Viele Menschen mit psychischen Erkrankungen fürchten eine Stigmatisierung, wenn ihre Krankheit bekannt wird. Es braucht oft viel Überwindung, sich einer Fachperson anzuvertrauen. Diese Zweifel und Hemmungen sind ganz normal. Als Patientin bzw. Rein rechtlich steht jede Psychiaterin und jeder Psychologe unter Schweigepflicht.
Vergessen Sie nicht: Viele Menschen haben psychische Probleme. So ist in der Schweiz etwa jede zweite Person im Laufe des Lebens einmal von einer psychischen Krise betroffen. Stellen Sie sich vor, Ihr Knie schmerzt seit mehreren Wochen - Sie werden kaum zögern, dieses körperliche Symptom bei der Hausärztin oder beim Hausarzt untersuchen zu lassen.
Für viele klingt das Wort „Psychiater“ erst mal nach schweren Teppichen, düsterem Blick und einer Couch, auf der man stundenlang über die Kindheit reden muss. Spoiler: In Wirklichkeit ist es deutlich unspektakulärer - und vor allem hilfreicher, als Sie denken.
Wer ist ein Psychiater?
Wer oder was ist ein Psychiater überhaupt? Ein Psychiater ist ein Facharzt für seelische Gesundheit - quasi ein Arzt fürs Innere. Psychiaterinnen und Psychiater sind ausgebildete Ärztinnen bzw. Ärzte mit Spezialgebiet Psychiatrie. Der Unterschied zu einem Psychologen: Psychiater sind Ärzte, haben also Medizin studiert und können auch Medikamente verschreiben. Behandelt werden Depressionen, Angststörungen, Bipolare Störungen, Psychosen und viele andere seelische Belastungen - alles, was einen mental aus der Balance bringen kann.
Vorbereitung auf das erste Gespräch
An welche Fachperson möchten Sie sich wenden? Sprechen Sie erst mit Ihrer Hausärztin bzw. Der wichtigste Expertentipp zur Gesprächsvorbereitung: Versuchen Sie, sich nicht zu viele Sorgen zu machen. Vorbereitung auf das erste Gespräch: Was sind Ihre Beweggründe für das Gespräch oder die Therapie? Seien Sie sich bewusst, dass Sie eine psychologische Behandlung jederzeit abbrechen können.
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Das Internet ist voll von Informationen zu Fachstellen sowie Expertinnen und Experten für psychologische Beratungen. Die unüberschaubaren Angebote können Sie in einer Krise rasch überfordern und entmutigen. Verlieren Sie aber Ihr Ziel nicht aus den Augen: Eine gute erste Anlaufstelle bei psychischen Problemen ist stets die Hausärztin oder der Arzt Ihres Vertrauens. Die Medizinerin bzw. der Mediziner kann einerseits mögliche körperliche Ursachen untersuchen und behandeln. Andererseits kann man Sie nach einem Arztgespräch an eine Fachperson oder an eine Fachstelle zur weiteren psychologischen Abklärung überweisen.
Tipp: Nebst der Ärztin oder dem Arzt stehen Ihnen auch bei Pro Mente Sana Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner für eine erste Abklärung Ihrer psychischen Gesundheit zu Verfügung. Grundsätzlich können Sie immer wählen, welche Fachperson Sie als Gesprächspartnerin oder Gesprächspartner konsultieren möchten. Tipp: Nehmen Sie vor der Konsultation bei einer Fachperson auf jeden Fall mit Ihrer Krankenkasse Kontakt auf. Klären Sie ab, welche Kosten übernommen werden. Je nach Versicherungsbedingungen gibt es bei vielen Krankenkassen eine Liste von anerkannten Therapeutinnen und Therapeuten. Oder Sie benötigen je nach Versicherungsmodell eine Überweisung durch Ihre Hausärztin bzw.
Der erste Termin
Nach der Anmeldung in einer Praxis oder in einer psychologischen Beratungsstelle erfolgt in der Regel ein unverbindliches Erstgespräch mit der behandelnden Fachperson. Der erste Termin ist vor allem eines: ein Gespräch auf Augenhöhe. Bei mir dauert das Erstgespräch rund 90 Minuten - genug Zeit, um sich in Ruhe kennenzulernen.
Die Fachperson wird Sie sicher nach Ihren Beweggründen für dieses Gespräch fragen. Weiter wird die Fachperson Sie ermuntern, aus Ihrem Leben zu erzählen. Aus Ihren Schilderungen wird sich rasch ein Gespräch entwickeln.
