Autismus: Definition, Ursachen und Symptome

Autismus ist ein Sammelbegriff für verschiedene tiefgreifende Entwicklungsstörungen - die genaue Bezeichnung lautet Autismus-Spektrum-Störungen (ASS). Autismus wird vor allem mit Kindern in Verbindung gebracht, dennoch wird die Entwicklungsstörung teils erst im Erwachsenenalter diagnostiziert.

Zunehmend wird davon ausgegangen, dass sich die Untergruppen nicht klar voneinander abgrenzen lassen, sodass von einer Autismus-Spektrum-Störung gesprochen wird. Gemeinsam sind den Störungen des autistischen Spektrums Beeinträchtigungen in den Bereichen soziale Interaktion, Kommunikation und stereotype repetitive Verhaltensweisen.

Was ist Autismus?

Autismus ist eine Entwicklungsstörung, die sich auffällig durch rhetorische und kommunikative Störungen äussert. Menschen mit Autismus nehmen aufgrund komplexer Störungen des zentralen Nervensystems sich und die Welt anders wahr. Sie haben Schwierigkeiten, Bedeutungen und Regeln innerhalb von Kommunikation und Sozial-Verhalten zu erkennen. Die Welt ist für sie unverständlich, überwältigend und Angst auslösend.

Die verschiedenen Formen von Autismus

Darunter fallen drei verschiedene Hauptformen von Autismus:

  • Frühkindlicher Autismus
  • Atypischer Autismus
  • Asperger-Syndrom

Die Einteilung in diese Unterformen von Autismus wird es künftig nicht mehr geben: Die neue (11.) Version der Internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) sieht nur noch den Oberbegriff "Autismus-Spektrum-Störungen" vor. Wann die ICD-11 die derzeitige Version ICD-10 (mit den Unterformen Frühkindlicher Autismus etc.) endgültig ablösen wird, steht noch nicht fest.

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Das Erscheinungsbild bei Autismus ist je nach Form und Schweregrad der Störung individuell sehr unterschiedlich. Manche Betroffene entwickeln nur einen leichten Autismus, der ihr Alltagsleben nur wenig beeinflusst. Andere sind schwer behindert. Unter anderem sind Intelligenz und Sprachfähigkeiten sehr unterschiedlich ausgeprägt: Der grössere Teil der Autisten ist geistig eingeschränkt. Es gibt aber auch normal und sogar hochbegabte Betroffene. Teilweise gehen die verschiedenen Autismusformen auch fliessend ineinander über.

Laut offiziellen Leitlinien wird, unter Berücksichtigung des Grossteils aller weltweiten Studien seit dem Jahr 2000, insgesamt von einer Häufigkeit der ASS von etwa einem Prozent in der Bevölkerung ausgegangen.

Ursachen von Autismus

Die Ursachen der ASS sind noch nicht gänzlich geklärt. Viele Wissenschaftler sprechen von einem möglichen Zusammenhang zwischen Ernährung, Darmbakterien und Medikamenten. Laut einer Studie leiden 70 Prozent aller autistischen Kinder an schwerwiegenden Margen-Darm-Störungen. Dies führte zur These, dass Autismus eine bakterielle Ursache haben könnte. Unter den vielen Hypothesen für die Entstehung von Autismus wird die Besiedlung des Darms mit Clostridien und deren Sporen als Schlüsseleffekt diskutiert.

Genetische Einflüsse und biologische Abläufe vor, während und nach der Geburt können die Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen und die Autismus-Spektrum-Störung auslösen.

Empathie liegt zum Teil in den Genen: Wie gut es uns gelingt, uns in andere hineinzuversetzen und angemessen zu reagieren, hat offenbar nicht nur damit zu tun, wie wir aufgewachsen sind und welche Erfahrungen wir gemacht haben. Wie aus der Analyse von Informationen von über 46.000 Studienteilnehmern hervorging, scheint das Einfühlungsvermögen zu zehn Prozent mit genetischen Faktoren zusammenzuhängen.

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Des Weiteren fanden die Wissenschaftler heraus, dass genetische Varianten, die mit einem geringeren Mass an Empathie in Verbindung standen, auch mit einem höheren Risiko für Autismus assoziiert waren. Sie hoffen, dass ihre Arbeit dabei helfen kann, die Biologie des Autismus besser zu verstehen und dass dadurch eine schnellere und akkuratere Diagnose möglich werden könnte.

