Frühe Anzeichen von ADHS bei Kindern

ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) ist eine der häufigsten psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen.

Fachleute gehen davon aus, dass in einer Schulklasse von 20 Kindern durchschnittlich ein Kind mit ADHS sitzt. Damit ist die Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung wohl die am häufigsten diagnostizierte Entwicklungsstörung im Kindesalter.

Die Abkürzung ADHS steht für Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung. Dabei handelt es sich um eine neurologische Entwicklungsstörung, die dazu führt, dass eine betroffene Person Schwierigkeiten hat, die auf sie einströmenden Reize zu filtern, Probleme zu lösen, Abläufe zu planen und ihre Impulse unter Kontrolle zu halten.

ADHS ist durch drei Kernsymptome gekennzeichnet:

  • Hyperaktivität
  • Unaufmerksamkeit
  • Impulsivität

Die Symptome können bei den Betroffenen sehr unterschiedlich sein, häufig führen sie jedoch zu deutlichen sozialen, schulischen bzw.

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In der Regel bestehen die Symptome seit der Kindheit und treten in verschiedenen Situationen auf.

ADHS-Typen und ihre Symptome

Die Symptome von ADHS können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Es treten auch nicht immer alle Anzeichen bei einem Patienten auf. Insgesamt gibt es drei Untergruppen von ADHS:

  • Vorwiegend hyperaktiv-impulsiver Typ: "Zappelphilipp"
  • Vorwiegend aufmerksamkeitsgestörter Typ: "Hans-guck-in-die-Luft" oder "Träumsuse" (Aufmerksamkeits-Defizit-Typ, ADS)
  • Mischtyp: aufmerksamkeitsgestört und hyperaktiv

Beim unaufmerksamen Typ steht die Unaufmerksamkeit im Vordergrund. Aufgrund der fehlenden Hyperaktivität wird für diesen die Abkürzung ADS verwendet. Die Betroffenen sind ruhig, verträumt und sehr leicht ablenkbar. Da sie nicht durch Impulsivität und einen hohen Bewegungsdrang auffallen, sind sie leicht zu übersehen.

Beim hyperaktiv-impulsiven Typ stehen der Bewegungsdrang und die Impulsivität im Vordergrund. Betroffene reden zum Beispiel ungefragt drein, handeln, ohne vorher nachzudenken und können kaum stillsitzen.

Am häufigsten ist der kombinierte Typ oder Mischtypus, bei dem Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit und Impulsivität in Kombination auftreten.

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ADHS bedeutet nicht, dass eine Intelligenzminderung vorliegt. Die betroffenen Kinder sind oftmals gleich intelligent wie ihre Altersgenossen, können jedoch aufgrund ihrer Beeinträchtigung in der Schule nicht die erwarteten Leistungen erbringen.

In extremen Fällen von ADHS kann ein Distanz-Nähe-Problem aufkommen. Das bedeutet, dass Betroffene keine angemessene Balance zwischen Distanz und Nähe zu ihrem Umfeld herstellen können. Entweder die Betroffenen sind übermässig distanziert, ziehen sich zurück, reden oft laut und in Gedankensprüngen.

Oder sie suchen beziehungsweise empfinden eine übergrosse Nähe. Beispielsweise sind sie extrem mitfühlend oder hören etwa bei einem für sie spannenden Vortrag so konzentriert und fokussiert zu, dass sie alles andere um sich herum vergessen. Dementsprechend können Betroffene auf Aussenstehende entweder gefühlskalt oder übermässig sensibel wirken.

ADHS-Symptome nach Altersgruppen

ADHS gilt als angeborene Störung, die sich schon vor dem sechsten Lebensjahr bemerkbar macht. Oft bleibt sie ein Leben lang bestehen. Die ADHS-Symptome äussern sich allerdings bei Säuglingen, Kleinkindern, Jugendlichen und Erwachsenen unterschiedlich.

Frühe Anzeichen beim Säugling

Eine sichere Diagnose von ADHS ist im Säuglingsalter noch nicht möglich. Forscher haben in Langzeitstudien allerdings einen Zusammenhang zwischen ADHS und sogenannten Regulationsstörungen (Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme und der Verdauung, Schlafprobleme) gefunden.

