Die Autismus-Spektrum-Störung (ASS) ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die sich durch Abkapselung von der Aussenwelt und mangelndem Interesse an sozialen Kontakten bemerkbar macht. Die Bezeichnung Autismus kommt aus dem Griechischen und setzt sich aus den beiden Wörtern „autos“ = selbst und „ismos“ = Zustand zusammen. Es beschreibt also eine Art Rückzug ins Innenleben.
Menschen aus dem Autismus-Spektrum sehen, hören und fühlen die Welt anders als ihre Mitmenschen. Aufgrund ihrer autistischen Wahrnehmung haben sie Schwierigkeiten, sich in andere Menschen hineinzufühlen und adäquat mit ihnen zu kommunizieren. Zudem können sie die Stimmung ihres Gegenübers aus dessen Gesicht schlecht erkennen und vermeiden deshalb oft Kontakte zu ihren Mitmenschen.
Autismus-Symptome: Soziale Interaktion
Vielen Autisten fällt es schwer, Beziehungen zu ihren Mitmenschen aufzubauen. Das fällt oft schon im Säuglingsalter auf. So können viele autistische Kinder keine enge Bindung zu den Eltern aufbauen und nicht auf Reize aus der Umgebung reagieren.
Beispielsweise suchen Babys normalerweise den Blick der Mutter und körperlichen Kontakt, um Nähe aufzubauen. Autistische Babys hingegen weichen meist einem Blickkontakt aktiv aus. Viele ahmen auch das Lächeln ihres Gegenübers nicht nach. Das lässt sie oft teilnahmslos oder starr erscheinen. Manche Eltern vermuten anfangs sogar, ihr Kind sei taub oder blind, weil es kaum Reaktionen auf die Umwelt zeigt.
Auch im späteren Kindesalter sowie im Jugend- und Erwachsenenalter haben Autisten oftmals Probleme, Blickkontakt aufzubauen und zu halten. Bei einer ausgeprägten autistischen Störung können Betroffene zudem kaum freundschaftliche Beziehungen eingehen. So spielen betroffene Kinder am liebsten allein. Ihre Mitmenschen nehmen sie oft nur wahr, wenn diese ihre Bedürfnisse erfüllen sollen (z. B. bei Hunger).
Lesen Sie auch: Ursachen emotionaler Abhängigkeit
Menschen mit Autismus tun sich oft schwer, die Gefühle anderer Menschen nachzuvollziehen und sich in andere hineinzuversetzen. Auch ihre eigenen Gefühle können sie oft nur schlecht oder gar nicht ausdrücken. So zeigen sie häufig kaum spontane Gefühlsregungen wie Freude oder Interesse an anderen Personen und an verschiedenen Tätigkeiten. Ausserdem können Autisten ihre Reaktion oftmals nicht der allgemeinen Stimmungslage anpassen. So kann es etwa passieren, dass sie scheinbar grundlos einen Lachanfall bekommen.
Autismus-Symptome: Kommunikation
Die Sprache von Autisten ist ebenfalls häufig gestört. So können viele Kinder mit frühkindlichem Autismus keine normale Sprache erlernen. Sprechen sie doch, wiederholen sie oft gleiche Sätze. Auch die Sprachmelodie fehlt. Dadurch entsteht manchmal ein roboterhafter Eindruck.
Bei Patienten mit Asperger-Syndrom hingegen ist die Sprache oft sehr hoch entwickelt. Sie wirkt aber manchmal seltsam monoton und gestelzt.
Auch für die Sprache haben Experten wichtige allgemeine Autismus-Symptome definiert:
- Die Sprachentwicklung hinkt hinterher.
 - Die Kinder versuchen nicht, sich durch ihre Gestik oder Körpersprache auszudrücken.
 - Die Kinder haben Probleme, eine Unterhaltung zu beginnen oder aufrechtzuerhalten.
 - Der Umfang der Sprache ist sehr begrenzt und einseitig.
 - Oft werden Sätze oder Fragen nachgesprochen.
