiel sowie beispielsweise die Durchführung einer Geburtstagsfeier sowie eines Snacks.
Die Reaktionen des Kindes werden dabei beobachtet und anschliessend kodiert. In der aktuellen Version werden Kommunikation und soziale Interaktion noch getrennt erfasst und gehen dann in die Diagnose ein. Stereotypien werden ebenfalls erfasst und kodiert, gehen jedoch nicht in die Diagnose gemäss ADOS ein.
Die Durchführung des ADOS erfordert ein ausführliches Training und kann nicht ohne ein solches durchgeführt werden.
ADI-R (Autism Diagnostic Interview Revised)
Das ADI-R (9) ist ein 93 Fragen umfassendes ausführliches Entwicklungsinterview, das autismusspezifische Auffälligkeiten in den Bereichen Kommunikation, soziale Interaktion sowie Stereotypien zu erfassen sowie abzuklären sucht, ob diese Auffälligkeiten bereits in der frühen Kindheit bestanden.
EEG in der Autismus-Diagnostik
Wichtig ist auch eine Messung der Hirnströme (EEG): Damit lassen sich Gehirnschäden nachweisen bzw. ausschliessen.
Nebst Befunden aus bildgebenden Studien (fMRI) wurden in der Literatur Abweichungen bei evozierten Potentialen (qEEG) berichtet. So kann eine erhöhtes P300 Novelty gefunden werden, als Ausdruck einer verstärkten Orientierungsreaktion wahrscheinlich Korrelat der Hochsensibilität.
Neuromarker und EEG
Unter Neuromarkern (Biomarker) versteht man neurologische, medizinisch-technische Messwerte, die bei Fehlfunktionen neuronaler Netzwerke nachgewiesen werden können.
Sie entsprechen z.B. einer Verschattung auf dem Röntgenbild der Lunge bei Husten. Neuromarker in der Psychiatrie ersetzen nicht die klassische psychiatrische Diagnosestellung mit Hilfe eines ausführlichen Gespräches.
Sie erlauben aber eine genauere Diagnostik und v.a. auch eine gezieltere Behandlungsplanung. In der Praxis für Neuropsychiatrie verwenden wir elektrophysiologische Neuromarker, d.h. die Elektroenzephalogaphie (EEG).
Visuell evozierte Potentiale (VEP)
Durch die Messung der EEG-Veränderungen als Reaktion auf eine sensorische Wahrnehmung können sogenannte ‘Evozierte Potentiale‘ (EPs) abgeleitet werden.
Bei den akustisch evozierten Potentialen wird die Reaktion des auditorischen Systems gemessen. Es können v.a. Bei den motorisch und den sensibel evozierten Potentialen werden die Bahnen vom Kortex zu den Muskeln bzw. von Extremitäten zum Kortex gemessen. Beide Untersuchungen können die neuropsychiatrische Abklärung ergänzen, v.a.
Live Z-Score Training
Neuere Entwicklungen in QEEG-basierten Neurofeedback-Strategien lassen auf noch bessere Resultate in der Zukunft hoffen. Im Besonderen haben Thatcher, Biver und North (2007) und Collura (2010) (siehe auch Collura, Guan, Tarrant, Bailey & Starr, 2010) das „Live Z-Score training" entwickelt, wobei vier Positionen gleichzeitig für Amplitude (Power), Kohärenz, Phase, Asymmetrie und/oder Ratios trainiert werden können.
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