Bestandteile des ersten Termins:
- Anamnese: Ich stelle Fragen zu Ihren aktuellen Beschwerden, Ihrem Alltag, Ihrer Lebensgeschichte und möglichen körperlichen Erkrankungen. Keine Sorge, Sie müssen keinen perfekten Vortrag halten - das ist mein Job, Sie durch die Fragen zu führen.
 - Symptomerfassung: Wir besprechen, wann und wie Ihre Beschwerden auftreten, wie stark sie sind, und nutzen bei Bedarf Fragebögen, um das Ganze besser einzuordnen. Das hilft auch später, den Fortschritt zu messen.
 - Behandlungsplan: Auf Basis der Diagnose schauen wir gemeinsam, welche Therapieformen passen könnten. Das kann eine Psychotherapie sein, manchmal ergänzt um eine Medikation. Reine „Pillenlösungen“ sind selten und auch nicht mein Ziel.
 
Was Sie Erwarten Können:
- Keine Sorge - hier wird nicht geurteilt: Ein guter Psychiater hört zu, drängt nicht und bewertet nicht. Es gibt keine „falschen“ Antworten und kein moralisches Urteil darüber, was Sie fühlen. Mein Job ist es, gemeinsam mit Ihnen den Weg zu mehr Stabilität und Lebensqualität zu finden.
 - Medikamente - ohne Mythen: Falls Medikamente Teil der Behandlung sind, erkläre ich Ihnen genau, welche Optionen es gibt, wie sie wirken und welche Nebenwirkungen auftreten könnten. Es geht nicht darum, schnell etwas zu verschreiben, sondern gezielt zu unterstützen - so, dass Sie z. B. wieder mehr Energie und Freude im Alltag spüren.
 
Abrechnung und Kostenübernahme
Behandlungen durch psychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten werden von der Grundversicherung übernommen, wenn diese durch eine Ärztin oder einen Arzt angeordnet werden. Diese Regelung gilt erst seit Juli 2022, darum ist das Abrechnungsmodell noch nicht in allen Kantonen klar definiert und umgesetzt. Informieren Sie sich bei Ihrer Therapeutin, Ihrem Therapeuten oder bei Ihrer Versicherung über die geltenden Regelungen in Ihrem Wohnkanton. Wenn keine ärztliche Anordnung besteht, werden psychologische Behandlungen teilweise durch die freiwillige Zusatzversicherung gedeckt. Gespräche mit Life Coaches und andere psychosoziale Beratungsangebote müssen in der Regel selbst bezahlt werden.
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Wie es danach weitergeht
- Regelmässige Termine: Wir überprüfen gemeinsam, wie es Ihnen geht, arbeiten an Ihren Themen und passen die Behandlung bei Bedarf an. Typischerweise sind auch kleine "Hausaufgaben", z. B. Verhaltensexperimente, Teil der Behandlung.
 - Psychotherapie: Häufig empfehle ich Kognitive Verhaltenstherapie (KVT), oft kombiniert mit Elementen aus der Klärungsorientierten Psychotherapie. Wenn es Sinn macht, erfolgt auch eine Überweisung an spezialisierte Kolleginnen und Kollegen.
 
Häufige Sorgen
- „Was, wenn ich nicht weiss, was ich sagen soll?“ Kein Problem - ich stelle Fragen, Sie antworten, so einfach ist das :-).
 - „Muss ich sofort Medikamente nehmen?“ Nein. Medikamente sind nur eine Option - und die Entscheidung treffen wir gemeinsam.
 - „Was, wenn ich mich schäme?“ Es gibt keinen Grund zur Scham - psychische Gesundheit ist genauso wichtig wie körperliche Gesundheit.
 
Verschiedene Psychische Erkrankungen
Was bedeutet eigentlich ADHS des Erwachsenenalter? ADHS kann auch im Erwachsenenalter auftreten und zu spürbaren Einschärnkungen in verschiedenen Lebensbereichen führen. Was bedeutet eigentlich Altersdepression? Neben typischen Depressions-Symptomen wie Antriebsarmut oder Interessenverlust zeigt eine Altersdepression auch «unspezifische» Symptome. Dazu gehören körperliche Beschwerden wie Schmerzen, Enge- und Beklemmungsgefühle oder Magen-Darm-Probleme.
Was bedeutet eigentlich Angststörungen? Angst ist eine angeborene menschliche Reaktion. Ist sie jedoch unbegründet oder übertrieben stark, kann Angst zu einer psychischen Erkrankung werden. Was bedeutet eigentlich Anpassungsstörung/Krise? Krisen sind Ausdruck eines Ungleichgewichts zwischen Belastungen und Ressourcen. Sind Sie total überfordert, spüren grossen Druck? Hat Sie ein Erlebnis aus der Bahn geworfen?
