ADHS und Soziale Arbeit: Herausforderungen und Unterstützung für Betroffene

Viele Frauen erhalten ihre AD(H)S-Diagnose erst im Erwachsenenalter, oft nach Jahren des Unverständnisses, der Vorurteile und der Selbstzweifel. Ihr Interesse entstand aus der Erkenntnis, dass viele Betroffene jahrelang mit Unsicherheiten, Fehldiagnosen und gesellschaftlichen Vorurteilen kämpfen. Die Studentinnen Ramona Rüegg und Maryrose Maeder haben sich in ihrer Bachelorarbeit «Auswirkungen einer späten AD(H)S-Diagnose auf das Leben von Frauen» mit den Herausforderungen und den Gründen für die späte Erkennung der Störung befasst. Warum wird AD(H)S bei ihnen so spät erkannt? Und welche Folgen hat das für ihr Leben?

Unterschiedliche Erscheinungsformen von ADHS bei Frauen

ADHS äussert sich bei Frauen anders als bei Männern. Doch dieses Wissen fehlt vielen Fachpersonen, wodurch Betroffene lange unerkannt bleiben. Frauen werden häufiger als ruhig, organisiert, verträumt und einfühlsam wahrgenommen. Diese gesellschaftlichen Zuschreibungen beeinflussen den Blick auf ihre Verhaltensweisen. Während impulsive oder hyperaktive Jungen in der Schule schnell auffallen, werden ähnliche Probleme bei Mädchen oft als «Unkonzentriertheit» oder «Sensibilität» abgetan.Ein weiteres Problem ist die Art und Weise, wie sich AD(H)S bei vielen Frauen äussert. Während Jungen oft durch hyperaktives Verhalten und Impulsivität auffallen, kämpfen Frauen eher mit innerer Unruhe, Perfektionismus und übermässiger Anpassung. Statt offensichtlicher Verhaltensauffälligkeiten entwickeln sie Strategien, um ihre Schwierigkeiten zu überdecken. Dies erfolgt meist durch übermässige Selbstkontrolle, sozial angepasste Bewältigungsmechanismen oder ständige Selbstkritik.Frauen mit AD(H)S passen oft nicht in das Bild der «geordneten, verlässlichen und gut organisierten» Frau. Ihre Schwierigkeiten mit Struktur, Aufmerksamkeit oder Impulsivität werden nicht als neurologisch bedingt erkannt, sondern als Charakterschwächen fehlinterpretiert. Sie gelten als chaotisch, unzuverlässig oder emotional instabil.

Die Problematik der Diagnosekriterien

Ein zentrales Problem ist, dass viele Diagnosekriterien auf männliche Symptome ausgerichtet sind. Standardisierte Tests und Fragebögen basieren hauptsächlich auf Forschung mit Männern und Jungen, die eher unter äusserlich sichtbarer Hyperaktivität leiden. Frauen mit AD(H)S entsprechen häufig nicht diesem Bild und erhalten stattdessen oft falsche Diagnosen wie Depressionen, Angststörungen oder Persönlichkeitsstörungen. Gender Health Gap bezeichnet die ungleiche medizinische Versorgung von Frauen und Männern.Viele Frauen entwickeln unbewusst Strategien, um mit unerkanntem AD(H)S umzugehen. Dabei neigen sie jedoch oft zu schädlichen Bewältigungsmustern wie Selbstzweifeln und übermäßigem Perfektionismus.

Auswirkungen von ADHS auf das Leben von Frauen

AD(H)S beeinflusst oft grundlegende Fähigkeiten wie Organisation, Zeitmanagement und soziale Interaktion. Frauen mit unerkannter AD(H)S kämpfen damit, Termine einzuhalten, konzentriert zu arbeiten oder zwischenmenschliche Beziehungen stabil zu halten, oft ohne zu verstehen, warum sie immer wieder an denselben Herausforderungen scheitern.Eine späte AD(H)S-Diagnose bedeutet oft, dass Betroffene bereits einen langen Leidensweg hinter sich haben. Umso wichtiger ist es, dass sie nach der Diagnose die richtige Unterstützung erhalten.

Die Rolle der Sozialen Arbeit

Die Soziale Arbeit kann hier eine wichtige Rolle spielen - sei es in der Beratung, in Schulen oder in psychosozialen Hilfsangeboten. Die Besonderheit des Sozialarbeiters ist, dass er im Gegensatz zu behandelnden Ärzten und Therapeuten einen anderen Blickwinkel hat, da er ein Repertoire an Bezugswissenschaften (zum Beispiel Pädagogik, Medizin, Psychologie, Soziologie und Sozialarbeit) besitzt, die ihm unterschiedlichste Methoden liefern.Arbeitsfelder diesbezüglich sind beispielsweise Beratungskontexte in sozialpsychiatrischen Diensten, Psychiatrien, bei der Berufsfindung oder beim Übergang von Schule/ Studium zu Beruf. Außerdem können Sozialarbeiter mit Eltern in Kontakt kommen, die ADHS haben und Hilfen bei der Erziehung suchen. Auch möglich ist, dass ein Klient aufgrund von Schwierigkeiten seinen Alltag zu meistern, sich Hilfe bei den zuständigen Behörden sucht.