 
Autismus-Symptome: Interessen und Verhaltensmuster
Das dritte grosse Hauptsymptom bei Autismus ist das oft stereotype Verhalten. So führen viele Betroffene beharrlich bestimmte Handlungen, Rituale und Gewohnheiten aus. Werden sie dabei unterbrochen oder daran gehindert, reagieren Sie teilweise mit Schreianfällen und Panikattacken.
Lesen Sie auch: Wann professionelle Hilfe suchen?
Oft können sich Autisten auch nicht von ihren Lieblingsdingen trennen und nehmen sie überall hin mit. Ausserdem konzentriert sich bei vielen Autisten scheinbar das ganze Interesse auf bestimmte spezielle Details oder Dinge, die sie voll und ganz in Beschlag nehmen.
Zusammengefasst sind bei diesem Symptomkomplex folgende Auffälligkeiten charakteristisch für Autisten:
- Die Betroffenen befassen sich vornehmlich mit einem ungewöhnlichen Detail oder haben ein ungewöhnliches Interesse.
 - Bestimmte Handlungen oder Rituale können sie nicht aufgeben.
 - Die Handlungen sind oft stereotyp und monoton.
 - An einem Spielzeug suchen sie ein ganz bestimmtes Detail aus, mit dem sie sich beschäftigen. Selten binden sie den kompletten Gegenstand ins Spiel ein.
 - Die Spiele betroffener Kinder sind eher fantasielos und stereotyp. Auch nachahmendes Spielverhalten bleibt aus.
 
Begleiterscheinung: Inselbegabung
Viele Autisten weisen zusätzlich das Savant-Syndrom auf. Das heisst: Sie verfügen über eine spezielle Inselbegabung. Manche sind zum Beispiel wahre Rechengenies, andere haben ein fotografisches Gedächtnis oder erlernen Sprachen in Rekordzeit. Sie widmen sich ihrer besonderen Begabung mit grosser Ausdauer, haben aber oft kaum andere Interessen.
Manche Savants weisen in Bereichen ausserhalb ihres Spezialgebiets eine verminderte Intelligenz auf. Es gibt jedoch auch sowohl insgesamt normal intelligente als auch hochbegabte Savants.
Art und Schweregrad der Symptome individuell unterschiedlich
Individuell und je nach Autismus-Form sind Art und Schweregrad der Symptome sehr unterschiedlich. So sind etwa beim Asperger-Syndrom die Symptome im Allgemeinen schwächer ausgeprägt als beim Frühkindlichen Autismus. Bei letzterer Form gibt es unter den Betroffenen ebenfalls grosse Unterschiede - die Palette reicht von nur leichter Beeinträchtigung bis hin zu schwer ausgeprägten Störungen.
Lesen Sie auch: Definition Essstörung
Wie wird die Diagnose Autismus-Spektrum-Störung gestellt?
Um bei Erwachsenen abzuklären, ob eine ASS vorliegt, erfolgt idealerweise eine breite Anamnese, Fremdanamnese sowie eine ausführliche Psychodiagnostik, damit Fehldiagnosen vermieden werden. Für die Diagnosestellung müssen bei Betroffenen bereits frühkindlich abweichende oder besondere Entwicklungen aufgetreten sein, wie etwa ein mangelnder Wunsch, mit Gleichaltrigen zu interagieren, verzögerte Sprachentwicklung, seltsame Satzmelodie, repetitive Verhaltensmuster, Bevorzugung von Routineabläufen, begrenzter Blickkontakt, motorische Unbeholfenheit. Idealerweise gibt es eine Bezugsperson, die über die Entwicklung der ersten drei bis vier Lebensjahre der zu beurteilenden Person berichten kann.
Was tun nach der Diagnose?
Wichtig ist: Ihr Kind bleibt die gleiche Person, trotz Diagnose. Da Sie jetzt wissen, dass Ihr Kind im Autismus-Spektrum ist, können Sie das Verhalten und die besonderen Bedürfnisse ihres Kindes besser verstehen. So können Sie Ihr Kind richtig unterstützen und ihm helfen, sein Potential auszuschöpfen. Ihr Kind kann von einer angemessenen, manchmal durchaus intensiven Unterstützung ab dem frühen Kindesalter profitieren.
