Die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) ist eine interventionelle Methode zur Behandlung verschiedener psychiatrischer Krankheitsbilder. Die rTMS ist ein modernes und sehr gut verträgliches Therapieverfahren, das zu den sogenannten neurostimulatorischen Verfahren gehört.
Grundprinzipien der rTMS
Die rTMS ermöglicht eine gezielte modulierte Aktivität im kortikalen Bereich des Gehirns (Gehirnrinde) durch wiederholte elektromagnetische Impulse. Die physikalische Grundlage, um die Funktionsweise der transkraniellen Magnetstimulation zu verstehen, ist das Gesetz der elektromagnetischen Induktion.
Dieses besagt, dass in einem Leiter ein elektrischer Strom induziert wird, wenn sich der magnetische Fluss ändert. Dieser wiederum ändert sich dann, wenn sich der elektrische Strom in der das Magnetfeld generierenden Magnetspule ändert. Technisch umgesetzt wird dies dadurch, dass mit Hilfe eines sogenannten Thyistorschalters der Strom in einer Magnetspule schnell an- und abgeschaltet wird.
Durch den Stromfluss in der Spule entsteht ein magnetisches Feld, das nach dem physikalischen Prinzip der Induktion die Nervenzellen bestimmter Regionen der Gehirnrinde in ihrer elektrischen Aktivität beeinflusst. Man kann je nach Einstellung des Behandlungsprotokolls am Gerät sowohl einen stimulierenden als auch einen hemmenden Effekt auslösen.
Je nach Ziel der Behandlung kann also angepasst werden, welche Wirkung die rTMS-Behandlung bewirken soll, um ein optimales therapeutisches Ergebnis zu erreichen. Das Gehirn hat viele komplexe Netzwerkstrukturen, und neue Studienerkenntnisse weisen auch darauf hin, dass rTMS nicht nur einen Effekt auf die behandelte Hirnrindenregion, sondern auf sämtliche damit in Verbindung stehenden Netzwerke hat. Eine rTMS-Behandlung ermöglicht somit auch die Wirkung in tieferen Hirnregionen.
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Neuronale Plastizität und Effekte der rTMS
Ein Schlüsselaspekt der rTMS liegt in ihrer Fähigkeit, neuronale Plastizität zu beeinflussen. Darunter versteht man die Fähigkeit des Gehirns, sich an veränderte Bedingungen anzupassen und informationsverarbeitende Netzwerke neu zu gestalten. Man kann vereinfacht sagen, dass die neuronale Plastizität die Fähigkeit des Nervengewebes widerspiegelt, sich selbst neu zu organisieren und zu lernen.
Durch die wiederholte Anwendung kann die rTMS nicht nur kurzfristige, lokale Effekte erreichen, sondern auch zu angestrebten langfristigen Veränderungen führen, die über die Anwendungsdauer hinausgehen. Damit können einerseits Gehirnregionen gezielt gehemmt und andererseits andere Regionen mit einer reduzierten Aktivität angeregt werden. Dieses Prinzip führt zu einer erfolgreichen Anwendung von rTMS in der Psychiatrie bei Indikationen wie z.B. Depressionen und Zwangsstörungen.
Anwendung der rTMS bei Zwangsstörungen
Die rTMS ist eine Methode, welche bei verschiedenen Erkrankungen angewendet werden kann, meist wenn mit Medikamenten noch keine genügende Besserung erreicht werden konnte. Gute Resultate können aber auch bei chronischen Halluzinationen, Traumafolgeerkrankungen und Abhängigkeitserkrankungen erreicht werden. Daneben kommt die Methode auch zunehmend in der Neurorehabilitation zur Behandlung von Neglekt, Sprach-störungen und Lähmungen zum Einsatz.
Wie läuft die Behandlung ab?
Bei der repetitiven Transkraniellen Magnetstimulation sitzt man in einem bequemen Stuhl. Mittels einer über dem Kopf gehaltenen Magnetspule werden repetitive magnetische Impulse erzeugt. Diese stimulieren dann die Aktivität der sich direkt darunter befindenden Hirnrindenareale.
Man spürt ein leichtes Zwicken auf der Kopfhaut, ansonsten kommt es nicht zu Nebenwirkungen. Nach einer Sitzung, die zwischen 15 und 35 Minuten dauert, darf man direkt wieder nach Hause. Es gibt keine Narkose wie z.B. bei der Elektrokrampftherapie.
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Da der therapeutische Effekt aber in erster Linie über die Induktion plastischer Prozesse zustande kommt, muss die Stimulation während mindestens 4 bis 6 Wochen täglich, d.h. jeweils von Montag bis Freitag, durchgeführt werden.
Wirksamkeit der rTMS
Bei Zwangsstörungen konnte 4 Wochen nach Abschluss der Behandlung eine Symptomreduktion von 45% nachgewiesen werden (im Gegensatz zur Placebo-Stimulation, welche nur zu einer Reduktion von 18% geführt hatte).
Die TMS-Behandlung ist abhängig von der jeweiligen Erkrankung und der zu behandelnden Person. Vor Beginn einer TMS-Behandlung legen die Ärztinnen und Ärzte die zu stimulierenden Bereiche am Kopf der behandelten Person fest. Eine technische Fachkraft nimmt einen Kopfabdruck, um diese Bereiche auf einer Stoffkappe zu markieren.
