Entstehung der Borderline-Persönlichkeitsstörung: Kindheit und Ursachen

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist eine komplexe psychische Erkrankung, die durch eine Vielzahl von Symptomen gekennzeichnet ist. Borderline steht für Grenzlinie. Gemäss ICD 10, dem Diagnosehandbuch für Psychische Störungen, ist Borderline ein Subtyp der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung und gehört zu den häufigsten Persönlichkeitsstörungen. Alleine in der Schweiz leben rund drei Prozent der Bevölkerung mit der Persönlichkeitsstörung.

Menschen mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung haben starke Angst vor Zurückweisung und Schwierigkeiten, emotionale Erlebnisse zu verarbeiten und einzuordnen. Bei Menschen mit Borderline reicht oft ein kleiner Auslöser aus, damit die Stimmung kippt. Gefühle von Wut, Angst oder Verzweiflung setzen schlagartig und sehr intensiv ein, wechseln aber auch schnell wieder. Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) kann zu verschiedenen Symptomen führen. Borderline hat einen grossen Einfluss auf den Alltag.

Vor allem Emotionen und Verhalten sind stark betroffen, wie Stephanie, die mit der Persönlichkeitsstörung lebt, im Beitrag «Was ist Borderline?» erklärt: «Jede Emotion kann sich bis zu neunmal stärker anfühlen als für Menschen ohne Borderline. Auch Impulsivität, Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen deuten auf das Borderline-Syndrom hin. Der impulsive Borderline-Typ: Mangelnde Kontrolle über die Emotionen und die emotionale Instabilität stehen im Fokus.

Ursachen der Borderline-Persönlichkeitsstörung

Die Ursachen für das Borderline-Syndrom sind nicht restlos geklärt. Allerdings sind die Borderline-Ursachen noch nicht abschliessend geklärt. Die Erkrankung ist nicht direkt vererbbar, jedoch besteht eine genetische Veranlagung, die gemeinsam mit frühen traumatischen Erfahrungen die Störung auslösen kann. Als sicher gilt, dass eine genetische Veranlagung und frühe traumatische Erfahrungen zusammenwirken und die Störung dann möglicherweise auslösen. Die bislang einzige Zwillingsstudie hat gezeigt, dass die genetischen Faktoren einen grossen Einfluss auf die Entstehung des Borderline-Syndroms haben. Somit ist Borderline selbst zwar nicht vererbbar, die Veranlagung dafür aber schon.

Es gibt ein Erklärungsmodell dafür ist das Bio-psycho-soziale Krankheitsmodell, welches in der modernen Psychologie häufig angewendet wird. Folglich wirken mehrere Faktoren so zusammen, dass sich eine Störung entwickeln kann. Auch bei einer Borderline-Störung sind verschiedene Faktoren für eine Entstehung der Krankheit ursächlich. Im Folgenden werden Umwelt-, neurobiologische und die genetischen Einflüsse betrachtet, welche eine wichtige Rolle bei der Entstehung einer Borderline-Störung spielen können.

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Traumatische Erlebnisse in der Kindheit

Die häufigste Ursache einer Borderline-Störung sind traumatische Erlebnisse in der Kindheit. Ein entscheidender Faktor für die Entstehung einer Borderline-Störung sind traumatische Erlebnisse in der frühen Kindheit. Häufig berichten Betroffene einer Borderline-Störung über zum Teil schwere kindliche Traumata. Gemäss Theodor-Wenzel-Werk in Berlin finden sich bei Borderliner:innen in mindestens siebzig Prozent der Fälle Traumata wie sexueller Missbrauch und/oder emotionale Vernachlässigung. In Studien zeigen bis zu 40 % der Patienten mit Borderlinestörung das zusätzliche Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung, bis zu 80 % traumatische Erlebnisse in ihrer Kindheit.

