In meinen Seminaren und Beratungen werde ich oft von Eltern gefragt, ob es sinnvoll ist, ein Kind auf das Asperger-Syndrom abklären zu lassen. Auch werde ich häufig gefragt, wie eine Abklärung abläuft und welche Schritte nach einer gestellten Diagnose unternommen werden müssen.
Abklären lassen - Ja oder Nein?
Meistens tragen Eltern den Verdacht, dass ihr Kind ein Asperger-Syndrom haben könnte, lange Zeit mit sich herum. Bereits wenn das Kind noch klein ist, spüren sie, dass es anders ist als andere Kinder. Mit zunehmendem Alter wird die Vermutung stärker, dass etwas nicht stimmt. Spätestens im Kindergarten oder in der Schule wird dann eine Abklärung in Betracht gezogen.
Meine Erfahrung als Elterncoach zeigt, dass es nicht einfach ist, ständig mit der Ungewissheit zu leben. Wenn bei Ihrem Kind ein Asperger-Syndrom diagnostiziert wird, dann haben Sie endlich eine Erklärung für das ungewöhnliche Verhalten Ihres Kindes. Sie haben auch nicht mehr das Gefühl, sich ständig vor aussenstehenden Personen für Ihre Erziehung rechtfertigen zu müssen. Und vor allem können Sie (und alle anderen Bezugspersonen) nun gezielt etwas unternehmen, um Ihrem Kind zu helfen. Sei dies mit Therapien oder auch einfach dadurch, dass Sie sich selber Wissen zum Thema „Asperger“ aneignen. Zu verstehen, wie Ihr Kind „tickt“, wird Ihnen im Alltag helfen, besser mit schwierigen Situationen umzugehen.
Einige Eltern befürchten, dass ihr Kind nach einer Diagnose „einen Stempel“ bekommt, der ihm mehr schadet als nützt. Die Angst, dass Ihr Kind wegen seiner Diagnose stigmatisiert oder in eine Schublade gesteckt wird, ist nachvollziehbar. Allerdings werden diejenigen Leute, die ein Kind aufgrund einer Autismus-Diagnose diskriminieren, Ihrem Kind auch ohne Diagnose kein Wohlwollen entgegenbringen. Auch dies ist wertvoll zu wissen.
Sie haben durch die Abklärung einen Prozess angestossen und können nun eine mögliche Ursache für das Verhalten Ihres Kindes ausschliessen. Sie werden durch die Abklärung mit Psychologen in Kontakt kommen, die Ihr Kind kennengelernt und beobachtet haben. Diese werden Ihnen auf der Suche nach anderen möglichen Ursachen helfen.
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Eine Abklärung sollte immer von einer Fachstelle durchgeführt werden. Auf der Webseite von Autismus Deutsche Schweiz finden Sie eine Liste von Fachstellen pro Kanton. Momentan sind die Wartezeiten lang - je nach Abklärungsstelle muss man bis zu sechs Monate auf einen Termin warten. Der Abklärungsprozess besteht aus ca. fünf, über mehrere Wochen verteilte Sitzungen.
Nicht nur Sie, sondern auch Ihr Kind merkt schon früh, dass es irgendwie anders ist als andere Kinder. Es unternimmt alles, um sich anzupassen und nicht aufzufallen. Aufgrund seiner Besonderheit gelingt ihm dies aber nur bedingt und unter grosser Anstrengung. Spätestens wenn es nach einem langen Schultag nach Hause kommt, bricht alles aus ihm heraus. Vielleicht bemerkt man ausserhalb der Familie nicht viel, aber im Innern staut sich viel Stress und Druck auf. Deshalb ist es auch für Ihr Kind enorm entlastend zu wissen, was der Grund für seine unterschiedliche Wahrnehmung der Welt ist. So kann es lernen, mit seinen eigenen Gefühlen und Besonderheiten umzugehen.
Die Diagnose mitteilen
Ab dem Schulalter ist es möglich, einem Kind seine Diagnose altersgerecht zu vermitteln. Sei dies im Gespräch oder anhand eines Buches. Warten Sie nicht zu lange damit. Je früher Ihr Kind weiss, was mit ihm los ist, desto besser. Das zeigt ihm, dass die Diagnose nichts ist, wofür man sich schämen muss oder was man verstecken soll. Im Gegenteil, ein Asperger zu sein, hat auch viele positive Seiten. Ein guter Einstieg bietet zum Beispiel der Schattenspringer.
