Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eines der häufigsten kinder- und jugendpsychiatrischen Störungsbilder, denen Kinder- und Jugendmediziner:innen in ihrer alltäglichen Praxis begegnen. ADHS ist eine der häufigsten psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen.
Rund fünf Prozent der Kinder in der Schweiz sind von ADHS betroffen. Das bedeutet, dass in einer Schulklasse mit 20 Schülerinnen und Schülern im Schnitt ein Kind mit ADHS ist. Manche von ihnen erhalten schon in jungen Jahren die Diagnose, andere erst als Teenager, Erwachsene oder nie.
Symptome und Diagnose von ADHS
ADHS zeigt sich bei jedem Kind etwas anders. Manche Kinder sind stark betroffen, andere nur schwach. Es gibt ein grosses Spektrum an Ausprägungen. Symptome sind Unaufmerksamkeit, ausgeprägte motorische Aktivität (Unruhe / innere Unruhe) und erhöhte Impulsivität (unüberlegtes Handeln). Diese Symptome können unterschiedlich stark ausgeprägt sein und müssen nicht alle gemeinsam auftreten.
Folgende Symptome können, müssen aber nicht, bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS vorkommen:
- Probleme, sich auf Aufgaben zu konzentrieren, die als langweilig und uninteressant empfunden werden.
 - Schnelle Ablenkbarkeit und Empfindsamkeit auf Reize wie zum Beispiel Hintergrundgeräusche.
 - Auffälligkeiten im Bereich der Emotionsregulation oder im Sozialverhalten sowie Schwierigkeiten in der Selbstregulation ihres Verhaltens.
 - Schulisch schwache Leistungen.
 - Mühe, sich in der Klasse einzugliedern und Freunde zu finden.
 - Störendes Verhalten im Unterricht.
 
Die ADHS-Diagnose sollte immer durch Fachpersonen erstellt werden. Die Diagnosestellung für ADHS ist aufwändig und anspruchsvoll.
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In unserer Klinik nutzen wir für die Diagnosestellung die internationale Klassifikation der Störungen ICD-11 der WHO, nach der die Kriterien und Symptome definiert werden. Nach den neuesten Kriterien können die Symptome gleich stark ausgeprägt sein, oder es können einzelne überwiegen. In der Regel bestehen die Symptome seit der Kindheit und treten in verschiedenen Situationen auf.
Zur Diagnostik gehören:
- Befragung von Familie, Kind, Jugendlichem und anderen Bezugspersonen.
 - Fragebogenverfahren: Wir setzen ADHS-Fragebogen ein, die von den Eltern, Lehrpersonen und -je nach Alter - von dem betroffenen Kind selbst ausgefüllt werden.
 - Testpsychologische Untersuchungen: Mittels Tests erfassen wir Leistungsprobleme oder auch Stärken.
 - Ausschluss von anderen Ursachen (Differentialdiagnose): Wir prüfen, ob die ADHS-Symptome durch andere Störungen ausgelöst werden.
 
Ursachen von ADHS
Das Gehirn von Menschen mit ADHS arbeitet anders als jenes anderer Menschen. In wissenschaftlichen Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass bei ADHS ein Mangel an den Botenstoffen Noradrenalin und Dopamin besteht. Weshalb es zu diesem Mangel an Botenstoffen kommt, ist nicht geklärt.
Verschiedene Faktoren können ADHS begünstigen:
- Den grössten Einfluss haben genetische Ursachen: ADHS kann vererbt werden.
 - Auch Umwelteinflüsse können einen Einfluss haben: Kinder, welche als Frühchen geboren wurden oder deren Mütter Nikotin oder andere Drogen konsumiert haben, sind öfter von ADHS betroffen.
 
Behandlung von ADHS
Wenn eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung vorliegt, wird die Behandlung mit der betroffenen Person und ihren Eltern besprochen. Dabei wird einerseits dargelegt, welche Optionen es gibt, aber auch die Präferenzen der beteiligten Personen berücksichtigt. Die Therapie wird den individuellen Symptomen und Einschränkungen angepasst.
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ADHS lässt sich primär ambulant behandeln, ansonsten teilstationär oder vollstationär. Die Behandlungsmöglichkeiten sind vielfältig. Wir empfehlen ein multimodales Behandlungskonzept aus Psychoedukation, Elterntraining, kognitiver Verhaltenstherapie und einer medikamentösen Behandlung.
Schweregradeinteilung und Behandlung
Die Behandlung wird dem Schweregrad der Krankheit angepasst.
| Schweregrad | Symptome | Beeinträchtigung | Behandlungsempfehlung | 
|---|---|---|---|
| Leicht | Wenige zusätzliche Symptome | Geringfügig | Psychosoziale Intervention, ggf. Pharmakotherapie | 
| Mittel | Beachtliche Einschränkung oder viele zusätzliche Symptome | Beachtlich oder gering | Intensivierte psychosoziale Behandlung oder Pharmakotherapie, Kombinationstherapie | 
| Schwer | Viele zusätzliche Symptome | Schwer | Pharmakotherapie, ergänzt durch intensivierte psychosoziale Therapie | 
Psychosoziale Interventionen
Bei einer psychosozialen Intervention werden psychologische, psychotherapeutische und soziale Massnahmen angewendet, welche ADHS oder gegebenenfalls komorbide Störungen vermindern. Die Interventionen werden direkt am Patienten oder seinen Bezugspersonen durchgeführt, es kann aber auch sein näheres oder weiteres Umfeld mit einbezogen werden.
Psychoedukation und Psychotherapie
Psychoedukation beinhaltet Aufklärung und Beratung, Psychotherapie umfasst therapeutische Massnahmen mit den Betroffenen und deren Eltern. Bei der Psychoedukation wird mit den betroffenen Personen und gegebenenfalls ihren Eltern die Krankheit sowie ihre Behandlung besprochen.
Pharmakotherapie
In der psychopharmakologischen Behandlung stellen die Stimulanzien (u.a. Methylphenidat) die Behandlungsmethode der ersten Wahl dar. Die Wirksamkeit konnte in vielen Studien belegt werden. Andere Medikamentengruppen, die eingesetzt werden können, sind Noradrenalinwiederaufnahmehemmer (Atomoxetin) und Antisympathotonika (Guanfacin).
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Behandlungsempfehlung je nach Alter
- Vorschulalter: Elterntrainings, Elternschulungen und Elternberatungen. Zusätzlich können auch kindzentrierte Interventionen angeboten werden.
 - Schulalter/Jugendliche: Elterntrainings, Elternschulungen oder Elternberatungen indiziert. Auch eine Schulung der Lehrpersonen wird empfohlen. Zusätzlich kann auch eine Verhaltenstherapie (kognitiv-behaviorale Intervention) des Kindes oder Jugendlichen angeboten werden.
 
Weitere Therapieangebote
- Ergotherapie im UKBB bietet ein Gruppentraining für Kinder mit Konzentrationsschwierigkeiten an.
 - Das ergotherapeutische Sozialkompetenztraining (EST) im UKBB ist ein manualisiertes Training zur Förderung von sozialem Verhalten in Schul-, Freizeit- und Alltagssituationen.
 - Neuropsychologische Gruppentherapie für Kinder und Jugendliche ab neun Jahren mit ADS/ADHS.
 
Wichtige Hinweise
ADHS hat nichts mit Erziehungsfehlern zu tun. Eltern trifft keine Schuld.
Eltern dürfen zuversichtlich sein, dass auch ihr Kind seinen Weg finden wird.
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