Zu den häufigsten psychischen Erkrankungen gehören die Zwangsstörungen. Sie sind gekennzeichnet von Zwangsgedanken und -handlungen. Dazu gehört auch der Waschzwang.
Der Waschzwang gehört zu den verbreitetsten Zwangshandlungen. Er ist eine der extremen Formen und kann sogar gesundheitliche Beeinträchtigungen hervorrufen. Ein Waschzwang kann ein minutenlanges Waschen der Hände, des Körpers oder auch der Kleidung bedeuten.
Was ist ein Waschzwang?
Waschzwang ist eine Form der Zwangsstörung, bei der Betroffene unter der Angst leiden, sich durch die Berührung mit Objekten mit einer Krankheit anzustecken oder sich schmutzig zu machen. Die Angst vor Bakterien sowie Ekelgefühle sind gross. Die Betroffenen vermeiden es zum Beispiel, Türklinken mit der blossen Hand anzufassen oder anderen die Hand zu geben.
Kommen sie dennoch in Kontakt mit einem gefürchteten Objekt, waschen sie wiederholt und gründlich ihre Hände, ihren ganzen Körper und manchmal sogar ihre Kleidung. Dabei folgen sie stets einem ganz bestimmten Ritual, das sie penibel einhalten. Ein einziger Fehlgriff reicht aus, um die unangenehmen Gedanken erneut auszulösen - die Zwangshandlung wird dann von Neuem in Gang gesetzt.
Menschen mit Waschzwang ist bewusst, dass ihre Ängste übertrieben sind, und sie schämen sich daher für ihre Zwänge. Der Waschzwang nimmt häufig so viel Zeit in Anspruch, dass die Personen in ihrem beruflichen und sozialen Leben mehr oder weniger stark eingeschränkt sind. Wie sich ein Waschzwang äussert, kann von Person zu Person unterschiedlich sein. Während sich die Zwangshandlungen bei einigen vorwiegend auf das Waschen der Hände beschränkt, fühlen andere den Drang, ihren ganzen Körper und/oder die Kleidung exzessiv zu reinigen.
Lesen Sie auch: Erfahren Sie mehr über die Ursachen von Zwangsstörungen
Symptome
Begleitende Symptome zu den Zwangshandlungen oder Zwangsgedanken sind oftmals eine allgemeine Nervosität der Betroffenen, ein stets beunruhigtes Verhalten, depressive Verstimmungen und ein reduziertes Selbstwertgefühl. Erschöpfungssymptome sind ebenfalls häufig, denn der stetige Kampf gegen den Zwang - ob erfolgreich oder nicht - kostet ungeheure Kraft. Die Betroffenen befinden sich in einem Teufelskreis.
Sie erleben Zwangsgedanken, die für sie nicht erträglich sind und ihnen Angst machen. Bekämpft oder reagiert auf die Zwangsgedanken wird mit Zwangshandlungen, die wiederum die ausgelösten Befürchtungen am Leben erhalten.
Ursachen
Fachpersonen sind sich uneinig darüber, was die genaue Ursache für einen Waschzwang ist. Vermutet wird eine Kombination aus genetischen Faktoren, traumatischen Erlebnissen, eine ängstliche Persönlichkeit oder ungünstige Erziehungsmethoden.
Gründe als Auslöser für Zwangsstörungen können sowohl genetisch bedingt sein, als auch aus Lebenserfahrungen resultieren. So kann zum Beispiel das Zusammentreffen einer vorhandenen psychischen Verletzlichkeit aufgrund von früheren belastenden Lebensereignissen mit einer akuten psychischen Überlastung zu einer Zwangsstörung führen. Auch der Umgang mit unangenehmen Emotionen, wie beispielsweise Angst, kommt hinzu. Für die genetische Veranlagung liefern das gehäufte Auftreten von Zwangsstörungen in einer Familie, sowie Zwillingsstudien den Beweis.
Diagnose
Für die Erstellung einer Diagnose spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Fachpersonen bewerten in einem ersten Schritt die Schwere der Symptome und den Leidensdruck der Betroffenen. Der Zohar-Fineberg Obsessive-Compulsive Screen (ZF-OCS) kann erste Hinweise darauf geben, ob eine Zwangsstörung vorliegt.
