Alleinerziehend zu sein bedeutet oft eine plötzliche Veränderung in vielen Lebensbereichen: berufliche Möglichkeiten, Betreuung und finanzielle Verantwortung müssen neu organisiert werden.
Viele Einelternfamilien kämpfen mit dem Gefühl, ständig nicht zu genügen: zu wenig Zeit für die Kinder, zu wenig Energie für den Alltag, zu wenig Fokus im Beruf.
Und immer begleitet sie dieses leise, nagende schlechte Gewissen: gegenüber dem Kind, dem Arbeitgeber, den eigenen Ansprüchen.
Dabei ist es wichtig, sich immer wieder bewusst zu machen: Ein guter Elternteil ist nicht der, der sich selbst aufopfert, damit es den Kindern gut geht.
Ein guter Elternteil ist die Person, die gut auf sich achtet, eigene Bedürfnisse erkennt und Ansprüche herunterschraubt.
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23 Prozent der Alleinerziehenden haben gemäss der Familienstatistik des Bundesamts für Statistik (BFS) Mühe, über die Runden zu kommen.
20 Prozent erhalten Sozialhilfe und nur 75 Prozent der Einelternhaushalte bezeichnen sich als gesund.
Hinter dem finanziellen Problem steckt auch eine emotionale Dauerbelastung. Wer ständig rechnen muss, hat wenig Raum für Leichtigkeit, Spontanität oder Pausen.
Unterstützungsangebote für Alleinerziehende
Hilfe annehmen ist keine Schwäche, sondern Stärke. Es gibt verschiedene Anlaufstellen, an die sich Alleinerziehende wenden können:
- Der schweizerische Verband alleinerziehender Mütter und Väter (SVAMV) bietet Informationen für Einelternfamilien sowie Beratung.
 - Die Elternberatung von Pro Juventute beantwortet kostenlos und rund um die Uhr Fragen zu Entwicklung, Erziehung, Betreuung sowie Familienorganisation und hilft bei akuten Problemen.
 - Die Alimentenhilfe und der kantonale Rechtsdienste können bei Streitigkeiten zwischen den Elternteilen unterstützen.
 - Die Sozialberatung der Caritas bietet Unterstützung in schwierigen Situationen.
 
Neben offiziellen Anlaufstellen ist es auch sinnvoll, im Umfeld nach Unterstützung zu fragen, beispielsweise bei Verwandten oder Nachbarn. Das braucht viel Mut.
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Und oftmals müssen Kontakte nach einer Trennung neu aufgebaut oder wiederbelebt werden. Vielleicht fehlt direkt nach der Trennung auch die Kraft, sich ein neues Umfeld aufzubauen. Das ist okay.
Langfristig lohnt es sich aber, sich im Umfeld ein unterstützendes Netz aufzubauen.
Stress und Survival-Mode
Alleinerziehende stehen oft unter enormem Druck: Verantwortung, Zeitmangel und fehlende Unterstützung führen dazu, dass Körper und Psyche in den sogenannten Survival-Mode schalten.
In diesem Zustand ist der Organismus dauerhaft auf Alarmbereitschaft - Stresshormone wie Cortisol werden verstärkt ausgeschüttet.
Studien zeigen: Frauen erleben häufig eine stärkere und länger anhaltende Stressreaktion, während Männer sich meist schneller von Belastungen erholen, aber auch schneller in einen Kampf- oder Fluchtmodus fallen.
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Für beide gilt jedoch: Anhaltender Survival-Mode zehrt an den Kräften und kann die Gesundheit gefährden.
Finanzielle Entlastung und Perspektivenwechsel
Statt zu überlegen, was man alles streichen kann, damit das Geld bis zum Endes des Monats reicht, lohnt es sich zu fragen: Wie kann ich mit dem, was da ist, möglichst viel herausholen?
Secondhand etwa ist nachhaltig und preiswert. Flohmärkte, Tauschbörsen und Organisationen wie die Caritas oder Heilsarmee bieten gute Qualität.
Wer das Kind zudem beim Kauf einbindet, vermittelt, wie Geben und Nehmen im Alltag funktioniert.
Erkundigen Sie sich auch, ob Sie Anrecht auf die KulturLegi haben. Die KulturLegi macht Kultur-, Bildungs- und Sportangebote für Menschen an der Armutsgrenze erschwinglich.
Viele Museen bieten auch zu ausgewählten Daten kostenlosen Einlass. Solche Perspektivwechsel machen einen Unterschied - vor allem emotional. Aus «es reicht nie» wird «wir finden, was wir brauchen».
Um bei Lebensmittel zu sparen, lohnen sich Apps wie «Too Good To Go», Aktionen im Supermarkt oder der Kauf von Lebensmittel nahe am Verbrauchsdatum zu reduzierten Preisen.
Zwar erfordert dies etwas Spontanität und Flexibilität beim Kochen, doch bringt es auch Abwechslung in den Speiseplan. Praktisch ist es auch, Wohlfühlgerichte zu haben, deren Grundzutaten stets zuhause vorhanden sind.
