Hilfe bei Essstörungen: Was Sie tun können

Beschäftigen Sie sich übermässig mit dem Thema Essen oder mit Ihrem körperlichen Aussehen, das Sie mit Ihrem Essverhalten beeinflussen möchten? Haben Sie oft Schuldgefühle nach dem Essen oder starke Angst vor Gewichtszunahme? Erleben Sie Kontrollverluste über Ihren Hunger und überessen sich? Diese Essverhalten können den Alltag stark beeinflussen und zu beträchtlichem Leiden führen. Essen kann zur Qual werden.

Das meist zwanghafte Kontrollieren des eigenen Gewichts oder der Kalorienzufuhr kann beträchtliches Leiden verursachen. Teufelskreise von unkontrollierbaren Essanfällen mit oder ohne anschliessendes Erbrechen können den Lebensalltag stark beeinträchtigen. Manchmal liegt dabei eine Essstörung zugrunde.

Verschiedene Arten von Essstörungen

Es gibt verschiedene Essstörungen. Zu den häufigsten Essstörungen zählen die Anorexie (Magersucht), die Bulimie (Ess-Brech-Sucht) und die Binge-Eating-Störung (Esssucht), wobei erstere von aussen wegen des geringen Körpergewichts am sichtbarsten ist.

  • Anorexia nervosa (Magersucht): «Die Magersucht, oder Anorexie, verändert schleichend das ganze Leben der Betroffenen und deren Umwelt. Magersüchtige Kinder und Jugendliche wiegen jedes Gramm Nahrung ab, vermeiden Lebensmittel mit vielen Kalorien und verbieten sich mit viel Disziplin jegliche Gelüste. Manche zwingen sich dazu, Sport bis zum Umfallen zu treiben. Die Betroffenen werden dünner und dünner. Wie Patrizia finden sie Gefallen an ihrem neuen Körperbild. Doch das genügt ihnen nicht. Sie zwingen sich, weiterzumachen und noch mehr Gewicht zu verlieren, selbst wenn das niedrige Gewicht lebensbedrohlich wird. Denn die Wahrnehmung ihres eigenen Körperbilds ist verzerrt.»
  • Bulimia nervosa (Bulimie): «Die Bulimia nervosa äussert sich im Wechsel von unkontrollierten Essanfällen und gleichzeitigen Versuchen, das Gewicht zu reduzieren und schlank zu bleiben.» Weniger sichtbar als eine Magersucht ist die Essstörung Bulimie, auch Ess-Brech-Sucht genannt. Betroffene haben meistens ein normales Körpergewicht. Trotzdem haben sie ein gestörtes Verhältnis zu Nahrung. Sie essen nicht zu wenig, sondern im Zuge von Essanfällen zu viel.
  • Binge-Eating-Störung (Essattacken): «Emotionales Essen, ohne damit aufhören zu können und mit fortschreitender Gewichtszunahme.» Bei der Binge-Eating-Störung fehlt die kompensierende Komponente. Betroffene verlieren ebenfalls die Kontrolle über ihr Essverhalten und essen in kurzer Zeit viel zu viel.
  • Adipositas (Fettleibigkeit): «Adipositas (lat.

Insgesamt sind 3,5 Prozent der Schweizer Bevölkerung im Laufe ihres Lebens von einer Essstörung betroffen, Mädchen und Frauen etwas häufiger als Jungen und Männer. Das zeigt eine Studie des Universitätsspitals Zürich und der Universität Zürich im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) aus dem Jahr 2010.

Ursachen von Essstörungen

Essstörungen entstehen aufgrund von mehreren Faktoren. Dazu gehören biologisch-genetische Faktoren wie Geschlecht und individuelles Normalgewicht, aber auch Persönlichkeitsmerkmale wie ein geringes Selbstwertgefühl und Schwierigkeiten Stress zu bewältigen. Daneben können schwierige Familienkonstellationen oder das von den Medien verbreitete Schlankheitsideal eine Essstörung auslösen.

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Häufig sind Essstörungen ein Lösungsversuch für tiefgründige psychische Probleme.

Wie erkennt man eine Essstörung?

Hunger und das Sättigungsgefühl bestimmen im Wesentlichen ein gesundes Essverhalten. Kreisen die Gedanken jedoch nur noch ums Essen und hängt das Selbstwertgefühl zentral vom Gewicht oder der Figur ab, können dies Anzeichen einer Essstörung sein.

