Depression: Geschichten und Wege zurück ins Leben

Ein Drittel der Schweizer Bevölkerung ist im Laufe des Lebens von einer mehr oder weniger schweren depressiven Erkrankung betroffen. Auch wenn jede Depression eine eigene Geschichte hat, lässt sich für alle, die direkt betroffen sind oder indirekt in ihrem Umfeld sind, einiges schliessen, was hilfreich ist.

Persönliche Erfahrungen mit Depressionen

Michael Grubers Geschichte

Michael Gruber* ist 48 Jahre alt, verheiratet und Vater von zwei Kindern. Als Kadermitglied eines technischen Unternehmens war er beruflich sehr engagiert und arbeitete viel. Als die Firma in einen grossen Konzern integriert wurde, wuchs die Arbeitsbelastung ins Unermessliche. Private Kontakte oder sportliche Aktivitäten blieben komplett auf der Strecke, auch für die Familie blieb immer weniger Zeit.

Die ersten Symptome von Michael Grubers Erschöpfungsdepression waren Herzrasen, ein hoher Blutdruck, starkes nächtliches Schwitzen und Schlafapnoe (temporäres Aussetzen der Atmung während des Schlafs). Dann kam über Nacht der totale Breakdown mit massiven körperlichen und psychischen Reaktionen. «Es war, als würde eine Lawine über mich rollen», sagt Michael Gruber heute, «ich fühlte mich komplett hilflos und hatte Panikattacken».

Seine Frau begleitete ihn zum Hausarzt, welcher Medikamente verschrieb und ihn in psychiatrische Behandlung überwies. Nach einigen Tagen erfolgte auf eigenen Wunsch der Wechsel zur Clienia Littenheid.

Erfahrungen in der Klinik

Auf der Psychotherapiestation sah Michael, dass er mit seinen Problemen nicht alleine war. Die Gruppe auf der Station hat sich ihm sofort geöffnet, und er fühlte sich akzeptiert und willkommen. Das war wohl eine wichtige Voraussetzung, um die Kontrolle über alles abgeben und sich auf die Therapie einlassen zu können.

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Besonders geholfen hat ihm die Littenheider Umgebung, mitten in der Natur zu sein, die Ruhe. Durch körperliche Erlebnisse, zum Beispiel ausgedehnte Spaziergänge, habe er wieder Zugang zu seinen Bedürfnissen und zu seinen Emotionen gefunden. Er ist wieder in Bewegung gekommen - im wahrsten Sinn des Wortes.

Er liess sich auf Dinge ein, die er vorher noch nie gemacht und sogar belächelt hatte. Zum Beispiel Yoga. Diese Lektionen halfen ihm, mit sich selber in Kontakt zu kommen, seinen Atem als Ausdruck seiner Befindlichkeit wahrzunehmen und sich auf sich selbst zu konzentrieren. Auch die Maltherapie war hilfreich für ihn. Er habe während seines mehrwöchigen Aufenthaltes immer wieder das gleiche Bild gemalt und sehe jetzt seine Entwicklung, seine Genesung symbolisch vor sich.

Seine Bezugsperson war sehr authentisch, motivierend und äusserst kompetent. Sie strahlte eine grosse Ruhe aus, das tat ihm gut. Er hatte viele Gespräche auf Augenhöhe. Auch seine Frau wurde einbezogen. Sie erfuhren eine hohe Professionalität und eindrückliches Einfühlungsvermögen.

Heute besucht Michael die Tagesklinik der Clienia in Frauenfeld zur Stabilisierung und zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess. Insgesamt fühlt er sich wieder viel besser, und er hat gelernt, Schritt für Schritt weiterzugehen. Er konnte ein gutes Gespür für sich selber entwickeln und habe wieder Perspektiven.

Eva Baumgartners Geschichte

Eva Baumgartner* ist Mitte siebzig. Früher arbeitete sie als Primarlehrerin. Sie ist eine kreative Person, bastelt und musiziert gerne; ihr Garten bedeutet ihr viel. Momentan ist sie zur Behandlung einer Depression auf der Privatstation in Littenheid. Der Begriff «Altersdepression» bereitet ihr Mühe, denn sie fühlt sich überhaupt nicht alt.