Lesen Sie auch: Anwendung und Risiken der rTMS
Therapie
Die Behandlung von Zwangsstörungen besteht meist aus psychotherapeutischer und medikamentöser Behandlung. Als sehr effektiv hat sich die kognitive Verhaltenstherapie erwiesen. Dazu gehört auch die Konfrontationstherapie, in der sich Betroffene mit der Unterstützung von Therapeut:innen bewusst Situationen aussetzen, die ihre Zwangshandlungen begünstigen.
Personen mit einem Waschzwang fassen also zum Beispiel eine Türklinke an und versuchen danach, auf das exzessive Händewaschen zu verzichten. Dadurch lernen sie mit der Zeit, dass sie diese Situationen auch ohne ihr Reinigungsritual bewältigen können.
Die nachhaltigsten Therapieerfolge in der Behandlung von Zwangsstörungen zeigt die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) mit Expositionstraining und Reaktionsmanagement. Sie sollte, wenn immer möglich, einer medikamentösen Therapie vorgezogen oder zumindest ergänzend zu dieser in Anspruch genommen werden. Zu Beginn werden Betroffene ausführlich über die Erkrankung und die Prozesse, die zu ihrer Aufrechterhaltung beitragen, informiert.
Häufig wird eine Liste von Zwangsgedanken/-handlungen erstellt und priorisiert, welche davon als besonders störend empfunden werden. Für jeden aufdringlichen Gedanken («der Türgriff ist schmutzig»), wird eine Bedeutung («die Bakterien sind gefährlich und ich könnte sie verbreiten») notiert, das dazugehörige Gefühl (Angst, Ekel) herausgearbeitet und die neutralisierende Handlung (Händewaschen) festgehalten. In der Therapie wird mittels kognitiver Interventionen nicht beim Gedanken, sondern bei dessen Bedeutung angesetzt. Es geht hier darum, dysfunktionale Überzeugungen («ich gefährde mich und andere durch die Verbreitung von Bakterien») durch funktionale Einstellungen zu ersetzen.
Zweiter Baustein der Therapie ist die gezielte Exposition. Diese setzt bei der neutralisierenden Handlung an. Die Person muss eine Türklinke berühren, ohne sich danach die Hände zu waschen. Diese Exposition findet in Begleitung der Therapeut:in in der Alltagssituation statt und wird detailliert vorbesprochen.
Lesen Sie auch: Alles über Hyper-Bewusstseins-Zwangsstörung
Es gilt die Gefühle, welche durch das Unterlassen der Handlung entstehen, gemeinsam auszuhalten. Dabei machen die Betroffenen die Erfahrung, dass die Gefühle nach einer gewissen Zeit von selbst wieder schwächer werden. Nachdem diese Exposition in Begleitung wiederholt erfolgreich durchgeführt wurde, kann sie zwischen den Sitzungen selbstständig geübt werden. Dabei findet ein Lernprozess statt; die Betroffenen machen die Erfahrung, die unangenehmen Gefühle auch ohne Zwangshandlungen bewältigen zu können.
Medikamente
Zwangserkrankungen können auch wirksam medikamentös behandelt werden. Idealerweise wird die medikamentöse Behandlung jedoch nicht alleine angewandt, sondern immer mit Psychotherapie kombiniert. Die Indikationen für eine medikamentöse Behandlung sind eine ausgeprägte Krankheitsschwere, begleitende depressive Symptome, Patientenpräferenz und auch die Überbrückung bis ein Therapieplatz zur Verfügung steht.
Medikamentöse Therapie der Wahl ist die Gabe von modernen Antidepressiva aus der Gruppe der Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Für diese Indikation sind in der Schweiz Citalopram, Escitalopram, Sertralin, Fluvoxamin und Paroxetin zugelassen. Alle SSRIs sind gleich wirksam, unterscheiden sich leicht in ihrem Nebenwirkungsprofil und ihrer Kombinierbarkeit mit anderen Medikamenten. Anders als bei Depressionen werden höhere Dosierungen gewählt, die Wirkung ist frühestens nach ca. 6 Wochen erkennbar. Bei ausbleibender Wirkung kann das Präparat gewechselt werden oder die zusätzliche Gabe eines modernen Antipsychotikums erwogen werden.
Umfeld
Zwänge können das persönliche Umfeld massiv belasten und selbst zu Konflikten führen bzw. diese aufrechterhalten. Angehörige spielen daher eine wichtige Rolle in der Therapie von Zwängen. Insbesondere bei Kindern wird die kognitive Verhaltenstherapie häufig durch Familiengespräche ergänzt.
