Die Schweiz lockt Wohnmobilfans mit traumhaften Alpenstraßen, klaren Seen und imposanten Bergpanoramen. Doch neben Schokolade und Käse wartet auch so manche Besonderheit auf Camper: Von der obligatorischen Autobahnvignette über strenge Verkehrsregeln bis hin zum richtigen Verhalten bei einem Unfall.
Vignettenpflicht und Schwerverkehrsabgabe
In der Schweiz gilt auf Autobahnen Vignettenpflicht. Für alle Fahrzeuge bis 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht (zGG) - also auch PKW und die meisten Wohnmobile - muss vor der ersten Fahrt auf Autobahnen eine Jahresvignette zum Preis von rund 40 CHF erworben und gut sichtbar an der Windschutzscheibe angebracht werden.
Achtung: Es gibt keine Kurzzeit-Vignette - auch für einen kurzen Urlaub braucht man die Jahresvignette (gültig jeweils bis 31. Dezember des Jahres). Wer mit Anhänger oder Wohnwagen unterwegs ist, benötigt für jedes Fahrzeug separat eine Vignette (eine fürs Zugfahrzeug und eine für den Anhänger). Ohne gültige Vignette drohen hohe Bußgelder, daher besser gleich an der Grenze oder online besorgen.
Für schwerere Reisemobile über 3,5 t zGG entfällt die Vignette - hier greift die sogenannte Schwerverkehrsabgabe. Diese Pauschale Schwerverkehrsabgabe (PSVA) muss auf allen Straßen entrichtet werden und kann vor Einreise an der Zollstelle oder bequem per App (“Via”) bezahlt werden. Die Abgabe richtet sich nach der Aufenthaltsdauer und dem Gewicht. Für große Wohnmobile über 3,5 t fallen pro Tag ca. 3,25 CHF an (mindestens 25 CHF, maximal ~58 CHF für 30 Tage) - und zwar an jedem Tag, auch wenn das Fahrzeug nur auf dem Campingplatz steht.
Wer fast das ganze Jahr bleibt, kann alternativ die Jahrespauschale (ca. 650 CHF) zahlen. Informieren Sie sich vorab und melden Sie schwere Wohnmobile unbedingt beim Zoll an, um Strafgebühren zu vermeiden.
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Neben der Vignette gibt es einzelne Sondermaut-Strecken: Bestimmte Alpentunnel (z.B. der Große St.-Bernhard-Tunnel Richtung Italien) oder Autofähren/Autoverladungen durch die Alpen erheben zusätzliche Gebühren. Planen Sie also etwas Extra-Budget ein, falls Ihre Route durch einen langen Tunnel führt.
Wichtige Verkehrsregeln
Die Verkehrsregeln in der Schweiz unterscheiden sich nur geringfügig von denen in Deutschland oder Österreich, dennoch gibt es ein paar wichtige Punkte. Geschwindigkeitsbegrenzungen entsprechen für Wohnmobile bis 3,5 t meist dem PKW-Tempo: 50 km/h innerorts, 80 km/h außerorts, 100 km/h auf Autostraßen (Schnellstraßen) und maximal 120 km/h auf Autobahnen. Für schwerere Wohnmobile über 3,5 t gelten strengere Limits - hier sind auf Autobahnen höchstens 100 km/h erlaubt. Halten Sie sich an die Limits, denn die Schweizer verstehen bei Tempoverstößen keinen Spaß: Empfindliche Bußgelder sind sicher, und extreme Raser bringt das drakonische „Via sicura“-Gesetz sogar vor den Richter. Lieber gemütlich cruisen und die Aussicht genießen!
- Fahren bei Tageslicht: In der Schweiz müssen alle Fahrzeuge auch am Tag mit Abblendlicht oder Tagfahrlicht fahren - Lichtpflicht am Tag ist seit einigen Jahren obligatorisch. Vergessen Sie also nicht, das Licht einzuschalten (moderne Wohnmobile erledigen das oft automatisch).
 
Zur Pflicht-Ausstattung im Wohnmobil zählt ein Pannendreieck (Warndreieck) - das ist gesetzlich vorgeschrieben und sollte griffbereit sein. Für Fahrzeuge über 3,5 t zGG sind zusätzlich ein Unterlegekeil (Auffahrkeil als Wegrollsperre) und ein Feuerlöscher verpflichtend mitzuführen.