Risiko durch Fieber in der Schwangerschaft? Infektionen in der Schwangerschaft können das ungeborene Kind gefährden. Bekommen werdende Mütter Fieberschübe, leiden ihre Kinder später häufiger an Störungen aus dem autistischen Spektrum. Das sagen US-amerikanische Forscher nach Auswertung der Daten von fast 100'000 norwegischen Kindern. Das Autismusrisiko für Kinder von Müttern, die in der Schwangerschaft Fieber gehabt hatten, war um 34 Prozent erhöht gegenüber Kindern, deren Mütter kein Fieber hatten. Traten die Fieberschübe im zweiten Drittel der Schwangerschaft auf, stieg das Risiko auf 40 Prozent.

Symptome von Autismus

Autismus ist eine angeborene und tiefgreifende Störung. Sie betrifft vor allem die Wahrnehmung und die Informationsverarbeitung. Daher zeigen Menschen mit autistischen Symptomen Schwächen in der Kommunikation und im sozialen Umgang mit Mitmenschen. Sie sind oft nicht in der Lage, Mimik und Gestik der Mitmenschen korrekt zu interpretieren. Oftmals versuchen Autisten durch sich wiederholende stereotype Handlungen eine Ordnung herzustellen. Ihre Sprache entwickelt sich zögerlich oder gar nicht. Viele kapseln sich von ihrer Umgebung ab.

Sie zeigen dafür aussergewöhnliche Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen wie Mathematik, Malen oder Musik und weisen oftmals eine hohe Intelligenz auf. Autismus tritt bereits in den ersten drei Lebensjahren auf. Auf 1000 Einwohner kommen statistisch 6 bis 7 Autisten. Mehr Knaben als Mädchen - das Verhältnis liegt bei 4:1.

Die Autismus-Spektrum-Störung ist eine grundlegende Beeinträchtigung der gesamten Entwicklung eines Menschen. Sie kennzeichnet sich durch folgende drei Symptomgruppen, welche in der Regel frühkindlich zu erkennen und lebenslang vor zu finden sind:

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  • Defizite im Umgang mit anderen Menschen
  • Kommunikationsdefizite
  • Repetitive Verhaltensweisen

Autismus wird bei Männern häufiger diagnostiziert als bei Frauen. Bei Frauen zeigen sich autistische Merkmale oft subtiler. Sie entwickeln häufig bessere Kompensationsstrategien und ihre Spezialinteressen werden als sozial akzeptabler wahrgenommen. Emotionale Schwierigkeiten richten Frauen eher nach innen. Dadurch erhalten viele Frauen erst im Erwachsenenalter eine Diagnose und angemessene Unterstützung.

Typische Symptome für eine ASS:

  • Defizite in der sozial-emotionalen Gegenseitigkeit, etwa bei der Kontaktaufnahme, Kommunikation und Reaktion auf soziale Interaktionen
  • Schizoide Persönlichkeitszüge: ASS-Betroffene meiden soziale Kontakte, der Umgang fällt ihnen schwer
  • Bei sozialen Interaktionen Defizite im nonverbalen Kommunikationsverhalten, wie z.B. reduzierter Einsatz von Gestik und Mimik
  • Defizite in der Aufnahme, Aufrechterhaltung und dem Verständnis von Beziehungen
  • Stereotype oder motorische Bewegungsabläufe, stereotyper Gebrauch von Objekten oder von Sprache
  • Starres Festhalten an Gleichbleibendem und an ritualisierten Mustern
  • Hochgradig begrenzte, fixierte Interessen von einem abnormen Mass
  • Hyper- oder Hyporeaktivität auf sensorische Reize oder ungewöhnliches Interesse an Umweltreizen

Diagnose von Autismus

Aufgrund der sich verändernden Symptomatik verläuft die Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung in zwei Stufen. Die erste Untersuchung (Stufe 1) erfolgt bei Verdacht auf eine Autismus-Spektrum-Störung. Dabei werden die altersspezifischen Symptome untersucht und eine erste klinische Evaluation der Person wird vorgenommen. Wenn sich der Verdacht auf eine Autismus-Spektrum-Störung erhärtet, erfolgt die zweite Stufe der Untersuchung. Dabei wird die betroffene Person an eine spezialisierte Stelle überwiesen, um eine vollständige Diagnostik durchzuführen und mögliche andere Ursachen der Symptome ab zu klären.

Für eine Diagnose müssen die drei Symptomgruppen (Defizite in Kommunikation und sozialer Interaktion sowie repetitive Verhaltensweisen) bereits in früher Kindheit vorliegen. Manchmal können sie sich aber erst in späteren Lebensphasen deutlich machen. Auf der Grundlage der Beeinträchtigung der betroffenen Person werden drei Schweregrade bestimmt: Schweregrad 1 (erfordert Unterstützung), Schweregrad 2 (erfordert umfangreiche Unterstützung) und Schweregrad 3 (erfordert sehr umfangreiche Unterstützung).