Von einem gestörten Essverhalten wird dann gesprochen, wenn obige Mechanismen eingeschränkt oder gar nicht mehr funktionieren.

Symptome und Diagnose

  • ausführliches Gespräch, teilweise auch Tests mit Fragebögen oder umfassende Interviews
  • familiäre Vorgeschichte, Erkrankungen der Eltern und Essverhalten in der Familie
  • biografische Vorgeschichte einschliesslich möglicher emotionaler Vernachlässigung und Missbrauch
  • Vorliegen weiterer psychischer Störungen wie Depressionen, Angststörungen, Substanzmissbrauch und -abhängigkeit (Alkohol, Drogen, Medikamente) oder Persönlichkeitsstörungen
  • umfassende medizinische Untersuchung (Labor, EKG)

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Behandlung von Essstörungen

Weil sie ein grosses Risiko für die gesunde Entwicklung darstellen und schwerwiegende körperliche, psychische und soziale Folgen auftreten können, sollte frühzeitig professionelle Hilfe gesucht werden. Je früher die Essstörung erkannt und behandelt wird, desto höher sind die Heilungschancen.

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Für Essstörungen gibt es spezifische und hochwirksame psychotherapeutische Verfahren.

Wer lässt sich behandeln?

Ein grosser Teil der Personen, die an einer Störung des Essverhaltens erkranken, tun dies auch. Gemäss den Zahlen des Schweizer Bundesamtes für Gesundheit sind dies vor allem jene, die an Anorexia nervosa (Magersucht) leiden - ungefähr 80% der Erkrankten ersuchen aktiv Hilfe. Personen mit Bulimie und der Binge-Eating-Störung tun dies zwar gemäss Statistik auch, jedoch weniger häufig.

Der Grund dafür könnte sein, dass sich das soziale Umfeld bei Magersucht womöglich schneller Sorgen macht, da die Problematik auf körperlicher Ebene für Aussenstehende besser ersichtlich ist und die betroffene Person eher darauf hinweist, dass sie sich Hilfe holen soll. Dies ist bei den anderen Formen vielleicht eher weniger der Fall.

Wer behandelt?

Wegen der hohen Komplexität und dem Vorhandensein von somatischen und psychischen Problemen, sind sowohl Ärzte als auch psychotherapeutisches Fachpersonal in die Behandlung von Essstörungen mit eingebunden.

Therapieformen

Grundsätzlich gilt, dass je früher eine mögliche Problematik erkannt und behandelt wird, desto besser die Prognose für einen erfolgreichen Behandlungsverlauf ist. Wenn möglich, sollte eine ambulante Behandlung einer stationären vorgezogen werden. Eine ambulante Behandlung bedeutet, dass die betroffene Person möglichst normal ihrem Alltag nachgehen soll und die Therapie anhand von Besuchen bei Institutionen mit Fachpersonal durchgeführt wird.

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Um die Durchführung einer ambulanten Therapie zu gewährleisten, wird in der Regel ein gewisses Mindestmass an körperlicher und psychischer Gesundheit vorausgesetzt (zum Beispiel ein mindest BMI-Wert, der erreicht werden soll). Ist dies nicht der Fall, muss eine Hospitalisierung zur Stabilisation von wichtigen Körperfunktionen zwingend in Betracht gezogen werden.

Psychotherapie

Psychotherapie ist die Behandlungsmethode der ersten Wahl (kognitive Verhaltenstherapie, interpersonelle Therapie). Insbesondere bei magersüchtigen Patientinnen im Jugendalter ist die Einbindung der Familie in die Psychotherapie ratsam (Angehörigenberatung).

Konkret sollen in der Psychotherapie einerseit das Körpergewicht normalisiert und durch das Aneignen von gesünderem Essverhalten nachhaltig stabilisiert werden. Dazu soll ein gesunder Selbstwert entwickelt und zugehörige Kompetenzen aufgebaut und erweitert werden. Dies soll helfen, allfällige ungesunde Schönheitsideale besser einordnen zu können und die Selbst- und Körperwahrnehmung zu stärken. Dabei muss der Fokus nicht zwingend immer nur auf dem Essverhalten liegen. Auch Kompetenzen wie Ausdruck und Regulation von Emotionen werden dabei oft zum Thema im Verlaufe einer Therapie.

