ADHS Ausbildung Tipps: Erfolgreich in die Lehre starten

Besteht beim Kind der Verdacht auf ADHS oder hat es die Diagnose erhalten, haben Eltern meist viele Fragen. Rund fünf Prozent der Kinder in der Schweiz sind von ADHS betroffen. Das bedeutet, dass in einer Schulklasse mit 20 Schülerinnen und Schülern im Schnitt ein Kind mit ADHS ist. Manche von ihnen erhalten schon in jungen Jahren die Diagnose, andere erst als Teenager, Erwachsene oder nie.

In der heutigen Leistungsgesellschaft fallen Kinder mit ADHS vermehrt negativ auf. Viele Eltern von Kindern mit ADHS spüren schon früh, dass ihr Kind anders ist als Kinder befreundeter Familien. Vielleicht ist ihr Kind etwas ungestümer, schusseliger oder temperamentvoller. Möglicherweise ist es aber auch verträumter, langsamer oder länger in eine Tätigkeit vertieft als gleichaltrige Kinder.

Was ist ADHS?

Die Buchstabenkombination ADHS steht für «Attention Deficit Hyperactivity Disorder - Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung». Das Gehirn von Menschen mit ADHS arbeitet anders als jenes anderer Menschen. In wissenschaftlichen Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass bei ADHS ein Mangel an den Botenstoffen Noradrenalin und Dopamin besteht. Noradrenalin steuert die Aufmerksamkeit, Reaktionsbereitschaft und wirkt stressregulierend. Dopamin ist wichtig für die Regulierung von Emotionen sowie die Bewegungssteuerung, wirkt motivierend und aktiviert das Belohnungszentrum.

Weshalb es zu diesem Mangel an Botenstoffen kommt, ist nicht geklärt. Verschiedene Faktoren können ADHS begünstigen. Den grössten Einfluss haben genetische Ursachen: ADHS kann vererbt werden. Auch Umwelteinflüsse können einen Einfluss haben: Kinder, welche als Frühchen geboren wurden oder deren Mütter Nikotin oder andere Drogen konsumiert haben, sind öfter von ADHS betroffen.

Symptome von ADHS

ADHS zeigt sich bei jedem Kind etwas anders. Manche Kinder sind stark betroffen, andere nur schwach. Manche kommen im Alltag trotz ADHS gut zurecht, andere leiden unter ihrer Andersartigkeit. Es gibt ein grosses Spektrum an Ausprägungen. Folgende Symptome können, müssen aber nicht, bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS vorkommen:

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  • Probleme, sich auf Aufgaben zu konzentrieren, die als langweilig und uninteressant empfunden werden, oder zuzuhören, wenn das Gesagte sie nicht interessiert.
  • Schnelle Ablenkbarkeit und Empfindsamkeit auf Reize wie zum Beispiel Hintergrundgeräusche.
  • Auffälligkeiten im Bereich der Emotionsregulation oder im Sozialverhalten sowie Schwierigkeiten in der Selbstregulation ihres Verhaltens.
  • Schulisch schwache Leistungen. Kinder und Jugendliche mit ADHS können in der Schule meist nicht ihr ganzes Potenzial entfalten und machen viele Flüchtigkeitsfehler.
  • Mühe, sich in der Klasse einzugliedern und Freunde zu finden. Störendes Verhalten im Unterricht.
  • Auffälligkeiten bezüglich Motorik, zum Beispiel beim Schneiden mit der Schere oder beim Schreiben.
  • Probleme, sich zu organisieren: Betroffene sind oft chaotisch, verzetteln sich und haben Mühe, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Sie vergessen Termine, Abgabefristen und verlegen oder verlieren Schulmaterial und andere Dinge.
  • Ungeduld und niedrige Frustrationstoleranz.
  • Fehlendes Zeitgefühl.
  • Hohe Sensibilität und Empfindsamkeit: Manche Betroffene fühlen sich schnell zurückgewiesen und können für Aussenstehende übertrieben emotional auf Kleinigkeiten reagieren.
  • Aufgaben werden nicht begonnen oder nicht beendet. Manche Betroffene können nur unter Druck arbeiten.

Für das Umfeld ist oft unverständlich und nicht nachvollziehbar, wieso die Kinder diese Probleme haben. Denn in gewissen Situationen können sie sich sehr wohl konzentrieren: Interessiert sie etwas, können sich Menschen mit ADHS vertieft und lange auf etwas einlassen. Eltern, Lehrer oder andere Bezugspersonen denken in der Folge oft, dass diese Kinder könnten, wenn sie nur wollten. Doch das stimmt nicht. Es ist ihnen nicht möglich, ihre Aufmerksamkeit oder ihren Fokus willentlich auf etwas zu steuern, wenn sie kein Interesse daran haben.

