Autismus im Alter: Verlauf und Prognose

Autismus ist ein Sammelbegriff für verschiedene tiefgreifende Entwicklungsstörungen - die genaue Bezeichnung lautet Autismus-Spektrum-Störungen (ASS). Die meisten Betroffenen haben Probleme mit sozialen Kontakten sowie mit der Kommunikation und Sprache. Viele zeigen wiederholte, stereotype Verhaltensweisen und Interessen.

Was ist Autismus?

Autismus ist ein Sammelbegriff für verschiedene tiefgreifende Entwicklungsstörungen - die genaue Bezeichnung lautet Autismus-Spektrum-Störungen (ASS). Darunter fallen drei verschiedene Hauptformen von Autismus:

  • Frühkindlicher Autismus
  • Asperger-Syndrom
  • Atypischer Autismus

Die Einteilung in diese Unterformen von Autismus wird es künftig nicht mehr geben: Die neue (11.) Version der Internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) sieht nur noch den Oberbegriff "Autismus-Spektrum-Störungen" vor. Wann die ICD-11 die derzeitige Version ICD-10 (mit den Unterformen Frühkindlicher Autismus etc.) endgültig ablösen wird, steht noch nicht fest.

Das Erscheinungsbild bei Autismus ist je nach Form und Schweregrad der Störung individuell sehr unterschiedlich. Manche Betroffene entwickeln nur einen leichten Autismus, der ihr Alltagsleben nur wenig beeinflusst. Andere sind schwer behindert.

Unter anderem sind Intelligenz und Sprachfähigkeiten sehr unterschiedlich ausgeprägt: Der grössere Teil der Autisten ist geistig eingeschränkt. Es gibt aber auch normal und sogar hochbegabte Betroffene. Teilweise gehen die verschiedenen Autismusformen auch fliessend ineinander über.

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Laut offiziellen Leitlinien wird, unter Berücksichtigung des Grossteils aller weltweiten Studien seit dem Jahr 2000, insgesamt von einer Häufigkeit der ASS von etwa einem Prozent in der Bevölkerung ausgegangen.

Autismus im Erwachsenenalter

Wenn man Menschen gegenüber Autismus erwähnt, denken diese meistens an Kinder. Doch aus Kindern werden Erwachsene. Und da Autismus nicht heilbar ist, sind Autisten im Erwachsenenalter weiterhin betroffen. Doch wie wirkt sich Autismus bei älteren Personen im Vergleich zur Kindheit aus?

Über Veränderung der Symptome mit zunehmendem Alter ist wenig bekannt. Das Autism Diagnostic Research Centre in Southampton hat zwischen 2008 und 2015 genau 146 Erwachsene untersucht. Die Menschen waren zwischen 18 und 74 Jahre alt. Bei hundert dieser Erwachsenen wurde Autismus diagnostiziert. Die Analyse ergab, dass Alter und Schweregrad des Autismus zusammenhängen.

Das bedeutet, mit zunehmendem Alter nahm auch die Schwere der Autismus-Symptome in sozialen Situationen, der Kommunikation und dem flexiblen Denken zu (z. B. Ältere Autisten leiden gemäss Studie weitaus häufiger unter Depressionen oder Angstzuständen als jüngere Autisten. Depressionen bei älteren Erwachsenen sind ein Risikofaktor für die Entwicklung von Gedächtnis-Problemen. Die älteren Erwachsenengruppe mit Autismus zeigten in der Studie eher schwerere Symptome.

Ich bin mir aber sicher, dass sich Menschen mit der Zeit verändern. Bei mir ist es jedenfalls so. Das älter werden hat physische sowie auch psychische Einflüsse. Ich bin etwas weniger leistungsfähig und benötige mehr Ruhezeiten und Zeit für mich selber. Ich bleibe vermehrt Zuhause und geniesse meine kleine Wohnung. Denn dort fühle ich mich am wohlsten und hab meine Ruhe.

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Wenn ich auf die speziellen Eigenschaften meiner Symptome eingehe, sehe ich vor allem im Bereich der Sensibilität der äusseren Reize mehr Probleme als früher. Ich bin klar noch anfälliger für Lärm und grelles Licht geworden. Ich gebe mir auch weniger Mühe beim Versuch, Blickkontakt herzustellen, Mimiken zu erkennen oder Smalltalk zu führen.