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Babys mit Regulationsstörung schreien oft und lang, schlafen schlecht und lassen sich manchmal nur schwer füttern. Sie sind zudem sehr unruhig und wirken oft schlecht gelaunt. Manche Säuglinge, die später im Leben ADHS entwickeln, lehnen Körperkontakte ab.

Ein solches Verhalten kann allerdings auch ganz andere Ursachen haben. Nur etwa ein Drittel der Babys, die solche Verhaltensweisen zeigen, erhält später die Diagnose ADHS.

ADHS-Symptome im Kleinkindalter

Auch bei Kleinkindern ist ADHS nur schwer zu erkennen. Ein ADHS-Kleinkind schreit in der Regel sehr viel, hat keine Lust zu spielen und nur eine geringe Fähigkeit zur Aufmerksamkeit. Typische ADHS-Symptome sind in diesem Alter ausgeprägte motorische Unruhe und Rastlosigkeit.

Weitere Symptome im Kleinkindalter:

  • Soziale Probleme: ADHS belastet das Kind und seine Eltern oft gleichermassen. Betroffene Kinder finden durch ihr störendes Verhalten nur schlecht Anschluss. Sie haben Probleme, sich mit anderen Kindern anzufreunden.
  • Schlechte Konzentrationsfähigkeit: Kleinkinder mit ADHS haben grosse Schwierigkeiten, sich längere Zeit auf eine ruhige Aktivität zu konzentrieren. Nach kurzer Zeit wechseln sie von einem Spiel zum nächsten. Eine Folge ihres unberechenbaren Verhaltens können auch häufigere Unfälle sein.
  • Ausgeprägte Trotzphase: Auch die Trotzphase verläuft bei ADHS-Kindern heftiger als bei anderen Kindern. Die Betroffenen platzen oft mitten in Gespräche hinein. Manche strapazieren auch die Geduld ihrer Eltern, indem sie ständig Geräusche produzieren.
  • Auffälliger Spracherwerb: Der Spracherwerb bei Kleinkindern mit ADHS geschieht entweder auffallend früh oder aber verzögert.
  • Mangelnde Bewegungskoordination: Der Umgang mit Bastelwerkzeugen ist für viele Kinder mit ADHS aufgrund ihrer mangelnden fein- und grobmotorischen Koordination schwierig.

ADHS-Symptome im Grundschulalter

Zu den häufigsten ADHS-Symptomen in diesem Alter zählen:

  • geringe Frustrationstoleranz und Wutanfälle, wenn Dinge nicht nach dem eigenen Willen laufen
  • unpassende Mimik und Gestik
  • Übermässig vieles Sprechen und anderen ins Wort Fallen
  • Ungeschicklichkeit und häufige Unfälle beim Spielen
  • geringes Selbstbewusstsein
  • kann sich schwer an Regeln halten (in der Schule gelten betroffene Kinder daher oft als "Nervensägen" und "Spielverderber")
  • langsames und unsystematisches Aufgabenlösen
  • schnell Ablenkbarkeit
  • Lese-Rechtschreib- oder Rechenschwäche
  • oft schlecht leserliche Schrift und chaotisches Ordnungsverhalten

Alle diese Symptome machen Grundschulkinder mit ADHS oft zu Aussenseitern. Für die Lehrer sind ADHS-Anzeichen wie das Stören im Unterricht und die starke Ablenkbarkeit eine Herausforderung. Nicht jedes betroffene Kind zappelt ständig, aber alle Kinder mit dem ADHS-Syndrom fallen aus dem Rahmen.

ADHS-Symptome im Jugendalter

Jugendliche mit ADHS sind weiterhin unaufmerksam und entwickeln oft eine „Null-Bock-Mentalität“. Sie verweigern erforderliche Leistungen und flüchten sich in eine aggressive Anti-Haltung. Bis zu einem gewissen Grad sind solche Verhaltensweisen in der Pubertät zwar ohnehin nicht unüblich, bei ADHS sind diese jedoch deutlich ausgeprägter.

Darüber hinaus neigen Jugendliche mit ADHS zu risikoreichem Verhalten und fühlen sich häufig zu sozialen Randgruppen hingezogen. Oft spielen dabei Alkohol und Drogen eine Rolle. Viele leiden unter einem geringen Selbstbewusstsein, manche erleben starke Ängste und auch Depressionen.

Es gibt aber auch Jugendliche, bei denen sich die Symptome verbessern - Unruhe und Impulsivität nehmen ab.

