Virtual-Reality-Therapie bei Angststörungen: Eine innovative Behandlungsmethode

Virtual Reality (VR) hat sich in den letzten Jahren nicht nur im Gaming-Bereich etabliert, sondern auch in der Therapie als vielversprechende Methode bewährt. Besonders bei der Behandlung von Phobien, posttraumatischen Belastungsstörungen und Essstörungen hat die virtuelle Realität positive Ergebnisse gezeigt.

Die Grundlagen der VR-Therapie

Das Prinzip der VR-Therapie ist nicht neu. Bereits 1990 versuchte Albert Rizzo, Angststörungen mit VR-Brillen zu therapieren. Er blieb der VR-Technologie treu, da erste Therapie-Resultate vielversprechend waren. 2005 erweiterte er sein VR-Programm von diversen Phobien auch auf posttraumatische Belastungsstörungen. Auch heute noch ist er leitender Forscher am Institute for Creative Technologies an der Universität of Southern California, wo er sich auf die medizinische Anwendung der VR-Technologie spezialisiert hat.

Die Virtual-Reality-Therapie (VRT) nutzt Software- und Hardware-Ressourcen, um eine virtuelle Umgebung zu schaffen und so Betroffenen eine simulierte Erfahrung zu ermöglichen. Eine grosse Anzahl von Phobien, wie z. B. Höhenangst, Angst vor öffentlichen Reden oder vor dem Fliegen, wird durch visuelle und akustische Reize ausgelöst. Die VRT ermöglicht es, die virtuelle Umgebung so anzupassen, dass sie sich den Reaktionen des Patienten/der Patientin bestmöglich anpasst und die phobischen Reize so genau wie möglich identifiziert.

VR-Therapie in der Schweiz: Pionierarbeit und Forschung

In der Schweiz gibt es einige Therapeuten, die mit VR-Brillen arbeiten. Christine Wyss und Christian Herbst vom Institut für Mental Health in Zürich leisten auf diesem Gebiet Pionierarbeit. Mittlerweile zeigen auch Berufskollegen grosses Interesse an dieser neuen Art der Therapie.

Auch die Universität Basel setzt auf virtuelle Realität. In ihrem neusten Forschungsprojekt wollen die Wissenschaftler die Wirkung einer Konfrontationstherapie im virtuellen Raum beweisen. Auf dem Zürcher Üetlibergturm untersuchen die Wissenschaftler zurzeit, ob eine VR-App Menschen mit Höhenangst helfen kann, ohne dass eine Therapeutin anwesend ist. Die Ergebnisse werden Ende 2018 erwartet.

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Erfolgreiche Studie zur Behandlung von Höhenangst mit VR-App

Forschende der Universität Basel haben eine Virtual Reality App für Smartphones entwickelt, um Höhenangst zu reduzieren. Die Wirksamkeit stellten sie nun mit einer klinischen Studie unter Beweis. Höhenängstliche Probanden, die mit der App insgesamt vier Stunden zuhause trainierten, konnten anschliessend mit einer realen Höhensituation besser umgehen.

Im virtuellen Training können Nutzerinnen und Nutzer schrittweise in die Höhe steigen und auf jedem Level die Ausprägung ihrer Höhenangst angeben.

Die Gruppe, die mit der App trainiert hatte, zeigte weniger Angst auf dem Turm und war in der Lage, höher in Richtung Spitze zu klettern als vor dem Training. In der Kontrollgruppe fand keine positive Veränderung statt.

Die Studienergebnisse legen nahe, dass die wiederholte Nutzung einer virtuellen Expositionstherapie auf dem Smartphone das Verhalten und das subjektive Befinden in Höhensituationen deutlich verbessern kann. Betroffene mit leichten Formen der Höhenangst können sich die kostenlose Applikation in Kürze aus gängigen App-Stores herunterladen und in Eigenregie üben.

Anwendungsbereiche der VR-Therapie

Die VR-Therapie findet Anwendung in verschiedenen Bereichen:

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  • Phobien: Angst vor Spinnen, Höhen, engen Räumen, etc.
  • Angststörungen: Soziale Ängste, Panikattacken, etc.
  • Posttraumatische Belastungsstörungen: Verarbeitung traumatischer Erlebnisse
  • Essstörungen: Unterstützung bei der Therapie
  • Schmerztherapie und Entspannung: Ablenkung von Schmerzen, Stressabbau
  • Neurologische Rehabilitation: Kognitive Therapie, Behandlung von Raumwahrnehmungsstörungen

Vorteile der VR-Therapie

Die VR-Therapie bietet eine Reihe von Vorteilen gegenüber traditionellen Behandlungsmethoden:

  • Sicherheit und Kontrolle: Der Schwierigkeitsgrad kann individuell angepasst werden.
  • Realitätsnahe Simulationen: Ermöglichen eine intensive Auseinandersetzung mit den Ängsten.
  • Zeitersparnis: Die Praxisräume müssen nicht verlassen werden.
  • Kosteneffizienz: Im Vergleich zu Medikamenten oder anderen Therapien kann die VR-Brille ein kostengünstiges Tool sein.

