Umgang mit Borderline-Partnern: Herausforderungen und Strategien

Schon junge Menschen können von einer Borderline-Persönlichkeitsstörung betroffen sein. Für Menschen, die an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden, ist das Leben nur Schwarz oder Weiss und voller Extreme. Sie kennen kein «Ist ganz okay», keine Grautöne, keine Konstanz.

Was ist eine Borderline-Persönlichkeitsstörung?

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) entsteht durch traumatische Einflüsse im frühen Kindesalter. Viele Borderline-Betroffene haben in ihrer Kindheit sexuellen Missbrauch, emotionale Vernachlässigung oder andere traumatische Ereignisse erlebt. Wenn in der frühen Kindheit ungünstige Einflüsse wie Vernachlässigung, Missbrauch oder fehlende emotionale Unterstützung auf einen Menschen einwirken, kann dadurch die Persönlichkeitsentwicklung gestört werden.

Während psychisch gesunde Personen es gut akzeptieren können, dass in einem Menschen oder in Situationen, die der Alltag mit sich bringt, gleichzeitig gute und negative Seiten koexistieren, fehlt Borderline-Patienten diese Einsicht. Menschen mit Borderline können ihre Gefühle schwer regulieren. Sie erleben sowohl positive als auch negative Emotionen besonders stark und es dauert deutlich länger als bei gesunden Menschen, bis die Emotionen wieder abklingen.

Symptome der Borderline-Persönlichkeitsstörung

Das Symptomspektrum ist sehr breit und umfasst fast alle möglichen psychiatrischen Symptome. Die ersten Symptome zeigen sich meist im Kindes- und Jugendalter, am ausgeprägtesten ist die Erkrankung im jungen Erwachsenenalter zwischen 20 und 30 Jahren. Hier sind einige typische Symptome:

  • andauernde Instabilität in Bezug auf Gefühle
  • rasch wechselnde, intensive Gefühlszustände wie Angst, Leeregefühl oder Wut
  • häufig dramatisch verlaufende Beziehungen mit hoher emotionaler Intensität
  • Beziehungsabbrüche
  • wiederholte traumatische Erfahrungen
  • Tendenz zu Selbstverletzungen, Risikoverhalten und Suizidversuchen
  • Suchtmittelkonsum, anderes Suchtverhalten und Essstörungen

Betroffene leiden aufgrund der heftigen Gefühlsschwankungen unter einer extremen inneren Anspannung. Um diese zu lindern, greifen sie häufig auf selbstschädigende Verhaltensweisen zurück. Hochriskante Aktivitäten, Drogenkonsum und Selbstverletzungen senken die Anspannungen sofort, werden dadurch jedoch schnell zu einer Form von Sucht. Die Betroffenen haben kein klares Bild davon, wer sie sind, was sie ausmacht. Sie fühlen sich zerrissen und leiden unter massiven Ängsten vorm Verlassenwerden.

Lesen Sie auch: Tipps für den Umgang mit Depressionen

Diagnose der Borderline-Persönlichkeitsstörung

Die Diagnose wird von einer Fachperson aufgrund sich wiederholender Symptome und Angaben des Patienten zu seiner Lebensgeschichte gestellt. In einer aktuellen Untersuchung wird das eigene Erleben des Verhaltens erfragt. Zusätzlich können testpsychologische Untersuchungen die Diagnose erhärten. Die Diagnose wird anhand von Kriterien wie Impulsivität festgemacht.

Seit gut zwei Jahren empfiehlt daher die sogenannte S3-Leitlinie zur Borderline-Persönlichkeitsstörung, die von diversen Fachgesellschaften ausgearbeitet worden ist, eine Diagnose ab dem 12. Lebensjahr. Bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung aber hat sich in den vergangenen Jahren immer deutlicher gezeigt, wie sinnvoll eine frühzeitige Therapie ist. «Die Vorteile einer solchen Behandlung überwiegen deutlich», sagt Kaess. «Wir sehen, dass sich beispielsweise die Erkrankungsdauer verkürzt.

Borderline-Beziehungen: Eine besondere Herausforderung

Eine Borderline-Persönlichkeitsstörung ist anstrengend - sowohl für die Betroffenen als auch für ihr Umfeld. Die Erkrankung erschwert den Umgang mit Familie, Freundinnen, Bekannten. Betroffene sind mal euphorisch, mal hochsensibel und legen jedes Wort auf die Goldwaage.