Manche Kinder wollen nichts von ihrer Diagnose wissen und blocken ab. Dies sollte man respektieren und nichts erzwingen. Es ist hilfreich für alle Personen, die näher mit Ihrem Kind zu tun haben, die Ursachen seines Verhaltens zu kennen. So kann das Umfeld lernen, worauf man im Umgang mit dem Kind achten sollte. Auch die Schule sollte über die Diagnose Bescheid wissen. Ein enger Austausch und eine regelmässige Kommunikation zwischen Eltern und Lehrpersonen ist enorm hilfreich für beide Seiten.
Therapiemöglichkeiten
Es gibt verschiedene Therapieformen, die für Ihr Kind hilfreich sein können.
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- Sozialkompetenzgruppen haben zum Ziel, die Kommunikations- und Interaktionsfähigkeiten von Asperger-Kindern in einer Gruppe zu verbessern. Die Gruppen treffen sich regelmässig (meistens einmal wöchentlich) über einen längeren Zeitraum. Es gibt Sozialkompetenzgruppen für verschiedene Altersgruppen.
 - Die Ergotherapie ist eine ganzheitliche Therapie, welche auf spielerische Weise Bereiche fördert, welche Asperger-Kindern häufig Mühe bereiten.
 - Die Psychomotorik ist eine ähnliche Therapie, welche häufig in Schulen angeboten wird.
 - Oftmals treten im Rahmen einer Autismus-Spektrum-Störung komorbide Störungen wie Ängste, Zwänge oder depressive Verstimmungen auf, welche durch eine Psychotherapie gut behandelt werden können. Begleitend werden manchmal auch Medikamente eingesetzt.
 
Es lohnt sich, das Kind bei der Invalidenversicherung anzumelden, da die Grundversicherung oder Zusatzversicherung nicht jede Form von Behandlung oder Therapie abdeckt. Auch für die spätere berufliche Integration bietet die IV wertvolle Unterstützung. Der Kontakt zu anderen Eltern ist sehr wertvoll!
Autismus-Spektrum-Störungen (ASS)
Heute spricht man von einem «autistischen Spektrum», weil sich die einzelnen autistischen Störungsbilder nicht immer scharf voneinander abgrenzen lassen. Beim Frühkindlichen Autismus werden bereits vor dem dritten Lebensjahr gravierende Beeinträchtigungen in der sozialen Interaktion und in der Kommunikation sowie repetitives Spielverhalten erkannt. Bei Kindern mit Asperger-Syndrom fallen ebenfalls erst später Auffälligkeiten in der sozialen und kommunikativen Entwicklung auf. Die sozialen Probleme zeigen sich am stärksten im Kontakt mit anderen Kindern und Jugendlichen.
Dazu kommen oft ausgeprägte Spezialinteressen, eine detailorientierte Wahrnehmung, Mühe mit dem Perspektivenwechsel und sensorische Überempfindlichkeiten, z.B. Kinder und Jugendliche mit einem Verdacht auf oder einer Diagnose innerhalb des autistischen Spektrums.
Die Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) beruht einerseits auf der genauen Befragung von Eltern und anderen wichtigen Bezugspersonen zur Entwicklung und dem aktuellen Verhalten des Kindes. Andererseits machen wir uns als Fachpersonen mittels standardisierten und freien Spielbeobachtungen, im Gespräch sowie mit Hilfe von Tests ein eigenes Bild vom Verhalten des Kindes. Manchmal erfassen wir zudem kognitive (geistige) Fähigkeiten, die Selbstständigkeit im Alltag und emotionale Befindlichkeit. Ein Kind mit einer schweren autistischen Störung sollte auch neuropädiatrisch und genetisch untersucht werden.
Wenn bei einem Kind eine autistische Störung diagnostiziert wird, stellen sich die Eltern viele Fragen nach Ursachen, Behandlungsmöglichkeiten und Prognose. Wir informieren die Eltern umfassend und arbeiten dabei eng mit dem Elternverein Autismus Deutsche Schweiz zusammen. Je nach Diagnose und Alter kommen unterschiedliche Methoden zum Einsatz. Wir beteiligen uns in vielfältiger Weise an der Aus- und Weiterbildung von Studierenden der Medizin oder Psychologie oder von therapeutischen oder pädagogischen Fachpersonen. Auch bieten wir Supervisionen an.
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Die interdisziplinäre Autismusfachstelle IAS bietet umfassende Unterstützung für Kinder und Jugendliche mit Verdacht auf Autismus-Spektrum-Störungen (ASS). Autismus-Spektrum-Störungen sind tiefgreifende Entwicklungsstörungen, die:
- sich auf die zwischenmenschliche Kommunikation und Interaktion auswirken.
