Auch seelische Erkrankungen können Betroffene behindern. Daher haben sie unter Umständen Anspruch auf besonderen Schutz, Reha oder auch finanzielle Hilfen. Nicht jede Behinderung ist auf den ersten Blick erkennbar. Doch unsichtbare Beeinträchtigungen wie chronische Erkrankungen oder psychische Störungen schränken viele Betroffene stark ein.
Was ist eine psychische Behinderung?
Eine psychische Behinderung liegt vor, wenn Menschen aufgrund von Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Traumafolgen oder Suchterkrankungen langfristig in ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben eingeschränkt sind. Laut Sozialgesetzbuch (SGB IX) gelten seelische Beeinträchtigungen dann als Behinderung, wenn sie länger als sechs Monate bestehen und erhebliche Einschränkungen verursachen. Nicht jede psychische Erkrankung ist also automatisch eine Behinderung, chronische können es sein.
Entscheidend ist, wie stark die Beeinträchtigung das Leben der Betroffenen beeinflusst - etwa in der Arbeit, in sozialen Beziehungen oder in der Selbstversorgung.
Unsichtbarkeit als Herausforderung
Während körperliche Behinderungen oft sichtbar sind, bleibt eine psychische Behinderung für Aussenstehende oft verborgen. Dieses Missverständnis kann dazu führen, dass Betroffene keine Unterstützung suchen und erhalten. Doch auch für sie gibt es, wie für andere Behinderungen, besondere Hilfen.
Unsichtbare Behinderungen können durch chronische Erkrankungen und psychische Beeinträchtigungen entstehen. Diabetes, Allergien, Asthma, psychische Störungen, Suchterkrankungen, Krebs, Diabetes, ME/CFS, Long Covid, Umwelterkrankungen, Parkinson, Multiple Sklerose, Demenz, Schwerhörigkeit, ADHS, Legasthenie und Inkontinenz können eine Behinderung darstellen und als solche anerkannt werden.
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Diagnoseschlüssel bei Depressionen
Sogenannte Diagnoseschlüssel werden von Fachpersonen zur Klassifikation von medizinischen Diagnosen verwendet. Diagnoseschlüsseln werden in der Medizin verwendet, um Krankheitsbilder zu klassifizieren.
F32.9 - Depressive Episode, nicht näher bezeichnet
Die Bezeichnung F32.9 stammt aus dem ICD-10, einem umfassenden Diagnosehandbuch der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Medizinische Fachpersonen wie Psycholog:innen, Ärzte oder Ärztinnen verwenden die darin enthaltenen Diagnoseschlüssel, um Krankheiten und Gesundheitsprobleme zu klassifizieren. Häufig wird die Diagnose F32.9 von der Hausärztin oder dem Hausarzt gestellt, wenn die depressive Episode zum ersten Mal festgestellt wurde. Die genaue Einordnung von Form und Schweregrad der Krankheit wird im Anschluss hingegen meist Spezialist:innen überlassen.
Umgangssprachlich wird die depressive Episode oft einfach als Depression bezeichnet, obwohl der Begriff «Depression» eigentlich breiter gefasst ist. Die Spezifizierung des Schweregrads kann hilfreich sein, um eine angemessene Therapie zu erhalten. Ein genaues Verständnis des eigenen Gesundheitszustands hilft häufig Betroffenen, besser mit den Symptomen umzugehen und damit die Genesung zu unterstützen. Zu den häufigsten Ausprägungen gehören die leichte depressive Episode (F32.0), mittelgradige depressive Episode (F32.1) oder die schwere depressive Episode (F32.2).
Der Schweregrad der depressiven Episode hängt von der Anzahl der Symptome als auch deren Auswirkungen auf den Alltag ab. Leichte Depressionen erfordern Anstrengung, um alltägliche Arbeiten zu bewältigen. Bei schweren Depressionen hingegen sind die Symptome so stark, dass der Alltag kaum mehr zu schaffen ist.
