Emotionale Instabile Persönlichkeitsstörung Impulsiver Typ: Informationen

«Das Leben fühlt sich an wie eine Achterbahnfahrt» - so beschreiben Menschen mit einer Borderline-Störung ihre extreme Gefühlswelt, der sie oft hilflos ausgeliefert sind. Gefühlsschwankungen und die Angst vor dem Verlassenwerden prägen ihren Alltag. Das Verhalten von Menschen mit einer Borderline-Störung ist für Aussenstehende oft nur schwer nachvollziehbar.

Was ist eine Persönlichkeitsstörung?

Eine Persönlichkeitsstörung liegt dann vor, wenn ein Mensch auffällige Verhaltensweisen und Einstellungen zeigt, die ihn erheblich in seiner individuellen Zufriedenheit und im Erreichen seiner persönlichen Ziele einschränken. Betroffene geraten zudem häufig mit ihren Mitmenschen oder mit der Gesellschaft in Konflikt, sie verhalten sich starr und sind unflexibel. Das Gefühl, mit der eigenen Person ist «etwas nicht ganz in Ordnung» entwickelt sich meist erst dann, wenn zunehmende Interaktionsprobleme zu einem Leidensdruck führen.

Wie äussern sich Persönlichkeitsstörungen?

Persönlichkeitsstörungen äussern sich auf der Verhaltensebene durch bestimmte Muster, die von den Erwartungen der soziokulturellen Umgebung abweichen und sich in einem breiten Spektrum sozialer und persönlicher Situationen bemerkbar machen. Neben diesen beobachtbaren behavioralen Verhaltensaspekten sind Personen mit der Störung ihrer Persönlichkeit ebenso sehr in ihrem subjektiven Erleben, in ihren Gefühlen und ihren Denkmustern beeinträchtigt. Daraus resultieren Verzerrungen in der Realitätswahrnehmung und -interpretation sowie in der Folge auch interpersonelle Schwierigkeiten mit instabilen, wenig befriedigenden Beziehungen und schliesslich sozialer Isolation.

Dimensionale Sichtweise

Aus struktureller Perspektive kann Persönlichkeit als dynamische Integration von Verhaltensweisen aufgefasst werden, die durch verschiedene Persönlichkeitsanteile wie Temperament, Kognition und Intelligenz, Charakter und Identität (als ihr subjektives Erlebenskorrelat), Affektivität und schliesslich durch ein internalisiertes Wertesystem geprägt sind. Diese dimensionale Sichtweise auf die Persönlichkeitsstörungen wird mit der Überarbeitung des DSM-5 in dessen Sektion III einer kategorialen Sichtweise, wie sie bisher in die Klassifikationsinstrumente der Störungen Eingang gefunden hatte, neu zur Seite gestellt.

Sowohl objektiv beobachtbare Verhaltensmuster als auch subjektive Erlebensweisen können dabei als Reflex einer zugrunde liegenden Persönlichkeitsstruktur und psychologischen Organisation verstanden werden, die im Wesentlichen geprägt ist durch das integrierende Zusammenspiel eines Selbstkonzeptes (Identität und Zielorientierung) und eines interpersonellen Funktionsniveaus (Empathie und Intimität).

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Die zumeist tief verwurzelten und anhaltenden maladaptiven Wahrnehmungs-, Denk- und Verhaltensmuster reichen im Fall der Persönlichkeitsstörungen in der Regel in die Kindheit und Adoleszenz zurück. Vor dem 14. Lebensjahr sollte eine entsprechende Diagnose nicht vergeben werden. Die Diagnose einer dissozialen (ICD-10) beziehungsweise antisozialen (DSM-5) Persönlichkeitsstörung darf definitionsgemäss vor dem Alter von 18 Jahren nicht gestellt werden.

Emotional Instabile Persönlichkeitsstörung

Emotional instabile Persönlichkeitsstörung (Borderline-Typus): Die «Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme» (ICD-10; «International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems») unterscheidet zwei Erscheinungsformen der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung: einen impulsiven Typus, der durch emotionale Instabilität und mangelnde Impulskontrolle gekennzeichnet ist und einen Borderline-Typus. Der Borderline-Typus umfasst die Kriterien des impulsiven Typus und zusätzlich weitere Merkmale.

Hauptmerkmale des impulsiven Typs

Hauptmerkmale sind die Neigung zu unbedachtem, impulsivem Verhalten ohne Rücksicht auf Konsequenzen, geringe Frustrationstoleranz und ein Mangel an Empathie, Schuldbewusstsein und Verantwortungsgefühl. Betroffene empfinden selten Angst und sind bereit, hohe Risiken einzugehen. Dabei missachten sie Regeln, Normen und Gesetze. Die Fähigkeit, aus den negativen Konsequenzen zu lernen, ist reduziert.