Stärken von Kindern mit ADHS

Kinder mit ADHS haben aber auch ganz viele positive Seiten und besondere Stärken. Sie sind häufig äusserst kreativ, sensibel, lebhaft, hilfsbereit, neugierig, unterhaltsam, empathisch und haben einen grossen Gerechtigkeitssinn. Interessiert sie etwas, sind sie darin oft überdurchschnittlich gut.

Nicht von ungefähr gibt und gab es viele berühmte Persönlichkeiten, die ADHS haben oder bei denen ADHS vermutet wird. So etwa die Schauspielerin Emma Watson, der Schauspieler Johnny Depp, Sänger Justin Timberlake oder Astronaut Scott Kelly. Auch Genies wie dem Physiker Albert Einstein, dem Künstler Vincent Van Gogh oder dem Schriftsteller Hermann Hesse wird nachgesagt, dass sie vermutlich ADHS hatten.

ADHS bei Mädchen

Bei Jungen wird ADHS viel häufiger diagnostiziert als bei Mädchen. Das bedeutet aber nicht, dass Mädchen weniger von ADHS betroffen sind. Die Symptome sind bei ihnen oftmals weniger auffällig. Einerseits können sie ihre Besonderheit besser verbergen, respektive werden sie zu grösserer Anpassungsleistung erzogen als Jungen und können durch Intelligenz viele Symptome kompensieren. Andererseits werden typische ADS-Symptome des unaufmerksamen Typs mit dem stereotypen Bild eines Mädchens assoziiert. Deshalb werden sie nicht abgeklärt. Und selbst wenn eine Abklärung erfolgt, werden Mädchen und Frauen manchmal nicht richtig diagnostiziert, weil die Fragebögen und Diagnosekriterien auf der Forschung mit männlichen Probanden beruhen. Probleme treten oft erst an der weiterführenden Schule oder im Studium auf.

Folgen von ADHS

Kinder und Jugendliche mit ADHS sind öfters von weiteren psychischen Störungen betroffen als andere Kinder. Sie sind häufiger in Konflikte involviert als Gleichaltrige und haben verbreitet das Gefühl, nicht zu genügen. Obwohl viele von ihnen sehr intelligent sind, können sie nicht ihr ganzes Potenzial ausschöpfen und erbringen in der Schule oder Ausbildung keine guten Leistungen. Nicht selten kommt es zu Schul- oder Lehrabbrüchen.

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ADHS hat nichts mit Erziehungsfehlern zu tun. Eltern trifft keine Schuld. Betroffene Personen haben ein erhöhtes Risiko, an einer Depression zu erkranken oder eine Angststörung zu entwickeln. Undiagnostiziert steigt zudem das Risiko für eine Suchterkrankung, weil Suchtmittel gerne genutzt werden, um mit ADHS-Symptomen umzugehen.

Diagnose und Behandlung

Erste Anlaufstelle für eine ADHS-Abklärung kann der Kinderarzt oder die Kinderärztin sein. Zeigen sich Auffälligkeiten primär in der Schule, können sich die Eltern an den schulpsychologischen Dienst wenden. Beide Stellen können Kontakte vermitteln und eine Überweisung an eine Fachstelle veranlassen. Eine Abklärung sollte umfassend erfolgen, um andere Krankheiten und Fehldiagnosen auszuschliessen. So gehören neben Fragebögen für Eltern und andere Bezugspersonen auch Seh- und Hörtests zum Standard.

Bekommt ein Kind die Diagnose ADHS, löst das bei den Betroffenen sowie den Eltern oft Ängste und Unsicherheit aus. Vielleicht kommen auch Schuldgefühle dazu, weil man die Erkrankung dem Kind vererbt haben könnte. Doch trifft die Eltern keine Schuld und hat ADHS nichts mit Erziehungsfehlern zu tun.

Was Kinder mit ADHS an Unterstützung brauchen ist individuell und hängt stark von der Ausprägung, den jeweiligen Symptomen und vom Leidensdruck ab. Manche Kinder profitieren von einer Behandlung mit Medikamenten. Diese können insbesondere bei Konzentrationsschwierigkeiten oder Problemen mit der Emotionsregulation helfen. Bei der Frage, ob und welche Medikamente sinnvoll sind, können Kinderärzte und Kinderärztinnen gut unterstützen.

