ADHS ist eine der häufigsten psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Symptome sind Unaufmerksamkeit, ausgeprägte motorische Aktivität und erhöhte Impulsivität. Sie können bei den Betroffenen sehr unterschiedlich sein, häufig führen sie jedoch zu deutlichen sozialen, schulischen bzw.
Wann und durch wen wird eine Abklärung durchgeführt?
Obwohl ADHS häufig vorkommt, ist die Diagnosestellung anspruchsvoll. Eine Abklärung sollte durchgeführt werden, wenn ADHS-typische Verhaltensauffälligkeiten - Hyperaktivität, Impulsivität, und/oder Unaufmerksamkeit - im Alltag mit funktionalen Einschränkungen einhergehen. Normalerweise sollte die ADHS-Diagnose durch eine speziell dafür ausgebildete Fachperson erfolgen. Das sind in erster Linie Kinder- und Jugendpsychiater*innen und -Psycholog*innen, sowie Kinderärzt*innen.
Wer definiert, was „ADHS“ ist?
Psychische Störungsbilder werden von internationalen Fachorganisationen wie der „World Health Organisation“ (WHO) definiert. In der Schweiz wird die Internationale Klassifikation der Störungen (engl. International Classification of Disease (ICD)) verwendet. Durch anerkannte Kriterien wird sichergestellt, dass tatsächlich alle dasselbe meinen, wenn sie von ADHS sprechen. Alle 10 bis 20 Jahre werden die Störungsdefinitionen aktualisiert. Zur Zeit befinden wir uns im Übergang der Gültigkeit der Version ICD-10 zu ICD-11. Nach ICD-11 verändert sich die Definition der ADHS etwas; z. B. ist ADHS ohne Hyperaktivität (früher „ADS“) jetzt eine Unterform von ADHS („ADHS, vorwiegend unaufmerksam“). In unserer Klinik nutzen wir für die Diagnosestellung die internationale Klassifikation der Störungen ICD-11 der WHO, nach der die Kriterien und Symptome definiert werden. Nach den neuesten Kriterien können die Symptome gleich stark ausgeprägt sein, oder es können einzelne überwiegen. In der Regel bestehen die Symptome seit der Kindheit und treten in verschiedenen Situationen auf.
Wer legt fest, wie man ADHS diagnostiziert?
Die meisten Fachpersonen orientieren sich an „Leitlinien“, die von medizinischen Fachgesellschaften erstellt werden (z.B. AWMS Leitlinie S3 zur Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter). Darin werden Empfehlungen gegeben für das Vorgehen bei Diagnostik und Therapie.
Aufbau der diagnostischen Untersuchung
Die Diagnosestellung für ADHS ist aufwändig und anspruchsvoll.
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Befragung von Familie, Kind, Jugendlichem und anderen Bezugspersonen
Wichtigster Teil der Untersuchung ist das gemeinsame Gespräch mit den Eltern und dem Kind. Je nach Alter des Kindes kann manchmal ein Teil des Gesprächs nur mit den Eltern oder nur mit dem Jugendlichen erfolgen. Gefragt wird nach den aktuellen Verhaltensproblemen und den typischen Situationen, in denen das Problemverhalten auftritt, sowie nach dem Leidensdruck aller Beteiligten. Es werden lebensgeschichtliche Ereignisse und Entwicklungsschritte in Familie, Kindergarten oder Schule des Kindes erfragt. Ziel ist es, ein umfassendes Bild des Kindes in seiner Lebensumwelt zu erhalten, einschliesslich Schwächen und Stärken und bisherigen Unterstützungsangeboten.
Ausschluss von anderen Ursachen (Differentialdiagnose)
Es sollte untersucht werden, ob die ADHS-Symptome vielleicht durch eine andere Störung ausgelöst werden, die dann anders behandelt werden müsste als eine ADHS. Wir prüfen, ob die ADHS-Symptome durch andere Störungen ausgelöst werden. Es kann dazu z.B. eine Untersuchung des Kindes erforderlich sein (bspw. Hör- und Sehtests), Laboruntersuchungen, selten neurologische Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren. Zur eigentlichen ADHS-Diagnose kann aber keines dieser Verfahren sinnvoll eingesetzt werden; diese Abklärungen dienen lediglich zum Ausschluss anderer Störungen. Erkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen treten bei Kindern mit ADHS häufiger auf.
Abklären von Begleitstörungen
Fachpersonen klären ausserdem ab, - im Gespräch, mit Fragebogen und/oder Tests -, ob zusätzlich zur ADHS noch andere Probleme vorliegen, was häufig vorkommt (etwa 60% der Fälle). Oft gehen Fachpersonen dazu systematisch eine Liste von psychischen Problemen durch, damit sie Störungen erfassen können, die nicht spontan genannt werden. Es kommen z.B. Angststörungen oder Depressionen bei ADHS häufiger vor als bei Kindern ohne ADHS. Das gilt auch für Lernstörungen, wie z.B. Dyslexie.
Fragebogenverfahren
Viele Fachpersonen setzen ADHS-Fragebogenverfahren ein, die von den Eltern, Lehrpersonen und, je nach Alter, von dem betroffenen Kind selbst ausgefüllt werden. Wir setzen ADHS-Fragebogen ein, die von den Eltern, Lehrpersonen und -je nach Alter - von dem betroffenen Kind selbst ausgefüllt werden. Dabei wird systematisch nach den für ADHS relevanten Problemen gefragt (z.B. „ist zappelig“), wobei auch der Schweregrad der Probleme angegeben wird (z.B. von 1 („trifft gar nicht zu“) bis 4 „(trifft völlig zu“)). Es ist sehr wichtig, vergleichbare Angaben von unterschiedlichen Personen zu erhalten, da sich das Kind je nach Situation (zuhause, in der Schulklasse) anders verhalten kann.
Testpsychologische Untersuchungen
Testpsychologische Untersuchungen werden eingesetzt, um Leistungsprobleme und -Stärken zu erfassen. Mittels Tests erfassen wir Leistungsprobleme oder auch Stärken. Dabei sind die Eltern normalerweise nicht anwesend, damit sich die Kinder nicht durch deren Anwesenheit beeinflussen lassen. Meist wird zunächst ein Test zum allgemeinen Leistungsniveau (Intelligenztest) durchgeführt, der sich aus mehreren Untertests zu unterschiedlichen Fähigkeiten zusammensetzt. Weitere Testverfahren, auch am Computer, z.B. zur Aufmerksamkeit oder Selbstkontrolle, werden nach Bedarf verwendet.
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Fremdbefragung
Um zu überprüfen, wie sich ADHS-Symptome in der Schule (dem Kindergarten) zeigen, gehört eine Befragung der wichtigsten Lehrperson(en) in der Regel zur Diagnostik dazu, natürlich mit Einverständnis der Eltern. Manchmal ist auch ein Unterrichtsbesuch erforderlich, um ein besseres Bild zu erhalten.
Weitere Vorgehensweise
Aufklärung über die Behandlungsoptionen und Notwendigkeiten sowie gemeinsame Entscheidungsfindung. Wenn eine sehr deutliche Beeinträchtigung vorliegt, besteht die Möglichkeit einer medikamentösen Behandlung. Für Eltern mit einem Kind mit ADHS bis 12 Jahre besteht zudem die Möglichkeit der Teilnahme an einem störungsspezifischen Elterntraining.
Eine sorgfältige Abklärung ist die Voraussetzung für die Behandlung, da jeder Fall von ADHS individuell betrachtet und behandelt werden sollte.
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