Impulsiver Typ:

Bei dieser Störung besteht eine deutliche Tendenz, völlig unerwartet und ohne Rücksicht auf Konsequenzen zu handeln. Betroffene neigen zu Streitereien und Konflikten mit anderen, vor allem dann, wenn ihre impulsiven Handlungen unterbunden oder getadelt werden.

Borderline Typ:

Betroffene mit dieser Störung zeigen eine gestörte Affektregulation, die sich in Stimmungsschwankungen und Gefühlschaos äussert. Sie leiden unter langanhaltenden Spannungszuständen, die sie durch selbstverletzende Handlungen unterbrechen können. Zudem erleben sie ein Gefühl von innerer Leere, reduziertes Selbstwertgefühl und neigen zu impulsivem Verhalten. Ihre Ansichten bezüglich der eigenen Identität, ihren Zielen und inneren Präferenzen ändern sich häufig. In den zwischenmenschlichen Beziehungen zeigen sie eine problematische Nähe-Distanz-Regulierung und es bestehen Verlustängste.

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Symptome der Borderline-Störung

Bei der Borderline-Störung handelt es sich um eine komplexe psychische Erkrankung. Dieses Krankheitsbild gehört zu der Klassifikation der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung. Eine Borderline-Störung kann diverse Symptome haben:

  • Emotionale Instabilität: Betroffene einer Borderline-Störung leiden an einem emotionalen Ungleichgewicht. Sie erleben Stimmungsschwankungen wie bei einer Achterbahnfahrt, die sie nicht kontrollieren können. Dabei reagieren sie in schwierigen Situationen schnell sehr sensibel. Bereits ein scheinbar harmloser Anlass kann ausreichen, um eine starke emotionale Reaktion auszulösen. Die Situation überfordert Betroffene und setzt sie stark unter Druck.
  • Gestörtes Sozialverhalten: Häufig macht sich eine Borderline-Störung durch Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen bemerkbar. Betroffene interpretieren Situationen anders, wobei Missverständnisse und Konflikte entstehen können. Oft reagieren Betroffene mit Aggressionen und Bedrohungen, was die Lösung des Konfliktes erheblich erschwert.
  • Angst vor Zurückweisung: Patienten mit einer Borderline-Störung leiden oftmals an einer ausgeprägten Angst vor dem Verlassenwerden. Bereits eine kleine Verspätung der Verabredung kann dazu führen, dass Betroffene starke Ängste empfinden und in eine emotionale Krise geraten. Folglich bemühen sie sich sehr, die Personen in ihrem Umfeld an sich zu binden. Sie setzen andere unter Druck, zum Beispiel durch die Androhung einer Selbstverletzung, um eine Trennung um jeden Preis zu vermeiden.
  • Selbstschädigendes Verhalten: Häufig bleibt es aber nicht nur bei der Androhung einer Selbstverletzung. Borderline-Patienten fügen sich oftmals selbst Schnitt- oder Brandwunden zu, die sie als Ventil für den Abbau der inneren Anspannung benutzen. In schlimmeren Fällen treten auch Selbstmordversuche auf. Neben den selbstverletzenden Handlungen können folgende Verhaltensweisen gezeigt werden: Drogenkonsum, riskantes Autofahren, Essstörungen.

Diagnose

In einem ausführlichen Gespräch mit einer Fachperson werden die Lebens- und Krankheitsgeschichte des Patienten im Detail besprochen, um allfällige andere Krankheitsdiagnosen ausschliessen zu können. Dies ist besonders wichtig, weil die Symptome auch bei anderen psychischen Störungen auftreten können, wie zum Beispiel bei Depressionen, Sucht- und Angsterkrankungen oder Panikstörungen.

Für die Diagnose einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung müssen mehrere der oben aufgeführten Symptome vorliegen.

Wird eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung diagnostiziert, werden zwei Typen unterschieden: Impulsiver Typus: Bei diesem Typus stehen die mangelnde Kontrolle über die Emotionen und die emotionale Instabilität im Fokus.

Für die Diagnose einer Borderline-Störung müssen mindestens fünf der folgenden Symptome vorhanden sein: ein chronisches Gefühl der Leere starke Stimmungsschwankungen (z.B. Menschen mit Persönlichkeitsstörungen tendieren dazu, verschiedene Situationen mit starren inneren Erlebnismustern wahrzunehmen und auf sie mit ebenso starren Verhaltensmustern und Gefühlen zu reagieren.

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Behandlung

Die Behandlung einer Borderline-Erkrankung ist herausfordernd und bedarf Geduld. In erster Linie geht es darum, dysfunktionale Bewältigungsstrategien ab- und funktionale Strategien aufzubauen.

Die PDGR bieten folgende Behandlungen an:

  • Psychotherapie im Einzel- und Gruppensetting, inklusive Psychoedukation und Erarbeiten von konkreten Strategien bei problematischem Verhalten.
  • Medikamente können unterstützend zu einer Psychotherapie wirken. Medikamente können Symptome wie Angst, Unruhe, Impulsivität, Stimmungsschwankungen oder Depressivität mildern.
  • DBT (Dialektisch-Behaviorale Therapie) hilft Betroffenen, im Leben besser zurechtzukommen.