Was in vielen Ländern erstaunlicherweise nicht zwingend vorgeschrieben ist - aber dennoch dringend empfohlen sein sollte - sind Warnwesten für Insassen und ein Verbandkasten. In der Schweiz sind Warnwesten und Erste-Hilfe-Set nur empfohlen und nicht gesetzlich obligatorisch, aber im Falle einer Panne oder eines Unfalls erhöhen Warnwesten die Sichtbarkeit enorm. Daher unser Tipp: Am besten pro Sitzplatz eine Warnweste an Bord haben (idealerweise griffbereit in Türfächern). Ebenfalls praktisch sind Ersatzlampen für Scheinwerfer und eine Taschenlampe - Schaden tut’s nicht.
Noch ein Schweiz-spezifisches Detail für Radfreunde: In manchen Ländern (z.B. Italien, Spanien) braucht man eine rot-weiß gestreifte Warntafel, wenn Fahrräder auf dem Heckträger transportiert werden. In der Schweiz ist keine zusätzliche Warntafel nötig, solange die Ladung hinten weniger als 1 m übersteht. Fahrräder dürfen am Heck bis zu 20 cm seitlich herausragen, sofern Beleuchtung und Nummernschild sichtbar bleiben.
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Wildes Campen
Wildes Campen ist für viele Wohnmobil-Fans die Königsklasse der Freiheit - allerdings gestaltet es sich in der Schweiz schwierig. Es gibt keine einheitliche nationale Regelung fürs Übernachten außerhalb offizieller Camping- oder Stellplätze. Stattdessen entscheiden Kantone und Gemeinden, was erlaubt ist. Das heißt: Informieren Sie sich stets vor Ort, ob z.B. auf einem Parkplatz oder am Seeufer die Übernachtung im Wohnmobil geduldet wird. In Naturschutzgebieten und auf Privatgrund ist wildes Campen praktisch überall verboten bzw. nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Eigentümers möglich.
An Autobahn-Raststätten ist das reine „Übernachten zur Wiederherstellung der Fahrtüchtigkeit“ oft für eine Nacht erlaubt - Camping-Verhalten (Stühle raus, Markise ausfahren, Grill anschmeißen) jedoch nicht.
Unser Rat: Nutzen Sie bevorzugt die ausgewiesenen Stellplätze und Campingplätze. Die Schweiz bietet eine Vielzahl schöner Campingplätze - von einfach bis luxuriös - oft in grandioser Landschaft. Auf Stellplätzen (offizielle Wohnmobil-Parkplätze, teils bei Bauernhöfen oder Weingütern) kann man oft günstig und sicher übernachten. Eine Übersicht bietet z.B. Wohnmobil-Land Schweiz oder der TCS Campingführer.
Bitte entsorgen Sie Abwasser nie illegal in der Natur oder Kanalisation - hohe Bußen und verärgerte Schweizer sind sicher.
Verhalten bei Unfällen
So idyllisch die Straßen auch sind - ein Unfall oder eine Panne kann jedem passieren. Wichtig ist, Ruhe zu bewahren und richtig zu reagieren. Die Vorgehensweise unterscheidet sich nicht wesentlich vom Heimatland: Sichern Sie zuerst die Unfallstelle und schützen Sie sich und andere. Stellen Sie das Warndreieck in ausreichendem Abstand auf und ziehen Sie - Sie und alle Mitfahrer - Warnwesten an.
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Leisten Sie Erste Hilfe, falls Personen verletzt sind, und scheuen Sie sich nicht, Hilfe zu holen.
In der Schweiz erreichen Sie Polizei, Feuerwehr oder Ambulanz über die üblichen Notrufnummern: Für die Polizei wählen Sie 117, die Ambulanz (Rettungsdienst) 144, die Feuerwehr 118 - oder einfach 112, die europäische Notrufnummer, unter der Sie ebenfalls mit der Notrufzentrale verbunden werden.
Bei Personenschäden (Verletzten) muss immer die Polizei bzw. Rettung gerufen werden. Bei Blechschäden ohne Verletzte sieht es ähnlich aus wie in Deutschland: Die Polizei kommt bei kleinen Unfällen oft nicht, sofern alle Beteiligten einverstanden sind. Können Sie den Unfallhergang einvernehmlich klären und ist niemand ernsthaft verletzt, reicht es meist, vor Ort die Daten auszutauschen.