Was bedeutet eigentlich Autismus-Spektrum? Wenn soziale Kommunikation, Wahrnehmung und Informationsverarbeitung anders sind. Eine Autismus-Spektrum-Störung (ASS) stellt an das Umfeld und an die Betroffenen meist hohe Anforderungen. Was bedeutet eigentlich Bipolare Störung? Die bipolare Störung ist eine Sonderform der affektiven Störungen und äussert sich im Wechsel von depressiven zu manischen Phasen.
Was bedeutet eigentlich Borderline-Störung? Betroffene einer Borderline-Krankheit haben Mühe, ihre rasch wechselnden Emotionen wie Angst, Leere, Einsamkeit oder Wut zu kontrollieren und negativen Impulsen nicht sofort nachzugeben. Was bedeutet eigentlich Burnout? Wird der Stress zu gross und ein Ausgleich fehlt, kann dies zu einem Burnout führen.
Was bedeutet eigentlich Chronische Schmerzen? Somatoforme Schmerzstörungen bzw. chronische Schmerzen sind durch quälende Schmerzen über mehrere Monate gekennzeichnet, für die keine körperliche Ursache gefunden werden kann. Was bedeutet eigentlich Delir? Ein Delir ist durch einen Verwirrtheitszustand gekennzeichnet, bei dem die Umgebung oder bekannte Personen falsch wahrgenommen werden.
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Was bedeutet eigentlich Demenz? Bei einer Demenz lassen das Gedächtnis und andere kognitive Fähigkeiten nach. Die Folge ist eine dauerhafte Einschränkung der Alltagsbewältigung, die früher kein Problem bereitete. Was bedeutet eigentlich Depression? Depression ist ein quälendes und anhaltendes emotionales Tief mit Antriebslosigkeit, Interessenverlust, Hoffnungslosigkeit und Lebensüberdruss.
Was bedeutet eigentlich Dualdiagnosen? Bei der häufig festgestellten Dualdiagnose handelt es sich um das gemeinsame Auftreten von Suchterkrankungen und Schizophrenie. Was bedeutet eigentlich Essstörungen? Der Trend von einer vorübergehenden zu einer chronischen Erkrankung ist gross. Je früher die Essstörung erkannt und behandelt wird, desto höher sind die Heilungschancen.
Was bedeutet eigentlich Forensische Psychiatrie? Die forensische Psychiatrie befasst sich mit rechtlichen Fragestellungen psychisch kranker Menschen im Zusammenhang von Straf- und Massnahmenvollzug sowie Straf-, Zivil- und Versicherungsrecht. Was bedeutet eigentlich Gynäkopsychiatrie? Die gynäkopsychiatrische Sprechstunde bietet Frauen umfassende und professionelle Begleitung, Behandlung und Beratung zu den Themen Monatszyklus, unerfüllter Kinderwunsch, Schwangerschaft und Geburt sowie in der ersten Zeit danach.
Was bedeutet eigentlich Kognitive Beeinträchtigung? Betroffenen Menschen fällt auf, dass ihre geistige Leistungsfähigkeit abnimmt oder sich verändert. Was bedeutet eigentlich Psychose? Eine Psychose oder psychotische Episode ist eine schwerwiegende seelische Erkrankung, bei der die Betroffenen den Bezug zur Wirklichkeit verlieren. Typische Symptome sind Denk- und Wahrnehmungsstörungen, Wahnvorstellungen und eine veränderte Gefühlswelt.
Was bedeutet eigentlich Psychoonkologie? Eine Krebsdiagnose ist für viele Menschen ein Schock. Angst und Ungewissheit sind gross. Oft fühlen sich Krebspatientinnen und -patienten mit der Krankheit allein gelassen. Was bedeutet eigentlich Schizophrenie? Schizophrenie ist eine Erkrankung, bei der die betroffenen Personen zwei Wirklichkeiten erleben: Die reale Welt und eine Wirklichkeit, die geprägt ist von veränderten Wahrnehmungen, Gefühlen und Gedanken, die nur die Erkrankten erleben.
Was bedeutet eigentlich Stoffgebundene Abhängigkeit? Bei einer Abhängigkeit ist die Kontrolle über den Konsum von Alkohol oder Drogen verloren gegangen. Das Verlangen nach der Substanz wird zum Lebensmittelpunkt. Was bedeutet eigentlich Sucht im Alter? Neben Alkoholproblemen ist bei älteren Menschen ein Suchtverhalten durch dauerhafte Tabletteneinnahme keine Seltenheit.