Die Diagnoseschlüssel werden häufig mit Zusatzzeichen ergänzt, die die Sicherheit der Diagnose beschreiben. G: Gesicherte Diagnose. V: Verdacht. A: Ausschluss. Auf den ersten Blick kann die Kombination aus dem Diagnoseschlüssel F32.9 und dem Zusatzzeichen G möglicherweise widersprüchlich erscheinen. Jedoch kann diese Kombination vergeben werden, wenn eine Depression mit grosser Sicherheit vorliegt, es gleichzeitig aber noch Unklarheiten zur spezifischen Form oder Schweregrad gibt. Es ist wichtig zu beachten, dass die Diagnosestellung und Behandlungsplanung von qualifizierten Fachpersonen durchgeführt werden sollten.
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F32.2 - Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome
Was bedeutet die Diagnose F32.2? Die Bezeichnung F32.2 entspringt dem sogenannten ICD-10, dem Diagnosehandbuch für Affektive und Psychische Störung. Die Bezeichnung F32.2 besteht aus zwei Teilen, genauer gesagt zwei Ziffern. Die erste Ziffer, «F32», steht allgemein für eine depressive Episode. Dies bedeutet, dass die Symptome bei dieser Form der Depression im Vergleich zur leichten und mittelgradig depressiven Episode (F32.0 und F32.1) besonders stark ausgeprägt sind.
Bei der Diagnose F32.2 ist der selbstständige Alltag aufgrund der schweren Ausprägung der genannten Symptome für Betroffene kaum bewältigbar. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass bei der Diagnose F 32.2 keine psychotischen Symptome vorliegen. Diese umfassen Halluzinationen, Verfolgungswahn, Zwangsgedanken, allgemeines Misstrauen und dergleichen.
Die Diagnoseschlüssel werden häufig mit Zusatzzeichen ergänzt, die die Sicherheit der Diagnose beschreiben. G: Gesicherte Diagnose. V: Verdacht. A: Ausschluss.
Grad der Behinderung (GdB)
Betroffene können einen Grad der Behinderung (GdB) beantragen, um als schwerbehindert anerkannt zu werden und Nachteilsausgleiche zu erhalten. Der Grad der Behinderung (GdB) wird anhand der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (PDF) vom Versorgungsamt festgelegt.
Ab einem GdB von 50 gilt eine Schwerbehinderung, ein Schwerbehindertenausweis kann beantragt werden. Bereits ab einem GdB von 30 können Betroffene auf Antrag schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, was ihnen ähnliche Rechte gewährt. Doch viele wissen nicht, wie sie diese Hilfen beantragen können oder schrecken davor zurück, sich zu "outen".
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Rechte und Hilfen
Psychische Behinderungen sind im Sinne des Sozialgesetzbuches in Deutschland anerkannt. Das Sozialrecht spricht von Menschen mit Behinderungen, wenn die körperliche, seelische oder geistige Verfassung eines Menschen oder sein Sinneszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Und zwar so, dass eine Person in Wechselwirkung mit bestehenden Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate gehindert sein könnte (§ 2 Abs. 1 SGB IX).
Nachteilsausgleiche
Zu den Nachteilsausgleichen gehören etwa:
- Steuerliche Vergünstigungen
 - Besonderer Kündigungsschutz
 - Anspruch auf zusätzliche Urlaubstage
 - Hilfen bei der Arbeitsplatzgestaltung
 
Für die Anerkennung ist in der Regel ein psychiatrisches Gutachten erforderlich.
Wie kann man Betroffene unterstützen?
- Wissen und Verständnis fördern: Wer psychische Behinderungen versteht, wird sensibler im Umgang mit Betroffenen. Dazu gehört, unvoreingenommen zuzuhören und nicht zu bagatellisieren.
 - Offenheit am Arbeitsplatz: Arbeitgeber sollten Möglichkeiten schaffen, psychische Belastungen anzusprechen und flexible Lösungen anzubieten, etwa durch Homeoffice oder angepasste Arbeitszeiten.
 - Hilfe anbieten, nicht aufzwingen: Unterstützung ist wichtig, sollte aber immer in Absprache mit den Betroffenen erfolgen. Sie wissen häufig am besten, was sie brauchen.
 
"Die Person ist nicht behindert, sie wird behindert."
Erst durch Barrieren in der Umwelt entstehe eine Behinderung, heisst es in einem Bericht der Bundesregierung.
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