Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist eine komplexe psychische Erkrankung, die durch eine anhaltende Störung der Emotionsregulation gekennzeichnet ist. Deswegen zählt man die Borderline-Störung auch den sogenannten Persönlichkeitsstörungen. Es ist wichtig zu verstehen, dass eine psychische Störung selten auf eine einzelne Ursache zurückzuführen ist.
In der Schweiz leiden schätzungsweise 200.000 bis 300.000 Menschen an einer Borderline-Störung. Für eine Diagnose der Borderline-Persönlichkeitsstörung müssen mehrere Symptome vorliegen, die bereits über längere Zeit bestehen und bis ins Jugendalter zurückverfolgt werden können.
Das Bio-psycho-soziale Krankheitsmodell
Ein Erklärungsmodell dafür ist das Bio-psycho-soziale Krankheitsmodell, welches in der modernen Psychologie häufig angewendet wird. Demnach werden Krankheiten aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet - der Biologie, der Psychologie und dem sozialen Bereich, wie z.B. der Umwelt. Folglich wirken mehrere Faktoren so zusammen, dass sich eine Störung entwickeln kann.
- Biologische Sicht: Beurteilung der körperlichen Symptome und der Frage, ob eine Krankheit vererbbar ist.
 - Psychologische Sichtweise: Befasst sich mit den Verarbeitungsprozessen von Gefühlen und Gedanken.
 - Soziale Perspektive: Betrachtet den Einfluss des Umfelds (Familie, Freunde, Kultur) auf die Entstehung einer Krankheit.
 
Ursachen und Einflussfaktoren
Auch bei einer Borderline-Störung sind verschiedene Faktoren für eine Entstehung der Krankheit ursächlich. Im Folgenden werden Umwelt-, neurobiologische und die genetischen Einflüsse betrachtet, welche eine wichtige Rolle bei der Entstehung einer Borderline-Störung spielen können.
Traumatische Erlebnisse in der Kindheit
Ein entscheidender Faktor für die Entstehung einer Borderline-Störung sind traumatische Erlebnisse in der frühen Kindheit. Häufig berichten Betroffene einer Borderline-Störung über zum Teil schwere kindliche Traumata. In Studien zeigen bis zu 40 % der Patienten mit Borderlinestörung das zusätzliche Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung, bis zu 80 % traumatische Erlebnisse in ihrer Kindheit.
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Grundsätzlich werden anhand von Dauer, Häufigkeit und Intensität zwei Typen von Traumata unterschieden:
- Typ-I: plötzlich eintretende Einzelereignisse wie Unfälle, Überfälle, kurzdauernde Katastrophen, sexuelle Traumen
 - Typ-II: langdauernde traumatische Ereignisse oder sich immer wieder wiederholende Einzelereignisse, wie langdauernde Naturkatastrophen, Traumatisierung mit Gewalt, Entwertung und sexueller Gewalt inner- und ausserfamiliär.
 