Was bedeutet eigentlich Suizidgefährdung? Krisen, anhaltende Belastungen, Einsamkeit, Verlusterlebnisse oder psychische Erkrankungen können Suizidgedanken auslösen. Hilfe durch Fachpersonen ist entscheidend. Was bedeutet eigentlich Traumafolgestörungen? Auf lebensbedrohliche Situationen oder Katastrophen können Betroffene mit anhaltenden Angstgefühlen, Nervosität, Alpträumen, Flashbacks und Vermeidungsverhalten reagieren.
Was bedeutet eigentlich Verhaltenssüchte? Die meisten Menschen können Glücks- oder Computerspiele spielen, ohne damit ein Problem zu bekommen. Einige Personen geraten jedoch in ein problematisches Spielverhalten oder werden süchtig. Was bedeutet eigentlich Zwangsstörungen? Zwänge sind wiederkehrende Gedanken und Handlungen, die der Betroffene als unsinnig und nutzlos erkennt. Trotzdem sieht er sich gezwungen, sie wiederholt auszuführen.
Die Entwicklung der Psychiatrie im Laufe der Geschichte
Hippokrates von Kos erklärt Gesundheit und Krankheit anhand der Körpersäfte Blut, Galle und Schleim. Ein Überschuss eines Saftes führt zu einem Ungleichgewicht und zu Krankheit. Auch psychische Erkrankungen werden so erklärt. Dieses Menschenbild hält sich bis ins 18. Jahrhundert. Die vermutlich erste Spezialanstalt für Geisteskranke entsteht in Damaskus.
In europäischen Spitälern entstehen erste «Irrenabteilungen». Geisteskrankheiten werden religiös betrachtet. Als Besessenheit durch den Teufel oder besonderen Draht zu Gott. Geisteskranke werden mit anderen Aussenseitern in Zuchthäuser gesperrt und oft in Ketten gelegt. Die Aufklärung begründet die moderne Psychiatrie: Philippe Pinel fordert einen humaneren Umgang mit Geisteskranken und nimmt sie in seinen Pariser Krankenhäusern von den Ketten. Eine wissenschaftliche Betrachtung setzt sich durch.
Darwins Evolutionstheorie beeinflusst die Psychiatrie: Die Nachkommen psychisch Kranker sollen noch grössere Schäden aufweisen als ihre Eltern. Lehrstühle entstehen in Berlin, Göttingen, Wien und Zürich. Fokus ist meist die Gehirnforschung. Sigmund Freud entwickelt die Psychoanalyse und geht neu davon aus, dass sämtliche Neurosen auf sexuelle Erlebnisse oder Wünsche in der Kindheit zurückgehen.
Die Schweizer C. G. Jung und Eugen Bleuler greifen Freuds Ideen auf. Bleuler versucht, die Psychoanalyse im Zürcher Burghölzli einzusetzen. Jung entwickelt eigene Systeme, grenzt sich von Freud ab. Karl Lorenz Binding und Alfred Hoche veröffentlichen das Buch «Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens».
Der ungarische Psychiater Ladislas von Meduna sieht eine Beziehung zwischen Schizophrenie und Epilepsie. Er geht davon aus, dass bei Schizophrenen Besserung eintritt, wenn man bei ihnen einen epileptischen Anfall auslöst. Diesen führt er durch das Krampfmittel Cardiazol herbei. Nach ihrer Machtübernahme führen die Nazis das «Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses» ein. In der Folge wurden 400'000 psychisch Kranke und Behinderte zwangssterilisiert.
Die italienischen Psychiater Ugo Cerletti und Lucio Bini finden eine neue Form der Krampftherapie: mit Elektroschocks. Grosse Erfolge erzielt diese vor allem bei schwer depressiven Menschen und bei Schizophrenen. Bis heute ist die Elektrokrampftherapie eine erfolgreiche Behandlungsmethode gegen Depressionen. Antonio Egas Moniz erhält den Nobelpreis für Medizin für die Leukotomie, die er 1935 entwickelt hatte. Bei dieser Gehirnoperation werden Nervenbahnen getrennt. Vor allem in den USA fand sie ab 1937 grosse Verbreitung.
Innert kurzer Zeit werden mehrere Medikamente entwickelt, die die Psychiatrie fortan prägen: Psychopharmaka, Antidepressiva und Benzodiazepine. Eine neue Entwicklung ergreift die Psychiatrie: Statt jahrelanger Klinikaufenthalte werden zunehmend Tageskliniken, Wohnheime und andere wohnortnahe Angebote begünstigt. Die Gesundheitsdirektoren-Konferenz legt sich auf eine neue Strategie in der Psychiatrie fest.