Wenn wir über Gesundheit sprechen, denken wir oft zuerst an Training und Ernährung. Doch Stress ist ein übergeordneter Aspekt, der alle Systeme in unserem Körper beeinflusst. Viele unterschätzen die Auswirkungen von Stress, obwohl ein stressiges Leben die Lebenserwartung verkürzen kann.
Cortisol: Mehr als nur ein Stresshormon
Cortisol ist als das Stresshormon bekannt, wirkt aber mit anderen Hormonen zusammen. Chronisch erhöhte Cortisolproduktion kann die Hypothalamus-Hypophysen-Achse stören, was sich auf den gesamten Körper auswirken kann, da Hormone Botenstoffe für viele verschiedene Systeme sind. Buchstäblich alle physiologischen Systeme werden von Stress beeinflusst.
Die Auswirkungen von Stress können drastisch sein und sogar zur funktionellen Amenorrhoe führen, also zum Verlust des Menstruationszyklus. Stressmanagement und Schlafoptimierung bilden die Basis für Erfolg, sowohl im Sport als auch für die Heilung von Verletzungen und für dein persönliches und berufliches Funktionieren. Training und Ernährung folgen in einem nächsten Schritt.
Stress und körperliche Leistungsfähigkeit
In der Literatur lesen wir häufig, dass psychischer Stress den Aufbau von Kraft verringert. Eine Studie ergab, dass ein hoher Stresslevel im Vergleich zu einem niedrigen die Qualität der Genesung in zweifacher Hinsicht beeinflusst. Mit anderen Worten: viel psychischer Stress halbiert die Genesungsfähigkeit.
Dies ist nicht verwunderlich, da seit langem bekannt ist, dass Stress die Genesungszeit verschiedener Pathologien, einschliesslich einfacher Wunden, um bis zu 40% senkt. Ein gutes Trainingsprogramm sollte daher den Stresslevel des Einzelnen berücksichtigen. Sportler mit viel Stress benötigen eine geringere Trainingsfrequenz oder ein geringeres Trainingsvolumen, um sich von ihrem Training erholen zu können.
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Volumen, Häufigkeit und Intensität sind wichtige Aspekte bei der Vorbereitung eines Trainingsprogramms, aber die Menge an Stress, der eine Person ausgesetzt ist, muss immer berücksichtigt werden. Cortisol hat eine antagonistische Wirkung auf Testosteron, was zu einem geringeren Verhältnis von Testosteron zu Cortisol führt. Dies wiederum führt wahrscheinlich zu einer verringerten Nährstoffverteilung. Sogar ein einziges stressiges Ereignis am Tag vor einer Mahlzeit mit 930 kcal senkt den TEF (Thermic Effect of Food), die Energie, die zum Abbau, zur Aufnahme und Speicherung der Nährstoffe in unserer Ernährung benötigt wird, um 104 kcal.
Wie erwartet wird auch die Insulinfreisetzung erhöht. Insulin sorgt dafür, dass Glukose zu den Zellen transportiert wird und dass sich die Zellen öffnen, so dass Glukose zur Energiegewinnung zur Verfügung steht. Insulin und Cortisol wirken negativ zusammen, was unerwünschte Fettspeicherung im Körper bewirken kann. Durch Stress kann der Energieverbrauch um mehrere hundert Kalorien pro Tag gesenkt werden, während gleichzeitig die Verbrennung unterdrückt und der Stoffwechsel reduziert wird. Das bedeutet, dass du wahrscheinlich mehr Fett speicherst und weniger Muskulatur aufbaust. Rein durch Stress.
Der "gesunde" Stress
Es gibt auch "gesunden" Stress, eine Erhöhung des Cortisolspiegels, die für unsere Ziele zweckmässig ist. Die Hauptfunktion von Cortisol ist die Steigerung der Energiemobilisierung und die Unterdrückung von Entzündungen. Wenn du trainierst, bewirkt Cortisol, dass sich das Gewebe zersetzt und Energie bildet, sodass du weiter trainieren kannst. Es unterdrückt auch Entzündungen, um deinen Körper während der Anstrengung funktionsfähig zu halten.
Cortisol verhält sich wie jede andere Substanz im Körper: die Toxizität hängt von der Dosierung ab. Cortisol hilft normalerweise beim Abbau von Fett und bei der Unterdrückung deines Hungers. Es ist ein wichtiger Bestandteil des Kampf- oder Fluchtmodus und macht es möglich, länger wachsam zu bleiben, um mit einer bedrohlichen Situation fertig zu werden. Bleibt das Cortisol jedoch zu lange erhöht, führt dies zu den oben genannten Störungen der Hypothalamus-Hypophysen-Achse, der Nährstoffverteilung und der Energieaufnahme.
