Grundlose Beschuldigungen, Infragestellen der Kompetenz, persönliche Beleidigungen oder Bedrohungen: Fast jede und jeder hat bereits solche Erfahrungen gemacht. Diese Art von Situationen hinterlassen oft ein ungutes Gefühl, manchmal sogar Angst. Und als wäre dieser Stress nicht schon genug belastend, plagen einen hinterher auch noch die Gedanken, wie man doch hätte reagieren können.
Im Miteinander gelten unausgesprochene Regeln: Dem anderen Respekt entgegenbringen und ihm höflich-freundlich begegnen. Jeder hält sich daran - mal mehr, mal weniger. Deshalb ist erst einmal das Verständnis gross, wenn mal ein Kollege einen Ausrutscher hat. Jeder hat einmal einen schlechten Tag. Dafür haben Sie Verständnis. Aggressives Verhalten jedoch sollten Sie nicht einfach hinnehmen. Ziehen Sie dennoch Ihre Grenzen.
In Bedrängnis reagiert jede Person anders. Eine Theorie von Walter Bradford Cannon beschreibt die seelische und körperliche Anpassung an eine Gefahrensituation und unterteilt diese in zwei Kategorien. Fight und Flight - also Kampf und Flucht. Stuft ein Mensch eine Situation als Gefahr ein, versetzt sich der Körper reflexartig in einen der drei Modi - auch bei verbalen Angriffen. Die erste Reaktion gilt als Instinkthandlung und kann nicht gesteuert werden. Um das eigene Verhalten im Verlauf der Situation zu steuern und angemessen zu reagieren, ist es hilfreich, seine Reflexreaktion zu kennen.
Erkennen von aggressivem Verhalten
Aggressives Verhalten ist vielschichtig. Mal ist es einfach zu erkennen. Der Kollege schreit herum. Mal tritt es jedoch nur subtil in Erscheinung. Der Kollege fordert mit seinen Provokationen heraus. Sie werden es dann vielleicht gar nicht als solches einordnen (können). Erhöhen Sie deshalb unbedingt Ihre Sensibilität gegenüber aggressivem Verhalten.
Listen Sie einmal spontan auf, welche Verhaltensweisen Sie als grob, aggressiv und/oder unhöflich bezeichnen würden - wie beispielsweise:
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- aggressiver Tonfall
 - Brüllen
 - verbale Attacken und/oder verbale Drohungen
 - Ignorieren, nicht nur im Gespräch
 - (ständiges) Unterbrechen
 - Lächerlich machen
 - die jeweilige Person herabsetzen
 - nonverbale Signale wie bewusst wegschauen/wegdrehen, mit der Faust auf den Tisch schlagen, unangebrachtes Lachen usw.
 - nicht würdigen der erbrachten Leistungen
 
Ergänzen Sie regelmässig Ihre Liste. Sie werden dadurch immer besser erkennen können, wann Sie aggressivem Verhalten ausgesetzt sind.
Tipp: Falls es Ihnen manches Mal schwer fällt, aggressives Verhalten zu erkennen, fragen Sie sich einfach:
- Wann haben Sie sich „angemacht“ gefühlt?
 - Wann fühlten Sie sich plötzlich unsicher und unfähig?
 - Wann waren Sie während oder nach einer Begegnung innerlich „platt“?
 - Wann fühlten Sie sich nicht gehört oder wahrgenommen?
 - Wann fühlten Sie sich unwohl in Ihrer Haut?
 