Hybrid-Tagesklinik in Basel setzt auf VR-Therapie

Die neue Hybrid-Tagesklinik in Basel macht sich die Digitalisierung zum Vorteil: Patient:innen können deutlich ortsunabhängiger behandelt werden. Und bei der Angsttherapie kommen VR-Brillen zum Einsatz.

Ein Schwerpunkt legt die Hybrid-Tagesklinik auf die Behandlung mittels Virtual Reality (VR). Wenn es sich anbietet, werden VR-Brillen in die Therapie eingebunden, um Ängste zu behandeln. Die Patient:innen nähern sich den angstauslösenden Situation an, sind aber zu jeder Zeit therapeutisch begleitet.

Im Hauptsitz der Klinik in Riehen wird die Therapie mit Virtual Reality bereits angewendet, um beispielsweise Platzangst, Höhenangst oder Angst vor Spinnen zu behandeln. Wer zum Beispiel Angst vor dem Autofahren hat, setzt die Brille auf und findet sich virtuell in einem Auto wieder. Dort können dann bestimmte Szenarien, wie das Fahren bei Nacht oder schlechtem Wetter durchgespielt werden. Wenn nötig kann die Therapeutin oder der Therapeut jederzeit eingreifen.

VR-Therapie in der Rehabilitation

Auch in der Rehabilitation wird die VR-Therapie erfolgreich eingesetzt. Im SZO (Standortzentrum Oberwallis) hat sich die VR-Brille nach einer Probephase als bedarfsgerechtes und individuelles Verfahren zur Schmerztherapie und Entspannung bei Rehabilitationspatienten etabliert.

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Der Einsatz der VR-Therapie richtet sich vor allem an neurologische und muskuloskelettale Patienten, die nach Operationen oder Verletzungen mit Schmerzen kämpfen. Besonders bei Patienten, die an Erkrankungen des Nervensystems oder des Bewegungsapparats leiden, spielt das Erlernen und Einüben von Entspannungstechniken eine grosse Rolle, um das vegetative Nervensystem zu beeinflussen. Auch Angst kann so abgebaut werden.

Eine Behandlungseinheit dauert in der Regel 20 Minuten. Die Patienten können in computergenerierte Welten eintauchen und dabei gezielt Schmerzen lindern und Stress abbauen. Ob die Reise auf die Malediven oder in den kalten Norden geht - sie führt die Patienten weit weg von ihrem Leid.

Herausforderungen und Zukunftsperspektiven

Obwohl die VR-Therapie vielversprechend ist, gibt es auch Herausforderungen. Viele Menschen klagen über Übelkeit, wenn sie die Brille aufsetzen, um sich in der virtuellen Welt zu bewegen. Forschende arbeiten jedoch an Lösungen, um dieses Problem zu beheben.

Das zukünftige Potenzial der VR-Therapie liegt besonders in der neurologischen Rehabilitation, der kognitiven Therapie und der Behandlung von Raumwahrnehmungsstörungen. Durch die spielerische Komponente werden hohe Bewegungsfrequenzen erreicht und verlorene Funktionen können wieder geweckt werden. Aber auch die Aufmerksamkeit wird durch hochfrequentes und spielerisches Lernen mit gezielten Lernreizen gesteigert.

Die Nutzung der VR-Brille in der Rehabilitation wird vom Team wissenschaftlich begleitet, um Daten über die Effekte auf den Genesungsprozess zu sammeln.

Ergänzende Informationen

Eine VRT kann erst nach einem Gespräch mit einem Therapeuten oder einer Therapeutin begonnen werden. Als ergänzendes Angebot ist neu eine Behandlung mit Virtual-Reality Brille möglich. Dabei kommt ein speziell für die psychologische Therapie und Beratung entwickeltes Virtual-Reality Kit der Firma Limbix zum Einsatz. Die Klientin oder der Klient begibt sich in einen virtuellen Raum. Dort können unterschiedliche Szenarien (z.B. Präsentationsangst, Höhenangst, Platzangst, soziale Ängste, Prüfungssituationen oder auch Achtsamkeit oder Entspannungsszenarien) in Begleitung durch die Beraterin oder den Berater realitätsgetreu erlebt und behandelt werden.

Workshop für Fachpersonen

Es gibt auch Workshops für Fachpersonen, die das Potenzial der virtuellen Angstbewältigung kennenlernen und für sich mit den eigenen Klienten umsetzen möchten. In solchen Workshops erfahren die Teilnehmer alles, was sie dazu wissen müssen, von der Theorie in die Praxis.

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