Akuter Stress unterdrückt deinen Appetit, während chronischer Stress ihn steigert und Lust auf "Komfortnahrungsmittel" macht. Die Ernährung regt die Produktion von Wohlfühlhormonen an, die die Hypothalamus-Hypophysen-Achse hemmen und eine negative Rückkopplungsschleife für die Cortisol-Freisetzung verursachen. Essen im Allgemeinen stimuliert den "Rest-and-Digest-Modus".
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Selbstmedikation durch Ernährung: Eine kurzfristige Lösung
Ist die Selbstmedikation über die Nahrung wirksam? Im besten Szenario der Selbstmedikation durch Ernährung unterdrückst du vorübergehend die Stresssymptome auf Kosten des übermässigen Essens in einem Zustand, in dem die Nährstoffverteilung und insbesondere deine Kohlenhydratverträglichkeit extrem schlecht sind. Das einzig wirksame Mittel, um Stress zu vermeiden, ist die Ursache des Stresses zu beseitigen.
Einige Studien zeigen, dass die Menge an Stress, die wir erleben, ein guter Indikator für die Qualität unseres Schlafs ist. Andererseits können uns schlechter und unzureichender Schlaf anfälliger für Stress machen. So wird dies schnell zu einem Teufelskreis. Wie wir oben beschrieben haben, erhöht viel Stress das Risiko für fast alles, von Erkältungen bis zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Die Macht der Gedanken: Wie unsere Einstellung Stress beeinflusst
Eine wichtige Studie von Dr. Keller zeigte, dass Stress nur dann gesundheitsschädlich ist, wenn man ihn für gefährlich hält. Menschen, die viel Stress hatten, ihn aber nicht als gefährlich betrachteten, hatten kein höheres Sterberisiko. Wenn du deine Sicht auf Stress änderst, ändert dein Körper seine Reaktion auf Stress.
In einer Studie in Harvard wurde den Teilnehmern beigebracht, ihren Stress als Hilfsmittel zu betrachten. Das Herzrasen bereitet dich auf Action vor. Wenn du schneller atmest, kein Problem. Mehr Sauerstoff fliesst in dein Gehirn. Die Teilnehmer, denen beigebracht wurde, die Stressreaktion als unterstützend für ihre Leistung anzusehen, waren weniger gestresst, weniger ängstlich und selbstbewusster. Faszinierend ist jedoch, dass sich ihre Stressreaktion verändert hat. Was wir hier jedoch sahen, war, dass die Blutgefässe bei veränderter Wahrnehmung von Stress entspannt blieben. Die Herzfrequenz stieg immer noch an, jedoch mit einem gesünderen Herz-Kreislauf-Profil.
Oxytocin: Das soziale Hormon im Stress
Neue Forschungen bezüglich Stress haben ergeben, dass deine Gedanken in Bezug auf Stress von grosser Bedeutung sind. Es gibt auch einen unterbewerteten Aspekt von Stress: Stress macht sozial. Um diese Seite des Stresses zu verstehen, müssen wir über das Hormon Oxytocin sprechen. Es ist auch als Kuschelhormon bekannt, weil es freigesetzt wird wenn wir kuscheln. Oxytocin ist ein Neurohormon, es reguliert die sozialen Instinkte des Gehirns. Es bereitet dich darauf vor, Dinge zu tun, die die Beziehungen stärken. Wenn Oxytocin in der Stressreaktion freigesetzt wird, motiviert es dich, Unterstützung zu suchen. Es ermutigt dich, jemandem zu sagen, wie du dich fühlst. Wenn das Leben gerade schwierig ist, wird diese Stressreaktion dafür sorgen, dass du dich mit Menschen umgibst, die du magst.
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Oxytocin beeinflusst nicht nur das Gehirn, sondern auch deinen Körper. Eine der wichtigsten Aufgaben von Oxytocin ist es, dein Herz-Kreislauf-System vor den Auswirkungen von Stress zu schützen. Es ist ein natürlicher Entzündungshemmer. Es hilft deinen Blutgefässen, während des Drucks entspannt zu bleiben. Die Herzrezeptoren für dieses Hormon und Oxytocin unterstützen deine Herzzellen bei der Regeneration und Heilung von stressbedingten Schäden. All diese körperlichen Vorteile von Oxytocin werden durch soziale Unterstützung verbessert.
Cortisol-Detox: Ein Mythos?
In den sozialen Medien kursieren fragwürdige Ratschläge zum Thema Cortisol. Falsche Ratgeber suggerieren oft, dass zu viel Cortisol im Körper Müdigkeit, Nackenschmerzen und Gewichtszunahmen fördert. Es wird sogar eine "Cortisol-Detox" empfohlen, um angeblich Müdigkeit, Bauchfett und Pausbacken verschwinden zu lassen. Doch hinter dem Social-Media-Trend steckt wohl ein Missverständnis.