Beziehungen sind für die meisten Menschen eine Herausforderung. Sie bedeuten, Kompromisse einzugehen, auch mal zurückzustecken und Konflikte zu lösen. Für Borderline-Patienten sind diese Herausforderungen besonders schwer zu bewältigen. Die unerwarteten Stimmungswechsel, schnelle Gereiztheit und die geringe Frustrationstoleranz von Menschen mit Borderline-Syndrom stellen die Beziehungen zu anderen Menschen auf eine harte Probe. Eine Borderline-Beziehung ist geprägt von intensiven Emotionen - in einem Moment euphorisch und idealisierend, im nächsten Moment wütend und aggressiv.

Menschen mit Borderline haben grosse Angst vor dem Alleinsein. Gleichzeitig halten sie Beziehungen nicht lange aus. Häufig springen sie von einer Beziehung in die nächste. Beziehungen plötzlich zu beenden, ist ein typisches Kennzeichen von Borderline. Es ist daher nicht leicht, eine längerfristige Beziehung zu einem Borderline-Partner aufrecht zu erhalten.

Lesen Sie auch: "Borderline": Drehorte und ihre Bedeutung

Merkmale von Beziehungen mit Borderline-Patienten

Zu Beginn von Beziehungen oder Freundschaften idealisieren Borderliner die andere Person. Sie sprechen davon, einen Seelenverwandten gefunden zu haben. Die Emotionen sind sehr intensiv und berauschend. Problematisch wird es jedoch häufig, wenn Freunde oder Partner noch andere Freundschaften haben. Menschen mit Borderline stellen häufig einen Alleinanspruch auf nahestehende Personen. Sie werden schnell eifersüchtig.

Früher oder später wird der zunächst vergötterte Mensch zum Gegner. So intensiv, wie der Partner oder Freund zu Beginn angehimmelt wurde, wird er nun gehasst. Borderliner richten Gewalt meist gegen sich selbst, indem sie sich absichtlich Verletzungen zufügen. Trotzdem besteht die Möglichkeit zu Gewaltausbrüchen gegenüber anderen. Das führt zusätzlich zu Problemen in Beziehungen.

Es ist wichtig, die gestörten Verhaltensmuster in der Borderline-Beziehung zu erkennen und sich Hilfe zu suchen. Zusammen mit dem Therapeuten arbeitet das Paar dann daran, die eigenen Bedürfnisse und die des anderen in Einklang zu bringen.

Liebe und Sexualität bei Borderline

Borderline-Patienten, die in ihrer Kindheit Missbrauch erlebt haben, haben grosse Schwierigkeiten, langfristige Bindungen einzugehen. Beziehungen auf Basis von Verständnis und Wertschätzung sind ihnen nicht vertraut. Gleichzeitig ist eine starke Sehnsucht nach Nähe typisch bei Borderline. Sexualität wird dann von vielen Patienten als Mittel eingesetzt, eine Beziehung aufzubauen.

Oft ist Borderlinern ihre sexuelle Orientierung unklar. Denn die Schwierigkeiten mit der eigenen Identität zeigen sich auch bezüglich der sexuellen Ausrichtung. Ihre sexuelle Offenheit in Kombination mit der Impulsivität wirkt auf andere Menschen teilweise sehr anziehend. Es gibt Hinweise darauf, dass Borderliner Sex auch zur Reduktion von Spannungen und zur Unterdrückung von Ängsten einsetzen. Einige Borderline-Patienten suchen das Risiko, schaden sich damit selbst und fallen in eine noch tiefere Leere.

Lesen Sie auch: Ursachen und Symptome der BPS

Freundschaft und Familie

Ob Liebesbeziehung oder Freundschaft - der Umgang mit Borderline-Erkrankten ist immer ein Drahtseilakt. Der ständige Wechsel zwischen Nähe und Distanz, die emotionalen Achterbahnfahrten und die Wutausbrüche sind auf Dauer schwer auszuhalten. Wenn Borderliner den Kontakt abbrechen, handelt es sich oft um eine Art Selbstschutz-Verhalten. Viele Menschen mit Borderline lügen zudem häufig. Entweder, weil Fehler in ihrem schwarz-weiss geprägten Weltbild keinen Platz haben oder aus Furcht, verlassen zu werden.