Ganz wichtig sind aber auch die Angehörigen und weitere Bezugspersonen im privaten und beruflichen Umfeld. Sie müssen sehr viel Verständnis und Einfühlungsvermögen aufbringen. Dafür brauchen sie eine dicke Haut und für sich energiespendende Freiräume. Auch der Austausch mit gleichbetroffenen Angehörigen und Fachleuten ist hilfreich.

Stationäre Behandlung

Nicht jede psychische Erkrankung oder jedes Problem bedingt einen stationären Aufenthalt. Viele psychische Beschwerden oder Krisen behandeln wir in ambulanten Sprechstunden oder in Tagesklinik-Besuchen.

Ambulante Behandlung

In der ambulanten Behandlung, die im Regelfall zum Zuge kommt, geht man von einer Therapiedauer von mindestens einem bis zwei Jahren aus. Bis dahin sind Patient:innen zwar nicht symptomfrei, können meist aber ein gutes und sinnerfülltes Leben führen.

Umgang mit Borderline

Die wenigsten Menschen setzen sich ausführlich mit psychischen Erkrankungen wie Borderline auseinander. Treffen sie auf eine betroffene Person, sind sie durch deren impulsives Verhalten meist überfordert. Diese emotionale Belastung kann zu chronischen Konflikten führen. Umso wichtiger ist ein bewusster Umgang damit.

Gerade bei Borderline-Betroffenen ist dieses Einordnen wichtig. Durch deren hohe Emotionalität kann eine Verspätung des Gegenübers bereits zu einem Gefühl der Entwertung führen und als existenzielle Bedrohung empfunden werden.

Menschen mit Borderline neigen dazu, ihre Partner:innen zu idealisieren, und lassen sich schnell auf neue Personen ein. Jedoch entstehen durch die Angst vor dem Alleinsein auch oft ungesunde Muster wie Eifersucht.

Oft ziehen Borderline-Patient:innen dann überschnell die Reissleine. Es ist zentral, diese Muster zu erkennen und sich bei Bedarf psychologische Unterstützung zu holen. Dies kann auch im Rahmen einer Paartherapie geschehen.

Borderline ist für Betroffene oft schambehaftet; zudem fehlt ihnen durch die Stigmatisierung der Krankheit das Verständnis ihrer Angehörigen. Doch auch hier: Ein gutes Leben ist möglich. Ein begleiteter Dialog mit einer Fachperson kann helfen, einen verständnisvollen Umgang mit der Situation zu finden und damit die Beteiligten zu entlasten.

Weitere Informationen

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist ein schweres psychiatrisches Krankheitsbild. Insgesamt leiden etwa 3% der Allgemeinbevölkerung an der Krankheit. Die Betroffenen erleben sich als Opfer ihrer heftigen Stimmungen und neigen zu selbstschädigendem, manchmal auch fremdaggressivem Verhalten. Sie wirken sehr launisch und reagieren sensibel auf Zurückweisung.

Der Begriff „Borderline“ bedeutet zu Deutsch „Grenzland“ und wurde erstmals im 19. Jahrhundert verwendet. Er beschrieb Fälle, die problematisch zu diagnostizieren waren Ein Patient konnte zwar nicht als gesund bezeichnet, jedoch auch keiner eindeutigen psychischen Krankheit zugewiesen werden.

Heutzutage wird der Begriff Borderline zwar für eine eindeutige psychische Krankheit verwendet, doch ist deren Diagnose aufgrund ihrer vielseitigen Symptome schwierig. In der Gesellschaft weitgehend unbekannt und für erfahrene Fachärzte oftmals schwer zu erkennen, bleibt die Krankheit häufig unbehandelt.

Ein Grund dafür ist, dass gesunde Personen einzelne Symptome zeigen können, diese aber weniger intensiv sind und nach kurzer Zeit wieder verschwinden. Zudem kann die Borderline-Störung zusammen mit anderen Persönlichkeitsstörungen auftreten.

Tabelle: Übersicht über Persönlichkeitsstörungen

Persönlichkeitsstörung Hauptmerkmale
Paranoide Persönlichkeit Misstrauen und Argwohn gegenüber anderen
Schizoide Persönlichkeit Einzelgängertum, Distanziertheit
Schizotype Persönlichkeit Merkwürdige Verhaltensweisen, eigenwilliger Denkstil
Histrionische Persönlichkeit Theatralisches Verhalten, übermässige Emotionalität
Narzisstische Persönlichkeit Grossartigkeit, Bedürfnis nach Bewunderung, Mangel an Empathie
Ängstlich vermeidende Persönlichkeit Schüchternheit, Besorgnis, Anspannung und Minderwertigkeitsfühle

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