Wann sage ich es meinem Kind?
Sie müssen selber entscheiden, zu welchem Zeitpunkt Sie Ihrem Kind von seiner Autismus-Diagnose erzählen. Manche Eltern erzählen dem Kind von der Diagnose, wenn es noch jung ist (Primarschulalter) und beginnt, Fragen zu stellen. Andere Eltern warten bis Ihr Kind älter ist, da dieses die Diagnose und seine Eigenheiten möglicherweise besser verstehen kann.
Wie sage ich es meinem Kind?
Kinder mit Autismus haben Schwierigkeiten mit neuen Informationen umzugehen. Es fällt ihnen besonders schwer, wenn sie Angst haben, sich gestresst fühlen oder sich in einer unbekannten Umgebung befinden. Es gibt nicht „den richtigen Weg“, Ihr Kind über die Diagnose zu informieren.
Wer sagt es?
Vorab müssen Sie klären, welches Familienmitglied sich am besten eignet, das Kind über seine Diagnose zu informieren. Hat das Kind ein besonders enges Verhältnis zu den Grosseltern oder zu einer Tante?
Wie starte ich das Gespräch?
Eine Möglichkeit, um mit dem Gespräch zu starten, wäre das Thematisieren der Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Hierfür eignet sich eine Liste aller Familienmitglieder mit deren jeweiligen Stärken und Schwächen. Anschliessend könnten Sie mit Ihrem Kind über seine eigenen Stärken und Schwächen sprechen.
Wie wird mein Kind reagieren?
Jedes Kind mit Autismus ist anders und so wird auch die Reaktion auf die Diagnose bei allen Betroffenen unterschiedlich ausfallen. Einige Kinder reagieren erleichtert, da sie jetzt ihr Verhalten besser verstehen können. Andere Kinder reagieren besorgt und haben Angst, dass etwas mit ihnen falsch ist. Dies kann sich negativ auf ihre Gesundheit auswirken.
Es ist ganz wichtig, dass Sie betonen, dass Autismus keine Krankheit ist. Auch wenn Autismus nicht geheilt werden kann, gibt es trotzdem viele Möglichkeiten, die betroffenen Kinder in ihrem Alltag zu unterstützen und ihnen zu helfen, mit ihren Schwierigkeiten umzugehen. Beispielsweise kann das Kind in der Schule zusätzliche Unterstützung von Fachpersonen erhalten. So kann es auch Aufgaben lösen, die ohne zusätzliche Unterstützung nicht möglich wären.
Heben Sie die Stärken Ihres Kindes hervor. Machen Sie Ihrem Kind klar, dass es nicht nur Schwierigkeiten hat, sondern auch in vielen Dingen sehr gut ist und auch Dinge beherrscht, bei denen andere Kinder Hilfe brauchen. (Die andere Seite des Autismus)
Seien Sie für Ihr Kind da und beantworten Sie Fragen. Es gibt Kinder mit Autismus, die sich nicht getrauen, Fragen direkt zu stellen.
Was soll ich tun, wenn mein Kind andere autistische Kinder kennenlernen möchte?
Es gibt autistische Kinder, denen es hilft, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen.
Wie soll ich es meinen anderen Kindern sagen?
Wenn Sie andere Kinder haben wäre es gut, wenn Sie mit diesen individuell über die Diagnose des Kindes sprechen. Nicht jedes Kind versteht die gleiche Erklärung.
Wie können sich Lehrpersonen über Autismus informieren?
Damit Lehrpersonen ein Kind mit Autismus bestmöglich in der Schule fördern können, müssen sie über Autismus aufgeklärt werden.
Unterstützung in der Schule
Um Kinder mit Autismus in der Schule zu unterstützen, müssen den involvierten Personen (z.B. Lehrperson) die besonderen Bedürfnisse des Betroffenen bekannt sein. Wichtig ist, dass Sie mit der Schule besprechen, inwiefern Ihr Kind zusätzliche Unterstützung braucht.