Jugendliche mit der Borderline-Störung verändern unter Umständen sehr schnell die Dynamik in der Familie. Sie ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Risikoreiches Verhalten, Stimmungsschwankungen und manchmal auch Suizidversuche sind Teil der psychischen Störung. Auf Borderline-Angehörige wirkt das Verhalten des betroffenen Familienmitglieds oft verstörend. Sie haben Schwierigkeiten damit, die Handlungen nachzuvollziehen und fühlen sich oft hilflos.

Es ist wichtig für Familienmitglieder, ihre eigenen Bedürfnisse nicht zu ignorieren. Gesunde Geschwister müssen oft um die Aufmerksamkeit und Zuwendung der Eltern kämpfen. Das fördert nicht nur eine schlechte Stimmung in der Familie, sondern erhöht auch die Wut auf den Borderliner. Mit therapeutischer Unterstützung gelingt es leichter, die Familienstruktur zu erhalten und das Gefühlschaos zu reduzieren.

Tipps zum Umgang mit Borderline-Partnern

Vor allem nahestehende Personen wie die Familie leiden oft unter den extremen Symptomen von Borderline und fragen sich, wie sie sich gegenüber Menschen mit Borderline verhalten sollen. Hier sind einige Tipps, die helfen können:

  • Information: Informieren Sie sich umfassend über die Borderline-Persönlichkeitsstörung.
  • Therapie: Ermutigen Sie den Betroffenen zu einer Therapie und unterstützen Sie ihn dabei.
  • Abgrenzung: Lernen Sie, sich abzugrenzen und Ihre eigenen Gefühle zu schützen.
  • Ruhe bewahren: Bewahren Sie Ruhe, Haltung und innere Stärke, wenn es zu Gefühlsausbrüchen kommt.
  • Unterstützung suchen: Holen Sie sich bei Bedarf Unterstützung und nehmen Sie sich Auszeiten.
  • Selbstmordandrohungen ernst nehmen: Nehmen Sie als Angehöriger die Androhung eines Selbstmordversuches immer ernst!

Nicht nur viel Verständnis und Wohlwollen, sondern auch sinnvolle Grenzen zu setzen, hilft im Umgang mit Borderline Patienten. Im nächsten Schritt bearbeitet man Themen, die in der Familie oder Partnerschaft zu Problemen führen.

Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung

Lange hat man den Patientinnen und Patienten vor allem mit unspezifischen und sehr langen Therapien zu helfen versucht, seit wenigen Jahrzehnten zeigt sich jedoch, dass störungsspezifische und auch zeitlich limitierte Verfahren, wie zum Beispiel die dialektisch-behaviorale Therapie, kurz DBT, weitaus besser wirken als unspezifische Standardverfahren. Auch Leonie hat eine DBT bekommen.

Medikamente, mit denen die Borderline-Persönlichkeitsstörung behandelt werden kann, gibt es bislang nicht. Allerdings können Begleitprobleme wie Depressionen oder Angststörungen medikamentös behandelt werden. Es gibt zahlreiche erprobte Behandlungsansätze, die zu einer deutlichen Reduktion der Symptome und einem verbesserten zwischenmenschlichen Verhalten führen.

In den letzten Jahren sind verschiedene Psychotherapieverfahren für die Borderline-Erkrankung entwickelt worden, die im Einzel- oder im Gruppensetting angewendet werden können. So etwa die dialektisch-behaviorale Therapie (DBT), die Schematherapie, die mentalisierungsbasierte Therapie und die übertragungsfokussierte Therapie.

Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT)

In der Einzeltherapie wird in hierarchischer Abfolge an den verschiedenen Problemen des Betroffenen gearbeitet. Ganz oben steht dabei suizidales und therapiegefährdendes Verhalten. Die Therapeutin versucht, dem Patienten einerseits Verständnis und damit eine Form der Wertschätzung seiner Probleme entgegenzubringen, ihn andererseits aber auch zu nötigen Veränderungen zu bringen.

«Für viele Patient:innen ist es ein Aha-Erlebnis, zu verstehen, dass Emotionen uns zwar angeboren sind, der Umgang mit ihnen aber etwas ist, das wir lernen müssen», erzählt Dr. med. Roland Stehr. Den Umgang mit Emotionen lernen wir als Kind durch Erfahrung und Nachahmung.

