Schwere Depression und Arbeitsunfähigkeit: Voraussetzungen und Rechte

Depressionen können das Arbeitsleben erheblich beeinträchtigen. Gemäss der Weltgesundheitsorganisation WHO äussern sich Depressionen durch «anhaltende Traurigkeit und mangelndem Interesse an zuvor angenehmen Aktivitäten». Betroffene verlieren oft die Freude an ihren Hobbys, ziehen sich zurück oder fühlen sich dauerhaft niedergeschlagen.

Teilnahme am Arbeitsleben trotz Depression

Arbeiten mit Depressionen ist möglich. Je nachdem, in welchem Stadium sich Betroffene befinden, kann ein geregelter Tagesablauf mit einer sinnvollen Beschäftigung die Genesung fördern. Es ist ganz wichtig, dass arbeiten trotz Depression möglich ist.

Offenlegung der Erkrankung gegenüber dem Arbeitgeber

Vorweg: Sie sind nicht verpflichtet, Arbeitgeber oder Kolleg:innen über Ihre Erkrankung in Kenntnis zu setzen, sofern sie Ihre Aufgaben nicht wesentlich erschweren. Es gibt gute Gründe dafür, eine psychische Erkrankung erstmal für sich zu behalten. Angst vor Diskriminierung zum Beispiel, oder Scham, um nur einige zu nennen. Allerdings kann das Verschleiern einer Krankheit unter Druck setzen, Energie rauben und das Arbeiten mit Depressionen verkomplizieren.

Der offene Umgang hingegen kann eine Menge Stress ersparen. Zum Beispiel verhindert er, dass Sie sich für allfällige Fehltage rechtfertigen müssen. Wenn Sie nicht recht wissen, wie Sie mit Ihrem Vorgesetzten darüber sprechen sollen, bietet es sich an, die wichtigsten Punkte auf einen Zettel zu schreiben und diesen zum Gespräch mitzubringen. Oder Ihr:e Psychiater:in kann den Dialog mit Ihnen gemeinsam vorbereiten.

Massnahmen zur Unterstützung am Arbeitsplatz

Allenfalls können Sie auf Ihre Vorgesetzten zugehen und gemeinsam entlastende Massnahmen erarbeiten. Eine Reduktion des Pensums zum Beispiel oder längere Pausen. Auch regelmässige Gespräche mit der Personalleitung können hilfreich sein und Ihnen das Arbeiten mit Depressionen erleichtern.

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Arbeitsunfähigkeit und Krankschreibung

Falls Sie aufgrund Ihrer Symptome nicht oder nicht mehr in der Lage sind, zur Arbeit zu gehen, können Sie sich krankschreiben lassen. In der Regel muss nach dem dritten Abwesenheitstag ein Arztzeugnis eingereicht werden. Ärzt:innen bzw. Psychiater:innen stellen diese Zeugnisse aus.

Darin enthalten sind Informationen über Beginn, Dauer und Grad der Arbeitsunfähigkeit sowie den Hinweis, ob es sich um eine Krankheit oder einen Unfall handelt. Die genaue Diagnose fällt unter das Arztgeheimnis, und darf deswegen nur mit Ihrem Einverständnis weitergegeben werden. Ihr Arbeitgeber weiss also zwar, dass Sie aufgrund einer Krankheit ausfallen, nicht jedoch, dass Sie eine Depression haben.

Rechte und Pflichten während der Krankschreibung

Während einer Krankschreibung muss sich Ihr Unternehmen an das Arztzeugnis halten. Während einer Krankschreibung muss Ihnen Ihr Unternehmen für eine gewisse Zeit den vollen Lohn auszahlen (sogenannte Lohnfortzahlung). Wie lange genau, richtet sich entweder nach Arbeits- bzw. Gesamtarbeitsvertrag oder nach den Basler, Berner oder Zürcher Skalen. Diese von Gerichten festgelegten Fristen gibt es auf der Homepage des Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) zum Nachlesen.

Nach einer gewissen Zeit entfällt die Lohnfortzahlungspflicht und Sie erhalten üblicherweise Krankentaggeld. Eine Krankentaggeldversicherung ist nicht obligatorisch, viele Arbeitgeber:innen verfügen jedoch darüber. Sie erhalten in der Regel 80% Ihres Lohnes, wenn Sie Krankentaggeld beziehen, bezahlt wird der Betrag von der Versicherung. Sind Sie unsicher, wie es in Ihrem Unternehmen ist, empfiehlt es sich, bei Ihrem Arbeitgeber nachzufragen. Übrigens: vom Betrag wird nichts für die 1. Säule (AHV/IV/EO) abgezogen, da nach einigen Monaten Krankheit eine Prämienbefreiung eintritt.