Wichtig ist für Angehörige wie auch Betroffene zu wissen, dass Zwangsgedanken nicht in die Tat umgesetzt werden. Nicht selten erleben Eltern Schuldgefühle, sind erschöpft durch Auseinandersetzungen, fürchten um ihre Beziehung zum Kind oder sind sich innerhalb der Partnerschaft uneinig, wie mit dem Verhalten des zwangserkrankten Kinds umgegangen werden soll. Um das Verhalten der zwangserkrankten Person nicht persönlich zu nehmen, kann es helfen, zu verinnerlichen, dass gerade der Zwang und nicht die betroffene Person die Handlungen veranlasst.
Druck auszuüben und zu ermahnen «sich zusammenzureissen» ist wenig hilfreich, da es die Anspannung verstärkt. Gleichzeitig ist es wichtig, dass sich Angehörige nicht in Zwänge einbinden lassen. Leidet das Kind unter einem Waschzwang, sollten die Eltern keine Seifenvorräte anschaffen. Es gilt die erkrankte Person zu unterstützen, nicht aber deren Zwang. Es existieren Leitfäden für Eltern und Angehörige, wie sie am besten Unterstützung leisten können.
Die aktuelle Studienlage zeigt, dass Zwangsverhalten der Eltern die Wirkung von therapeutischen Interventionen beim Kind um das sechsfache verringern kann. Folglich ist es zentral, die ganze Familie in die Behandlung miteinzubinden, um aufrechterhaltende Faktoren zu vermeiden.
Verlauf
Umfangreiche wissenschaftliche Studien zeigen, dass die psychotherapeutische wie auch die medikamentöse Behandlung wirkt und die Gehirnaktivität verändert. Zwar werden Betroffene durch die Behandlung selten vollständig symptomfrei, oftmals können die Symptome jedoch so stark reduziert werden, dass sie im Alltag nur noch wenig stören und die Lebensqualität deutlich zunimmt.
Bis eine Person mit Zwangserkrankung eine geeignete Behandlung beginnt, dauert es im Schnitt 7 Jahre. Betroffene versuchen, ihre Symptome oftmals nicht zu zeigen, da sie ihr Verhalten als unsinnig empfinden, es jedoch nicht unterbinden können. Oder sie schämen sich für Zwangsgedanken mit aggressiven oder sexuellen Inhalten und haben Angst, diese in die Tat umzusetzen, je mehr sie sich damit auseinandersetzen. Leider heilen Zwangserkrankungen nur selten von selbst. Vielmehr zeigen sie eine Ausbreitungsneigung und verstärken sich mit der Zeit. Je früher mit der Behandlung begonnen wird, desto besser ist die Prognose. Auch bei chronifizierter Erkrankung kann eine Behandlung den Schweregrad deutlich reduzieren und zu einer guten Symptomlinderung führen.
Weitere Arten von Zwangsstörungen
Es gibt verschiedene Arten von Zwangsstörungen, die jeweils unterschiedliche Merkmale und Symptome aufweisen.
- Zwangsgedanken: Bei dieser Form der Zwangsstörung haben Betroffene wiederkehrende, störende Gedanken, Bilder oder Impulse, die sich immer wieder aufdrängen. Betroffene empfinden solche Ideen als besorgniserregend. Am häufigsten finden sich Zwangsvorstellungen, die sich um Unfälle, Erkrankungen, Katastrophen oder Gewalttaten drehen und die insbesondere nahestehende Personen bedrohen sollen. Ängste dominieren das Leben, denn den zwanghaften Gedanken sind kaum Grenzen gesetzt.
 - Zwangshandlungen: Hierbei fühlen sich Menschen gezwungen, bestimmte Handlungen zu wiederholen, um ihre Ängste oder Besorgnisse zu reduzieren.
 - Kontrollzwang: Menschen mit Kontrollzwang haben die Angst, dass sie etwas Schlimmes tun könnten, wenn sie nicht bestimmte Handlungen genau richtig ausführen.
 - Ordnungszwang: Hierbei haben Betroffene die Notwendigkeit, Dinge in einer bestimmten Reihenfolge anzuordnen oder symmetrisch zu gestalten.
 - Sammelzwang: Menschen mit dieser Art von Zwangsstörung haben das Bedürfnis, Dinge zu sammeln, selbst wenn diese keinen praktischen Nutzen haben.
 
tags: #Zwangsstörung #Angst #vor #Bakterien #Ursachen #Therapie