Experten warnen vor solchen Trends, da Cortisol ein lebensnotwendiges Hormon ist. Der Körper reguliert den Cortisolspiegel von allein, und Alltagsstress allein führt nicht zu einem "Cortisol-Gesicht" oder -Bauch. Speichel-Selbsttests für Cortisol sind oft ungenau und irreführend.
Das Cushing-Syndrom: Ein seltener Fall von Cortisol-Überschuss
Das Cushing-Syndrom tritt auf, wenn übergrosse Mengen an Cortisol im Körper zirkulieren, meist aufgrund einer Kortisontherapie oder seltener aufgrund von Tumoren. Patientinnen und Patienten entwickeln dann eine Stammfettsucht mit reichlich Fettablagerungen am Rumpf, aber auch im Gesicht (Mondgesicht) und am Nacken (Stiernacken). Doch ein Cushing-Syndrom betrifft nur wenige Menschen.
Cortisolmangel: Die Addison-Krankheit
Auch zu geringe Mengen an Cortisol sind gefährlich. Die Addison-Krankheit, oft durch eine Autoimmunentzündung der Nebennierenrinde ausgelöst, führt zu einem riskanten Cortisolmangel. Ohne Therapie ist der Morbus Addison lebensbedrohlich. Abfallender Blutdruck, Schwäche und Übelkeit, Salzhunger und Angstzustände können auf die Krankheit hindeuten.
Umgang mit Stress: Psychotherapie und Lebensstiländerungen
Bei stressbedingten Erkrankungen spielen Medikamente höchstens in akuten Krisen und in Einzelfällen eine Rolle. Im Mittelpunkt der Behandlung steht stattdessen eine ursachenorientierte Psychotherapie. Dieses «Umlernen» wird dann mit konkreten Übungen im Alltag umgesetzt und mit Entspannungstechniken und einem individuell dosierten Sporttraining ergänzt.
Cortison: Nutzen und Risiken
Cortison, die inaktive Vorstufe von Cortisol, wird als Medikament eingesetzt, um Entzündungen zu behandeln. Es beeinflusst eine Vielzahl von Prozessen im Körper und dient sowohl der Bereitstellung von Energie als auch der Kontrolle des Blutdrucks und der Elektrolyte.
Cortison hat jedoch auch Nachteile, wie erhöhte Blutzuckerwerte, Bluthochdruck, Muskelschwäche, Osteoporose und ein erhöhtes Infektionsrisiko. Daher sollte der Einsatz von Cortison so kurz wie möglich und in so niedrigen Dosierungen wie nötig sein.
Wann ist der Einsatz von Cortison sinnvoll?
Cortison kann als initiale Therapie gleichzeitig mit einem Basistherapeutikum gegeben werden, um eine rasche Kontrolle der Entzündungsaktivität zu erreichen. Auch Schübe einer sonst stabilen Erkrankung können vorübergehend mit Cortison wieder kontrolliert werden.
Die Bedeutung der Stressbalance
Stress ist eine körperliche und psychische Reaktion auf eine erhöhte Beanspruchung. Zeitlich befristeter, positiver Stress kann günstige Auswirkungen auf den Körper haben. Langfristiger Stress wirkt sich aber negativ auf Psyche und Gesundheit aus.
Die Stresshormone erhöhen die Herzfrequenz sowie den Blutdruck und bereiten den Körper auf eine Reaktion vor. Alle Systeme, die nicht zwingend benötigt werden, schalten auf Sparflamme. Der wichtigste Gegenspieler des Cortisols ist das Hormon DHEA. Langanhaltender Stress erhöht den Cortisolspiegel, zuerst am Tag und zunehmend auch in der Nacht. Das beruhigende DHEA kann bei zu viel Stress die negative Wirkung des Cortisols nicht mehr ausgleichen.
Hier ist eine Tabelle, die die wichtigsten Stresshormone und ihre Auswirkungen zusammenfasst:| Hormon | Wirkung | 
|---|---|
| Cortisol | Steigerung der Energiemobilisierung, Unterdrückung von Entzündungen, Erhöhung des Blutzuckerspiegels | 
| Adrenalin | Erhöhung der Herzfrequenz und des Blutdrucks, Vorbereitung des Körpers auf Kampf oder Flucht | 
| Oxytocin | Schutz des Herz-Kreislauf-Systems vor Stressauswirkungen, Förderung sozialer Bindungen | 
| DHEA | Gegenspieler des Cortisols, wirkt beruhigend und ausgleichend | 
Es ist wichtig, die Mechanismen von Stress zu verstehen und Strategien zu entwickeln, um Stress abzubauen und die Stressbalance wiederherzustellen. Dazu gehören eine gesunde Lebensweise mit ausreichend Schlaf, Bewegung und einer ausgewogenen Ernährung, sowie Entspannungstechniken und soziale Unterstützung.
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