 - zu eingeschränkten, stereotypen Beschäftigungen und Interessen führen.
 - teilweise erhebliche Einschränkungen in alltagspraktischen Fertigkeiten zur Folge haben können.
 
Da die Nachfrage nach Abklärungen aktuell sehr hoch ist, führen die PDAG eine dynamische Warteliste. Diese ermöglicht eine Priorisierung nach Alter und Dringlichkeit nach festgesetzten Regeln. Bereits vor Abschluss der sich in der Regel über mehrere Monate dauernden Diagnostik werden Kinder und ihre Eltern beraten und unterstützt. Unser Team berät nach erfolgter Diagnose Eltern, betroffene Kinder und Jugendliche bis zum 18. Die Kosten werden von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) übernommen.
Heilbar ist es nicht, aber mit einer individuellen Förderung und Unterstützung ist eine Verbesserung der Symptomatik erreichbar. Dabei ist es wichtig, eine gute Balance aus Förderung und Entlastung des Kindes zu bewirken. Ziel ist es, dem Kind in der Zukunft eine bestmögliche Integration in die Gesellschaft und Selbstständigkeit zu ermöglichen. Es gibt verschiedene Schweregrade der Diagnose (leicht, mässig und schwer). Ein Geburtsgebrechen wird von der Invalidenversicherung (IV) bestätigt.
Allgemein geht es um eine Integration in die Gesellschaft, Förderung der sozialen Kompetenz, Umgang mit den eigenen Emotionen, das Zulassen von Anforderungen der Umwelt, Selbstständigkeit, Unterstützung in der Sprachentwicklung und Schulung der eigenen Wahrnehmung. Dies kann idealerweise bereits im Kleinkindalter beginnen. Generell ist aber festzustellen, dass von ASS betroffene Kinder im Verlauf ihrer Entwicklung immer wieder Unterstützungsbedarf haben. Schon eine angepasste familiäre Umgebung trägt sehr viel zu einer guten Entwicklung bei.
Es gibt derzeit keine spezifisch für Autismus entwickelten Medikamente, welche die Symptome einer Autismusstörung eliminieren. Wichtig ist: Ihr Kind bleibt die gleiche Person, trotz Diagnose. Da Sie jetzt wissen, dass Ihr Kind im Autismus-Spektrum ist, können Sie das Verhalten und die besonderen Bedürfnisse ihres Kindes besser verstehen. So können Sie Ihr Kind richtig unterstützen und ihm helfen, sein Potential auszuschöpfen. Ihr Kind kann von einer angemessenen, manchmal durchaus intensiven Unterstützung ab dem frühen Kindesalter profitieren.
Unterstützung in der Schule
In der Schule: Um Kinder mit Autismus in der Schule zu unterstützen, müssen den involvierten Personen (z.B. Lehrperson) die besonderen Bedürfnisse des Betroffenen bekannt sein. Wichtig ist, dass Sie mit der Schule besprechen, inwiefern Ihr Kind zusätzliche Unterstützung braucht.
Die Diagnose dem Kind erklären
Sie müssen selber entscheiden, zu welchem Zeitpunkt Sie Ihrem Kind von seiner Autismus-Diagnose erzählen. Manche Eltern erzählen dem Kind von der Diagnose, wenn es noch jung ist (Primarschulalter) und beginnt, Fragen zu stellen. Andere Eltern warten bis Ihr Kind älter ist, da dieses die Diagnose und seine Eigenheiten möglicherweise besser verstehen kann.
Es gibt nicht „den richtigen Weg“, Ihr Kind über die Diagnose zu informieren. Vorab müssen Sie klären, welches Familienmitglied sich am besten eignet, das Kind über seine Diagnose zu informieren. Hat das Kind ein besonders enges Verhältnis zu den Grosseltern oder zu einer Tante?
Eine Möglichkeit, um mit dem Gespräch zu starten, wäre das Thematisieren der Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Hierfür eignet sich eine Liste aller Familienmitglieder mit deren jeweiligen Stärken und Schwächen. Anschliessend könnten Sie mit Ihrem Kind über seine eigenen Stärken und Schwächen sprechen. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass Ihr Kind andere Menschen mit Autismus trifft.
Jedes Kind mit Autismus ist anders und so wird auch die Reaktion auf die Diagnose bei allen Betroffenen unterschiedlich ausfallen. Einige Kinder reagieren erleichtert, da sie jetzt ihr Verhalten besser verstehen können. Andere Kinder reagieren besorgt und haben Angst, dass etwas mit ihnen falsch ist. Dies kann sich negativ auf ihre Gesundheit auswirken. Es ist ganz wichtig, dass Sie betonen, dass Autismus keine Krankheit ist.