Sämtliche Lebensbereiche, die bei der Entstehung einer Essstörungen relevant sind, sollten dazu genauer angeschaut und entsprechend reflektiert werden.

Wichtig anzumerken ist, dass eine nachhaltige psychotherapeutische Behandlung Geduld und ein schrittweises Vorgehen erfordert. Die betroffene Person sollte dabei stets in den Behandlungsprozess eingebunden werden. Zu viel (Zeit-) Druck von Seiten des sozialen Umfeldes oder des behandelnden Fachpersonals würde dabei mögliecherweise kontraproduktiv wirken.

Ziele der Psychotherapie

  • Normalisierung des Essverhaltens und Gewichts
  • falsche Körperideale über Schlankheit und Gewicht zu korrigieren
  • gestörte Wahrnehmung des eigenen Körpers und Gewichts ändern (Förderung von Selbstwahrnehmung, Körpertherapie)
  • angemessenes Selbstwertgefühl und soziale Kompetenzen entwickeln
  • nicht funktionierende Emotions- und Impulsregulation bearbeiten

Familie, soziales Umfeld

Da die Ursachen für die Entstehung der Problematik oft nicht nur in der betroffenen Person selber, sondern auch im sozialen Umfeld zu suchen sind, ist es insbesondere bei Jugendlichen Patienten ratsam, die Familie in die Therapie zu einem gewissen Grad mit einzubeziehen.

Viele Eltern und Bezugspersonen sind unsicher, ob sie Kinder oder Jugendliche auf ihr gestörtes Essverhalten ansprechen sollen. Die Konfrontation kann ein entscheidender Anstoss sein, sich Hilfe zu holen. Möglicherweise fühlen sich Betroffene aber erst recht unverstanden und unter Druck gesetzt. Angehörige können stattdessen fragen, womit sie helfen können und dabei unterstützen, Hilfe zu holen. Eltern dürfen sich auch eingestehen, wenn eine Situation sie überfordert.

Als Angehörige:r tragen Sie nicht die Verantwortung für die Erkrankung - aber Sie können Halt geben.

Medikamente

Grundsätzlich gibt es keine nachgewiesene medikamentöse Therapie für Essstörungen. Medikamente werden nur bei gleichzeitig auftretenden psychischen Erkrankungen eingesetzt.

Für Essstörungen gibt es bis heute wenige Medikamente, welche einen nachgewiesenen Einfluss auf den Behandlungsverlauf haben. Es gibt jedoch eine Gruppe von Medikamenten, die eine appetithemmende Wirkung haben kann. Unter Umständen kann dies einen Therapieverlauf unterstützen. Eine medikamentöse Behandlung wird in der Regel nur dann zum Thema, wenn zusätzlich die Diagnose einer psychischen Krankheit vorliegen sollte, welche den Einsatz von Medikamenten erfordert.

Wo Sie Hilfe finden

Es ist aber schwierig, den Teufelskreis der Essstörung alleine zu durchbrechen.

Angebote der UPK Basel

In den UPK Basel gibt es verschiedene therapeutische Angebote für den ambulanten, teilstationären und stationären Bereich. Unsere stationären und teilstationären Behandlungsprogramme richten sich an schwerer betroffene Patientinnen und Patienten, insbesondere mit niedrigem Körpergewicht, die eine intensivere Unterstützung benötigen. Die Behandlungsteams bestehen aus Fachpersonen aus den Bereichen Medizin, Psychologie und Psychotherapie, Pflege, Sozialdienst sowie Spezialistinnen und Spezialisten der Medizinisch-Therapeutischen Dienste. Jede Behandlung wird individuell auf die Bedürfnisse der Patientin und des Patienten abgestimmt.

In unserer Spezialsprechstunde für Essstörungen helfen wir mittels ausführlicher Abklärung die geeignete Behandlung zu finden und zu beginnen. In unserer Spezialsprechstunde Essstörungen finden Abklärungen, Standortbestimmungen und Psychotherapien statt. Patienten und Patientinnen mit Essstörungen und mit Gewichtsverlust werden zunächst abgeklärt, um eine gesicherte, manchmal auch alternative Diagnose zu ermöglichen. Die Weiterbehandlung richtet sich nach der gestellten Diagnose. Das Therapeutenteam arbeitet vorwiegend nach verhaltenstherapeutischen und/oder systemischen Ansätzen. Das heisst, das Essverhalten und die damit verbundene Gefühle werden analysiert, um die Voraussetzungen für Änderungen zu schaffen, und Angehörige werden in die Therapie mit einbezogen. Biographische Zusammenhänge mit dem Essproblem können ebenfalls berücksichtigt werden. Einstieg in unser Therapieangebot ist diese Sprechstunde.