Diese muss die behandelte Person während der Stimulation tragen, damit das Magnetfeld die richtigen Bereiche ansteuern kann. Genau wie die EKT beruhe die Wirksamkeit der TMS auf der sogenannten synaptischen Plastizität - also der Fähigkeit des Gehirns, seine Verbindungen als Reaktion auf wiederholte Reize zu verändern.
Rachid berichtet von einer Remission und einem Ansprechen von 60-70%. Sein Kollege Jean-Frédéric Mall sagt, dass er sogar ein Ansprechen von 90% bei einigen Arten von Depressionen beobachtet habe.
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Risiken und Nebenwirkungen der rTMS
Obwohl die rTMS-Behandlung als sicher und gut verträglich gilt, sind auch hier, wie bei jeder anderen Behandlung, einige Risiken zu beachten. Einige PatientInnen berichten z.B. von leichten Kopfschmerzen nach einer rTMS-Sitzung, die meistens zu Beginn der Behandlungsserie vorkommen können (10 - 20 % der Fälle). Auch eine leichte Müdigkeit nach der Sitzung kann verspürt werden, die jedoch bereits nach einer Viertelstunde nachlässt. Da das Erzeugen der Magnetimpulse klopfende Geräusche verursacht, kann die Benutzung von Ohrstöpseln vorteilhaft sein.
Auch eine lokale und kurzfristige Hautreizung am Behandlungsort kann z.B. mit Kribbeln- oder Juckreizgefühl einhergehen. Diese sind vorübergehende und harmlose Nebenwirkungen.
Zu den schwerwiegenden Komplikationen zählen ein Kreislaufkollaps und ein epileptischer Anfall. Die Wahrscheinlichkeit eines epileptischen Anfalls unter einer rTMS-Behandlung (0.01 - 0.1 %) ist deutlich tiefer als z.B. bei der Einnahme einer antidepressiven Medikation. Bei PatientInnen mit einer Epilepsie ist das Risiko für diese Komplikation höher (2.9 %) und wird mit dem Patienten individuell und kritisch unter Abwägung von Nutzen und Risiko diskutiert.
Zudem reduziert eine ausführliche Abklärung vor dem Beginn der Behandlung das Risiko von Auftreten der Nebenwirkungen und Komplikationen.
Wann kann die rTMS nicht angewendet werden?
Wie bei jeder Behandlung hat auch die rTMS diverse Kontraindikationen. Bei PatientInnen mit traumatischen, infektiösen oder tumorbedingten Veränderungen des Gehirns kann z.B. keine rTMS-Behandlung angeboten werden. Auch bei medizinischen Implantaten wie z.B. einem Herzschrittmacher sollte diese Behandlungsoption nicht primär angewendet werden.
In diesen Situationen kann die Behandlung nicht durchgeführt werden: implantierte intrakranielle Elektroden, Cochlea-Implantat, früher erfolgte Operation am Gehirn, ventrikulo-peritonealer Shunt, Epilepsie, Herzschrittmacher oder Defibrillator, Schwangerschaft.
Vor- und Nachteile der rTMS
Die rTMS weist wie jede andere Behandlung sowohl Vor- als auch Nachteile auf. Zu den Vorteilen zählt die sogenannte Nicht-Invasivität im Vergleich zu anderen neurostimulatorischen Verfahren wie z.B. die Elektrokonvulsionstherapie oder Tiefenhirnstimulation.
Unter Nicht-Invasivität versteht man in der Medizin Behandlungen bzw. Untersuchungen, die keine Verletzung der Gewebe nach sich ziehen. Das Risiko für Komplikationen wie z.B. Infektionen wird dadurch reduziert. Die ausgezeichnete Verträglichkeit des Verfahrens widerspiegelt sich in der Möglichkeit, bereits wenige Minuten nach der Behandlung wieder seinem Alltag nachzugehen ohne Einschränkung der Lebensqualität.
Ein weiterer Pluspunkt liegt in ihrem breiten Anwendungsspektrum, da die rTMS bei verschiedenen psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen eingesetzt werden kann, was ihre Vielseitigkeit in der klinischen Anwendung betont.
Die Wirkung der rTMS-Behandlung kann bei gewissen Krankheitsbildern wie z.B. einer Zwangsstörung nur eine kurzfristige Linderung der Beschwerden bringen, was zu den wenigen Nachteilen dieser Behandlungsmethode gerechnet werden kann.
Zudem bleibt diese Behandlungsmethode trotz einer stark individualisierten Vorgehensweise bei der Planung und Umsetzung von vielen individuellen Faktoren abhängig, wodurch eine unterschiedliche Wirksamkeit innerhalb des Patientenkollektivs erklärt werden kann. Je nach Krankheitsbild kann z.B. Geschlecht und Alter die Wirksamkeit der rTMS-Behandlung beeinflussen.
Kostenübernahme
Die Kosten der Behandlungen mit repetitiver Transkranieller Magnetstimulation (rTMS) und dafür notwendige Untersuchungen und Konsultationen werden von der Grundversicherung nicht übernommen. Sie können jedoch abklären, ob sich Ihre Zusatzversicherung beteiligt.
In der Schweiz allerdings müssen Patient:innen einen erheblichen Eigenbeitrag leisten. Eine Sitzung kostet rund 350 Franken, und laut Empfehlungen sollte sie fünfmal pro Woche über vier bis sechs Wochen wiederholt werden.
Die fehlende Kostenerstattung schränke den Zugang zu den Kliniken ein. «Ich finde es inakzeptabel, dass diese Behandlung nur jenen zur Verfügung steht, die sie sich leisten können», sagt Isabelle.
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