Hilfe gegen Bulimie: Ursachen, Symptome und Behandlung

Bulimie ist wie Magersucht und Binge-Eating eine Störung des Essverhaltens. Sie ist gekennzeichnet durch Essanfälle und nachfolgendes Entgegenwirken einer Gewichtszunahme durch Erbrechen, Abführmittel und Hungerphasen.

Was ist Bulimie?

Bulimie (Bulimia nervosa) zählt zu den Essstörungen. Umgangssprachlich wird sie auch als Ess-Brech-Sucht bezeichnet. Typische Bulimie-Symptome sind Heisshungerattacken, bei denen die Betroffenen unkontrolliert grosse Mengen an Nahrung verzehren. Um nicht zuzunehmen, ergreifen sie anschliessend drastische Gegenmassnahmen wie selbst herbeigeführtes Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln oder sie treiben exzessiv Sport.

Ursachen von Bulimie

Für die Bulimie lässt sich nicht „die eine“ Ursache festmachen. Vermutlich sind mehrere Faktoren am Werk, die zusammenwirken müssen. Dazu gehören biologische, genetische, familiäre und gesellschaftliche Einflüsse. Wir verstehen eine Abhängigkeitserkrankung oder eine Essstörung als multifaktorielle Erkrankung, deren Ursachen sowohl biologisch (z.B. Körper, Genetik), psychisch (z.B. Traumata, Emotionen) als auch sozial (z.B. Familie, Arbeitsplatz, gesellschaftliche Identität als Frau) bedingt sind.

Psychische Hintergründe

Menschen mit Bulimie streben eine Figur an, die dem herrschenden, überschlanken Schönheitsideal entspricht. Dadurch erhoffen sie sich Anerkennung und Zuneigung. Zuzunehmen erscheint ihnen bedrohlich, da sie sich vor Ausgrenzung fürchten. Aber auch für die Regulation negativer Emotionen kann ein Essanfall ein Ventil bedeuten.

Weitere mögliche Ursachen:

  • Familiäre und/oder psychische Natur
  • Geringes Selbstwertgefühl
  • Schwierigkeiten, Stress zu bewältigen
  • Schwierige Familienkonstellationen
  • Schlankheitsideal der Medien

Symptome von Bulimie

Die typischen Symptome der Bulimie sind heimliche Essanfälle und Heisshungerattacken, die meist mehrmals pro Woche und oft abends oder nachts einsetzen. Bulimiker/-innen können enorme Mengen an Nahrungsmitteln innerhalb kürzester Zeit verschlingen. Meist sind die Lebensmittel sehr fett- und zuckerreich: Schokolade, Kuchen, Torten, Chips oder Hamburger.Nach dem Heisshungeranfall folgt das zweite wichtige Symptom der Bulimie: Betroffene versuchen jetzt, der drohenden Gewichtszunahme entgegenzusteuern. Meist tun sie dies durch Erbrechen, das sie selbst auslösen. Dies verschafft ihnen Erleichterung, aber nur vorübergehend. Durch den Kontrollverlust bei einem Essanfall empfinden die meisten anschliessend grosse Scham- und Schuldgefühle. Und diese wirken sich wiederum negativ auf das ohnehin oft schon niedrige Selbstwertgefühl, das seelische Befinden und die Lebensqualität aus.

Wann zum Arzt?

  • Regelmässige Essattacken
  • Entgegenwirken einer Gewichtszunahme (Erbrechen, Medikamente, etc.) nach Essattacke
  • Einsicht/Erkenntnis bez. der eigenen Erkrankung
  • Schmerzen/Brennen im Mund und der Speiseröhre
  • „Geschwollene Backen“ (Entzündung der Ohrspeicheldrüse)
  • Sozialer Rückzug
  • Zahnarzt: Zahnschäden, Zahnschmerzen, etc.

Folgen von Bulimie

Die Bulimie kann schwerwiegende Folgen nach sich ziehen, die den Körper, die Psyche und den Lebensalltag betreffen. Beispielsweise kann es zu Verlust der Interessen und Hobbies, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Zahnschäden, Verdauungsproblemen, Kreislaufstörungen usw. kommen.

Körperliche Folgen

Das grösste körperliche Risiko bei der Bulimie ist, dass man durch das Erbrechen einen akuten Mangel an Kalium im Körper bekommt. Das kann zu gefährlichen Herz-Rhythmus-Störungen und zu Nierenversagen führen. Sonst hat man bei der Bulimie als körperliche Begleiterkrankungen Entzündungen und Schwellungen der Speicheldrüsen. Karies kann auch entstehen.

Untersuchungen und Diagnose

Besteht der Verdacht auf eine Bulimie, ist es sinnvoll, zunächst in der Hausarztpraxis vorzusprechen. Der erste Schritt für die Diagnose ist dann ein ärztliches Anamnesegespräch.

