ABA Autismus Ausbildung in der Schweiz

Im Bereich der Förderung von Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) hat sich in den letzten 20 Jahren weltweit einiges getan. Mittlerweile gibt es ein recht grosses Angebot an geeigneten und weniger geeigneten Therapien und Fördermassnahmen. Sowohl für Fachleute als auch für Laien ist es nicht mehr einfach, den Überblick zu behalten. Daher soll an dieser Stelle ein kurzer Überblick über verschiedene fundierte, autismusspezifische Therapieansätze und Fördermassnahmen gegeben werden.

Bewährte Therapieansätze und Fördermassnahmen

Autismus deutsche schweiz unterstützt und fördert die hier aufgelisteten Methoden und möchte mit der nachfolgenden Übersicht den Entscheidungsprozess der Eltern unterstützen und helfen, die für sie geeignete Methode zu wählen.

ABA (Applied Behavior Analysis - Angewandte Verhaltensanalyse)

ABA ist in erster Linie eine Wissenschaft. In den 60er-Jahren wurden Techniken und Strategien dieser Wissenschaft erstmals in spezifischen Förderprogrammen für Menschen mit ASS eingesetzt. In den letzten Jahren wurden diese ABA-Programme in verschiedene Richtungen weiterentwickelt. ABA ist eine Verhaltenstherapie, die grosse Erfolge aufweist. Sehr systematisch und strukturiert kann erwünschtes Verhalten über primäre und sekundäre Verstärker aufgebaut und unerwünschtes Verhalten abgebaut werden.

TEACCH (Treatment and Education for Autistic and related Communication handicapped Children)

Die TEACCH Methode wird oft in Schulen und verschiedenen weiteren Institutionen wie Wohnheimen oder Werkstätten angewendet. Die Strukturierung bildet den Kern des TEACCH-Programms. Ein durch die Methode der visuellen Strukturierung selbständiges Arbeiten hilft dem Betroffenen, seine Lebensqualität zu erhöhen und soll das Lernen erleichtern.

RDI (Relationship Development Intervention), FIAS (Früh- Intervention bei Autistischen Störungen), DIR (Developmental Individual Differences), PLAY (Play and Language for Autistic Youngsters)

Die Beziehungsebene ist ein sehr wichtiger Aspekt in der Arbeit mit Menschen mit ASS. Eher auf spieltherapeutischen Konzepten beruhen Programme wie RDI, FIAS, DIR = Floortime oder PLAY.

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PECS (The Picture Exchange Communication System)

Alternative Kommunikationsformen sind bei Menschen mit ASS oft notwendig. In diesem Bereich haben sich das PECS-System oder die Gebärdensprache bewährt. Die zugrunde liegenden Lehr-Strategien werden von ABA abgeleitet. Beim PECS-System ist die Methodik des Aufbaus klar und strukturiert vorgegeben.

FC (Facilitated Communication)

Eine weitere, allerdings in der Fachwelt nicht unumstrittene Form der Kommunikation, ist FC, oder auf Deutsch «Gestützte Kommunikation». Viele Eltern und Fachpersonen berichten, dass sie durch die physische, emotionale und verbale Stütze mit dem betroffenen Menschen in Kommunikation treten können.

Biomedizinische Ansätze

Biomedizinische Ansätze gehen davon aus, dass Umweltfaktoren wie Schwermetallbelastungen, Pestizide usw. für die Entstehung der autistischen Symptome mitverantwortlich und medizinisch behandelbar sind. Diese Hypothesen sind bis anhin nicht ausreichend bewiesen. Viele betroffene Familien und Ärzte berichten aber, dass sie die Methoden mit Erfolg anwenden. Immer mehr wissenschaftliche Berichte und Studien unterstützen die positiven Erfahrungen, welche viele Eltern mit biomedizinischen Interventionen machen.

Die Wichtigkeit von früher Förderung

Es kann nicht oft genug betont werden, wie wichtig ein früher Beginn von therapeutischen Massnahmen und Förderung ist. Je früher einer Auffälligkeit in der kindlichen Entwicklung begegnet werden kann, umso wirksamer ist die anschliessende Therapie. Die frühkindlichen Entwicklungsphasen sind noch stark beeinflussbar. Folgestörungen können verhindert werden.

Anpassung der Therapie an individuelle Bedürfnisse

Erwachsene Menschen mit Autismus brauchen ebenso wie Kinder eine geeignete und auf sie abgestimmte Unterstützung. Hierbei ist es zentral, dass die gewählte Therapie flexibel und auf die aktuellen Bedürfnisse anpassbar ist. Die Methoden können die Gleichen sein, die Inhalte müssen aber dem betreffenden Menschen und dem Alter individuell angepasst werden, denn jeder Mensch mit einer autistischen Wahrnehmung ist anders. Jeder hat besondere Stärken, Schwächen, Interessen und auch die Motivations- und Lernprobleme sind unterschiedlich.