Traumatisierungen erhöhen das Risiko für das Borderline-Syndrom erheblich. Ein grosser Teil der Betroffenen ist in der frühen Kindheit sexuell missbraucht worden - insbesondere innerhalb der Familie. Borderline-Patienten haben auch in vielen Fällen körperliche Gewalt erlebt. Auch seelische Misshandlungen liegen in einigen Fällen dem Borderline-Syndrom zugrunde. Viele der Patienten wurden in ihrer Jugend schwer vernachlässigt. Mangelnde Wärme in den familiären Beziehungen oder unberechenbare Bezugspersonen erhöhen das Risiko.

Frühe Trennungserfahrungen durch Scheidung oder Tod eines Elternteils begünstigen ebenfalls die psychische Erkrankung. Auch psychische Auffälligkeiten in der Familie wie Alkohol-Missbrauch, Depressionen oder Schizophrenie erhöhen für Kinder das Risiko, ein Borderline-Syndrom zu entwickeln.

Betroffene einer Borderline-Störung erleiden solche Traumata oftmals durch wichtigen Bezugspersonen. Das Verhältnis zur Bezugsperson kommt dann in einen Widerspruch. Einerseits ist es eine geliebte und schützende Person, andererseits fügt sie den Betroffenen Schaden zu und erscheint in einem Licht der «Täterschaft». Dieser Widerspruch ist besonders für Kinder schwierig zu verarbeiten. Deshalb werden häufig negative Gefühle gegen sich selbst empfunden - und es kann zu selbstschädigendem Verhalten führen.

So auffällig die Häufung von Traumatisierungen bei Patienten mit dem Borderline-Syndrom ist - bei einem Teil der Patienten entwickelt sich die Persönlichkeitsstörung offenbar auch ohne erschütternde Erfahrungen. Es ist also nicht immer und automatisch die Familie "schuld" an der seelischen Erkrankung.

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Genetische Faktoren

Auch die Gene spielen eine Rolle: Die Forschung geht davon aus, dass etwa vierzig Prozent der Borderline-Störungen auf den genetischen Einfluss zurückzuführen sind. Ein weiterer Faktor für die Entstehung einer Borderline-Störung ist die genetische Veranlagung. Jedoch konnten noch keine bestimmten Gene für die Entstehung der Krankheit gefunden werden.

Neurobiologische Ursachen

Zuletzt können neurobiologische Ursachen eine Borderline-Störung auslösen. Ein weiterer Faktor in der Entstehung einer Borderline-Störung ist die Funktionsweise des Gehirns. Das heisst vereinfacht, dass bei Betroffenen das Hirnareal für die Impulskontrolle mangelhaft funktioniert. Wie im Teil 1: Symptome und Diagnose erwähnt, leiden Betroffene an einer geringeren Impulskontrolle. Sie erleben intensive Anspannungszustände und werden von ihren Gefühlen überwältigt, so kann es zu extremen Wutausbrüchen kommen.

Forscher gehen davon aus, dass bei Menschen mit dem Borderline-Syndrom die Kommunikation bestimmter Hirn-Zentren, welche die emotionale Verarbeitung kontrollieren, gestört ist. Daher erleben Borderliner alle Gefühle sehr viel intensiver als Gesunde. Ob diese Tendenz angeboren ist oder erst durch traumatische Erfahrungen entsteht, ist bislang noch nicht klar.

In manchen Studien wurde von einer Beeinträchtigung des Frontalhirns bei Borderlinern berichtet. Diese Gehirnregion ist unter anderem für die Impuls-Steuerung bedeutend. Handlungen werden dort geplant und auch gehemmt. Die eingeschränkte Funktion des Frontal-Lappens hängt eventuell mit den impulsiven Aktionen von Borderline-Patienten zusammen.