Und wie oben beschrieben bin auch ich vermutlich etwas anfälliger für depressive Einflüsse geworden. Dennoch - ob das ein stärker werden des Autismus bedeutet, mag ich zu bezweifeln. Auf der anderen Seite geht es aber oftmals auch leichter als früher. Vielleicht weil ich gelassener wurde und mich besser kenne und akzeptiere? Zudem - in fünfzig Lebensjahren hat man ja auch gelernt, mit gewissen Dingen umzugehen und sich (natürlich eher widerwillig) etwas an das neurotypische Leben anzupassen.

Wie bereits weiter oben geschrieben kann ich mir persönlich nicht vorstellen, dass die autistische Ausprägung während eines Menschenlebens gleichbleibend ist. Das währe irgendwie unlogisch.

Autismus: Verlauf und Prognose

Wie sich eine autistische Störung im Einzelfall entwickelt, lässt sich nicht vorhersagen. Der Verlauf hängt unter anderem von der Form des Autismus sowie eventuellen Begleiterkrankungen (wie Depressionen) ab.

Beispielsweise bleiben beim Frühkindlichen Autismus die typischen Symptome ein Leben lang bestehen, also etwa die Probleme bei der sozialen Interaktion und beim Aufbau von Beziehungen sowie die Sprachbeeinträchtigungen. In der Kindheit sind die Symptome meist am stärksten ausgeprägt. Bei manchen Betroffenen verbessert sich das Verhalten dann im Jugend- und frühen Erwachsenenalter. Es gibt aber auch Menschen, bei denen die autistische Störung bis ins Erwachsenenalter unverändert bleibt oder bei denen nach anfänglicher Verbesserung die Symptome wieder zunehmen.

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Der Grossteil der Autisten weist eine geistige Behinderung auf, die die Intelligenz einschränkt. Manche leiden zudem unter Schlafstörungen, Ängsten oder teilweise aggressivem Verhalten.

Rund 75 Prozent der Autisten sind ein Leben lang auf Hilfe angewiesen. Die meisten autistischen Jugendlichen wachsen heute in ihren Familien auf. Sie erhalten Fördermassnahmen und werden intensiv betreut.

Es gibt aber auch Menschen mit leichterem Autismus, die gut alleine zurechtkommen. Sie sind in der Lage, sich ein gewisses Mass an sozialer Kompetenz anzutrainieren. Einige Autisten üben zudem anspruchsvolle Berufe aus. Besonders Inselbegabungen (wie eine grosse Rechenbegabung) können oft effektiv im Beruf genutzt werden.

Umgang mit ASS im Erwachsenenalter

Der Umgang mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) stellt auch im Erwachsenenalter eine besondere Herausforderung dar. Die Kernsymptome mit anhaltenden Defiziten in der sozialen Interaktion und Kommunikation sowie eingeschränkten, repetitiven Verhaltensmustern, Interessen und Aktivitäten und die oft vorkommenden Komorbiditäten können an sich belasten und das Wohlbefinden beeinträchtigen.

Zudem kann die Diagnose und deren Folgen die soziale Integration und die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben erschweren. Gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die soziale Inklusion ermöglichen und angepasste Unterstützungsangebote zur Verfügung stellen, kommt eine wesentliche Rolle zu, wie auf individueller Ebene mit der Herausforderung Autismus umgegangen werden kann.

Behandlung von ASS im Erwachsenenalter

Aufgrund der sozialen Wahrnehmungsschwäche, welche die Orientierung in ungewohnten sozialen Situationen erschwert, und der sensorischen Sensibilität besteht ein hohes Risiko, dass Menschen mit ASS auch medizinisch-therapeutische Kontexte als angsteinflössend, unangenehm und überfordernd erleben. Mit der Gestaltung autismusfreundlicher Rahmenbedingungen kann wesentlich dazu beigetragen werden, dass sich Menschen mit ASS auf die Behandlung einlassen und davon profitieren können.

Diese Rahmenbedingungen werden optimalerweise nicht nur im psychiatrisch-psychotherapeutischen Setting, sondern auch in der hausärztlichen Behandlung und anderen Behandlungs- und Unterstützungssettings wie Wohninstitutionen und arbeitsbezogenen Integrationsstellen beachtet.