Rufen Sie sich dann in Ruhe die jeweilige Situation ins Gedächtnis: Was ist geschehen? Wer war beteiligt? Wie ist derjenige aufgetreten? Was hat er/sie getan, um bei Ihnen dieses Gefühl auszulösen? Fokussieren Sie das Verhalten - und nicht den Inhalt. Wechseln Sie also von der Sachebene auf die persönliche Ebene, ohne aber den anderen anzugreifen.
Strategien für den Umgang mit respektlosem Verhalten
Die Kantonspolizei Graubünden empfiehlt sechs Punkte, die bei verbaler Gewalt zu einer Deeskalation beitragen können. Ein weiterer wichtiger Punkt ist laut Bruno Tscholl, Gewaltberater und Trainer Emotionaler Kompetenzen, dass die angegangene Person sich wehrt und nicht in die Opferrolle fällt.
«Verbale Gewalt entsteht immer in Zusammenhang mit einer Beziehung», meint er. Abhängig von der Art der Bekanntschaft gibt es verschiedene Varianten, um zu reagieren. So könne ein «Stopp, das will ich nicht» oder ein «Das verletzt mich jetzt sehr» eine klare Grenze aufzeigen. In Paarbeziehungen biete sich ein Codewort an, welches zuvor in einem ruhigen Moment festgelegt wird. Droht die Situation zu eskalieren, wird das Wort ausgesprochen. Es sollte kein alltäglich gebrauchtes Wort wie «Gabel» oder «Tisch» sein, sondern ein spezielleres. Was nach der Äusserung des Codeworts passiert, wird ebenfalls im Vorhinein abgesprochen.
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Auch das Selbstbewusstsein spiele eine grosse Rolle. «Jemand, der ein selbstbewusstes Auftreten hat, wird vermutlich weniger stark angegriffen», erklärt der Gewaltberater. Aber auch die eigene Tagesform ist gemäss Tscholl entscheidend. So gibt es Tage, an welchen man empfindlicher reagiert als sonst, gereizt ist oder wenig Energie hat.
Gemäss der polizeilichen Kriminalstatistik werden im Kanton Graubünden jährlich zwischen 144 und 185 Fälle von Drohungen gemeldet. Eine betroffene Person müsse einen Strafantrag stellen, damit die Strafverfolgungsbehörde aktiv werde. Drohungen würden immer ernst genommen werden, betont die Kantonspolizei Graubünden. Wenn also jemand Angst hat, sollte er sich an die Polizei wenden.
Praktische Tipps zur Reaktion
- Halten Sie Ihrem Kollegen einen „Spiegel“ vor. Dadurch durchbrechen Sie den emotionalen Zyklus, der sich in solchen Situationen oft hochzuschaukeln droht. Sprechen Sie dafür direkt an, wie Sie sein Verhalten erleben. Tun Sie dies am besten, indem Sie aus der Ich-Perspektive Ihre Beobachtungen mitteilen. „Unser Gespräch hat für mich gerade eine emotionale Wendung erfahren. Ich erlebe dich, als wütend und aggressiv. Und kann jetzt nicht nachvollziehen, weshalb diese Emotionen bei dir aufgetreten sind.
 - Sagen Sie klipp und klar, welches Verhalten Sie nicht länger tolerieren werden. Kommunizieren Sie Ihre Grenzen. „So einen Umgangston gibt es bei uns im Team nicht“ oder „Wir lassen den anderen stets ausreden“ oder „Ich diskutiere gerne mit dir die weitere Vorgehensweise.
 - Durchbrechen Sie das Interaktionsmuster. Verhalten Sie sich konträr. Statt nun beispielsweise bei einer verbalen Attacke zu schmollen, lächeln Sie und applaudieren Sie dem Kollegen demonstrativ. „Deine heftige Reaktion ist für mich ein Kompliment.
 - Jeder hat Verhaltensmuster, die er immer wieder abspielt. So auch Ihr Kollege. Dies beschert Ihnen einen ungemeinen Vorteil. Stoppen Sie dieses Verhalten auf eine spielerische Art und Weise. Schliessen Sie mit ihm eine Wette ab - beispielsweise 
- „Wetten, dass du heute im Meeting dreimal lautstark deine Argumente vorbringen wirst.“
 - „Ich wette mit dir um eine Flasche Wein, dass du es heute nicht schaffst, ruhig und besonnen an der Diskussion teilzunehmen.“
 
 
Umgang mit Wut und Aggression
Wut ist ein normales menschliches Gefühl. Sie wird allerdings zum Problem, wenn Menschen regelmässig die Kontrolle über sich verlieren. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Erziehung, Genetik und die eigenen Werte spielen eine grosse Rolle. Sie steigt kochend heiss in einem auf - und plötzlich bricht die Wut nach aussen durch: Man verliert die Kontrolle über sich und schreit zum Beispiel den Partner oder die eigenen Kinder an. Wieso neigen manche Menschen zu Wutausbrüchen, während andere ihre Impulse gut unter Kontrolle haben? Und was kann man tun, wenn man dazu neigt, aggressiv zu werden?
"Wut ist zunächst einmal ein ganz normales und sinnvolles Gefühl", sagt Katrin Hoster, die als Wut-Coach arbeitet, im Gespräch mit unserer Redaktion. "Sie zeigt, dass eine Grenze bei uns überschritten worden ist." Der Unterschied dabei: Manche Menschen können ihre Wut und ihre Bedürfnisse ruhig äussern, während andere in einer solchen Situation regelrecht toben.
Die Kontrolle über die eigenen Impulse zu verlieren, kann sogar gefährlich werden: Wer wütend Auto fährt, neigt etwa zu riskantem Verhalten. Wutanfälle können auch Freundschaften und Beziehungen zerstören oder Betroffene den Job kosten, wenn sie etwa ihren Chef wüst beleidigen.
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Ursachen für Wut
- Kindheit: Wer als Kind nicht gelernt hat, mit Wut umzugehen oder aggressives Verhalten vorgelebt bekommen hat, der ist klar im Nachteil.
 - Genetik: Manche Menschen sind durch ihre genetische Ausstattung eher entspannt und ausgeglichen, andere unausgeglichen oder impulsiv. Impulsive Menschen neigen eher zu Wutausbrüchen.
 - Eigene Regeln und Ansprüche: Die Erwartungen an unser Umfeld haben wir in unserer Kindheit vermittelt bekommen.
 - Gewohnheit: Je häufiger jemand mit Wut reagiert, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass er sich auch in Zukunft so verhalten wird.
 