Symptome und Diagnose

Für eine Diagnose der Borderline-Persönlichkeitsstörung müssen mehrere der oben genannten Symptome vorliegen. Zudem müssen die Symptome bereits über längere Zeit bestehen und bis ins Jugendalter zurückverfolgt werden können. Die Diagnose wird von einer Fachperson aufgrund sich wiederholender Symptome und Angaben des Patienten zu seiner Lebensgeschichte gestellt. In einer aktuellen Untersuchung wird das eigene Erleben des Verhaltens erfragt. Daneben sind aber auch Informationen über die Biographie, die bisherige Lebensbewältigung und Aussagen der Angehörigen sehr wichtig. Zusätzlich können testpsychologische Untersuchungen die Diagnose erhärten.

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Psychiater:innen bewerten die Fähigkeit der Patient:innen, Beziehungen zu gestalten, die sozialen und beruflichen Auswirkungen, den Umgang mit Emotionen sowie potenzielle Selbst- oder Fremdgefährdung. Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden oft auch unter anderen psychischen Erkrankungen. Borderline-Persönlichkeitsstörungen werden oft mit der bipolaren Störung verwechselt. Der grosse Unterschied zwischen den zwei Diagnosen ist, dass die Stimmung bei Borderliner:innen innert kürzester Zeit kippen kann, während die manischen und depressiven Phasen bei der bipolaren Störung in der Regel mehrere Wochen bis Monate andauern.

Behandlungsmöglichkeiten

Wie die anderen Persönlichkeitsstörungen wird Borderline mittels Psychotherapie und allenfalls ergänzender medikamentöser Therapie behandelt. Die Behandlung einer Borderline-Erkrankung ist manchmal schwierig und dauert wegen der tief verankerten Persönlichkeitsstruktur meist lange an. Inzwischen gibt es zahlreiche erprobte Behandlungsansätze, die zu einer deutlichen Reduktion der Symptome und einem verbesserten zwischenmenschlichen Verhalten führen.

Bei Borderline-Störungen sind kognitive Verhaltenstherapien besonders wirksam. In den letzten Jahren sind verschiedene Psychotherapieverfahren für die Borderline-Erkrankung entwickelt worden, die im Einzel- oder im Gruppensetting angewendet werden können. So etwa die dialektisch-behaviorale Therapie (DBT), die Schematherapie, die mentalisierungsbasierte Therapie und die übertragungsfokussierte Therapie.

Die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) ist eine spezielle Form davon, sie wurde unter anderem für Menschen mit Borderline entwickelt. Mit der DBT hat Stephanie besonders gute Erfahrungen gemacht, wie sie erklärt: «Sie hat mir mein Leben gerettet. In der Einzeltherapie, wie auch in Gruppen und stationär.» Dank DBT habe sie gelernt, sich von dysfunktionalen Verhaltensweisen zu lösen.

Was für Menschen ohne die Erkrankung wie eine einfache Meinungsverschiedenheit erscheint, kann bei Borderliner:innen rasch zu einer Eskalation führen. Vor allem für Angehörige kann das belastend sein. Wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass die Borderline-Persönlichkeitsstörung eine ernsthafte psychische Erkrankung und professionelle Hilfe unerlässlich ist. Als Angehörige:r ist es nicht möglich, den oder die Betroffene:n selbst zu therapieren oder ihnen ausreichend zu helfen. Lediglich auf den eigenen Umgang mit der Erkrankung können Angehörige Einfluss nehmen.

Umgang mit Borderline als Angehöriger:

  • Ruhig und gelassen bleiben: Die eigene Ruhe kann sich positiv auf das Gegenüber auswirken.
  • Verständnis zeigen: Versuchen Sie, die Gefühle und Sorgen der Person nachzuvollziehen.
  • Auf sich selbst achten: Es ist wichtig, klare Grenzen zu setzen und diese auch zu kommunizieren.
  • Raum und Zeit geben: Manchmal braucht die Person Zeit, um sich zu beruhigen.
  • Professionelle Hilfe suchen: Ermutigen Sie die betroffene Person dazu, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um ihre Emotionen und Bewältigungsstrategien besser zu verstehen.

ICD-Codes:

ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen. F60

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