Kündigungsschutz während der Krankschreibung

Während dieser Fristen ausgesprochene Entlassungen sind ungültig. Sollte Ihnen dennoch gekündigt werden, können Sie Ihren Arbeitgeber schriftlich auf seinen Fehler aufmerksam machen. Weitere Informationen sowie einen entsprechenden Musterbrief gibt es bei Guider.

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Unterstützung und Therapie

Psycholog:innen, bzw. Psychiater:innen helfen Ihnen mit verschiedenen Therapieformen und geeigneten Medikamenten aus der Depression. Sollten sich Ihre Symptome verschlechtern oder gar Suizidgedanken auftreten, sprechen Sie umgehend mit einer Fachperson, die einen stationären Klinikaufenthalt organisieren kann.

Für den Umgang mit Ihrer Krankheit am Arbeitsplatz gibt es zudem sogenannte Care Manager. Diese vermitteln, geben Tipps und suchen Wege, wie Betroffene weiterhin ihrem Beruf nachgehen können. Wenn Sie nach einer längeren Krankschreibung an Ihren Arbeitsplatz zurückkehren, kommt üblicherweise das Prinzip Supported Employment zum Einsatz. Job Coaches begleiten dann von der Stellensuche bis hinein in den Arbeitsalltag und sind Ansprechpartner für das berufliche sowie soziale Umfeld.

Arbeitgeberpflichten und Prävention

Der Arbeitgeber ist aufgrund der rechtlichen Grundlagen zum Schutz der physischen und psychischen Gesundheit verpflichtet. Psychosoziale Risiken lassen sich ebenso systematisch angehen wie andere Risiken im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz.

Viele Betroffene wollen arbeiten, da sie dadurch ihre Tagesstruktur und soziale Kontakte behalten sowie das Bewusstsein, dass sie wertvoll sind. Arbeitnehmer und Arbeitgeber wollen in vielen Fällen dasselbe: dass der Erkrankte bald wieder vollen Einsatz bringen kann.

Zuerst muss eine Firma akzeptieren, dass psychische Erkrankungen einen entsprechenden Umgang verlangen. Entscheidend ist die Fehlerkultur. Der Grund sei, dass die Angst des Mitarbeiters, zu einer Schwäche zu stehen, zu gross wird. In der Regel eskalieren diese Situationen, sobald die schwächere Arbeitsleistung oder ein forderndes Beziehungsverhalten nicht mehr kompensiert werden kann. Aus seiner Forschung weiss Baer, dass die Angst der Mitarbeiter vor Stigmatisierung immer noch sehr gross ist.

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Empfehlungen für Arbeitgeber

  • Chefs sollten sich für das Wohlergehen der Angestellten interessieren.
  • Ratsam sind regelmässige Befragungen.
  • Hat ein Mitarbeiter Stresssymptome, sollten Sie sofort handeln.
  • Schaffen Sie eine Kultur, die es erlaubt, Probleme ohne Angst vor Gesichts- und Jobverlust anzusprechen.
  • Es ist sinnvoll, alle Schritte zu protokollieren, die Sie unternommen haben.

Lohnfortzahlungstabellen

Die Dauer der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall richtet sich nach verschiedenen Skalen, die je nach Kanton variieren:

Skala 1. Dienstjahr 2. Dienstjahr 3. Dienstjahr 4. Dienstjahr 5. - 9. Dienstjahr 10. - 11. Dienstjahr
Berner Skala (BE, AG, OW, SG, West-CH) 3 Wochen 1 Monat 2 Monate 2 Monate 3 Monate 4 Monate
Basler Skala (BS, BL) 3 Wochen 2 Monate 2 Monate 3 Monate 3 Monate 4 Monate
Zürcher Skala (ZH, GR) 3 Wochen 8 Wochen 9 Wochen 10 Wochen 11 Wochen 16 Wochen

Kündigung wegen Krankheit

Es ist grundsätzlich zulässig, jemandem wegen einer die Arbeitsleistung beeinträchtigenden Krankheit zu kündigen, jedenfalls soweit die Sperrfrist nach Art. 336c Abs. 1 lit. b OR abgelaufen ist. Dagegen läge eine nach Art. 336 OR verpönte Treuwidrigkeit vor, wenn die krankheitsbedingte Beeinträchtigung der Verletzung einer dem Arbeitgeber obliegenden Fürsorgepflicht zuzuschreiben wäre. Eine Kündigung wegen andauernder Krankheit ist nur in sehr schwerwiegenden Fällen ("krasse Fälle") als missbräuchlich im Sinne von Art. 336 Abs. 1 lit. a OR zu qualifizieren.

Wenn die Situation diesen Schweregrad nicht erreicht, wie es bei Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer psychischen Krankheit häufig der Fall ist, ist die Kündigung nicht missbräuchlich. Denn Schwierigkeiten am Arbeitsplatz können häufig zu Depressionen oder anderen psychischen Störungen führen, die keine direkt durch den Arbeitgeber verursachte Krankheit darstellen.

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