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Einbezug der Familie

Die Familie muss sich mit dem gewählten Therapieansatz identifizieren können, weil sie diesen über mehrere Jahre anwenden wird. Der Einbezug der ganzen Familie ist von grosser Bedeutung für den Erfolg der gewählten Therapie und Fördermassnahme. Die Familie ist oft der einzige Ort des Vertrauens für das Kind, für den Jugendlichen oder Erwachsenen aus dem Autismus-Spektrum. Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, eine Therapie im gewohnten Umfeld mit Einbezug der Familienmitglieder durchzuführen. Die Familiensituation muss lebbar sein und dem Menschen mit Autismus muss eine Umwelt geboten werden, wo er sich gut entwickeln kann.

Wichtige Aspekte vor der Therapieentscheidung

Bevor sich die Eltern von Kindern mit Autismus letztendlich für oder gegen eine bestimmte Therapie entscheiden, sollten wichtige Aspekte geklärt werden. Es wurde schon dargelegt, wie wichtig es ist, dass sich auch die Familie mit der entsprechenden Therapie identifizieren kann. So werden die Eltern in den meisten Fällen ihr ganzes Leben lang die engsten Vertrauenspersonen eines Menschen mit Autismus und somit mehr oder weniger in die Therapie einbezogen sein. Weiter ist es zwingend notwendig, sich im Vorfeld Überlegungen in Bezug auf personelle, räumliche, finanzielle, organisatorische und zeitliche Rahmenbedingungen und Möglichkeiten zu machen. Die verschiedenen vorgestellten Therapieansätze und Fördermassnahmen unterscheiden sich in diesen Punkten. In Bezug auf die Autismusberatungsstelle, Therapeuten und Supervisoren müssen sich die Eltern vorstellen können, mit diesen Menschen über eine längere Zeit zusammen zu arbeiten.

Heilpädagogische Früherziehung (HFE)

«In der Heilpädagogischen Früherziehung werden Kinder mit Behinderungen, mit Entwicklungsverzögerungen, -einschränkungen oder -gefährdungen ab Geburt bis maximal zwei Jahre nach Schuleintritt mittels Abklärung, präventiver und erzieherischer Unterstützung sowie angemessener Förderung im familiären Kontext behandelt. » (EDK, 2007) Aufgrund dieser Definition der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) richtet sich die Heilpädagogische Früherziehung (HFE) an Kinder mit Entwicklungsauffälligkeiten und an Kinder, deren Entwicklung gefährdet ist. Mögliche Auffälligkeiten können sich in der geistigen, sprachlichen, motorischen, emotionalen, sozialen und in der Wahrnehmungsentwicklung zeigen. Heilpädagogische Früherziehung bietet diesen Kindern ab Geburt bis spätestens zwei Jahre nach Schuleintritt Förderung, sowie deren Eltern und anderen wichtigen Bezugspersonen Beratung und Begleitung an.

Aufgaben und Angebote der Heilpädagogischen Früherziehung im Kontext Autismus-Spektrum-Störung

Heilpädagogische Früherzieherinnen und Früherzieher kommen immer wieder mit Kindern in Kontakt, bei welchen ein Verdacht auf eine Autismus-Spektrum-Störung besteht oder welche Verhaltensweisen aus dem Autismus-Spektrum zeigen. In diesen Situationen ist es die Aufgabe der Fachperson, frühe Hinweise auf eine Autismus-Spektrum-Störung zu kennen und beobachten zu können. Neben dem allgemeinen Wissen zu Besonderheiten des Autismus-Spektrums erhält dabei die Anwendung von Screening-Instrumenten wie dem M-Chat, dem VSK oder dem EEFA durch die Fachpersonen eine besondere Bedeutung.

Das Ziel soll dabei eine klarere Einschätzung der Situation sein, auf deren Basis in Absprache mit den Eltern die weitere Abklärung an einer Autismus-Fachstelle eingeleitet werden kann. An dieser Abklärung nimmt die Heilpädagogische Früherziehung aktiv teil, indem sie ihre Erfahrungen und Beobachtungen schildert, allenfalls Videos von Spiel- und Alltagssequenzen einbringt und so garantiert, dass der Informationsfluss aufrecht erhalten bleibt. Die Beratung der Eltern ist ein zentrales Angebot der Heilpädagogischen Früherziehung.