Herausforderungen im Alltag
Wenn das Kind plötzlich fiebert, die Vorgesetzten ungeduldig werden, die Überstunden sich mit der Kita-Schliesszeit duellieren und zuhause der Berg an Rechnungen wächst, genau dann fehlt der zweite Elternteil.
Alles bleibt an einer Person hängen, die finanzielle Last, die organisatorischen Herausforderungen und der ganze Mental Load sowieso.
Dabei ist niemand eine schlechte Mutter oder ein schlechter Vater, wenn trotz Kindern vollzeit gearbeitet wird und viel familienergänzende Betreuung notwendig ist.
Wichtig ist, die eigenen Rechte am Arbeitsplatz zu kennen. So müssen Arbeitgeber berufstätigen Eltern bis zu drei Tage freigeben, wenn das eigene Kind krank ist.
Zudem haben Eltern Anspruch auf Familienzulagen. Schwierig ist oftmals auch die Ferienzeit. Während Kinder 13 Wochen Schulferien haben, bekommt man selbst möglicherweise gerade mal vier Wochen Urlaub.
Selbstfürsorge und Vernetzung
Sie tragen gerade sehr viel. Und genau deshalb dürfen Sie sich auch fallen lassen - in kleine Pausen, in ehrliche Gespräche, in Momente der Ruhe.
Oftmals ermöglichen Gespräche mit Gleichgesinnten einen neuen Blick auf die eigene Situation. Es gibt verschiedene lokal organisierte Gruppen von Alleinerziehend, zu finden über den SVAMV oder eine Internetsuche.
Auch Elternvereine, Krabbelgruppen, Eltern-Kind-Turnen oder Ferienangebote für Einelternfamilien sind gute Gelegenheiten, um sich mit anderen Eltern zu vernetzen.
Alleinerziehend zu sein bedeutet nicht, alles allein zu schaffen.
Haushalt pragmatisch angehen: Die Wohnung muss nicht immer blitzeblank geputzt und aufgeräumt sein, Hauptsache Sie fühlen sich wohl in den eigenen vier Wänden.
Grössere Mengen kochen: Vorkochen spart Zeit, Nerven und Geld.
Kindsein braucht keine grossen und teuren Ausflüge. Wertvoll ist besonders die gemeinsam verbrachte Zeit, ob im Wald, bei einer Wanderung oder einem Spielenachmittag zuhause.
Vielleicht ist es möglich, das Kind mehr in der Kita oder der Tagesbetreuung anzumelden, als gearbeitet wird.
Weitere Unterstützungsangebote
Eltern wenden sich mit Sorgen oder Unsicherheiten bezüglich der Entwicklung und Erziehung ihres Kindes an uns.
Wir sind eine psychologische Beratungsstelle für Eltern von Kindern von zwei bis 14 Jahren.
Es gibt auch Kinderbetreuungsangebote, wo du deine Kinder spontan und stundenweise betreuen lassen kannst.
Sogar andere Eltern helfen mit: Durch Kleidungs- und Spielzeugbörsen kannst du viel Geld sparen.
Hab - auch zum Wohle deiner Kinder - keine Angst vor psychologischer Hilfe.
Auswirkungen psychischer Erkrankungen der Eltern auf Kinder
Kinder und Jugendliche mit einem psychisch erkrankten Elternteil sind mehr Belastungen ausgesetzt und haben ein deutlich erhöhtes Risiko, selbst psychische Störungen zu entwickeln.
Weltweit sind ca. 15 bis 23% aller Kinder betroffen, auf die Schweiz übertragen entspricht dies ungefähr 300‘000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.
Psychische Störungen beeinträchtigen die Wahrnehmung, das Denken und die Emotionen. Sie wirken sich auf das Erleben und Verhalten der Betroffenen aus.
Gemäss verschiedenen Studien ist die Wahrscheinlichkeit für Kinder, eine psychische Störung zu entwickeln, um den Faktor 3 bis 7 erhöht, wenn sie in einer Familie aufwachsen, in der ein Elternteil psychisch erkrankt ist.
Kinder, die aufgrund einer schweren psychischen Belastung oder Störung beraten oder behandelt werden, stammen häufig aus Familien, in denen auch die Eltern von psychischen Belastungen oder Erkrankungen betroffen sind.
Das Erkrankungsrisiko eines Kindes mit einem schizophrenen Elternteil erhöht sich vom Durchschnitt der Gesamtbevölkerung (1 Prozent) auf ca. 13 Prozent.
Bei einer schizophrenen Erkrankung beider Eltern erhöht sich das lebenslange Risiko für ihre Kinder, selbst eine solche Störung zu entwickeln, sogar auf etwa 40%.
Das Risiko für eine Depression ist bei elterlicher depressiver Erkrankung etwa um das zwei- bis sechsfache erhöht.
Etwa 60% der Kinder von Eltern mit einer Depression entwickeln im Verlauf der Kindheit und Jugend eine psychische Störung.
Young Carers
Eine repräsentative Erhebung für die Schweiz aus dem Jahr 2017 zeigte, dass 7,9% der befragten 3991 Kinder und Jugendlichen zwischen 10 und 15 Jahren regelmässig und massgeblich Verantwortung für die Betreuung und Pflege einer nahestehenden Person übernehmen.
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