In erster Linie geht es darum, dysfunktionale Bewältigungsstrategien ab- und funktionale Strategien aufzubauen. «Wenn ich meinen Stress mit selbstverletzendem Verhalten kompensiere, funktioniert das langfristig nicht und hat Konsequenzen. Was wäre eine solche gesunde Reaktion? Vielleicht helfe auch die Erkenntnis, dass alle Menschen mehr oder weniger gesunde Stressbewältigungsstrategien haben - zum Beispiel die Entspannungszigarette. «Auch Gefühlsschwankungen sind normal», so Stehr.

Wo wird die Borderline-Erkrankung behandelt?

In der Regel besteht die Therapie in einer länger dauernden ambulanten Psychotherapie. In Krisensituationen kann eine stationäre Behandlung zum Stabilisieren sinnvoll sein. Falls Suchtmittelkonsum als Problem im Vordergrund steht, wird auf den Stationen für Abhängigkeitserkrankungen mitbehandelt. Auch eine tagesklinische Behandlung ist denkbar.

Ist Borderline heilbar?

Die Frage, ob Borderline heilbar sei, taucht bei Stehrs Patient:innen immer wieder auf. Zu deren Beantwortung muss er etwas ausholen: «Die Diagnose wird anhand von Kriterien wie Impulsivität festgemacht. Und diese kann man beeinflussen.» Das heisst: Irgendwann sind die Kriterien nicht mehr in der erforderlichen Anzahl vorhanden, um die Diagnose Borderline zu stellen.

In der ambulanten Behandlung, die im Regelfall zum Zuge kommt, geht man von einer Therapiedauer von mindestens einem bis zwei Jahren aus. «Bis dahin sind Patient:innen zwar nicht symptomfrei, können meist aber ein gutes und sinnerfülltes Leben führen.

Eine geheilte psychische Erkrankung erhöht für die Betroffenen dennoch das Risiko, später im Leben erneut psychisch zu erkranken. Das ist auch bei der Borderline-Störung so.

Die Familie hat ein gutes Verhältnis, achtet aufeinander. Vor allem aber achtet auch Leonie auf sich selbst, horcht hinein, wenn sie merkt, dass gerade irgendwas nicht okay ist. Ein für sie essenzieller Teil der Therapie war ein Atemtraining. «Das mache ich bis heute regelmässig», sagt Leonie. «Und wann immer es etwas viel wird, lautet meine goldene Regel: lange durch den Mund ausatmen.

Fallbeispiel Leonie

Der Alltag mit Leonie war plötzlich unfassbar anstrengend geworden. Die 14-Jährige hatte Launen, die weit über ein bisschen Pubertät hinauszugehen schienen. Der Papa war ein Superheld oder ein kompletter Versager. Das Abendessen schmeckte überirdisch gut oder unfassbar ekelhaft. Mathe war die absolute Hölle oder das coolste Fach überhaupt. Freundinnen waren am Vormittag die miesesten Bitches, am Nachmittag plötzlich die grossartigsten Girls auf dem Planeten.

Die Situation eskalierte völlig, als Leonies geliebte ältere Schwester fürs Studium von zu Hause auszog. Die Dosis war nicht lebensbedrohlich, doch die Eltern nahmen dieses Signal ernst. Sie hatten Glück. Eine äusserst treffende Bezeichnung, findet Cathrin, die sich an ein zerrüttetes Familienleben erinnert: «Leonie torpedierte alles, was wir vorhatten, schrie uns ihren Hass ins Gesicht, nur um kurze Zeit später weinend in eine grosse Verzweiflung auszubrechen. Leonie ist inzwischen erwachsen, sie studiert und ist «ein lieber, reflektierter Mensch». Ihre Mutter führt das auf die Psychotherapie zurück. Leonie sagt: «Es war so viel Druck in mir, der hörte nie auf.

Leonies Eltern haben sich direkt nach Leonies Diagnose einer Selbsthilfegruppe angeschlossen. Sie wollten so gut wie möglich da sein für ihre Tochter. «Der Austausch mit anderen hat uns enorm geholfen», sagt Cathrin. «Wir haben viel genauer verstanden, wie es in ihr aussah, und konnten damit besser umgehen. Die Eltern hatten eine Beziehungskrise, als Leonie und ihre Schwester noch klein waren, lebten zeitweise getrennt. Dass ihre Eltern ihr durch die dunkle Phase geholfen haben, weiss Leonie vor allem jetzt im Rückblick sehr zu schätzen.

tags: #Umgang #mit #Borderline #Partner