Psychiatrie St.Gallen

Essstörungen werden an allen unseren Standorten behandelt.

Voraussetzungen für Therapie

Ein BMI von mindestens 15 ist Voraussetzung für eine weitergehende psychotherapeutische Behandlung. Eine Hospitalisierung sollte in enger Zusammenarbeit mit psychologisch-psychiatrisch geschulten Personen erfolgen, wenn das Körpergewicht deutlich unter dem Normalgewicht liegt (BMI < 12) und/oder lebensbedrohliche Situationen oder schwere Störungen des Elektrolyt-Haushalts vorliegen.

Arbeitsgemeinschaft Ess-Störungen AES

Die Arbeitsgemeinschaft Ess-Störungen AES vereint ehemals Betroffene, Angehörige und Fachleute, die sich gemeinsam dafür einsetzen, Menschen mit Essstörungen und Essproblemen zu unterstützen. Unser Ziel ist es, nicht nur Betroffenen selbst zu helfen, sondern auch ihre Angehörigen und Fachkräfte, die in ihrem Umfeld mit dem Thema Essstörungen konfrontiert sind.

Angebote der AES

  • Persönliches Gespräch: wir führen Gespräche per Telefon, Video-Telefonie oder vor Ort durch. Unser Angebot ist kostenlos und offen für alle - egal, ob du selbst betroffen bist oder jemanden unterstützt, der betroffen ist.
  • Gesprächsgruppe: Austausch-Abende für BetroffeneVor Ort ‘Feldeggstr. 69’, 8008 Zürichvon 18.30 - 20.30 Uhr Interessierte melden sich bitte bis Dienstagmittag (12 Uhr) vor dem Treffen an. Danach wird entschieden, ob der Abend stattfindet. Mindestteilnehmerzahl: 5 Personen.
  • Online-Gesprächsgruppe: Austausch für Angehörige, Eltern und Bezugspersonenvon 18.30 - 20.30 Uhr

Weitere Ressourcen

  • Auf der Webseite des Inselspitals (Universitätsspital Bern) finden Sie weitere Ressourcen bezüglich der Thematik von Essverhaltensstörungen
  • Die Stiftung «Berner Gesundheit» hat u.a. folgende Kernaufgaben: Gesundheitsförderung, Prävention und Suchtberatung.

Was können Sie tun?

Essen dient der Gesundheit, gibt Lebensenergie und Antrieb. Ein gesundes Essverhalten wird vor allem durch den Hunger und das Sättigungsgefühl bestimmt. Essstörungen wie Magersucht, Ess-/Brechsucht oder Essanfälle und Übergewicht sind für die Betroffenen und ihre Angehörigen meist mit grossem Leid verbunden.

Als Betroffene(r)

Haben Sie ein schwieriges Verhältnis zur Nahrungsaufnahme und zu Ihrem Körper? Hier finden Sie grundlegende Informationen zum Thema Schwierigkeiten mit Essen. Sie erhalten bei Bedarf auch Unterstützung in einer persönlichen Beratung.

Als Angehörige(r)

Viele Eltern und Bezugspersonen sind unsicher, ob sie Kinder oder Jugendliche auf ihr gestörtes Essverhalten ansprechen sollen. Die Konfrontation kann ein entscheidender Anstoss sein, sich Hilfe zu holen. Möglicherweise fühlen sich Betroffene aber erst recht unverstanden und unter Druck gesetzt. Angehörige können stattdessen fragen, womit sie helfen können und dabei unterstützen, Hilfe zu holen. Eltern dürfen sich auch eingestehen, wenn eine Situation sie überfordert.

Als betroffene Frau, als betroffener Mann, als Eltern, als Partner, als Bezugsperson oder Arbeitgeber, nicht wegschauen! Melden Sie sich bei uns!

Prävention, Information und Beratung

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