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Ein umfangreiches Wissen über Autismus-Spektrum-Störungen ist dabei unerlässlich. Neben der Empfehlung des weiteren Vorgehens und der Koordination der weiteren Abklärungsschritte in Zusammenarbeit mit den Autismusfachstellen geht es in diesem Prozess auch um das Aufzeigen der Möglichkeiten und Grenzen der Heilpädagogischen Früherziehung in der Förderung und Begleitung von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen. Das allgemeine Angebot der Heilpädagogischen Früherziehung beinhaltet grundsätzlich individuelle Fördermöglichkeiten, welche auch bei Kindern mit Autismus-Spektrum- Störungen bedeutsam sind. Diese orientieren sich an der allgemeinen Entwicklung des Kindes und bieten unter anderem motivierende Lernsituationen, strukturfördernde Angebote, kommunikationsspezifische Förderinhalte und alltagsunterstützende Hilfestellungen für die Familien.

Es können zusätzlich spezifische Methoden einbezogen werden, die sich als besonders unterstützend bei einer Autismus-Spektrum-Störung erwiesen haben. In der Arbeit der Heilpädagogischen Früherziehung sind dies zum Beispiel verschiedene Methoden wie TEACCH oder PECS, die Förderung im Bereich der Unterstützten Kommunikation (UK) oder auch der Einbezug von Hilfsmitteln bzw. Förderprogrammen aus dem Bereich der digitalen Medien. Fragen zur Förderung sind grundsätzlich in enger Zusammenarbeit mit den Autismusfachstellen zu klären. Es geht dabei um einen offenen und transparenten Wissensaustausch sowie eine kompetenzorientierte Abklärung der Zuständigkeiten.

ABA-Ausbildung und Zertifizierung

Wir arbeiten nach ABA (Applied Behavior Analysis - Angewandte Verhaltensanalyse). Die Supervisorinnen verfügen über eine BCBA®-Ausbildung. BCBA® steht für Board Certified Behavior Analyst und ist ein internationales Zertifikat in Angewandter Verhaltensanalyse. Im Rahmen dieser Zertifizierung haben sie eine theoretische Ausbildung auf Masterstufe erhalten, sowie über 1'500 Stunden unter Supervision ABA praktiziert. Unsere Senior ABA-Therapeuten und Senior ABA-Therapeutinnen haben eine RBT®-Ausbildung absolviert. RBT® steht für Registered Behavior Technician und ist eine 40-stündige theoretische Weiterbildung begleitet von supervidierter praktischer Arbeit. Die ABA-Therapeuten und ABA-Therapeutinnen bei AutiBe sind mehrheitlich Psychologiestudierende. Sie zeichnen sich durch eine grosse Lernbereitschaft, Offenheit, Flexibilität und hohe Motivation aus.

Zertifizierung in der Schweiz

Um die Zertifizierung aufrechtzuerhalten, müssen BCBAs und BCaBAs an einer kontinuierlichen beruflichen Weiterbildung teilnehmen, die von der BACB anerkannt wird. Diese Weiterbildung wiederum wird auf die Fortbildungseinheiten (CEUs) angerechnet. Für jeden Zweijahreszyklus müssen BCaBAs 20 CEUs (1 CEU = 50 Minuten Fortbildung) absolvieren, von denen 4 in Ethik absolviert werden sollten. BCBAs müssen 32 CEUs absolvieren, von denen 4 in Ethik absolviert werden müssen.

ABA Schweiz ist vom Behavior Analyst Certification Board (BACB) als Authorised Continuing Education (ACE) Provider anerkannt. Als ACE-Anbieter bietet ABA Schweiz Weiterbildungseinheiten für BCBAs und BCaBAs an.

Ab dem 1. Januar 2023 bietet die BACB keine internationale Zertifizierung mehr an. Bereits zertifizierte BCBAs und BCaBAs können jedoch ihren Titel behalten und weiterhin CEUs sammeln. ABA Schweiz ist daran, Standards für die Zertifizierung als Verhaltensanalytiker/in in der Schweiz zu erarbeiten.

Studium und praktische Erfahrung

Um eine gute ABA-Fachkraft zu werden, ist in erster Linie praktische Erfahrung unter Aufsicht erforderlich. Die BACB schlug früher vor, dass eine Person 1500 Stunden Berufserfahrung mit mindestens 75 Stunden Supervision benötigt, um eine ABA-Fachkraft zu werden. In der Schweiz können Sie entweder in Ihrem gewohnten Arbeitskontext arbeiten, z.B. als LehrerIn, PsychologIn, ErgotherapeutIn, FrühpädagogIn usw., und ABA in Ihrem Arbeitskontext anwenden, während Sie Supervision erhalten.