SOS-Tipps für schwierige Situationen
- Weggehen: Die Situation zu verlassen, ist der wichtigste SOS-Tipp von Katrin Hoster: "Man sollte aus der Situation und von dem Menschen weggehen, der die Wut bei einem ausgelöst hat."
 - Wuttagebuch: Ein Wuttagebuch kann helfen, die eigenen Muster besser zu verstehen, wenn man scheinbar aus dem Nichts wütend wird.
 - Für einen Ausgleich sorgen: Wer ohnehin müde oder überlastet ist, neigt eher zu Wut als jemand, der sich entspannt fühlt. Deshalb ist es wichtig, für einen Ausgleich zu sorgen.
 
Respektloses Verhalten von Mitarbeitern
Respektlose Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zeigen ihr unangebrachtes Verhalten auf unterschiedlichste Art und Weise: sie sind frech, dreist, aufmüpfig, widersprechen oder folgen nicht den Anweisungen. Das Ergebnis ist, dass sie ihre oder ihren Vorgesetzten damit zur Weissglut treiben.
Es ist in der Regel nicht schwer, respektlose Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen zu erkennen. Sie verstecken ihr Verhalten nicht, weil sie ja damit etwas bezwecken. Das Verhalten kann ganz unterschiedlich sein:
- ins Wort fallen
 - Augen verdrehen
 - vor anderen über Dritte lästern
 - demonstrativ in einem Meeting gähnen
 - freche Antworten
 - fiese Kommentare
 - sich im Ton vergreifen
 - lautes Seufzen oder Ausschnaufen
 - absichtliches Zuspätkommen
 - anschreien oder niedermachen
 - Mobbing
 
und weiteres Verhalten, um die Autorität des oder der Vorgesetzten zu untergraben.
Wie Sie auf respektlose Mitarbeiter reagieren
- Sofort reagieren: stellenst Du fest, dass das aufmüpfige Verhalten kein Ausrutscher war, handle umgehend. Nimm die Person auf die Seite oder sprich sie sofort an. Ansonsten läufst Du Gefahr, dass die Person andere mit ihrem toxischen Verhalten ansteckt.
 - Professionell bleiben: bewahre Haltung und Ruhe. Bleib respektvoll und sachlich. Wenn Du Dich auf das gleiche Niveau begibst, wirkst Du wie ein trotziges Kind und nicht wie eine souveräne Führungsperson.
 - Suche das 4-Augen-Gespräch zum Klären der Situation oder sprich es vor dem Team offen an.
 - Bring verbal und nonverbal zum Ausdruck, dass Du das Verhalten nicht tolerierst.
 - Mache Deine Erwartungen für die weitere Zusammenarbeit klar. Kommuniziere Kritik direkt und unmissverständlich.
 
Respekt im Alltag
Niemand wird gern respektlos behandelt. Fühlt man sich im Alltag zu wenig respektiert, kann das einen negativen Einfluss auf unser Selbstwertgefühl haben. Wir Menschen wollen von unserem Umfeld respektiert werden. Dieses Bedürfnis ist elementar für unser soziales Zusammenleben. Nur wenn wir uns gegenseitig Wertschätzung entgegenbringen und achtungsvoll miteinander umgehen, können zwischenmenschliche Beziehungen auch funktionieren.
In erster Linie gilt: Was ich gebe, wird auch mir widerfahren. Das heisst, wer mit anderen respektvoll umgeht, der wird auch respektvoll behandelt. Aber Achtung: Wird auf gespielte Wertschätzung gesetzt, bedeutet das manchmal leider auch, dass das Gegenüber das merkt. Man sollte immer aus einer Grundüberzeugung heraus handeln. Ohne den Hintergedanken zu haben, dass man nur auf einen respektvollen Umgang setzt, weil man ihn sich selbst wünscht.
Tipps für mehr Respekt im Alltag
- Respekt vor sich selbst: Nur wer auch mit sich selbst respektvoll umgeht, kann ein solcher Umgang von anderen erwarten.
 - Körpersprache ist wichtig: Wie Sie anderen begegnen, spielt eine wichtige Rolle. Dazu zählt Körperhaltung, Gestik und Mimik, mit denen Sie auch ohne Worte einen Eindruck beim Gegenüber hinterlassen.
 - Kritikfähig sein: Gestehen Sie auch mal einen Fehler ein, wenn einer passiert ist. Es ist wichtig, dass Sie Kritik annehmen und konstruktiv umsetzen können.
 - Mit Fachwissen glänzen: Zeigen Sie den anderen, was Sie draufhaben. Eigenmarketing lautet die Devise - übertreiben sollte man es aber auch nicht.
 - Authentizität: Bleiben Sie sich selbst immer treu. Denn nur wer sich nicht verstellt und ehrlich ist, wird auch auf ein wertschätzendes Verhalten treffen.