Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine der verbreitetsten psychischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Kennzeichnend für ADHS sind Probleme mit der Aufmerksamkeit und Konzentration sowie eine erhöhte Unruhe und Impulsivität. Im Erwachsenenalter kommen oft Schwierigkeiten bei der Organisation und Strukturierung des Alltags hinzu.
Was ist ADHS?
ADHS steht für Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Im Zentrum der Symptome stehen Defizite bei der Aufmerksamkeitsleistung. Ablenkende Reize können nicht genügend ausgeblendet werden und/oder die Aufmerksamkeit kann nicht über eine längere Zeit aufrecht erhalten werden. Daneben fallen die Betroffenen durch Probleme bei der Selbstorganisation und der Priorisierung von Aufgaben, impulsiven Handlungen und Verhaltensauffälligkeiten mit Konfliktpotential auf.
Bei Betroffenen, die v.a. unter Aufmerksamkeitsdefiziten leiden, motorisch aber ruhig sind, spricht man auch von ‘ADS’ (Aufmerksamkeit-Defizit-Störung). Gerade bei ‘ADS’ wird die Diagnose häufig erst spät gestellt. Sie gelten als unbegabt und uninteressiert, fallen aber nicht durch Verhaltensstörungen auf. Gleichzeitig leiden die Betroffenen häufig unter innerer Unruhe, Ungeduld und Stimmungsschwankungen, so dass die diagnostischen Kriterien für eine ADHS auch ohne typische motorische Hyperaktivität erfüllt sind.
Ging man früher davon aus, dass sich ADHS “auswächst”, so gilt heute als erwiesen, dass Defizite auch bei rund 50% der Betroffenen im Erwachsenenalter weiterbestehen. Bei diesen wird die Diagnose häufig nicht gestellt und damit auch nicht behandelt. Häufig leiden sie an Stimmungsschwankungen, Rastlosigkeit, chronischer Unpünktlichkeit, Vergesslichkeit, mangelndem Selbstwertgefühl und Beziehungsschwierigkeiten.
Ursachen von ADHS
Die Ursachen der Funktionsstörung des Gehirns, die zu ADHS führen, sind nicht abschließend geklärt. Aktuell geht man davon aus, dass erbliche Veranlagungen zu ca. 80% für die Symptomatik verantwortlich sind. Umweltfaktoren wie Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen und lebensgeschichtliche Belastungen beeinflussen die Ausprägung und Schwere der Symptomatik.
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Weitere Ursachen:
- Genetische Veranlagung
 - Ungleichgewicht von Neurotransmittern im Gehirn, wie Dopamin und Noradrenalin, wird vermutet.
 - Frühkindliche Hirnentwicklungsstörungen
 - Meist sind mehrere Familienmitglieder betroffen (hohe genetische Komponente)
 - Rauchen, Alkohol- oder Drogenkonsum oder Infektionskrankheiten während der Schwangerschaft, Frühgeburt
 - Gestörtes Gleichgewicht der Botenstoffe (Neurotransmitter) Dopamin, Noradrenalin und Serotonin
 
Symptome von ADHS
ADHS beginnt im Kindesalter, bleibt bis ins Erwachsenenalter bestehen und führt zu spürbaren Einschränkungen in verschiedenen Lebensbereichen. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle Kinder mit ADHS alle unten aufgezählten Symptome zeigen, und die Schwere der Symptome variieren kann.
Typische Symptome sind:
- Unaufmerksamkeit: Schwierigkeiten, Aufgaben zu organisieren, leicht ablenkbar zu sein, häufig Dinge zu verlieren. Ablenkbarkeit, Vergesslichkeit, Tagträumen, schnell gelangweilt
 - Hyperaktivität: Unruhe, ständig in Bewegung sein, Schwierigkeiten, ruhig zu sitzen. Motorische Hyperaktivität des Kindesalters weicht einer inneren Unruhe: Nervosität, Entspannungsschwierigkeiten, keine Theater- oder Kinobesuche
 - Impulsivität: Handlungen ohne Nachdenken durchführen, Schwierigkeiten, das eigene Verhalten zu kontrollieren. Unüberlegte Handlungen, Dreinreden, Risikosportarten, impulsives Verkehrsverhalten
 - Affektlabilität: Starke Stimmungsschwankungen, launisch
 - Desorganisation in Verhalten und Aktivitäten: Probleme mit Zeiteinteilung, Aufschieben, Erledigen in letzter Minute, chaotisch
 - Mangelnde Affektkontrolle: Stressintoleranz, Reizbarkeit, Ungeduld
 - Emotionale Überreaktionen: Geringe Frustrationstoleranz, ängstlich und konfus unter Belastung, Hypersensibilität
 
Diagnostischer Ablauf
Eine neuropsychiatrische Abklärung umfasst je nach Fragestellung neben dem Gespräch auch Fragebogen zur Erfassung des Schweregrades der Symptomatik, eine neurologische Untersuchung, neuropsychologische Tests und elektrophysiologische Untersuchungen.
Der diagnostische Ablauf umfasst:
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- Eine umfassende Anamnese, einschließlich der medizinischen Vorgeschichte des Kindes, wird durchgeführt.
 - Beobachtungen des Verhaltens in verschiedenen Umgebungen, wie Schule und Familie, sind relevant.
 - Diagnosekriterien nach anerkannten Klassifikationssystemen wie DSM-5 werden berücksichtigt.
 - Wie viele Symptome sind in welchem Ausmass und über welche Dauer vorhanden?
 - Können die Symptome bis in die Kindheit zurückverfolgt werden?
 - Führen die Symptome zu einer deutlichen Beeinträchtigung in mehreren Lebensbereichen? (Arbeit, Alltag)
 - Sind die Symptome nicht durch eine andere psychische Störung erklärbar?
 