Bei größerem Sachschaden oder Uneinigkeit sollten Sie jedoch unbedingt die Polizei hinzuziehen - schon um späteren Ärger zu vermeiden, insbesondere wenn ausländische Fahrzeuge beteiligt sind.
Dokumentation ist Trumpf
Notieren Sie alle wichtigen Daten des Unfallgegners, also Name, Anschrift, Kfz-Kennzeichen, Fahrzeugtyp sowie Versicherungsgesellschaft und Policennummer. Bewährt hat sich der europäische Unfallbericht - ein standardisiertes Formular, das es auch mehrsprachig gibt. Dieses Formular sollten Sie am besten in Ihrem Handschuhfach griffbereit haben. Füllen Sie den Unfallbericht gemeinsam mit dem Unfallgegner möglichst vollständig aus; er dient später der Versicherung als Grundlage.
Machen Sie zudem Fotos von der Unfallstelle und den Schäden, und notieren Sie Namen und Kontaktdaten etwaiger Zeugen. Je gründlicher Sie vor Ort alles festhalten, desto einfacher die Schadenabwicklung!
Falls Ihr Wohnmobil nicht mehr fahrbereit ist, kontaktieren Sie Ihren Pannendienst. Mitglieder des ADAC können z.B. die +49 89 22 22 22 anrufen, TCS-Mitglieder wählen 0800 140 140. In vielen Fällen hilft auch die Versicherung bzw. der Schutzbrief, einen Abschleppdienst zu organisieren. Lassen Sie das Fahrzeug wenn möglich nur in eine Fachwerkstatt abschleppen, die sich mit Wohnmobilen auskennt - oder zumindest auf einen sicheren Parkplatz, von wo aus Sie weiter organisieren können.
Schadenregulierung nach einem Unfall
Ist der erste Schreck überstanden, stellt sich die Frage: Wer zahlt den Schaden und wie läuft das ab? Grundsätzlich gilt: In der Schweiz passiert = Schweizer Recht anwendbar. Das heißt, die Regulierung des Unfallschadens richtet sich nach Schweizer Vorschriften. (Eine Ausnahme: Haben beide Unfallbeteiligten ihren Wohnsitz in Deutschland, kann ausnahmsweise deutsches Recht gelten.) In der Praxis bedeutet das einige Besonderheiten bei den ersatzfähigen Schadensposten.
So kennt das Schweizer Recht z.B. keine Urlaubsausfall-Entschädigung - den vermiesten Urlaubstag durch den Unfall können Sie sich also leider nicht bezahlen lassen. Auch eine Entschädigung für Nutzungsausfall (wenn Ihr Wohnmobil in Reparatur ist und Sie kein Ersatzfahrzeug nehmen) wird nur selten gewährt. Dafür werden jedoch konkret angefallene Hotel- oder Verpflegungskosten übernommen, wenn Sie wegen des Unfalls ungeplant irgendwo übernachten müssen - Quittungen aufbewahren!
Ebenso können Mietwagenkosten erstattet werden, unabhängig davon ob das Wohnmobil privat oder beruflich genutzt wurde. Schweizer Versicherer erstatten auch Abschleppkosten bis zur nächsten Werkstatt gegen Nachweis. Anwaltskosten übernimmt die gegnerische Versicherung in der Regel ebenfalls, sofern die Rechtslage kompliziert ist oder Streit besteht - zögern Sie also nicht, im Ernstfall einen Anwalt hinzuziehen.
Zurück zur Frage der Schuld und Versicherung: Haben Sie den Unfall verursacht, melden Sie den Vorfall so schnell wie möglich Ihrer eigenen Kfz-Haftpflichtversicherung. Diese kommt für den Schaden des Unfallgegners auf.
Sind Sie der Geschädigte, müssen Sie Ihre Schadenersatzansprüche direkt bei der gegnerischen Versicherung in der Schweiz geltend machen.