ADHS-Symptome bei Erwachsenen

Die überschiessende Motorik verliert sich ab der Pubertät meist. Hyperaktivität spielt bei ADHS im Erwachsenenalter also im Allgemeinen nur noch eine untergeordnete Rolle. Deshalb spricht man hier oft nur von ADS (Aufmerkamskeitsdefizit-Störung).

Im Vordergrund steht nun meist Schusseligkeit, Vergesslichkeit oder Unorganisiertheit. Auch Symptome wie impulsives Verhalten und unüberlegte Handlungen sind weiterhin vorhanden.

Problematisch ist, dass ADHS im Erwachsenenalter häufig nicht erkannt wird. Die Symptome bestehen dann schon so lange, dass sie als Teil der Persönlichkeit wahrgenommen werden.

Wird die Störung aber nicht behandelt, kann das für die Betroffenen gravierende Auswirkungen auf soziale Kontakte, berufliche Laufbahn und die Lebenszufriedenheit haben. Durch ihre Impulsivität und unüberlegtes Handeln gehen sie oft unnötige Risiken ein und schaden sich selbst.

Häufig entwickeln sich zusätzliche psychische Erkrankungen wie zum Beispiel Depressionen, Angststörungen, Substanzmissbrauch oder Suchterkrankungen.

Gelingt es ihnen, den ADHS-typischen Ideenreichtum zu steuern und zu nutzen, können Erwachsene mit ADHS im Leben aber auch ausgesprochen erfolgreich sein.

Diagnose von ADHS

Obwohl ADHS häufig vorkommt, ist die Diagnosestellung anspruchsvoll. Eine Abklärung sollte durchgeführt werden, wenn ADHS-typische Verhaltensauffälligkeiten - Hyperaktivität, Impulsivität, und/oder Unaufmerksamkeit - im Alltag mit funktionalen Einschränkungen einhergehen.

Normalerweise sollte die ADHS-Diagnose durch eine speziell dafür ausgebildete Fachperson erfolgen. Das sind in erster Linie Kinder- und Jugendpsychiater*innen und -Psycholog*innen, sowie Kinderärzt*innen.

Aufbau der diagnostischen Untersuchung:

  1. Befragung von Eltern/Bezugspersonen und Kind: Wichtigster Teil der Untersuchung ist das gemeinsame Gespräch mit den Eltern und dem Kind. Je nach Alter des Kindes kann manchmal ein Teil des Gesprächs nur mit den Eltern oder nur mit dem Jugendlichen erfolgen. Gefragt wird nach den aktuellen Verhaltensproblemen und den typischen Situationen, in denen das Problemverhalten auftritt, sowie nach dem Leidensdruck aller Beteiligten. Es werden lebensgeschichtliche Ereignisse und Entwicklungsschritte des Kindes erfragt. Dazu gehört auch die Situation des Kindes in der Familie oder im Kindergarten bzw. in der Schule. Ziel ist es, ein umfassendes Bild des Kindes in seiner Lebensumwelt zu erhalten, einschliesslich Schwächen und Stärken und bisherigen Unterstützungsangeboten.
  2. Ausschluss von anderen Ursachen (Differentialdiagnose): Es sollte untersucht werden, ob die ADHS-Symptome vielleicht durch eine andere Störung ausgelöst werden, die dann anders behandelt werden müsste als eine ADHS. Es können dazu z.B. eine körperliche Untersuchung des Kindes erforderlich sein (bspw. Hör- und Sehtests), Laboruntersuchungen, neurologische Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren wie MRT (Magnet-Resonanz-Tomographie) oder eine Hirnstrommessung mit klinischem EEG (Elektroenzephalogramm) zum Ausschluss einer Epilepsie. Zur eigentlichen ADHS-Diagnose kann aber keines dieser Verfahren sinnvoll eingesetzt werden; diese Abklärungen dienen lediglich zum Ausschluss anderer Störungen.
  3. Abklären von Begleitstörungen: Fachpersonen klären ausserdem ab, - im Gespräch, mit Fragebogen und/oder Tests -, ob zusätzlich zur ADHS noch andere Probleme vorliegen, was häufig vorkommt (etwa 60% der Fälle). Oft gehen Fachpersonen dazu systematisch eine Liste von psychischen Problemen durch, damit sie Störungen erfassen können, die nicht spontan genannt werden. Es kommen z.B. Angststörungen oder Depressionen bei ADHS häufiger vor als bei Kindern ohne ADHS. Das gilt auch für Lernstörungen, wie z.B. Dyslexie.
  4. Fragebogenverfahren: Viele Fachpersonen setzen ADHS-Fragebogenverfahren ein, die von den Eltern, Lehrpersonen und, je nach Alter, von dem betroffenen Kind selbst ausgefüllt werden. Dabei wird systematisch nach den für ADHS relevanten Problemen gefragt (z.B. „ist zappelig“), wobei auch der Schweregrad der Probleme angegeben wird (z.B. von 1 („trifft gar nicht zu“) bis 4 „(trifft völlig zu“)). Es ist sehr wichtig, vergleichbare Angaben von unterschiedlichen Personen zu erhalten, da sich das Kind je nach Situation (zuhause, in der Schulklasse) anders verhalten kann.
  5. Testpsychologische Untersuchungen: Testpsychologische Untersuchungen werden eingesetzt, um Leistungsprobleme und -Stärken zu erfassen. Dabei sind die Eltern normalerweise nicht anwesend, damit sich die Kinder nicht durch deren Anwesenheit beeinflussen lassen. Meist wird zunächst ein Test zum allgemeinen Leistungsniveau (Intelligenztest) durchgeführt, der sich aus mehreren Untertests zu unterschiedlichen Fähigkeiten zusammensetzt. Weitere Testverfahren, auch am Computer, z.B. zur Aufmerksamkeit oder Selbstkontrolle, werden nach Bedarf verwendet.
  6. Fremdbefragung: Um zu überprüfen, wie sich ADHS-Symptome in der Schule (dem Kindergarten) zeigen, gehört eine Befragung der wichtigsten Lehrperson(en) in der Regel zur Diagnostik dazu, natürlich mit Einverständnis der Eltern. Manchmal ist auch ein Unterrichtsbesuch erforderlich, um ein besseres Bild zu erhalten.