Unterstützung in der Schule

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist weltweit eine der häufigsten diagnostizierten psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen und kommt in fast jeder Schulklasse vor. Die Kernsymptomatik besteht aus Unaufmerksamkeit, motorischer Unruhe und Impulsivität. Wichtige schulische Fähigkeiten wie stillsitzen, sich konzentrieren, Regeln und Anweisungen befolgen oder strukturiert zu arbeiten bereiten den Betroffenen grosse Mühe. Zudem geht mit ADHS oftmals eine Lernstörung einher und in den meisten Fällen sind erhebliche Schwierigkeiten im Sozialverhalten zu erwarten. Dabei spielen die mangelnde Impulskontrolle und die daraus resultierende fehlerhafte emotionale Regulation eine zentrale Rolle.Die notwendige, individuelle schulische Begleitung kann kaum von Lehrpersonen alleine bewältigt werden. Für die Soziale Arbeit in der Schule (SAS) wirft diese Problematik die Frage auf, wie sie in ihrer professionellen Rolle eine adäquate Unterstützung für ihre Zielgruppen bieten kann. Die SAS verfügt über Mittel und Methoden, um in den Funktionsbereichen Prävention und Behandlung eine hilfreiche Unterstützung für die verschiedenen Anspruchsgruppen zu bieten.

Job Coaching als Unterstützung beim Berufseinstieg

Der Schritt von der Schule in die Arbeitswelt ist für viele junge Menschen ein einschneidender Moment im Leben. Während einige diesen Übergang mühelos meistern, stehen andere vor besonderen Herausforderungen - insbesondere Jugendliche mit ADHS oder Autismus. Strukturiertes Arbeiten, soziale Interaktionen, Selbstorganisation und flexible Anpassung an neue Umgebungen sind Anforderungen, die für neurodiverse Menschen oft mit erheblichen Hürden verbunden sind. Hier setzt das Konzept des Job Coachings an.Die Arbeit von Kenneth Huber verdeutlicht, dass Job Coachs eine unverzichtbare Brücke zwischen jungen Menschen mit ADHS oder Autismus und dem Arbeitsmarkt bilden. «Job Coachs begleiten Jugendliche ganzheitlich und individuell auf dem Weg ins Berufsleben. Dabei geht ihre Unterstützung weit über die klassische Berufsberatung hinaus», sagt Kenneth Huber. «Sie helfen den Jugendlichen, ihre eigenen Stärken und Interessen zu entdecken und zu definieren, um darauf aufbauend die richtige berufliche Richtung einzuschlagen. Zusätzlich unterstützen Job Coachs dabei, Arbeitsplätze gemeinsam mit den Arbeitgeber:innen sinnvoll anzupassen und zu gestalten, sodass die Jugendlichen gut in den Berufsalltag integriert werden können.Neu ist, dass Job Coachs bereits während der Schulzeit in den Prozess einbezogen werden können. Studien belegen, dass Menschen mit ADHS oder Autismus überdurchschnittlich oft von Arbeitslosigkeit betroffen sind oder in Jobs arbeiten, die weit unter ihren Fähigkeiten liegen. Mit der richtigen Unterstützung kann jedoch ein stabiler und langfristiger Einstieg in die Berufswelt gelingen.Ein inklusiver Arbeitsmarkt ist kein Zukunftsprojekt, sondern eine dringende Aufgabe der Gegenwart.

Angebote für Fachpersonen

Es gibt auch Angebote für Fachpersonen, wie den CAS Supported Employment, der einen innovativen Ansatz zur Arbeitsintegration vermittelt. Du wirst von praxiserfahrenen Dozierenden in bewährte Methoden und Fachwissen eingeführt, um diese Personen effektiv in ihrer beruflichen Entwicklung zu begleiten.

Zusammenfassung: ADHS-Formen

Die folgende Tabelle fasst die Unterschiede zwischen ADHS mit Hyperaktivität und ADS ohne Hyperaktivität zusammen:

Form Symptome
ADHS (mit Hyperaktivität) Ausgeprägte Unruhe, Impulsivität, starke Ablenkbarkeit
ADS (ohne Hyperaktivität) Ausgeprägte Unaufmerksamkeit

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