Dazu wird eine ausführliche Anamnese mithilfe von standardisierten Fragebögen durchgeführt. Zusätzlich können Angaben von Personen aus dem Umfeld der Betroffenen und eine neuropsychologische Testung dabei helfen, die Diagnose zu stellen.
ADHS-Abklärung bei Erwachsenen
Die ADHS-Abklärung bei Erwachsenen umfasst einen ganzheitlichen Ansatz, der auf wissenschaftlich fundierten Methoden basiert. Zunächst erfolgt eine detaillierte Anamnese, bei der Ihre bisherigen Erfahrungen, Symptome und Lebensumstände besprochen werden. Ergänzend dazu kommen neuropsychologische Tests zum Einsatz, die Ihre Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit, Impulskontrolle sowie andere kognitive Funktionen analysieren.
Was geschieht bei der ADHS-Abklärung konkret?
- Die ca. vier bis fünf Stunden dauernde, ambulante Abklärung durch eine erfahrene Psychologin oder Psychiaterin bzw. die Symptomatik: Welche Symptome haben Sie?
 - eine ADHS-spezifische Anamnese: Wie gestaltete sich Ihre Lebensgeschichte?
 - das aktuelle psychische Befinden: Wie geht es Ihnen?
 - liegen weitere psychische Erkrankungen vor?
 
Ergänzend soll eine körperliche Abklärung bei der Hausärztin oder beim Hausarzt erfolgen, um auszuschliessen, dass nicht körperliche Erkrankungen für die Symptome verantwortlich sind. Zudem ist es sinnvoll, Eltern oder andere langfristig bekannte Bezugspersonen zu befragen.
Behandlung von ADHS
Es gibt verschiedene Therapiemöglichkeiten, die einzeln oder kombiniert angewandt werden können. Je nach Schweregrad der Symptomatik und den Einschränkungen im Alltag sowie in verschiedenen Lebensbereichen, muss ein individuelles Therapiekonzept erarbeitet werden.
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Zu den Behandlungsmöglichkeiten gehören:
- Verhaltenstherapie: Strukturierte Interventionen zur Förderung von Selbstregulierung und sozialen Fähigkeiten.
 - Medikamentöse Therapie: In einigen Fällen können stimulierende Medikamente wie Methylphenidat verschrieben werden.
 - Unterstützung im schulischen Umfeld: Individuelle Lernpläne und Lehreranpassungen können den Schulerfolg fördern.
 - Elterntraining: Eltern werden darin geschult, Techniken zur Bewältigung von ADHS-bezogenen Herausforderungen zu erlernen.
 - In der Psychotherapie lernen Betroffene, die Emotionen zu regulieren, sich zu organisieren (Zeitmanagement), das Selbstwertgefühl zu stabilisieren und mit der Ablenkbarkeit umzugehen.
 - Bei stark ausgeprägten Symptomen und erheblichen Beeinträchtigungen in mehreren Lebensbereichen, kann eine medikamentöse Behandlung (Pharmakotherapie) hilfreich sein.
 - Psychotherapeutische Behandlung von ADHS/ADS-bedingten Folgen: Sie lernen, wie Sie besser mit Trauer, Kränkungen und Verletzungen sowie allfälligen Folgestörungen umgehen können.
 - Pharmakotherapeutische Einstellung und Behandlung: Gemeinsam suchen wir auch medikamentöse Lösungen.
 - Organisation zusätzlicher Unterstützungsangebote: Wir helfen Ihnen dabei, zusätzliche Unterstützung zu erhalten, z.B. ein ADHS-Coaching.
 
Nach der Diagnose bietet BMG Swiss Ihnen nicht nur Klarheit, sondern auch konkrete Unterstützung. Das Team entwickelt maßgeschneiderte Lösungsansätze, die auf Ihre spezifischen Bedürfnisse abgestimmt sind. Dazu gehören beispielsweise Empfehlungen für Therapieansätze wie kognitive Verhaltenstherapie, Beratung zu medikamentöser Behandlung oder Strategien zur Selbstorganisation im Alltag.
Wo wird ADHS behandelt?
Für die ADHS-Abklärung ist eine ärztliche Zuweisung nötig. ADHS behandeln wir an fast allen unseren Standorten:
- Ambulatorien KJPD
 - Ambulatorien Erwachsene
 
Wir bieten diese ambulante Abklärung in Heerbrugg, Pfäfers, Rapperswil, Sargans, Uznach und Wil an. Bitte beachten Sie, dass es - ausser in Akutsituationen - zu Wartezeiten kommen kann. Wenden Sie sich für detaillierte Informationen an den Standort in Ihrer Nähe.
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