Psychologische Diagnostik

Erhärtet sich der Verdacht, wird die weitere Diagnostik von einer psychotherapeutischen Fachkraft durchgeführt. Da die Bulimie überwiegend psychische Ursachen hat, ist eine Behandlung der körperlichen Beschwerden nicht ausreichend. Der Psychotherapeut kann mithilfe eines klinischen Interviews die spezifischen psychischen Beschwerden erfassen. Er kann zudem bestimmen, ob der Patient an weiteren Störungen leidet. Menschen mit Bulimie leiden häufig auch an Depression, Angststörungen oder Persönlichkeitsstörungen.

Diagnosekriterien der Bulimie

Nach dem Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen (DSM-V) gelten folgende Merkmale als Bulimie-Anzeichen:
  • wiederholte Episoden von Fressattacken
  • wiederholte Anwendung von unangemessenen, einer Gewichtszunahme gegensteuernden Massnahmen
  • Essattacken und unangemessenes Kompensationsverhalten treten mindestens drei Monate lang mindestens einmal pro Woche auf.
  • Figur und Körpergewicht haben einen übermässigen Einfluss auf die Selbstbewertung.
  • Symptome treten nicht ausschliesslich im Zusammenhang mit einer Magersucht auf.

Zur Erfassung der Diagnosekriterien hat man einen speziellen Fragebogen entwickelt: das Strukturierte Interview für Anorexie und Bulimie (SIAB). Dafür gibt es zwei Varianten:

  • eine Fragebogenversion zur Selbsteinschätzung mit 87 Items (SIAB-S)
  • ein Experteninterview mit 85 Fragen, die die Ärztin oder der Psychologe gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten durchgeht (SIAB-EX).
Sie umfassen neben den Symptomen einer Essstörung auch Anzeichen anderer psychischer Erkrankungen, wie Ängste und Depressionen, sowie Störungen der sozialen Kompetenz, die oft gemeinsam mit einer Bulimie auftreten.

Körperliche Untersuchung

Neben der psychologischen Diagnostik ist auch eine körperliche Untersuchung notwendig. Der Arzt untersucht auch das Blut, das aufgrund des Erbrechens oft arm an lebenswichtigen Salzen ist. Weiter prüft er, ob Magen, Speiseröhre und Zähne verletzt oder durch Magensäure angegriffen sind. Zeigen sich durch den Mangel an Salzen bereits Nierenschäden oder Herzrhythmusstörungen, testet der Arzt die Funktion dieser Organe über EKG, Herzecho und einen Ultraschall der Nieren.

Bulimie-Test

Im Internet gibt es eine ganze Reihe von Online-Angeboten zum Bulimie-Test. Solche Tests orientieren sich an den Fragen, die auch ein Arzt stellen würde, etwa
  • zu den Essattacken
  • zu Essverhalten und Diäten
  • zur Einstellung zum eigenen Körper
  • zum Selbstwertgefühl
  • zu selbst herbeigeführtem Erbrechen, Abführmittelkonsum und Sportexzessen
Eine sichere Diagnose für Bulimie kann zwar nur ein Experte stellen, die Onlinetests bieten jedoch eine Orientierungshilfe. So kann ein Bulimie-Test im Internet den Betroffenen dazu anregen, sich über sein Essverhalten Gedanken zu machen und sich gegebenenfalls Hilfe zu suchen.

Behandlung von Bulimie

Die Bulimie ist eine ernst zu nehmende psychische Störung. Trotz der erheblichen Scham und des Leidensdrucks, die mit der Erkrankung einhergehen, stehen sie einer Therapie meist zwiespältig gegenüber: Sie wollen einerseits die Kontrolle über das Essverhalten zurückerlangen, andererseits haben sie Angst, zuzunehmen. Daher ist professionelle Hilfe bei Bulimie unverzichtbar.

Ziele bei der Behandlung von Bulimie sind vor allem:

  • Kurzfristig eine rasche Veränderung des Essverhaltens zu erreichen, um die körperliche Gesundheit wiederherzustellen oder zu erhalten.
  • Langfristig den Betroffenen zu helfen, die Ursachen für das gestörte Essverhalten zu erkennen und diese zu beseitigen oder andere Wege zu finden, damit umzugehen.

Normalisierung des Essverhaltens

In leichteren Fällen ist eine Bulimie auch ambulant behandelbar. In schweren Fällen muss jedoch die Ernährung kontrolliert werden, damit die Patienten zu einem gesunden Essverhalten zurückfinden können. Das ist in der Regel nur in einem stationären Rahmen möglich.

Vertrauen und Motivation aufbauen

Zu Beginn der Behandlung gilt es vor allem, ein Vertrauensverhältnis zwischen Therapeuten oder Therapeutin und der essgestörten Person aufzubauen. Sie ist die Basis für alle nachfolgenden Schritte.

Nicht zu viel und ohne Erbrechen

Gemeinsam mit den Betroffenen erstellt man einen ausgewogenen Essensplan. Ziel ist es, regelmässig Mahlzeiten zu sich zu nehmen - mindestens drei am Tag. Es geht darum zu essen, ohne in eine Essattacke zu verfallen oder das Essen zu erbrechen.