Betroffene einer Borderline-Störung erleiden solche Traumata oftmals durch wichtigen Bezugspersonen. Dieser Widerspruch ist besonders für Kinder schwierig zu verarbeiten. Deshalb werden häufig negative Gefühle gegen sich selbst empfunden - und es kann zu selbstschädigendem Verhalten führen.
Genetische Veranlagung
Ein weiterer Faktor für die Entstehung einer Borderline-Störung ist die genetische Veranlagung. Die Forschung geht davon aus, dass etwa 40% der Borderline-Störungen auf den genetischen Einfluss zurückzuführen seien. Jedoch konnten noch keine bestimmten Gene für die Entstehung der Krankheit gefunden werden.
Neurobiologische Faktoren
Ein weiterer Faktor in der Entstehung einer Borderline-Störung ist die Funktionsweise des Gehirns. Wie im Teil 1: Symptome und Diagnose erwähnt, leiden Betroffene an einer geringeren Impulskontrolle. Ein Grund dafür ist, dass bei Borderline-Patienten das Hirnareal für die Impulskontrolle mangelhaft funktioniert. Des weiteren zeigen sich Fehlfunktionen in den beiden Hirnarealen, die für das Gedächtnis und die Gefühlsreaktionen verantwortlich sind.
Weitere Aspekte
Es gibt primär schon persönliche Voraussetzungen, mit denen man auf die Welt kommt. Beispiel: Impulsivität oder Neigung zu Depressivität, gedrückter Stimmung oder zu Schüchternheit. Aber ein wichtiger Einfluss ist zum Beispiel auch die Erfahrung einer emotionalen Vernachlässigung im Laufe der Kindheit. Entscheidend für Kinder ist dann das Problem, dass sie nicht richtig lernen können, ihre eigenen Emotionen adäquat wahrzunehmen, zu benennen, und auch nicht lernen, wie kann ich denn mit Emotionen umgehen und sie als wichtige Signale wahrnehmen und sie bewältigen.
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Es ist natürlich so, dass erste Zeichen schon in der Kindheit da sind, gerade wenn man ungünstige Entwicklungsbedingungen hat, wie zum Beispiel Schüchternheit, Rückzug oder dass man sich früh impulsiv verhält. Oder dass man auffällt in der Peergroup und ein Störenfried ist. Kinder können auch so reagieren, dass sie abschalten, dass sie die Schule verweigern oder dass sie früher Angststörungen entwickeln.
Das was ganz im Zentrum bei einem Menschen mit Borderline steht, ist eine unheimliche Angst vor dem Alleinsein oder Verlassenwerden. Gleichzeitig sind auch die Beziehungen, die ich dann habe, sehr instabil. Sie sind sehr intensiv, können dann aber auch abrupt abbrechen, weil man die Beziehung aus dem Gefühl heraus entwertet, dass jemand gegen einen ist. Man merkt es außerdem an den unheimlichen Schwankungen der Emotionen.
Mit emotionaler Instabilität ist auch verbunden, dass man in Lebenskrisen gerät. Es gibt wiederum stabile Phasen, in denen man aber trotzdem noch belastet ist durch Instabilität, mangelnde Identität und die Angst vor dem Verlassenwerden.
Zusammenhang mit anderen psychischen Erkrankungen
Die Borderline-Störung tritt sehr häufig im Zusammenhang mit anderen psychischen Erkrankungen auf, etwa Ess-Störungen, Depressionen, Störungen der Sexualität, Zwangs- und Ticstörungen, Suchterkrankungen etc. Diese Begleiterkrankungen sind gelegentlich Grund für die Suche nach Hilfe. Im Rahmen der Behandlung oder Psychotherapie wird dann die Borderline-Störung deutlich.
Neuropsychiatrische Aspekte
Neurophysiologisch gibt es eine breite Evidenz lokalisierter Veränderungen bei Borderline-Patienten, die zwei im klinischen Alltag im Vordergrund stehenden Syndromen zugrunde liegen: ein Disinhibitionssyndrom, welches mit Störungen der Exekutivfunktionen einhergeht, und Korrelate einer gestörten Affektregulation mit erhöhter emotionaler Reagibilität.
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Insgesamt kann gesagt werden, dass sich einzelne Hirnareale als zentrale «Schaltstellen» einer gestörten frontolimbischen Regulation bei Patienten mit BorderlinePersönlichkeitsstörung sowohl anatomisch (volumetrisch) als auch metabolisch-funktionell sowie nach experimenteller aufgabenspezifischer Provokation identifizieren lassen.
Kriterien nach DSM-5
Das aktuelle DSM-5 fasst die Borderline-Persönlichkeitsstörung in einem gemischten dimensional-kategorialen Modell zusammen. Essenziell sind (A) Störungen der Persönlichkeitsstruktur und -funktion (Selbstbild und interpersonelles Verhalten) sowie störungsspezifische pathologische Persönlichkeitseigenschaften (B).
- Kriterium A: signifikante Beeinträchtigung der Persönlichkeitsstruktur 
- Identitätsstörung
 - Selbststeuerung
 
 - Kriterium B: pathologische Persönlichkeitseigenschaften 
- emotionale Instabilität
 - soziale Ängstlichkeit
 - Trennungsangst und Zurückweisungssensitivität
 - Depressivität
 - Disinhibitionssyndrom 
- Impulsivität
 - erhöhtes Risikoverhalten
 
 
 
Die neuropsychiatrische Forschung versucht dabei, unterschiedliche Beobachtungsebenen (strukturelle, funktionelle, neurochemische, genetische und klinische Daten) in Modellen zu integrieren, um dynamische Wechselwirkungen zwischen biologischen und psychosozialen Faktoren besser zu verstehen.
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