Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist eine komplexe und herausfordernde, aber behandelbare Erkrankung. Sie wirkt sich auf die Emotionsregulation, das Selbstbild und zwischenmenschliche Beziehungen aus. Betroffene erleben häufig starke innere Spannungen, impulsives Verhalten und ein tiefes seelisches Leiden.
Was ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung?
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist eine tiefgreifende emotionale Entwicklungsstörung. Sie gehört zu den häufigsten Persönlichkeitsstörungen in der Psychiatrie und betrifft etwa 1-2 % der Schweizer Bevölkerung. In psychiatrischen Kliniken machen Personen mit BPS rund 10-20 % der stationären Patientinnen und Patienten aus.
Das wichtigste Kriterium, das wir für die Diagnose verwenden, ist das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung. Dabei handelt es sich um tief verwurzelte, langanhaltende Verhaltensmuster, die sich in starren, immer ähnlich ablaufenden Reaktionen im persönlichen, vor allem aber im sozialen Bereich zeigen.
Es sind also nicht einfach «Symptome», wie wir sie beispielsweise bei einer Depression sehen, sondern vielmehr auffällige Persönlichkeitszüge, die für die Betroffenen oder ihre soziale Umgebung zu einem Leiden führen. Dies ist wichtig, denn es geht nicht um eine «Schubladisierung» einer Person wegen irgendwelchen charakterlichen Besonderheiten, sondern darum, dass daraus ein Leidensdruck erwächst. Deshalb sprechen wir von Persönlichkeit-Störung.
Bis dato wurden die Persönlichkeitsstörungen in Subgruppen eingeteilt, in Zukunft wird diese Kategorisierung jedoch aufgegeben und wir werden von «Persönlichkeitsdimensionen» sprechen.
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Häufigkeit
Die Daten sind unterschiedlich, weil die Diagnose aufwändig ist und nicht wie ein Laborwert in kurzer Zeit erhoben werden kann. Man geht in der Regel von 1 bis 2 % der Bevölkerung aus. Typischerweise sind mehr Frauen betroffen und die Häufigkeit nimmt mit dem Alter ab.
Typische Symptome der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Typische Symptome für BPS sind:
- starke Stimmungsschwankungen und innere Anspannung
 - impulsives Verhalten
 - instabile Beziehungen
 - ein unsicheres Selbstbild
 - ein anhaltendes Gefühl von Leere
 - wiederkehrende Selbstverletzungen und suizidale Krisen.
 
Menschen mit einer Borderlinestörung leiden an ihrer ausgeprägten seelischen Instabilität.
- verzweifeltes Bemühen, ein reales oder imaginäres Alleinsein zu verhindern
 - Neigung, sich auf intensive, aber instabile Beziehungen einzulassen, oft mit der Folge von emotionalen Krisen
 - Störungen und Unsicherheit bezüglich Selbstbild, Zielen und inneren Präferenzen
 - wiederholt Drohungen oder Handlungen mit Selbstbeschädigung
 - anhaltende Gefühle der Leere
 - deutliche Tendenz, unerwartet und ohne Berücksichtigung der Konsequenzen zu handeln
 - Neigung zu Ausbrüchen von Wut oder Gewalt mit Unfähigkeit zur Kontrolle explosiven Verhaltens
 
Weitere Symptome sind:
- Instabile zwischenmenschliche Beziehungen durch den Wechsel von Idealisierung und Entwertung anderer
 - Ausgeprägte Stimmungsschwankungen
 - Angst vor dem Verlassenwerden
 - Gefühl, anders zu sein, als die anderen, keine eigene Identität zu haben
 - Impulsiver und selbstschädigender Lebensstil, wie exzessives Geldausgeben, riskantes Sexualverhalten, Substanzmissbrauch, Glücksspiel, Essanfälle etc.
 