Bei Auffälligkeiten bezüglich Motorik kann eine Psychomotorik- oder Ergotherapie sinnvoll sein. Für ältere Kinder kommt vielleicht ein psychologisches Coaching oder eine Psychotherapie infrage. In einem solchen Setting erlernen sie Strategien, um mit ihren Emotionen und insbesondere ihrer Impulsivität umzugehen.

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Weil Kinder mit ADHS viel Kritik hören, ist es besonders wichtig, das Kind für Dinge zu loben, die es gut kann.

Hat ein Kind Schwierigkeiten in der Schule und sind die Möglichkeiten der Klassenlehrperson ausgeschöpft, kann der schulpsychologische Dienst eine gute Anlaufstelle sein. Gemeinsam kann geschaut werden, welche Unterstützungsmöglichkeiten das Kind braucht. Kinder mit der Diagnose ADHS haben ein Recht auf Nachteilsausgleich.

Viele von ADHS Betroffene entwickeln mit den Jahren Kompensationsstrategien für ihre Schwächen. Auch scheint die motorische Hyperaktivität mit zunehmendem Alter nachzulassen. Wirklich auswachsen wird sich ADHS aber nicht. Verglichen mit anderen können sich Betroffene oft auch als Jugendliche oder Erwachsene schlechter konzentrieren. Die äussere Hyperaktivität wandelt sich meist in eine innere Unruhe um. Umso wichtiger ist, dass Betroffene Unterstützung in Form einer Therapie erhalten und bei Leidensdruck nicht einfach abgewartet wird.

Eltern dürfen zuversichtlich sein, dass auch ihr Kind seinen Weg finden wird. Weitere Informationen und Unterstützung erhalten Eltern bei elpos Schweiz.

Tipps für Jugendliche mit ADHS beim Start in die Ausbildung

Wenn du eine ADHS-Diagnose hast und deine Ausbildung im Sommer beginnen wirst, ist es wichtig, deinem Lehrbetrieb zu kommunizieren, dass du AD(H)S hast. Auf diese Weise kann dein Arbeitgeber besser verstehen, wie er dich am besten unterstützen kann, um dein volles Potenzial auszuschöpfen.

Hier sind einige Tipps, die dir beim Gespräch helfen können:

  1. Erkläre deine Diagnose: Erkläre deiner Berufsbildnerin / deinem Berufsbildner, was AD(H)S ist und wie es sich auf deine Arbeitsweise auswirkt. Stelle sicher, dass dein Ausbildungsverantwortlicher versteht, welche spezifischen Schwierigkeiten du hast und wie du unterstützt werden kannst.
  2. Schlage eigene Lösungen vor: Schlag deinem Berufsbildner Lösungen vor, die dir helfen können, produktiver zu sein. Zum Beispiel könntest du darum bitten, deine Aufgaben in kleinere, überschaubare Aufgaben zu gliedern, um Überforderung zu vermeiden.
  3. Biete konkrete Beispiele: Beziehe dich auf konkrete Situationen in Schule und Freizeit, in denen deine AD(H)S-typischen Schwierigkeiten aufgetreten sind, um deinem Lehrbetrieb zu helfen, dein Anliegen besser zu verstehen.
  4. Bleibe positiv: Sei positiv und zeige, dass du engagiert bist und deine Arbeit gut erledigen möchtest. Das wird deinem Lehrbetrieb zeigen, dass du die Situation ernst nimmst und bereit bist, daran zu arbeiten, um erfolgreich zu sein.
  5. Nutze Ressourcen: Wenn es im Unternehmen Ressourcen oder Unterstützung für Menschen mit AD(H)S gibt, nutze diese. Dein Arbeitgeber könnte dir zum Beispiel zusätzliche Pausen oder Arbeitsplatzanpassungen anbieten.

Die Offenlegung einer ADHS-Diagnose kann zunächst beängstigend sein, aber es kann auch dazu beitragen, eine positive Arbeitsumgebung zu schaffen und deinen Erfolg in der Lehre zu fördern. Verwende diese Tipps, um mit deinem Berufsbildner sprechen, und nutze die Ressourcen und Unterstützung, die dir zur Verfügung stehen, um produktiv und erfolgreich zu sein.

In der Berufsschule muss viel Wissen in kürzester Zeit aufgenommen und umgesetzt werden. Sprecht mit eurer Lehrperson darüber! Erklärt ihm, was euch im Unterricht hilft und wie ihr am Besten lernt. Es kann auch hilfreich sein, wenn ihr Medikamente nehmt, dass ihr eure Lehrpersonen darüber informiert.

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