Angst vor Kalorien nehmen

Die Patientinnen und Patienten lernen auch kalorienreichere Lebensmittel, die sie ausserhalb der Ess-Brech-Attacken vermieden haben, ohne Angst zu sich zu nehmen. Sie werden auch bei der Zubereitung des Essens eingebunden. Der Umgang mit Lebensmitteln soll für sie zu einer positiven, entspannten Erfahrung werden.

Normalisierter Essdrang

Durch die regelmässige und abwechslungsreiche Ernährung wird auch der Drang geringer, sich grosse Nahrungsmengen einzuverleiben.

Psychotherapie

Häufig wird eine kognitive Verhaltenstherapie zur Behandlung von Bulimie eingesetzt.
  • Realistisches Körperbild: Die Patienten sollen eine realistische Einstellung zu ihrem Körper und ihrem Gewicht entwickeln. Dabei geht es auch darum, die gesellschaftlichen Idealvorstellungen von Schönheit und Schlankheit zu hinterfragen.
  • Auslöser suchen: In Zusammenarbeit mit dem Therapeuten ergründen die Bulimie-Patienten, welche Situationen einen Ess-Brech-Anfall hervorrufen. Dabei kann ein Ernährungstagebuch helfen. Daraufhin versucht der Therapeut zusammen mit dem Patienten alternative Wege und Verhaltensweisen zu finden, um mit belastenden Situationen umzugehen.
  • Konfrontationstherapie: In der Bulimie-Therapie wird häufig mit sogenannten Konfrontationen gearbeitet. Dabei setzen sich die Betroffenen in therapeutischer Begleitung angstauslösenden Situationen oder Reizen aus. Konkret werden ihnen beispielsweise Lebensmittel vorgelegt, die sonst eine Essattacke ausgelöst hätten. Sie dürfen sie anfassen und beschnuppern, aber nicht verzehren. Die therapeutisch begleitete Auseinandersetzung führt zu einem stetigen Abbau der Ängste.

Breites Therapiespektrum

Bei einem stationären Aufenthalt wird in der Regel ein breites Spektrum an Therapien zur ganzheitlichen Behandlung genutzt. Dazu gehören:
  • Einzeltherapie
  • Gruppentherapie
  • Gestalttherapie
  • Kunsttherapie
  • Bewegungstherapie
  • Musiktherapie
  • Entspannungskurse
  • Ernährungsberatung

Medikamentöse Behandlung

Zu Beginn der Bulimie-Therapie und in Krisen erhalten manche Patienten vorübergehend antidepressive Substanzen. Vor allem wird hierzu das Medikament Fluoxetin eingesetzt. Es hat nicht nur eine antidepressive Wirkung, sondern reduziert auch die Ess-Brech-Anfälle. Als alleinige Therapie bei Bulimie sind Medikamente nicht geeignet.

Krankheitsverlauf und Prognose

Die Bulimie beginnt meistens in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter. Häufig sind Diäten der Einstieg in die Ess-Brech-Sucht. Der Bulimie kann eine Phase starker Gewichtsabnahme vorausgehen, die dann in Ess-Brech-Anfälle umschlägt. Auch kann sich Bulimie aus einer Magersucht entwickeln.Im Verlauf der Erkrankung gibt es immer wieder auch Zeiten, in denen Bulimie-Betroffene normal essen. Die Anzahl der Ess-Brech-Anfälle schwankt individuell. In belastenden Phasen, in denen die Patienten besonders gestresst sind, treten Ess-Brech-Anfälle gehäuft auf.Oft wird die Bulimie erst nach längerer Krankheitsdauer behandelt. Immerhin wird etwa die Hälfte der Patienten, die an Bulimie litten, gesund, wenn auch meist erst nach mehrjährigem Krankheitsverlauf. Je früher eine die Bulimie festgestellt wird, desto besser ist sie behandelbar und desto höher sind auch die Heilungschancen. In mehr als der Hälfte der Fälle ist die Bulimie heilbar. Dennoch sind der Verlauf und die Behandlung oft langwierig - es kann immer wieder zu Rückfällen kommen.

Hilfsangebote

Der Austausch mit Gleichbetroffenen kann bei der Bewältigung einer Krankheit eine grosse Unterstützung sein. Beratung auf der Suche nach einer geeigneten Selbsthilfegruppe erhalten Sie bei Selbsthilfe Zürich.

Zusammenfassung

Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Aspekte der Bulimie zusammen:
Aspekt Beschreibung
Definition Essstörung mit Essanfällen und kompensatorischem Verhalten
Ursachen Multifaktoriell (biologisch, psychisch, sozial)
Symptome Heisshungerattacken, Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln, exzessiver Sport
Diagnose Anamnese, psychologische Tests, körperliche Untersuchung
Behandlung Psychotherapie, Ernährungstherapie, Medikamente
Prognose In vielen Fällen heilbar, aber Rückfälle möglich

Lesen Sie auch: Angehörigen-Ratgeber

Lesen Sie auch: Was ist ambulante psychiatrische Hilfe?

Lesen Sie auch: Umgang mit paranoider Schizophrenie

tags: #hilfe #gegen #bulimie #ursachen