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Der Beginn ihres psychischen Leidens liegt schon über 20 Jahre zurück. Damals wurde die leidenschaftliche Wintersportlerin von einem Skifahrer gerammt. Sie stürzte schwer und rutschte 300 Meter in die Tiefe. Ihre Verletzung war so gravierend, dass zuerst das eine und später auch das andere Kniegelenk durch künstliche ersetzt werden mussten. Nach einer späteren Fussoperation musste Eva lange Zeit an Stöcken gehen. Dadurch entstand eine überdurchschnittliche Belastung der Schulter, die sie, auch wegen Arthrose, ebenfalls durch ein künstliches Gelenk austauschen musste.

Eva erlebte die vielen Operationen und die darauffolgenden langen Erholungs- und Reha-Phasen als sehr traumatisierend. Dazu kam in den letzten Jahren ihrer Berufstätigkeit eine Burnout-Diagnose. «Eine leitende berufliche Stellung, die Familie mit Ehemann und zwei Kindern, ein grosses Haus mit Garten, viele Freundinnen, soziale Verpflichtungen: ich habe alle damit verbundenen Aufgaben gern gemacht. Doch letztlich war es einfach schon viel zu lange viel zu viel», resümiert Eva heute sachlich.

Nach ihrem Zusammenbruch verbrachte sie fünf Wochen in einer Reha-Klinik. Der Leiter der Schule, bei der sie tätig war, wollte, dass Eva, die sich sehr über ihren Beruf definierte, nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurückkehrte. «Er wollte mich schonen, aber für mich war es keine Erleichterung, sondern eine Belastung», erinnert sie sich ohne Bitterkeit.

Seither leidet Eva an depressiven Episoden, die mehrere stationäre und langjährige ambulante Behandlungen mit sich zogen - die letzte vor wenigen Wochen. «Ich blieb morgens im Bett liegen, konnte weder aufstehen noch etwas essen. Meine Familie machte sich grosse Sorgen und brachte mich nach Littenheid.»

Erst seit einigen Tagen geht es Eva wieder besser. Sie freut sich darauf, bald wieder nach Hause zurückzukehren. Es ist geplant, dass sie nach ihrem Austritt die Clienia-Tagesklinik in Frauenfeld besucht und sich auch weiterhin in ambulante Behandlung begibt.

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Selbst hatte Eva nie das Gefühl, überlastet zu sein, ihre Energie reichte jeweils für zwei. Heute verplant sie ihre Zeit sorgfältiger und schaut darauf, ihren Kalender nicht zu voll zu packen, genügend Pausen einzulegen und sich Ruhezeiten einzurichten.

Behandlungsansätze bei Depressionen

Depressionen treten oft in kritischen Übergängen mit besonderen Belastungen oder in Verlustsituationen auf. In der Privatklinik Hohenegg lernen Patientinnen und Patienten diese Situationen zu verstehen und entdecken einen achtsameren Umgang mit sich selbst.

Ausgangspunkt der Behandlung ist das aktuelle Leiden, in der sich die Patientinnen und Patienten befinden. In einer ersten Behandlungsphase geht es darum, in geschützter Umgebung wieder zu sich selbst zu finden. Dabei sind besserer Schlaf und der Aufbau von Tagesrhythmen von zentraler Bedeutung. Die Übung der Achtsamkeit - des Lebens im Hier und Jetzt - hilft die Situation besser zu akzeptieren.

Auf das verstärkte Kontroll- und Beziehungsbedürfnis der Patientinnen und Patienten wird therapeutisch eingegangen. Die spezifischen psychotherapeutischen Techniken wie auch die umfangreichen körper- und kunsttherapeutischen Zugänge und die pharmakotherapeutischen Massnahmen werden so angewandt, dass sie den oben genannten Behandlungsansätzen entsprechen und eine positive Grundhaltung fördern.

Lesung mit Max und Eva Hartmann

Der ehemalige Brittnauer Pfarrer Max Hartmann beschreibt in seinem Buch «Zurück zum Leben» seine persönliche Geschichte: Die Entwicklung von der ersten Ahnung bis zur Erkenntnis: «Ich leide an einer Depression und muss mich behandeln lassen.» Die Erkenntnis der Wurzeln der Krankheit und die ganzheitliche und vielfältige Behandlung. Das erste Vorwärts, erneuter Absturz, das deutliche «Zurück zum Leben» und später ein Rückfall.

Auch seine Frau wird über ihre Erfahrung als Mitbetroffene erzählen. Die Lesung mit Max und Eva Hartmann im Pfarrhaussäli Glashütten findet am Donnerstag, 18. Januar um 19 Uhr statt. Das Ehepaar wird auch gerne vorhandene Fragen beim anschliessenden Apéro beantworten. Das Buch kann anschliessend gekauft werden.

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