Auch wenn Autismus nicht geheilt werden kann, gibt es trotzdem viele Möglichkeiten, die betroffenen Kinder in ihrem Alltag zu unterstützen und ihnen zu helfen, mit ihren Schwierigkeiten umzugehen. Beispielsweise kann das Kind in der Schule zusätzliche Unterstützung von Fachpersonen erhalten. So kann es auch Aufgaben lösen, die ohne zusätzliche Unterstützung nicht möglich wären. Heben Sie die Stärken Ihres Kindes hervor. Machen Sie Ihrem Kind klar, dass es nicht nur Schwierigkeiten hat, sondern auch in vielen Dingen sehr gut ist und auch Dinge beherrscht, bei denen andere Kinder Hilfe brauchen.
Seien Sie für Ihr Kind da und beantworten Sie Fragen. Es gibt Kinder mit Autismus, die sich nicht getrauen, Fragen direkt zu stellen.
Weitere Fragen
- Was soll ich tun, wenn mein Kind andere autistische Kinder kennenlernen möchte? Es gibt autistische Kinder, denen es hilft, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen.
 - Wie soll ich es meinen anderen Kindern sagen? Wenn Sie andere Kinder haben wäre es gut, wenn Sie mit diesen individuell über die Diagnose des Kindes sprechen. Nicht jedes Kind versteht die gleiche Erklärung.
 - Wie können sich Lehrpersonen über Autismus informieren? Damit Lehrpersonen ein Kind mit Autismus bestmöglich in der Schule fördern können, müssen sie über Autismus aufgeklärt werden.
 
Diagnostische Verfahren
ADOS-2 ist ein zuverlässiges, valides und klinisch sehr anschauliches Verfahren zur Abklärung und Klassifikation von qualitativen Auffälligkeiten der sozialen Interaktion und reziproken Kommunikation im Sinne einer autistischen Störung. Die strukturierte Ratingskala verfügt über reichhaltiges Untersuchungsmaterial und gehört zum internationalen Standard der Diagnostik von Störungen des autistischen Spektrums. Je nach Alter und Sprachniveau der zu testenden Person wird eine von fünf Untersuchungsstrategien (Module) gewählt. Mithilfe gezielt inszenierter spielerischer Elemente, Aktivitäten und Gespräche können Sachverhalte und Symptome, die für die Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) relevant sind, geprüft werden.
ADOS-2 wurde im Vergleich zum ADOS um ein Modul für Kleinkinder (ab 12 Monaten) mit eigenen Algorithmen für die Beurteilung von sehr jungen Kindern erweitert. Für die Module 1 bis 3 wurden die Algorithmen überarbeitet und es werden erstmals Vergleichswerte angegeben. Das Manual und die Protokollbogen für alle Module wurden aktualisiert. Anwendende von ADOS können das Ergänzungs-Kit Kleinkind-Modul als Upgrade zum ADOS-2 kaufen.
FSK (Fragebogen zur sozialen Kommunikation): Der Elternfragebogen FSK dient der Erfassung von abnormen sozialen Interaktions- und Kommunikationsmustern sowie stereotypen Verhaltensweisen im Vorfeld einer eingehenderen klinischen Diagnostik. Der Einsatz des FSK, früher unter der Bezeichnung Fragebogen über Verhalten und soziale Kommunikation (VSK) bekannt, erfolgt bei Personen mit Verdacht auf Autismus oder eine andere Störung des autistischen Spektrums ab einem Alter von 4;0 Jahren bzw. Der FSK ist ein 40 binäre Items umfassendes Screening-Instrument, das als komplementäre Skala zur Diagnostischen Beobachtungsskala für Autistische Störungen (ADOS-2) sowie zum Diagnostischen Interview für Autismus - Revidiert (ADI-R) konstruiert wurde und den diagnostischen Leitlinien von ICD-10 und DSM-IV-TR folgt. Es liegen eine Lebenszeitversion und eine Form zur Erfassung des aktuellen Verhaltens vor.
Aufgrund des engen inhaltlichen Bezugs zum DSM-IV-TR und der ICD-10 kann der FSK als kontentvalides Instrument angesehen werden. Die Korrelation zwischen dem FSK-Summenwert und den Skalen des ADI-R und ADOS liegt zwischen rtc = .26 und rtc = .53. Der Zusammenhang zwischen dem FSK-Summenwert und dem Adaptive Behavior Composite der deutschen Screening-Version der Vineland Adaptive Behavior Scales (VABS) liegt bei rtc = .41.
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