Die gute Nachricht: Sie müssen sich dafür nicht zwingend mit Schweizer Behörden herumschlagen, meist lässt sich die Abwicklung auch von Deutschland aus regeln. Allerdings ist etwas Geduld gefragt - erfahrungsgemäß dauert die Schadenregulierung in der Schweiz etwas länger als daheim. Nach Schweizer Recht hat die gegnerische Versicherung bis zu drei Monate Zeit, um auf Ihre Forderung zu reagieren. Bleibt die Antwort aus, kann man sich an die Verkehrsopferhilfe wenden - oder im Extremfall Klage erheben, notfalls sogar am eigenen Wohnsitzgericht in Deutschland. In vielen Fällen läuft aber alles reibungslos, wenn auch nicht überstürzt.
Bei größeren Schäden sollten Sie unbedingt ein Gutachten anfertigen lassen. In der Schweiz reicht zwar bei kleineren Schäden unter ca. 700 € oft ein Kostenvoranschlag einer Werkstatt. Aber ab ca. 700 € Schadenshöhe verlangen Versicherer in der Regel ein Sachverständigen-Gutachten, falls sie den Schaden nicht selbst vor Ort begutachtet haben. Lassen Sie den Schaden also von einem unabhängigen Kfz-Gutachter aufnehmen, insbesondere wenn die Reparatur teuer wird oder ein Totalschaden vorliegt.
Die Kosten des Gutachtens müssen von der gegnerischen Versicherung übernommen werden, sofern es notwendig war - etwa wenn kein Versicherungs-Gutachter den Schaden besichtigt hat. Wichtig: Informieren Sie die gegnerische Versicherung vorab, wenn Sie ein Gutachten einholen, und schicken Sie ihr dann eine Kopie.
Früher ein Muss, heute offiziell nicht mehr zwingend - aber dennoch sehr hilfreich. Die grüne Karte ist ein internationaler Versicherungsnachweis und wird von Ihrer Kfz-Versicherung kostenlos ausgestellt. In der Schweiz muss man sie nicht mehr mitführen, da das Kennzeichen als Versicherungsnachweis genügt. Trotzdem empfehlen wir dringend, die grüne Karte einzupacken. Im Falle eines Unfalls erleichtert sie die Kommunikation mit Polizei und Unfallgegner, weil alle wichtigen Versicherungsdaten (Versicherer, Nummer, Gültigkeit) darauf vermerkt sind. Das kann die Schadenabwicklung deutlich beschleunigen.
Versicherungsschutz für Wohnmobilreisende
Haftpflicht, Kasko & Co. Zum Schluss lohnt ein kurzer Blick auf den generellen Versicherungsschutz für Wohnmobilreisende - denn der beste Unfall ist der, bei dem man gut versichert war.
In der Schweiz (wie überall in Europa) ist eine Kfz-Haftpflichtversicherung gesetzlich vorgeschrieben. Ohne Haftpflicht geht gar nichts: Diese Police deckt Personen- und Sachschäden, die Sie mit dem Fahrzeug anderen zufügen. Ihre eigene Karre wird davon aber nicht repariert - dafür braucht es eine Kaskoversicherung. Teilkasko deckt Schäden am eigenen Wohnmobil ab, die z.B. durch Diebstahl, Brand, Sturm, Glasbruch oder Wildtiere entstehen. Vollkasko umfasst darüber hinaus auch selbstverschuldete Unfallschäden am eigenen Fahrzeug.
Gerade bei neueren oder höherwertigen Reisemobilen ist Vollkasko ratsam, damit man bei einem Crash nicht auf einem großen finanziellen Schaden sitzenbleibt. Prüfen Sie vor der Reise, ob Ihr Wohnmobil ausreichend kaskoversichert ist - und wie hoch die Selbstbeteiligung ausfällt.
Zusätzlich zur Fahrzeugversicherung gibt es einige sinnvolle Extras: Ein Schutzbrief bzw. eine Reise-Assistance kann z.B. die Kosten für Pannenhilfe, Abschleppen, Rücktransport des Fahrzeugs oder sogar Hotelübernachtungen im Notfall übernehmen. Viele Versicherer oder Automobilclubs (ADAC, TCS etc.) bieten solche Pakete an. Auch eine Verkehrs-Rechtsschutzversicherung ist Gold wert, falls Sie Ihre Ansprüche nach einem Unfall rechtlich durchsetzen müssen. Denken Sie auch an die Auslandsreisekrankenversicherung für sich und Ihre Mitreisenden - die medizinische Versorgung in der Schweiz ist zwar exzellent, aber auch teuer, und nicht alle Krankenkassen übernehmen die vollen Kosten im Nicht-EU-Ausland.