Antisoziales Verhalten: Beispiele, Ursachen und Behandlung

Antisoziales Verhalten ist ein vielschichtiges Phänomen, das sich in unterschiedlichen Formen äussern kann. Es reicht von gelegentlichem Fehlverhalten bis hin zu schweren Straftaten und Gesetzesübertretungen. Die dissoziale Persönlichkeitsstörung (auch antisoziale Persönlichkeitsstörung genannt) ist eine schwere Form der Persönlichkeitsstörung, die mit impulsivem, verantwortungslosem, aggressivem, gewalttätigem und häufig kriminellem Verhalten verbunden ist.

Merkmale antisozialen Verhaltens

Menschen mit antisozialem Verhalten zeigen oft folgende Merkmale:

  • Geringes Einfühlungsvermögen und Missachtung der Gefühle anderer
  • Verantwortungslosigkeit und Missachtung sozialer Normen und Verpflichtungen
  • Schwierigkeiten, dauerhafte Beziehungen aufrechtzuerhalten
  • Geringe Frustrationstoleranz und Neigung zu aggressivem Verhalten
  • Fehlendes Schuldbewusstsein und Unfähigkeit, aus negativen Konsequenzen zu lernen
  • Neigung, andere zu beschuldigen oder unsoziales Verhalten zu rechtfertigen

Es ist wichtig zu beachten, dass antisoziales Verhalten nicht als entweder vorhanden oder nicht vorhanden betrachtet werden sollte. Die Ausprägung kann variieren, und nicht jede Person mit antisozialen Zügen entwickelt eine vollständige dissoziale Persönlichkeitsstörung.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursache der antisozialen Persönlichkeitsstörung ist nicht genau bekannt. Es wird angenommen, dass ein Zusammenspiel von biologischen Faktoren und Umwelteinflüssen eine Rolle spielt. Zu den Risikofaktoren gehören:

  • Genetische Faktoren: Bei eineiigen Zwillingspaaren tritt eine dissoziale Persönlichkeitsstörung häufiger bei beiden Geschwistern auf. Dies deutet darauf hin, dass eine genetische Veranlagung vorhanden sein kann.
  • Neurobiologische Faktoren: Botenstoffe im Gehirn, wie Serotonin, können das Verhalten beeinflussen. Ein niedriger Serotoninspiegel wird oft mit erhöhter Aggressivität in Verbindung gebracht. Studien haben auch gezeigt, dass das Gehirn von Menschen mit dissozialer Persönlichkeitsstörung anders auf Bilder von Gewalt reagiert.
  • Traumatische Kindheitserlebnisse: Missbrauch, Vernachlässigung und andere traumatische Erfahrungen in der Kindheit können das Risiko für antisoziales Verhalten erhöhen.
  • Familiäre Faktoren: Kinder, die wenig Zuwendung erfahren, deren Eltern selbst antisoziales Verhalten zeigen oder die in einem Umfeld aufwachsen, in dem positives Verhalten kaum beachtet, aber Zuwiderhandlungen übermässig bestraft werden, entwickeln häufiger eine dissoziale Persönlichkeitsstörung.
  • Mangelnde Vermittlung moralischer Werte: Wenn Kindern keine klaren Vorstellungen von richtig und falsch vermittelt werden und sie keine sozialen Normen verinnerlichen, kann dies zu antisozialem Verhalten führen.

Beispiele für antisoziales Verhalten

Antisoziales Verhalten kann sich in verschiedenen Formen äussern. Hier sind einige Beispiele:

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  • Kriminelles Verhalten: Diebstahl, Einbruch, Körperverletzung, Drogenhandel, Betrug
  • Aggressives Verhalten: Schlagen, Treten, Beschimpfen, Bedrohen, Mobbing
  • Verantwortungsloses Verhalten: Schulden machen, Arbeitsplatz verlieren, Familie vernachlässigen, rücksichtsloses Fahren
  • Manipulatives Verhalten: Lügen, Betrügen, Ausnutzen anderer, um eigene Ziele zu erreichen
  • Fehlende Empathie: Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid anderer, Unfähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen

Diagnose

Die Diagnose einer dissozialen Persönlichkeitsstörung wird in der Regel erst ab einem Alter von 16 Jahren gestellt, da sich die Persönlichkeit von Kindern und Jugendlichen noch entwickelt. Um die Diagnose zu stellen, werden verschiedene Kriterien berücksichtigt, darunter:

  • Das Vorliegen einer allgemeinen Persönlichkeitsstörung
  • Das Vorliegen von mindestens drei der oben genannten Eigenschaften und Verhaltensweisen
  • Der Ausschluss anderer psychischer Störungen oder Hirnschädigungen als Ursache des Verhaltens

Zur Diagnose verwenden Therapeuten und Psychiater Fragebögen und strukturierte Interviews. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Betroffenen oft wissen, was der Therapeut von ihnen hören möchte, und entsprechend antworten können. Daher werden oft auch Angehörige um Auskunft gebeten.