Die Betroffenen haben oft Mühe, ihre eigenen Emotionen zu erkennen, einzuordnen, zu benennen und dabei eine gewisse innere Distanz zu entwickeln. Sie werden gewissermassen überflutet von ihren eigenen Gefühlen, sind dadurch nicht selten bedroht oder überfordert.
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Dies führt dann zu Handlungen, die die Patientinnen und Patienten nicht mehr gut kontrollieren können, wie beispielsweise plötzliche Beziehungsabbrüche, Wutausbrüche oder auch selbstverletzende, spannungsregulierende Handlungen.
Persönliche, aber auch Arbeitsbeziehungen sind oftmals schwierig aufrechtzuerhalten. Betroffene brauchen verlässliche, stabile, wohlwollende, aber klare und verlässliche Beziehungen. Dann kann eine Teilhabe an der Gesellschaft gut gelingen.
Selbsttest für Borderlinesymptome
Der nachfolgende Selbsttest prüft Borderlinesymptome:
- Bemühen Sie sich oft verzweifelt, ein tatsächliches oder auch nur vermutetes Verlassenwerden zu vermeiden?
 - Sind Ihre Beziehungen instabil und gekennzeichnet durch einen schnellen Wechsel von Idealisierung und Entwertung oder von Liebe und Hass?
 - Ist Ihr Selbstbild oder Ihre Selbstwahrnehmung deutlich instabil?
 - Verhalten Sie sich oft impulsiv oder selbstschädigend (Geldausgeben, Sexualität, Drogen, Alkohol, zu schnelles Fahren, Fressanfälle)?
 - Haben Sie sich schon selbst verletzt? Gab es suizidale Handlungen oder Selbstmordandeutungen?
 - Leiden Sie unter ausgeprägten Stimmungsschwankungen oder affektiver Instabilität (zum Beispiel Reizbarkeit, Angst, schlechte Laune, wobei diese Verstimmungen gewöhnlich nur kurz andauern)?
 - Fühlen Sie sich oft innerlich leer?
 - Hatten Sie schon Probleme mit ungemessener Wut, oder Schwierigkeiten, Wut zu kontrollieren (Wutausbrüche, andauernde Wut oder körperliche Auseinandersetzung)?
 - Kennen Sie vorübergehende, durch Belastung ausgelösten misstrauisch-paranoide Vorstellungen oder einen Verlust des Realitätsbezuges?
 
Ursachen der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Die Ursachen sind vielschichtig. Häufig gehen belastende Kindheitserfahrungen wie emotionale Vernachlässigung, Missbrauch oder instabile Bindungen voraus.
Viele Symptome der BPS sind Ausdruck sogenannter maladaptiver Verhaltensmuster für dysfunktionale Zuwendung. Damit sind erlernte Strategien gemeint, die kurzfristig bei den typischen Symptomen helfen, aber langfristig schaden. Diese Muster entstehen nicht unbedingt bewusst oder absichtlich. Sie sind meist Ausdruck eines tiefen inneren Leidens und dienen der Selbstregulation.
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Persönlichkeitsstörungen galten lange als rein erworbene Störungen. Heute sieht man es etwas differenzierter und es werden auch genetische oder mindestens familiäre (transgenerationale) Ursachen diskutiert. Die erworbene Komponente bleibt aber die meistgenannte. Dabei wurde in den letzten Jahren immer deutlicher, dass sehr viele «Borderline»-Patientinnen und -patienten traumatische biographische Erlebnisse berichten.
Es handelt sich dabei nicht ausschliesslich um Missbrauchserleben, sondern auch um andere sogenannte Adverse Childhood Experiences (ACE), wie beispielsweise emotionale Entbehrung oder mangelndes Sicherheitsempfinden als Kind. Die sogenannte «komplexe Traumafolgestörung», wie sie in der neuen Klassifikation psychischer Erkrankungen beschrieben wird, hat denn eine grosse Überlappung mit der Borderlineerkrankung.
Diagnose der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Die Diagnose wird von einer Fachperson aufgrund sich wiederholender Symptome und Angaben des Patienten zu seiner Lebensgeschichte gestellt. In einer aktuellen Untersuchung wird das eigene Erleben des Verhaltens erfragt. Daneben sind aber auch Informationen über die Biographie, die bisherige Lebensbewältigung und Aussagen der Angehörigen sehr wichtig. Zusätzlich können testpsychologische Untersuchungen die Diagnose erhärten.
Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Eine BPS ist behandelbar. Empfohlen werden psychotherapeutische Verfahren, die spezifisch für die Störung entwickelt wurden:
- Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT)
 - Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT)
 - Schematherapie
 - Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP)
 