Psychotherapie bei ASS

Gemäss aktuellen klinischen Leitlinien (1) ist übergeordnetes Therapieziel die Verbesserung der Lebensqualität und der Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit ASS. Es sollen Verbesserungen autistischer Kernsymptome erzielt werden. Neben der autistischen Kernsymptomatik sollen psychische und somatische komorbide Erkrankungen nach Diagnosestellung zeitnah behandelt werden.

Erwachsene mit einer ASS stufen folgende Therapieziele als wichtig oder sehr wichtig ein: Stressbewältigung, soziale Kompetenz und Identitätsfindung (2). Die Akzeptanz der ASS bzw. Wichtigkeit in der Psychotherapie im gesamten Verlauf. Aufgrund dessen können Betroffene Belastungsgrenzen neu definieren und adäquate Erwartungen an sich entwickeln.

Es können dann (mit allfälliger Unterstützung) Bemühungen unternommen werden, das Umfeld gemäss den eigenen Bedürfnissen zu gestalten und sich passende Nischen zu suchen. Einige Betroffene, insbesondere spät (im Erwachsenenalter) diagnostizierte oder weibliche Personen, haben ein Muster zum Verbergen und Kompensieren der autismustypischen Merkmale entwickelt (3). Wenngleich dieses Muster der Funktionsfähigkeit im Alltag und der sozialen Akzeptanz zuträglich sein kann, sind viele Verläufe bekannt, die längerfristig in psychische Erschöpfung und Belastung münden (4).

Somit muss individuell erarbeitet werden, inwieweit und in welchen Kontexten Anpassung oder Akzeptanz resp. Offenlegung der autismustypischen Merkmale zuträglicher für das langfristige Wohlbefinden sind. Bei der Integration der ASS in das Selbstbild können der Besuch einer Selbsthilfegruppe sowie Selbsthilfe mittels Medien betreffend Autismus neben der Psychotherapie eine wichtige Rolle spielen.

Bei der Behandlung der autistischen Kernsymptome erbringt die aktuelle Evidenzlage (1) eine Empfehlung für das Training sozialer Interaktion mittels einer manualisierten, wissenschaftlich erprobten Gruppentherapie. Sollte diese nicht umsetzbar sein, können gewisse Fertigkeiten auch in der Einzeltherapie vermittelt werden.

Inhalte solcher Gruppenprogramme (5) sind das Training der Wahrnehmung nonverbaler sozialer Signale, Training der Perspektivenübernahmefähigkeit, Vermittlung sozialer Regeln sowie Übung von kompetentem Sozialverhalten. Normalerweise erfordert Sozialkontakt dadurch nach wie vor Konzentration und die bewusste Nutzung von Regeln, wodurch er anstrengender und unflexibler bleibt.

Weitere autismusspezifische psychotherapeutische Interventionen fokussieren auf die Verbesserung der Stress- und Emotionsregulation. Dabei geht es um das Training der Wahrnehmung von Gefühlen, um das Erkennen von Überlastungsgrenzen sowie um die Anwendung von spezifischen Regulationsskills und Reizschutzmassnahmen. Auch angepasste Achtsamkeitsund Meditationstechniken kommen zum Einsatz (6). Mittels kognitiver Verhaltenstherapie werden biografisch entstandene dysfunktionale Grundannahmen, die auch bei ASS häufig vorkommen, bearbeitet (7).

Zudem können exekutive (Selbstregulations-)Fähigkeiten wie Priorisieren, Problemlösen, Umgang mit Veränderungen usw. gezielt trainiert werden. Die aktuelle empirische Evidenz für die Anwendung einzelpsychotherapeutischer Massnahmen ist noch nicht ausreichend, es gibt aber deutliche Hinweise darauf, dass sich autistische und komorbide affektive und angstbezogene Symptome bei ASS durch sie reduzieren lassen (8). Bei der Behandlung komorbider Diagnosen wie affektiver Störungen, Angststörungen, Essstörungen usw. im Fall von ASS als Basisdiagnose werden u. a. folgende Adaptionen empfohlen: höheres Ausmass von Klarheit und Strukturierung, langsameres Tempo, Gebrauch von Visualisierungen, Einbezug der speziellen Interessen, Anpassung des Kommunikationsstils, Fokus mehr auf Verhaltensänderung als kognitive Bearbeitung, verstärkter Einbezug des Umfelds und verstärkter Fokus auf die Entwicklung des emotionalen Bewusstseins (9).