Behandlung

Die Behandlung einer dissozialen Persönlichkeitsstörung ist oft schwierig, da die Betroffenen oft keinen Leidensdruck verspüren und ihr Verhalten nicht als problematisch ansehen. Es gibt keine Medikamente, die speziell für die Behandlung der dissozialen Persönlichkeitsstörung zugelassen sind. Jedoch können Antidepressiva und Stimmungsstabilisierer in manchen Fällen zur Verbesserung der Symptome beitragen.

Eine kognitive Verhaltenstherapie kann helfen, das Verhalten besser zu kontrollieren und Strategien zu entwickeln, um impulsive und aggressive Reaktionen zu bewältigen. Das R&R-Programm (Reasoning Rehabilitation Program) zielt darauf ab, die Selbstkontrolle, soziale Fertigkeiten und Problemlösefähigkeiten zu verbessern, Werte zu entwickeln und Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.

Die Langzeittherapie spielt eine sehr wichtige Rolle im Behandlungsprozess. Die Abbruchrate ist jedoch hoch.

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Lebensbewältigung und antisoziales Verhalten

Das Konzept der Lebensbewältigung geht davon aus, dass das ‚gestörte Verhalten’ der Klienten oder Klientinnen immer etwas mit ihrer gestörten Handlungsfähigkeit zu tun hat. Das daraus resultierende Leben im Ungleichgewicht, so die Grundhypothese, ist nicht aushaltbar, sodass um jeden Preis ein Streben nach Handlungsfähigkeit einsetzt - auch wenn der Preis ausserhalb der Normalität liegt. Bewältigungsverhalten wird daher nicht nur in sozial konformem, sondern auch in abweichendem, antisozialem und selbstdestruktivem Verhalten gesehen.

Böhnisch sieht in diesem Verhalten eine Botschaft von Hilflosigkeit und Unvermögen, sich mit seinem gestörten Selbst auseinandersetzen zu können, und erklärt es mit dem Modell der Abspaltung: Unbewusst muss diese Hilflosigkeit im Aussen oder Innen abgespalten werden.

Soziale Arbeit fragt daher nicht, warum jemand so oder anders handelt, sondern welche Botschaft er oder sie mit dem Verhalten aussendet. Methodisch versucht sie, funktionale Äquivalente, also Möglichkeiten anzubieten, dass die Klientinnen und Klienten mit der Zeit spüren können, dass sie diese Verhaltensweisen nicht mehr brauchen.

Modelllernen und antisoziales Verhalten

Die sozial-kognitive Lerntheorie von Albert Bandura besagt, dass Verhalten durch die Beobachtung anderer Individuen erworben oder modifiziert werden kann. Dies gilt sowohl für prosoziales als auch für antisoziales Verhalten. Wir lernen viel durch die Beobachtung von Modellen. Wenn das Verhalten des Modells gut sichtbar und salient ist, ist es wahrscheinlicher, dass es unser Verhalten beeinflusst.

Gewalt in der Erziehung und antisoziales Verhalten

Gewalterfahrungen in der Kindheit können langfristig zu negativem, unerwünschtem Verhalten führen. Dazu zählen aggressives, kriminelles und antisoziales Verhalten im Kindesalter und als Jugendlicher, aber auch als erwachsene Person. Zudem besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, im Erwachsenenalter selbst zur Tatperson zu werden.

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Oft treten unterschiedliche Gewaltformen wie körperliche Gewalt, Vernachlässigung, psychische Misshandlung und sexuelle Gewalt nicht alleine auf, sondern gleichzeitig oder zeitlich gestaffelt. So sind beispielsweise Fälle von Vernachlässigung oder sexueller Misshandlung regelmässig auch mit psychischer Gewalt gekoppelt.

Prognose

Insgesamt verläuft das Leben von Menschen mit dissozialer Persönlichkeitsstörung oft ungut: Viele von ihnen landen wiederholt im Gefängnis. Erst im mittleren Lebensalter nimmt der Hang zu antisozialem Verhalten und zur Kriminalität ab. Ausserdem werden Menschen mit dissozialer Persönlichkeitsstörung öfter Opfer von Gewalttaten. Und sie begehen häufiger Suizid.

Zusammenfassung

Antisoziales Verhalten ist ein komplexes Problem, das durch eine Kombination von genetischen, neurobiologischen, psychologischen und sozialen Faktoren verursacht werden kann. Die Behandlung ist oft schwierig, aber mit der richtigen Therapie und Unterstützung können Menschen mit antisozialem Verhalten lernen, ihr Verhalten zu kontrollieren und ein produktiveres und erfüllteres Leben zu führen.

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