Diese Behandlungen fördern den Umgang mit Gefühlen, Impulskontrolle und Beziehungsfähigkeit. Eine Psychotherapie wiederum kann nur mit einer intrinsischen Behandlungs- und Veränderungsmotivation erfolgen und nicht erzwungen werden.
Die Behandlung ist eine Domäne der Psychotherapie. Es gibt keine Medikamente gegen eine Borderlinestörung. Trotzdem werden solche gelegentlich verschrieben, beispielsweise bei Schlafstörungen oder Depressionen, die aufgrund der Persönlichkeitsproblematik zusätzlich auftreten können.
In der Psychotherapie geht es zuallererst um das Schaffen einer tragfähigen, verlässlichen, vertrauensvollen Beziehung. Dies kann unter Umständen eine schwierige, langwierige Arbeit sowohl für die Betroffenen als auch für die Therapeutinnen und Therapeuten sein. Zudem gibt es einige sehr gut untersuchte und breit angewandte spezifische Therapieverfahren wie die Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT) oder die Übertragungsfokussierte Therapie (TFP), die auch in dafür spezialisierten Psychotherapiestationen angeboten werden.
Bekannt ist auch das sogenannte Skillstraining, das aus der DBT stammt und breit angewandt wird. Dabei lernen Patientinnen und Patienten Werkzeuge kennen, wie sie ihr Erleben besser wahrnehmen und steuern können. Viele haben einen eigentlichen «Skillskoffer» zusammengestellt, aus dem sie sich dann je nach Situation Hilfe zuführen können. Bei klaren Traumatas in der Biographie bieten sich zudem traumafokussierte Therapien an. Alle Therapieverfahren müssen mit den Betroffenen sorgfältig evaluiert und ausgewählt werden.
Die Behandlung einer BPS erfolgt in der Regel ambulant. Stationäre Aufenthalte sind auf akute Krisensituationen oder störungsspezifische psychotherapeutische Programme beschränkt. Dazu gehören: klar strukturierte Abläufe, transparente Regeln, der bewusste Verzicht auf übermässige Fürsorge oder Zwangsmassnahmen.
Zum Teil werden Betroffene nach Selbstverletzung oder suizidaler Kommunikation bewusst entlassen. Dies geschieht nicht, weil ihr Leiden nicht ernst genommen wird, sondern um maladaptive Verhaltensmuster nicht ungewollt zu verstärken.
Umgang mit Angehörigen
Angehörige sind oft stark belastet und emotional involviert. Sie erleben die Krise hautnah mit und wünschen sich meist Schutz und sofortige Hilfe. Wichtig ist: die Symptome zu verstehen, ohne sie zu verharmlosen, Verantwortung dort zu lassen, wo sie hingehört (bei der betroffenen Person), sich selbst Unterstützung zu holen.
Kompetenzzentrum für Borderline-Persönlichkeitsstörungen
Das Kompetenzzentrum für Borderline-Persönlichkeitsstörungen der PDAG bietet Patientinnen und Patienten bereits ab 17 Jahren eine umfassende Unterstützung. Gezielte Akutbehandlungen und individuelle Förderung sollen langfristig ihre Therapiefähigkeit für ambulante und stationäre Psychotherapien stärken.
Um das familiäre Umfeld zu unterstützen, bietet das Kompetenzzentrum für Borderline-Persönlichkeitsstörungen der PDAG spezielle Beratungen und Workshops an.
Das Kompetenzzentrum für Borderline-Persönlichkeitsstörungen sowie die Fachstelle für Angehörige der PDAG bieten Gespräche, Workshops oder Angehörigenberatung an.
Wichtig: Dieser Artikel dient nur zu Informationszwecken und ersetzt keine professionelle medizinische Beratung. Bei Verdacht auf eine Borderline-Persönlichkeitsstörung sollte immer ein Arzt oder Psychotherapeut konsultiert werden.
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