Ausbildung und Beruf

Eine Untersuchung betreffend Ausbildungssituation bei Menschen mit Autismus in der Schweiz (15) ergibt, dass der Anteil an Personen, die im Alter von 20 Jahren einen Abschluss auf der Sekundarstufe II erreicht haben oder einen solchen Abschluss noch erreichen können, nur bei knapp 50% liegt. Im Vergleich dazu liegt die übliche Quote gemäss Bundesamt für Statistik (2018) bei 70%. Ein grosser Anteil der Betroffenen findet nach der obligatorischen Schulzeit keinen Anschluss, und es kommt zu Abbrüchen in der beruflichen Grundausbildung oder der allgemeinbildenden Schule.

Mit Einstieg in die Berufsausbildung zeigen sich unter anderem Schwierigkeiten in den sozialen Interaktionen wie Unverständnis, Isolation und Mobbing, Kommunikationsprobleme mit Lehrpersonen oder betrieblichen Verantwortlichen, Reizüberflutung in der Schule, im Betrieb oder auf dem Arbeitsweg, Schwierigkeiten, mit wechselnden Settings und Abläufen umzugehen sowie Angst vor Stigmatisierung und mangelndes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Bei Studenten mit ASS werden Barrieren, Lehrpersonen und Mitstudenten anzusprechen, Reizempfindlichkeit und Stressregulation, ausserdem Schwierigkeiten im Bereich exekutiver Funktionen wie Priorisierung, Einhalten von Fristen und Umgang mit Veränderung als relevanteste Problembereiche genannt (16).

Ein wichtiges Instrument, um behinderungsbedingte Nachteile in der Ausbildung auszugleichen, ist der gesetzlich verankerte Nachteilsausgleich (Art. 8 Abs. 2 BV). Es handelt sich um Modifikationen des Lern-/Ausbildungsprozesses und/oder der Prüfungen. Dabei dürfen eigentliche Lernziele der Ausbildung nicht verfälscht werden.

Zuständig sind das kantonale Berufsbildungsamt und in den Gymnasien, Fachmittel- und Hochschulen die entsprechende Bildungsinstitution, bei welchen ein Antrag auf spezifische Massnahmen mit Beilage eines Arztzeugnisses gestellt werden können. Häufige Nachteilsausgleichsmassnahmen bei Autismus-Spektrum-Störungen sind: Studienzeitverlängerung, Verlängerung der Prüfungszeit, individuelle Pausen, die nicht an die Prüfungszeit angerechnet werden, Reservation eines geeigneten Sitzplatzes, Rückzugsmöglichkeiten in den Pausen, separater ruhiger Raum für Prüfungen, schriftliche, statt mündliche Prüfungen und technische Hilfsmittel wie Kopfhörer zur Reizabschirmung.

Als junge Erwachsene mit einer gesundheitlichen Einschränkung, die sich in der Regel auf die Berufswahl oder Ausbildungsfähigkeit auswirkt, haben Betroffene auch Anspruch auf Unterstützung durch die IV in der erstmaligen beruflichen Ausbildung. Die Massnahmen beinhalten die Unterstützung bei der Berufswahl unter Berücksichtigung individueller Fähigkeiten, Interessen und Neigungen sowie gesundheitlichen Einschränkungen beispielsweise mittels Berufsberatung. Sehr oft wird zudem ein Coaching von auf ASS spezialisierten Anbietern angemeldet.

Ausbildungs- und Jobcoaching bietet vielfältige Möglichkeiten, bedarfsorientiert und individuell angepasst bei der Suche und dem Absolvieren einer Ausbildung bzw. im Beruf zu unterstützen. Dies beispielsweise durch Hilfe beim Schreiben der Bewerbung, Hilfe bei der Erstellung eines Überblicks über Ausbildungs- und Stellenangebote, Vorbereitung von Bewerbungsgesprächen, Beratung zur Umsetzung des Nachteilsausgleichs, Vermittlung zwischen Lehrern bzw. Arbeitgebern und Betroffenen, Hilfe bei der Umsetzung individueller Anpassungen am Arbeitsplatz.