Die Supervision kann persönlich von einer erfahrenen Person in der Schweiz (siehe ABA Switzerland Registry) oder von einer Supervisorin oder einem Supervisor aus dem Ausland per Video- und Online-Supervision durchgeführt werden. Wir empfehlen Ihnen, eine ABA-Fachperson zu suchen, die entweder über eine Qualifikation von BCBA oder über einen national gleichwertigen Ausbildungs- und Erfahrungshintergrund verfügt. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, direkt in einem Programm zur frühen intensiven Verhaltensintervention zu arbeiten.

Beschäftigungsmöglichkeiten

Da es in der Schweiz nur wenige Zentren gibt, die ABA-Dienste anbieten, sind auch die Beschäftigungsmöglichkeiten begrenzt. Die meisten privaten Praktiker arbeiten selbständig. Daher gibt es nur sehr wenige Stellen für Verhaltensanalytiker, die jemals ausgeschrieben werden. Die meisten von uns arbeiten mit einem anderen Berufsabschluss, z.B. als Psychologe, Logopäde, Ergotherapeut, Sonderschullehrer... und integrieren dann ABA in ihre Arbeit. Denn trotz der mangelnden Anerkennung ist der Bedarf an ABA-Dienstleistungen in der Schweiz enorm. Der grösste Bedarf besteht im Bereich der Frühförderung von Kindern mit Autismus.

Interkantonale Ausbildung für intensive Frühintervention bei Autismus

Diese Schulung wird über drei Jahre für insgesamt 27 Tage (9 Tage pro Jahr Jahr) angeboten. Im Rahmen dieser interkantonalen Weiterbildung werden Themen wie die Unterstützung der Sprachentwicklung (alternative Kommunikationssysteme) und der Entwicklung von Alltagskompetenzen (wie Ernährung und Toilettentraining) vermittelt. Zusätzlich wird das Wissen neben weiterführender Literatur durch E-Learning-Module erworben. Dazu gehören «Massive Open Online Courses» (MOOCs) zu Autismus-Spektrum-Störungen, die von der Universität Genf angeboten werden, und Online-Unterricht zu EIBI und ABA, der von der KJPP in Zürich angeboten wird.

Die dreijährige Ausbildung und insgesamt 150 Stunden Supervision, davon mindestens 50 Stunden Einzelsupervision, führen zu einem Postgraduierten-Zertifikat für intensive Frühintervention bei Autismus. Mit dieser Ausbildung sollen bereits angestellte Fachpersonen Unterstützung in der Ausbildung erhalten. In der Schweiz gibt es zu wenig Fachpersonen im Bereich Autismus und zu wenig qualifizierte ABA-Angebote.

Hierarchisches Trainingsmodell bei AutiBe

Es ist ein grosses Anliegen von AutiBe diesem Mangel an Fachwissen und Fachkräften zu begegnen. Wir arbeiten nach einem hierarchischen Trainingsmodell. Meist sind neu eintretende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Psychologiestudierende oder Studierende eines verwandten Studienfachs ohne Erfahrung im Bereich Autismus oder ABA. Sie beginnen bei uns als ABA-Therapeut*innen, oft im Rahmen eines Praktikums fürs Studium. Bei gegebenem Interesse und Eignung besteht nach eine Jahr Berufserfahrung als ABA-Therapeut*in die Möglichkeit zu Senior ABA-Therapeut*in aufzusteigen. Dies erfordert das Absolvieren einer 40-stündigen Theorieweiterbildung und die Teilnahme an monatlichen Gruppensupervisionen zur Vertiefung des praktischen Wissens.

Herausforderungen im (heil-)pädagogischen und therapeutischen Kontext

Ein professioneller und förderlicher Umgang mit Kindern und Jugendlichen im Autismus-Spektrum stellt im (heil)pädagogischen und therapeutischen Kontext (z.B. Kindergarten, Schule, Heilpädagogische Früherziehung, Logopädie, Wohnheim) vielfach eine grosse Herausforderung dar. Ausgeprägte Besonderheiten im kommunikativen und sozialinteraktiven Verhalten, z.B. ein eingeschränktes soziales Verständnis oder eine reduzierte wechselseitige Kommunikation sowie eingeschränkte Interessen und Aktivitäten oder Probleme in der Handlungsplanung sind häufig anzutreffen. Diese machen eine vertiefte Auseinandersetzung mit besonderen Formen des Wahrnehmens, Denkens und Handelns von Menschen im Autismus-Spektrum notwendig, um die Kinder und Jugendlichen besser zu verstehen und ihnen adäquate Angebote der Förderung und Begleitung bereitstellen zu können.

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