Um bei Erwachsenen abzuklären, ob eine ASS vorliegt, erfolgt idealerweise eine breite Anamnese, Fremdanamnese sowie eine ausführliche Psychodiagnostik, damit Fehldiagnosen vermieden werden. Für die Diagnosestellung müssen bei Betroffenen bereits frühkindlich abweichende oder besondere Entwicklungen aufgetreten sein, wie etwa ein mangelnder Wunsch, mit Gleichaltrigen zu interagieren, verzögerte Sprachentwicklung, seltsame Satzmelodie, repetitive Verhaltensmuster, Bevorzugung von Routineabläufen, begrenzter Blickkontakt, motorische Unbeholfenheit. Idealerweise gibt es eine Bezugsperson, die über die Entwicklung der ersten drei bis vier Lebensjahre der zu beurteilenden Person berichten kann.

Autismus: Verlauf und Prognose

Wie sich eine autistische Störung im Einzelfall entwickelt, lässt sich nicht vorhersagen. Der Verlauf hängt unter anderem von der Form des Autismus sowie eventuellen Begleiterkrankungen (wie Depressionen) ab.

Beispielsweise bleiben beim Frühkindlichen Autismus die typischen Symptome ein Leben lang bestehen, also etwa die Probleme bei der sozialen Interaktion und beim Aufbau von Beziehungen sowie die Sprachbeeinträchtigungen. In der Kindheit sind die Symptome meist am stärksten ausgeprägt. Bei manchen Betroffenen verbessert sich das Verhalten dann im Jugend- und frühen Erwachsenenalter.

Der Grossteil der Autisten weist eine geistige Behinderung auf, die die Intelligenz einschränkt. Manche leiden zudem unter Schlafstörungen, Ängsten oder teilweise aggressivem Verhalten.

Rund 75 Prozent der Autisten sind ein Leben lang auf Hilfe angewiesen. Die meisten autistischen Jugendlichen wachsen heute in ihren Familien auf. Sie erhalten Fördermassnahmen und werden intensiv betreut.

Es gibt aber auch Menschen mit leichterem Autismus, die gut alleine zurechtkommen. Sie sind in der Lage, sich ein gewisses Mass an sozialer Kompetenz anzutrainieren. Einige Autisten üben zudem anspruchsvolle Berufe aus. Besonders Inselbegabungen (wie eine grosse Rechenbegabung) können oft effektiv im Beruf genutzt werden.

Therapie von Autismus

Alle psychotherapeutischen Verfahren sind zur Behandlung von Personen mit ASS geeignet, mit der Einschränkung, dass man störungsangepasst vorgehen sollte. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten arbeiten mit einer Haltung, die den Prozess unterstützt, und die von Akzeptanz, einem hohen Mass an Authentizität, Offenheit, Neugier, Geduld sowie einer strukturierten Herangehensweise geprägt ist.

Was kann mit einer Psychotherapie bei ASS-Betroffenen erreicht werden?

  • die Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion reduzieren
  • die Kommunikationsfertigkeiten steigern
  • Verhaltensweisen positiv verändern
  • psychische Begleiterkrankungen (komorbide psychische Störungen) wie etwa affektive Störungen, Angst- und Zwangsstörungen, ADHS, Suchterkrankungen psychotherapeutisch sowie medikamentös erfassen und behandeln

Aktuell besteht eine hohe Nachfrage nach Autismus-Abklärungen sowie Autismus-spezifischen Behandlungen. Patientinnen und Patienten mit einer Autismus-Spektrum-Störung können ambulant behandelt werden.

Statistiken und Fakten

Es gibt nach wie vor wenige Daten zur Häufigkeit von Autismus-Spektrum-Störungen. Neuere Untersuchungen zeigen, dass ca. 1 % der Bevölkerung eine Diagnose aus dem Autismus-Spektrum hat, im Ausland schwanken die Zahlen zwischen 1 und 3 Prozent. Knaben oder Männer werden häufiger diagnostiziert als Frauen und Mädchen.

Geschlecht Häufigkeit
Männer Häufiger diagnostiziert
Frauen Weniger häufig diagnostiziert, Symptome oft subtiler

Bei Mädchen kann eine autistische Symptomatik schnell übersehen werden, da Mädchen Schwierigkeiten im sozialen Bereich auf den ersten Blick besser kompensieren können und so häufig weniger auffallen.

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