Viele autismustypische Merkmale können in Arbeitskontexten bedeutsame Ressourcen darstellen. Dazu zählen Spezialinteressewissen, Loyalität, Verlässlichkeit, Sachorientierung, Genauigkeit, Ehrlichkeit, ungewöhnliche Perspektiveneinnahme und wenig Abneigung gegenüber Routinetätigkeiten. Firmen wie Specialisterne und in der Schweiz Auticon und twofold haben sich zur Aufgabe gemacht, Autisten an Betriebe, die dieses Profil bei Mitarbeitern suchen, zu vermitteln.

Leider zeigen die Resultate einer deutschen Untersuchung eine noch unzureichende berufliche Integration bei hochfunktionalen Autisten. Trotz guter Bildungserfolge (50% allg. Hochschulreife, 39% abgeschlossenes Hochschulstudium) ist die Beschäftigungsrate tief (58% nicht berufstätig) (17). Individuelle Merkmale bei Menschen mit ASS, welche die Berufsausübung erschweren können, sind Einschränkungen der Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, der sozialen Kompetenz, der Stresstoleranz und Reiztoleranz, was bei der Berufswahl, der Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Bestimmung eines zumutbaren Arbeitspensums berücksichtigt werden muss.

Bei Bedarf für eine Ausbildung im geschützten Rahmen existieren auch autismusspezifische Angebote, wie beispielsweise die von Autismuslink im Kanton Bern. Für Menschen auf dem gesamten autistischen Spektrum werden bei deutlicher Einschränkung der funktionellen Leistungsfähigkeit Renten und Teilrenten ausgesprochen.

Tipps und Unterstützung

  • Autisten benötigen im Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitssetting häufig verschiedene autismusspezifische Unterstützungsmassnahmen.
  • Komorbide Störungen wie Depression, Angst usw. jeweiligen Richtlinien behandelt.
  • Es besteht keine kausale medikamentöse Therapie für die Kernsymptomatik.
  • Setting reizarm gestalten: wenig Störgeräusche (tickende Uhren, surrende Ventilatoren, Verkehrslärm usw.), Vermeidung starker Gerüche (u. a.
  • Arbeitstempo verlangsamen zugunsten höherer Genauigkeit. Arbeitsblätter und Auswahlmöglichkeiten bieten.

Fallbeispiel

Der 29 Jahre alte Patient A. erhielt die Diagnose einer ASS im Jugendalter. Nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit wurde er durch die IV im Absolvieren einer Erstausbildung und im Berufseinstieg unterstützt. Im Hitzesommer litt Herr A. zunehmend unter Ruhestörung durch seine Nachbarn, gleichzeitig fiel am Arbeitsplatz eine vertrauensvolle Bezugsperson durch Umstrukturierung weg. Ein Tränenausbruch beim Arbeitsplatz, Schlafstörungen und Suizidgedanken liessen ihn erstmals psychotherapeutische Unterstützung suchen.

Neben den genannten akuten Belastungsfaktoren wurden bei Herrn A. als zusätzliche Problembereiche die mangelnde Akzeptanz der Autismus-Spektrum-Störung (ASS), ein tiefer Selbstwert und unzureichende soziale Integration mit häufigem Erleben von Einsamkeit identifiziert. Inhalt der darauf folgenden Psychotherapie waren Psychoedukation bezüglich ASS, Verbesserung der Selbstakzeptanz und Bewältigung der Depression mit autismusangepasstem Vorgehen. Zudem wurde er medikamentös antidepressiv und mit Melatonin unterstützt.

Durch die Wiederanmeldung bei der IV erhielt Herr A. ein Jobcoaching, mithilfe dessen seine Arbeitsstelle besser an seine Bedürfnisse angepasst werden konnte. Zusätzlich wurde Herr A. unterstützt, an einer Freizeitgruppe für Autisten teilzunehmen und ein Hobby im Gruppenkontext wiederaufzunehmen. Die dadurch gebotenen Gelegenheiten für soziale Interaktion verminderten die Einsamkeit bei Herrn A.

Zusammenfassung

Die neurowissenschaftliche Autismusforschung ist ein sehr dynamisches Forschungsfeld. Die Fortschritte in diesem Bereich tragen in mannigfacher Weise zum besseren Verständnis der Mechanismen bei, die den ASS zugrunde liegen. Die Hypothese eines fehlenden sozialen Fokus ab den ersten Lebensmonaten ist ein vielversprechender Ansatz, um ASS besser zu verstehen, die Diagnose zu untermauern und die Interventionsmöglichkeiten zu verfeinern.

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