Eine sorgfältige Abklärung ist die Voraussetzung für die Behandlung, da jeder Fall von ADHS individuell betrachtet und behandelt werden sollte.

Behandlung von ADHS

Bei der Behandlung von ADHS geht es darum, die Symptome zu lindern und Strategien zu entwickeln, um mit ADHS-bedingten Schwierigkeiten im Alltag zurechtzukommen. Eine Kombination aus Medikamenten, Verhaltenstherapie, Anpassungen der Umgebung und Unterstützung durch das soziale Umfeld kann dabei helfen.

Wenn eine sehr deutliche Beeinträchtigung vorliegt, besteht die Möglichkeit einer medikamentösen Behandlung. Für Eltern mit einem Kind mit ADHS bis 12 Jahre besteht zudem die Möglichkeit der Teilnahme an einem störungsspezifischen Elterntraining.

Es ist jedoch auch möglich, ADHS ohne Medikamente zu behandeln.

ADHS und Autismus

ADHS und Autismus treten sehr häufig gemeinsam auf. Wegen der ähnlichen Symptome ist es allerdings schwierig, die beiden Diagnosen auseinanderzuhalten. Oft lässt sich zum Beispiel nicht genau sagen, ob ein bestimmtes Symptom zu ADHS gehört oder vielmehr die Diagnose Autismus bestärkt.

Ursachen von ADHS

Es gibt Hinweise darauf, dass ADHS durch ein Ungleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn verursacht wird. Die neurobiologischen Ursachen sind noch nicht im Detail erforscht. Man geht aber davon aus, dass die Weiterleitung von Informationen und Reizen durch die Botenstoffe Dopamin, Noradrenalin und Serotonin beeinträchtigt ist.

ADHS ist vermutlich genetisch bedingt und tritt innerhalb einer Familie oftmals bei mehreren Mitgliedern auf.

Risikofaktoren wie z. B. Alkohol- und Drogenkonsum sowie Rauchen oder Infektionen während der Schwangerschaft, Geburtskomplikationen, eine zu frühe Geburt oder ein niedriges Geburtsgewicht scheinen das Risiko für ADHS zu erhöhen. Wie gross dieser Einfluss ist, ist jedoch nicht geklärt, denn längst nicht bei allen Kindern mit diesen Risikofaktoren tritt tatsächlich ADHS auf.

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